Bachelorarbeit, 2017
44 Seiten, Note: 1,5
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Der Wandel industrieller Arbeit
2.1 Historischer Rückblick: Drei Stufen der industriellen Revolution
2.2 Die vierte industrielle Revolution – Industrie 4.0
3 Die Industrie 4.0 als sozio-technisches System
3.1 Die Ebene des Menschen
3.1.1 Die Veränderung der Qualifikationen
3.1.2 Die Rolle der Arbeitnehmer in der Produktion
3.1.3 Die Entgrenzung
3.2 Die Ebene der Technik
3.2.1 Die Technik als Assistenz oder Ersatz
3.2.2 Der Datenschutz
3.3 Die Ebene der Organisation
3.3.1 Der Umgang mit Komplexität und Ungewissheit
3.3.2 Neue Arbeitsformen
4 Die Schnittstellen in der Industrie 4.0
4.1 Mensch – Technik
4.2 Organisation – Mensch
4.3 Technik – Organisation
5 Ausblick
6 Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildung 1: Die vier Stufen der industriellen Revolution
Abbildung 2: Technologiefelder von Industrie 4.0
Abbildung 3: Industrie 4.0 als sozio-technisches System
Abbildung 4: Schwarm-Organisation
Abbildung 5: Polarisierte Organisation
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Digitalisierung und die damit verbundene Verbreitung digitaler Technologien verändert die Arbeit in zunehmendem Maße. Folgt man der aktuellen Diskussion über mögliche Entwicklungstendenzen, so steht die Produktionsarbeit in den kommenden Jahren vor einem tiefgreifenden Wandel. Die industrielle Produktion wird sich demnach durch intelligent vernetzte Systeme noch weiter mit der Informations- und Kommunikationstechnik verzahnen. Die Bundesregierung hat dazu den Begriff „Industrie 4.0“ im Jahr 2011 entwickelt und eine gleichnamige Forschungsplattform gegründet. Der Bundesregierung zufolge steht die deutsche Wirtschaft nach der Mechanisierung durch Wasser- und Dampfkraft (erste industrielle Revolution), der Elektrifizierung durch Einführung arbeitsteiliger Massenproduktion (zweite industrielle Revolution) und der Informatisierung von Produktionsprozessen (dritte industrielle Revolution) nun vor einer vierten industriellen Revolution: der Industrie 4.0 (vgl. Ittermann/Niehaus 2015, S. 35). Das zentrale Merkmal der Industrie 4.0 ist der Einsatz von Cyber-Physischen-Systemen (CPS). Solche Systeme sind in der Lage, autonom auf externe Anforderungen zu reagieren, eigenständig Prozesse zu konfigurieren und diese zu steuern. In der Vision der flächendeckenden Durchdringung von Industrie 4.0 steuern sich dann die Aufträge selbstständig durch ganze Wertschöpfungsketten, buchen ihre Bearbeitungsmaschine, sowie ihr Material und organisieren ihre Auslieferung zum Kunden (vgl. Windelband/Dworschak 2015, S. 71). Dies wird mit Auswirkungen auf allen Ebenen des Produktionsprozesses verbunden sein und ist daher von großem arbeitssoziologischem Interesse.
Im Rahmen dieser Bachelorarbeit wird die Frage behandelt: Welche Auswirkungen hat das Zukunftsprojekt Industrie 4.0 für Arbeitnehmer in der Industrie? 1 und stelle dazu die folgende These auf: Im Rahmen von Industrie 4.0 wird es auf allen Ebenen der Arbeit elementare Veränderungen geben, die hohe Anforderungen an die Arbeitnehmer stellen werden. Diese können jedoch von einem hohen Gestaltungspotenzial profitieren und steuern letztlich weiterhin die technischen Systeme, wenn einerseits Arbeitnehmer die Bereitschaft an veränderte Arbeitsabläufe und Tätigkeiten zeigen und zum anderen technische Systeme diese Abläufe optimal unterstützen.
