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Bachelorarbeit, 2019
35 Seiten, Note: 1,9
1 Einleitung
2 Soziotechnischer Wandel
2.1 Technik als strukturbildendes Element
2.2 Technik als Institution
2.3 Impulse des Wandels
2.4 Verlauf soziotechnischen Wandels
3 Industrie 4.0
3.1 Begriffseingrenzung Digitalisierung
3.2 Begriffseingrenzung Industrie 4.0
3.3 Disruption in der Industrie 4.0
3.3.1 Konzept der disruptiven Innovation
3.3.2 Disruptive Impulse der Technologiebranche
3.4 Zwischenfazit
4 Wandlungsprozesse
4.1 Industrielle Wandlungsprozesse
4.1.1 Scientific Management
4.1.2 Kritik
4.2 Gegenwärtige Wandlungsprozesse
4.2.1 Cyber-physische Systeme
4.2.2 Dezentralisierung der Produktion
4.2.3 Technische Innovationen im Vertrieb
4.3 Scientific Management in der Industrie 4.0
5 Beschäftigungsentwicklung in der Industrie 4.0
5.1 Theoretisches Konzept
5.2 Substituierbarkeit von Arbeitsplätzen
5.3 Beschaftigungsentwicklung in Deutschland
6 Fazit
7 Literaturverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In den Medien finden sich zahlreiche Berichte über die potenziellen Auswirkungen der Digitalisierung. Ihr werden Risiken und Chancen zugerechnet. Klar ist, dass die Digitalisierung das Arbeits- und Privatleben verändert. In der vorliegenden Arbeit werden industrielle Wandlungsprozesse im Rahmen der Industrie 4.0 und deren potenzieller Einfluss auf die Substitution von Arbeitsplätzen beleuchtet.
Der erste Abschnitt der Arbeit stellt die theoretische Grundlage zur Analyse von soziotechnischen Wandlungsprozessen vor. Im Weiteren wird die Wirkungsreichweite von Technologien innerhalb der Gesellschaft aufgezeigt. Im Anschluss erfolgt eine Definition der Begriffe ,Industrie 4.0' und ,Digitalisierung'. Der erste Abschnitt endet mit dem Konzept der disruptiven Innovation, da disruptive Prozesse ebenfalls soziotechnische Wandlungsprozesse anstoßen können und somit berücksichtigt werden müssen.
Der zweite Abschnitt beschäftigt sich mit industriellen Wandlungsprozessen. Als theoretische Grundlage hierfür dient das Scientific Management nach Taylor. Das erste Kapitel beleuchtet das Scientific Management und dessen Einfluss auf industrielle Produktionsprozesse. Daraufhin werden gegenwärtige industrielle Wandlungsprozesse im Rahmen der Industrie 4.0 aufgezeigt, das Kapitel handelt von Wandlungsprozessen in der Produktion und im Vertrieb. Im Anschluss werden die Prinzipien des Scientific Managements aus der Perspektive von gegenwärtigen Wandlungsprozessen beleuchtet.
Das dritte Kapitel diskutiert die Substitution von Arbeitsplätzen. Hierbei wird auf eine von Osborne und Frey im Jahr 2013 veröffentlichte Studie und die damit verbundene Diskussion eingegangen. Anschließend wird auf aktuelle Studien zur Substitution von Arbeitsplätzen in Deutschland Bezug genommen.
Ziel der Arbeit ist es, gegenwärtige industrielle Wandlungsprozesse und deren Einfluss auf die Substitution von Arbeitsplätzen aufzuzeigen.
Hinsichtlich der gesellschaftlichen Wirkungsweise von Technik finden sich in der Literatur drei verschiedene Ansätze: So wird Technik als Handlungsträger (Akteur), als strukturbildendes Element (System) oder als Institution (Regel) verstanden. Aus der Perspektive des Akteurs beeinflusst technologischer Fortschritt die Mikroebene, während der durch Technologie bedingte gesellschaftliche Wandel bei Struktur- und Institutionskonzepten auf der Meso- oder Makroebene stattfindet1. Im Folgenden werden die theoretischen Ansätze beleuchtet, die Technik als Struktur