Um diese These zu verifizieren werde ich die Konzeption des sozio-technischen Systems auf die Industrie 4.0 anwenden. Geht man davon aus, „dass zwischen der Einführung technischer Systeme und den Konsequenzen für Arbeit eine von vielen nicht-technischen und sozialen Faktoren beeinflusste Beziehung besteht“ (Hirsch-Kreinsen 2015, S. 13), bietet sich die Konzeption des sozio-technischen Systems an, da hier vor allem der Blick auf den Gesamtzusammenhang gerichtet wird. So stehen nicht ausschließlich die technischen Aspekte im Mittelpunkt der Analyse, sondern stets in Verknüpfung mit der Organisation und dem Menschen (vgl. Weyer 2008, S. 37).
Inhaltlich wird die Arbeit mit einer Definition von Industrie 4.0 unter Rückgriff auf die vorangegangenen industriellen Revolutionen beginnen. Anschließend wird das Konzept des sozio-technischen Systems für die Industrie 4.0 dargestellt. Der Kern der Analyse besteht darin, die Veränderungen von Industrie 4.0 hinsichtlich der Dimensionen Technik, Organisation und Mensch, sowie Ihrer Schnittstellen (Mensch-Technik, Organisation-Mensch, Technik-Organisation) zu untersuchen. Hierbei wird sich zeigen, dass auf der Ebene der Technik körperlich anstrengende, aber auch einfache bzw. repetitive Arbeiten von Maschinen übernommen werden können. Des Weiteren können Arbeitsprozesse optimiert werden, indem die Mitarbeiter eine digitale Darstellung von Informationen unmittelbar im Arbeitsprozess zur Verfügung gestellt bekommen. Auf der Ebene des Menschen wird deutlich, dass die unterschiedlich gestaltete informatorische Unterstützung für jeden Mitarbeiter individuell angepasst werden kann und so ein „learning on the job“ für verschieden qualifizierte Arbeitnehmer begünstigt wird. Auf der Ebene der Organisation zeigt sich durch einen Hierarchieabbau und zunehmende Dezentralisierung zunehmend die Tendenz zu autonomen Arbeitsformen, wie der Schwarm-Organisation, mit der die kollektive Intelligenz der Gruppe genutzt werden kann. Neben den positiven Merkmalen und Chancen des Konzepts Industrie 4.0 wird auch auf die Risiken eingegangen werden. Hierbei lassen sich zum Beispiel die gesteigerten Kontrollpotenziale durch Datenschutz (Technik), die Dequalifizierung, automatisierungsbedingte Jobverluste und zunehmende Entgrenzungstendenzen anführen (Mensch). Die Dequalifizierung der Arbeitnehmer kann sich dann in einer Polarisierung zwischen operativer und dispositiver Ebene abzeichnen (Organisation).
Abschließend wird auf Basis der Chancen und Risiken die These kritisch diskutiert und bestätigt. Hierbei wird auch betont, dass das Zukunftsprojekt Industrie 4.0 ein hohes Maß an Gestaltungspotenzial aufweist, da es sich noch in seiner Anfangsphase befindet. Arbeitnehmern und Gewerkschaften bietet dies die Möglichkeit, an dem Wandel zu partizipieren, um Voraussetzungen für eine humanzentrierte Entwicklungsperspektive von Industrie 4.0 zu schaffen.
Wird die Digitalisierung industrieller Arbeit beschrieben, ist es sinnvoll einen Schritt eher anzusetzen und die Frage zu stellen, welche Bedeutung dem Begriff „Arbeit“ zugeschrieben wird. Ist in der Soziologie die Rede von „Arbeit“, existieren verschiedene Begriffsverständnisse. Folgend wird unter Arbeit ausschließlich der Bereich der Erwerbsarbeit angesprochen. Erwerbsarbeit ist die von Erwerbstätigen verrichtete, auf wirtschaftlichen Erwerb ausgerichtete Tätigkeit (vgl. Dostal 2007, S. 196). Im Bereich der Erwerbsarbeit wird in verschiedene Sektoren differenziert. Diese Bachelorarbeit konzentriert sich auf den sekundären Sektor der industriellen Erwerbsarbeit – jener Teil der Arbeit, der durch die maschinengestützte Produktion und Weiterverarbeitung von Gütern und Waren, mit einem hohen Automationsgrad gekennzeichnet ist. Der Automatisierungsgrad von Arbeit wird dabei entscheidend durch technologische Innovationen geprägt.
Die Differenzierung in vier Stufen industriegeschichtlicher Entwicklung wird in diesem Kapitel exemplarisch im Hinblick auf die Erfindung und Entwicklung von Antriebstechniken und Fertigungstechniken der Produktion dargestellt (vgl. Ittermann/Niehaus 2015, S. 35). Bei den sogenannten industriellen Revolutionen handelt es aber sich nicht bloß um technische Neuerungen, oder ausschließlich um Revolutionen der Energiebasis, sondern sie verweisen viel mehr auf Umbrüche des gesamten Produktionssystems (vgl. Müller-Jentsch 2007, S. 81f.).
Im Folgenden werden die ersten drei industriellen Revolutionen in ihren Kernpunkten kurz dargestellt (Kapitel 2.1), um darauf aufbauend das Konzept der Industrie 4.0 detailliert zu beschreiben (Kapitel 2.2).
Die industriellen Revolutionen kennzeichnen die zentralen Entwicklungslinien der letzten Jahrhunderte in der industriellen Produktion. Abbildung 1 gibt dazu einen Überblick.
Abbildung 1: Die vier Stufen der industriellen Revolution
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: (Forschungsunion/acatech 2013, S. 17) in Anlehnung an DKFI 2011
Der Industrialisierungsprozess begann Ende des 18. Jahrhunderts in England durch Veränderungen im Bereich der Energieerzeugung (siehe Abbildung 1). Die Wasserkraft, welche bis in das 18. Jahrhundert als primäre Energiequelle galt, wurde durch die Dampfkraft abgelöst (vgl. Weyer 2008, S. 140). Diese neue Technologie löste einen Modernisierungsschub aus und ermöglichte die Mechanisierung von Maschinen. Das populärste Beispiel ist der erste mechanische Webstuhl in England von Edmund Cartwright im Jahre 1784 (siehe Abbildung 1). Durch den mechanischen Antrieb des Webstuhls musste man lediglich die Maschine selbst bedienen, nicht aber mehr selbst weben. Das brachte Zeitersparnisse mit sich und in Folge dessen erhöhte sich die Produktivität. Diese technische Innovation in der Textilindustrie hat später auch das Verkehrswesen verändert. Technische Anlagen wurden standortunabhängig und begannen sich in Form von Dampflokomotiven und Dampfschiffen zu bewegen (ebd.). Dabei wurde erstmalig in der Geschichte die „Geschwindigkeit des Pferdes überschritten“ (ten Horn-van Nispen 1999, S. 113), was große Besorgnis bei Zeitgenossen auslöste. England fiel, aus wirtschaftlicher Perspektive, Ende des 19. Jahrhunderts zurück und es kam das „Phänomen des hemmenden Vorsprungs [...] zum Tragen“ (ebd., S. 114). Die englische Industrie verpasste den Übergang zur neuen Technikgeneration und beharrte auf ihren ursprünglichen Innovationen, was sich zum Vorteil für die USA entwickelte, welche folgend die Phase der zweiten industriellen Revolution geprägt haben.
Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Dampfkraft allmählich von dem elektrischen Antrieb abgelöst. Die Einführung arbeitsteiliger Massenproduktion mit Hilfe von elektrischer Energie prägte die Industrialisierung in der zweiten industriellen Revolution. Die Fließbandproduktion ermöglichte es, Waren in hohen Stückzahlen zu produzieren. Die Anfänge der Produktion mit Fließbändern zeigten sich in Schlachthöfen von Cincinnati, im Bundesstaat Ohio in den USA im Jahre 1870 (siehe Abbildung 1). Der Durchbruch in der Massenproduktion durch Fließbänder gelang jedoch später dem Autobauer Henry Ford. Seine Produktionsweise, Fordismus genannt, bestand darin, durch weitgehende Standardisierung der Einzelteile, Arbeit nach dem Fließbandprinzip und geringer Typenvarianz, die Stückzahl zu erhöhen, bei gleichzeitiger Senkung der Stückkosten (vgl. Schmidt 2013a, S. 227).2 Dieses Modell galt als die effizienteste Form der Produktion und wird daher in verschiedenen Kontexten als Inbegriff bzw. Leitbild der Industrialisierung aufgefasst (vgl. Schmidt 2010, S. 132; vgl. Funder 2010, S. 513). Die Elektro- und Elektronikindustrien haben die zweite industrielle Revolution dabei entscheidend geprägt.
Die Elektronikindustrie hat auch die dritte industrielle Revolution, unter anderem durch den Einsatz der Mikroelektronik, Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) sowie des Internets entscheidend geprägt. Die Massenproduktion und die Automation hatten weiter Bestand, wurden aber mit Beginn der 1970er Jahre mit Hilfe kleiner Speicherchips und Prozessoren automatisiert. Hirsch Kreinsen spricht in diesem Zusammenhang von der Digitalisierung industrieller Arbeit durch Informatisierung und Automatisierung der Produktion (vgl. Hirsch-Kreinsen 2015, S. 35). Unter Digitalisierung wird im Folgenden der Prozess verstanden, der durch die Einführung digitaler Technologien und darauf aufbauender Anwendungssysteme angestoßen wird (vgl. Hirsch Kreinsen 2015, S. 10).3 Im Jahr 1969 kam die erste mit dieser Technologie ausgestattete Steuerung, mit Möglichkeit zur Speicherprogrammierung zum Einsatz (siehe Abbildung 1). Seitdem werden technische Geräte in der Produktion, aber auch in produktionsnahen Bereichen, immer öfter in die Arbeitsabläufe integriert. Anfang 2011 haben beispielsweise rund 59% aller Erwerbstätigen das Internet am Arbeitsplatz genutzt (vgl. Czajka/Jechovà 2012, S. 418). Für diese Stufe der industriellen Revolution steht vor allem der Schlüsselbegriff Computer Integrated Manufacturing (CIM), welcher als Sammelbegriff für jene Tätigkeiten in Unternehmen gebraucht wird, die mit Hilfe von Computern ausgeführt werden.
Nun wird seit 2011 eine vierte industrielle Revolution mit dem Namen „Industrie 4.0“ ausgerufen. Die Digitalisierung aus der dritten industriellen Revolution spielt auch für das Konzept Industrie 4.0 eine entscheidende Rolle, daher wird die Industrie 4.0 auch als „zweite Phase der Digitalisierung“ (Hirsch-Kreinsen 2015, S. 11) aufgefasst. Auf Basis von Cyber-Physischen Systemen steht hier vor allem die Vernetzung von technischen und physischen Systemen im Fokus. Die kennzeichnenden Merkmale und relevanten Technologien werden im nächsten Kapitel ausführlich beleuchtet.
Die industrielle Arbeit steht in den nächsten Jahrzenten vor einem tiefgreifenden Wandel. Wie schon in der dritten Revolution ist die Weiterentwicklung der Technik, insbesondere der Mikroelektronik die treibende Kraft. Aufgrund der gleichen Technologiegrundlage fragen Kritiker daher, ob mit der Debatte um die Industrie 4.0 nicht nur „alter Wein in neuen Schläuchen“ (Jasperneite 2012, S. 24) aufgegossen werde.4 Es lassen sich aber zahlreiche Anhaltspunkte dafür finden, dass die Entwicklung digitaler Technologien ein Stadium erreicht hat, welches durch ein völlig neues Niveau der Produktionsautomatisierung gekennzeichnet ist (vgl. Hirsch-Kreinsen 2014, S. 5). Die Technik wird nicht nur mobil, wie zum Beispiel durch die Verwendung von Laptops und Smartphones, sondern mit physischen Gegenständen vernetzt. Diese Vernetzung beschreibt den Kern von Industrie 4.0, welche ein ganzes Bündel von Technologien, Lösungen und Anwendungen umfasst. Dieser zielt auf die Übertragung des Konzepts des ‚Internet der Dinge’ auf die industrielle Wertschöpfung und die Produktion ab (vgl. Bauer/Schlund 2015, S. 59). Das Internet der Dinge (engl. Internet of Things), als Grundlage für die Industrie 4.0, ist gekennzeichnet durch eine IT-gestützte Vernetzung, wodurch automatisch Informationen zwischen verschiedenen Maschinen, Menschen, Objekten etc. ausgetauscht werden können.
Um an diesem Wandel teilzuhaben, hat die Forschungsunion der Bundesregierung Deutschland im Jahr 2012 eine High-Tech-Strategie5, sowie eine Forschungsplattform mit dem Namen „Plattform Industrie 4.0“6 gegründet. Ziel dieser beiden Initiativen ist es, den Wettbewerbsstandort Deutschland durch einen Dialog zwischen Politik, Wirtschaft und der Öffentlichkeit, nachhaltig zu stärken, um sich im globalen Wettbewerb behaupten zu können (vgl. Bauer/Schlund 2015, S. 59). Die Gründe für die Begriffswahl der Initiatoren ist zum einen auf die vorangegangenen industriellen Revolutionen zurückzuführen. Zum anderen soll durch den Zusatz „4.0“ der digitale Bezug verdeutlicht werden, da diese Terminologie vorwiegend bei der Kennzeichnung unterschiedlicher Versionen von Software-Produkten Verwendung findet.
Es existiert zwar keine feste Definition des Begriffes Industrie 4.0. In vielen Veröffentlichungen wird aber auf die sogenannte „Arbeitsdefinition“ der Plattform Industrie 4.0 zurückgegriffen:
„Der Begriff Industrie 4.0 steht für die vierte industrielle Revolution, einer neuen Stufe der Organisation und Steuerung der gesamten Wertschöpfungskette über den Lebenszyklus von Produkten. Dieser Zyklus orientiert sich an den zunehmend individualisierten Kundenwünschen und erstreckt sich von der Idee, dem Auftrag über die Entwicklung und Fertigung, die Auslieferung eines Produkts an den Endkunden bis hin zum Recycling, einschließlich der damit verbundenen Dienstleistungen. Basis ist die Verfügbarkeit aller relevanten Informationen in Echtzeit durch Vernetzung aller an der Wertschöpfung beteiligten Instanzen sowie die Fähigkeit, aus den Daten den zu jedem Zeitpunkt optimalen Wertschöpfungsfluss abzuleiten. Durch die Verbindung von Menschen, Objekten und Systemen entstehen dynamische, echtzeitoptimierte und selbst organisierende, unternehmensübergreifende Wertschöpfungsnetzwerke, die sich nach unterschiedlichen Kriterien wie beispielsweise Kosten, Verfügbarkeit und Ressourcenverbrauch optimieren lassen.“ (Plattform Industrie 4.0 2015, S. 8)
Dieses Konzept der Industrie 4.0 profitiert von den immer kürzer werdenden Innovationszyklen in der Forschung und Entwicklung. Der Prozess von der Idee hin zur Innovation technischer Geräte wird kürzer und gleichzeitig verbreiten sich die technischen Geräte immer schneller. In Zahlen ausgedrückt zeigt sich, dass die Wachstumskurve vernetzter Geräte von rund 200 Millionen im Jahr 1995, auf rund 50 Milliarden Geräte im Jahr 2020 ansteigen wird (vgl. BITKOM/Fraunhofer IAO 2014, S. 17). Diese Entwicklung bietet sehr großes Potenzial für neue Geschäftsbereiche und Anwendungsfelder in Unternehmen. In naher Zukunft können Menschen, Maschinen, Anlagen, Logistik und Produkte dann voraussichtlich durch die Vernetzung der technischen Geräte mit Gegenständen autonom miteinander arbeiten.
Bereits heute arbeiten einzelne Unternehmen mit solchen Industrie 4.0-Konzepten, in denen dann sowohl Fertigungseinzelteile und Maschinen, als auch Mitarbeiter mit speziellen Chips ausgestattet sind, welche miteinander kommunizieren. Benutzt ein Mitarbeiter eine Maschine für die Produktion eines individuellen Kundenwunsches, können sämtliche Informationen unmittelbar über eine Datenbrille dem Mitarbeiter zur Verfügung gestellt werden. Der Mitarbeiter spart Zeit ohne Suche nach relevanten Informationen, wie zum Beispiel Stücklisten oder den zugehörigen Bauplan, da diese Informationen in Echtzeit in der Datenbrille visualisiert werden können. Zudem werden Arbeitsplätze immer stärker ergonomisch angepasst, was sich positiv auf die Gesundheit der Arbeitnehmer auswirkt. Diese Beispiele stellen Möglichkeiten dar, wie Industrie 4.0 in der konkreten Umsetzung aussehen kann. Da die Einsatzmöglichkeiten so vielfältig sind, wird die Umsetzung von Industrie 4.0 in Unternehmen individuell zu gestalten sein.
Für einen besseren Überblick über die Vielfalt von Industrie 4.0 hat der Bundesverband für Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V. (BITKOM) und das Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) die Technologiefelder aufgeführt, welche durch Industrie 4.0-Technik besonders beeinflusst werden (siehe Abbildung 2). Die Technologiefelder beeinflussen sich gegenseitig, daher ist eine eindeutige Abgrenzung nicht möglich. In den nachfolgenden Abschnitten werden diese Technologiefelder kurz vorgestellt.
Abbildung 2: Technologiefelder von Industrie 4.0
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: (BITKOM/Fraunhofer IAO 2014, S. 18)
Das Erste Technologiefeld der Embedded Systems/CPS geht auf die Vernetzung durch Cyber-Physische Systeme ein. Solche Cyber-Physischen Systeme sind eingebettete Systeme, in denen sämtliche Daten von verschiedenen Geräten, Objekten, Produkten, Maschinen und Prozessen erfasst und ausgewertet werden und auf deren Grundlage autonome Entscheidungen getroffen werden (vgl. Geisberger/Broy 2012, S. 17). Bisher passive Objekte, wie zum Beispiel Werkzeuge, werden mit Mikrocontrollern, Kommunikationssystemen, Identifikatoren, Sensoren und Aktoren versehen und somit in ein intelligentes vernetztes System eingebettet (vgl. BITKOM/Fraunhofer IAO 2014, S. 19). Ein weiteres Beispiel für die technische Einbettung in physikalische Objekte ist die Verwendung von RFID-Transpondern (radio-frequency identification) in Kleidungsstücken. So können relevante Daten über den kompletten Wertschöpfungsprozess und Produktlebenszyklus permanent erfasst werden. Mit Hilfe dieser Daten werden in der Herstellungsphase des Produkts die Auftrags-, Material- und Kommunikationsströme dezentral koordiniert und in der Nutzungsphase dienen die gesammelten Daten zur Koordination von Inspektionen, Wartungen und Instandhaltungen (ebd., S. 19). Sie werden temporär zur Erreichung eines standardisierten Ziels eingerichtet und können durch die Standardisierung variabel ausgetauscht werden.
Die Einrichtung dieser Cyber-Physischen Systeme findet in der Smart Factory (deutsch: „intelligente Fabrik“) statt. Dort werden Informationen zwischen Menschen, Maschinen und Ressourcen selbstständig ausgetauscht, verarbeitet und weiterverwendet. Ziel der Smart Factory ist es ein, Gesamtoptimum bezüglich Durchlaufzeit, Qualität und Auslastung zu erreichen (ebd., S. 20). Die Smart Factory kann unterdessen, für eine ganzheitliche Betrachtung aller Prozesse, unternehmensübergreifend in andere Wertschöpfungsketten eingebettet werden. Für Unternehmen, deren Produkte aus vielen Einzelteilen von verschiedenen Zuliefererfirmen produziert werden, wie zum Beispiel bei Kraftfahrzeugen, sind solche Informationen entlang der gesamten Wertschöpfungskette besonders wertvoll für die Planung, Steuerung und Kontrolle von Prozessen. So kann das Produkt beispielsweise drohende Verzögerungen der Lieferung antizipieren, es organisiert zusätzliche Kapazitäten oder meldet dem Kunden unvermeidbare Verspätungen (vgl. Spath et al. 2013, S. 22ff.).
Das Fundament für die Smart Factory stellen robuste Netze dar. Ohne kabel- und funkgestützte Kommunikationsnetzwerke wäre an die Industrie 4.0 nicht zu denken. Es ist daher von großer Bedeutung, dass die Datenübertragungsraten konstant hoch, unempfindlich gegenüber Störungen und in Echtzeit verfügbar sind. „Während im innerbetrieblichen Bereich vor allem Wireless Local Area Networks (WLAN) zum Einsatz kommen, kann im außerbetrieblichen Bereich auf die vorhandenen Mobilfunknetze zurückgegriffen werden“ (vgl. BITKOM/Fraunhofer IAO 2014, S. 21). Je nach Bedarf können dann auch mobile Endgeräte, wie beispielsweise Smartphones, Laptops oder Tablets in eine Smart Factory eingebunden werden.
Das nächste Technologiefeld „Cloud Computing“ geht von einer Nutzung flexibler und verteilter Software aus. Ähnlich wie bei einer Cloud für den privaten Gebrauch, in der man seine persönlichen Dateien extern über das Internet speichern kann, funktioniert auch das Cloud Computing im industriellen Bereich. Hier werden alle intelligenten Objekte, Produkte, Menschen und Maschinen innerhalb der CPS mit einer Cloud verbunden. So wird eine Möglichkeit zur Datenspeicherung, zum Angebot von Applikationen (Anwendungen und Apps) sowie zur Ausführung von Anwendungen im Intra- bzw. Internet ermöglicht (ebd., S. 21). Im Rahmen von Cloud Computing können große Datenmengen, bekannt unter dem Sammelbegriff „Big Data“ aufkommen, weil in komplexeren Anlagen viele hundert oder mehr Sensoren verbaut sein können. Je nach Übertragungsintervall entstehen dann Datenmengen, die sich mit herkömmlichen Methoden weder speichern, noch auswerten ließen. Grundlage für die Möglichkeit dieser Art von Speicherung ist das „Internetprotokoll der 6. Generation“ (IPv6). Es stellt gegenüber seinen Vorgängern einen ausreichend großen Adressraum bereit, um alle intelligenten Objekte auch eindeutig adressieren zu können (ebd., S. 21).
Das letzte Technologiefeld der Industrie 4.0 ist die „IT-Security“. Die Sicherheit der vernetzten Informations- und Kommunikationssysteme ist ein entscheidender Faktor. Bei zunehmender Vernetzung und der Speicherung sämtlicher Daten ist es gerade im Kontext aktueller Diskussionen zum Datenschutz eine wichtige Frage, wie man diese Daten adäquat schützen kann. Die Mitbestimmungsrechte für Arbeitnehmer gilt es daher im Rahmen von Industrie 4.0 in jedem Fall zu wahren (ebd., S. 22).
Nachdem wichtige Begriffe um das Konzept Industrie 4.0 mit seinen besonderen Merkmalen und relevanten Technologien im vorangegangenen Kapitel erläutert wurden, gilt es nun in diesem Kapital zu fragen, welche Konsequenzen diese disruptiven Innovationen der Industrie 4.0 für die Arbeit mit sich bringen werden.
Eine Vielzahl an Studien und Analysen legen eine Auffassung nahe, wie auch von Hirsch-Kreinsen dargestellt, die von einzem mehr oder weniger deterministischen Verhältnis zwischen technologischer Entwicklung und den Konsequenzen für die Arbeit ausgeht (vgl. Hirsch-Kreinsen 2015, S. 12). Demnach wird der Prozess von der Entwicklung bis hin zur Implementation der Technologien in Unternehmen als reibungsloser, linearer Prozess beschrieben, welcher durch die Eigenlogik technischer Innovationen determiniert ist.
Im Gegensatz dazu existieren seit der Debatte um den Technikdeterminismus der 1970er und 1980er Jahre soziologische Konzepte, die aufschlussreich darlegen, dass zwischen der Einführung technischer Systeme und den Konsequenzen für die Arbeit eine von vielen nicht-technischen und sozialen Faktoren beeinflusste Beziehung besteht (vgl. Hirsch Kreinsen 2015, S.13; vgl. Pfeiffer 2010, S. 237). Es handelt sich um einen komplexen, reziproken Zusammenhang, welcher von zahlreichen sozialen, ökonomischen und arbeitspolitischen Faktoren geprägt wird. Ihr Einfluss hängt letztlich davon ab, inwieweit die technologischen Nutzungspotenziale ausgeschöpft werden und welche Konsequenzen für die Arbeit in Folge entstehen (vgl. Evangelista et al. 2014, S. 803). Eine Analyse der Konsequenzen der Digitalisierung von Arbeit, das heißt der zunehmenden Vernetzung verschiedener Systeme, wie es für die Industrie 4.0 beschrieben wird, sollte daher konzeptionell den Blick auf den Gesamtzusammenhang der Produktion richten (vgl. Hirsch-Kreinsen 2015, S. 13).
Eine geeignete Analyse dieser Thematik ist mit dem Konzept des sozio-technischen Systems möglich, welches ursprünglich auf Forschungen von Eric Trist und Ken Bamforth des Londoner Tavistock-Institut im britischen Steinkohlebau zurückgeht. Dort hat man festgestellt, dass sich die Gestaltung eines Arbeitssystems durch ein Zusammenwirken von technischen und sozialen Subsystemen beschreiben lässt (vgl. Sydow 1985, S. 29). Später wurde diese Perspektive dann um das Subsystem der Organisation ergänzt, da die Forscher im Rahmen des sozio-technischen Ansatzes die Annahme eines technologischen Determinismus verwarfen und von einem organisatorischen Gestaltungsspielraum ausgingen. Man erkannte, dass ein sozio-technischer Wandel von Arbeitssystemen sehr häufig die Einbeziehung der gesamten Organisation erforderlich macht (ebd., S. 40).
[...]
1 Alle Personenbezeichnungen in dieser Bachelorarbeit beziehen sich ungeachtet ihrer grammatikalischen Form in gleicher Weise auf Männer und Frauen.
2 Die Grundlage dieser Form der Fließbandproduktion ist der Taylorismus, ein auf die Arbeiten von Frederick Winslow Taylor zurückführendes Konzept, welches zum Ziel hat Arbeitsbedingungen und die Arbeitsleistungen zu optimieren (vgl. Schmidt 2013b, S. 477ff.).
3 Diese Definition unterscheidet sich, von einer rein technischen Sichtweise, in der unter Digitalisierung die bloße Überführung von analogen Informationen in die digitale Speicherung, verstanden wird.
4 Internet: http://www.ciit-owl.de/uploads/media/410-10%20gh%20Jasperneite%20CA%202012-12_lowres1.pdf [zuletzt aufgesucht am 25.03.2017]
5 Internet: http://www.hightech-strategie.de/index.php [zuletzt aufgesucht am 25.03.2017]
6 Die Branchenverbände BITKOM, VDMA und ZVEI, welche Teil der Forschungsunion sind, haben die „Plattform Industrie 4.0“ im Kontext der Hannover Messe 2013 ins Leben gerufen. Internet: http://www.plattform-i40.de [zuletzt aufgesucht am 25.03.2017]
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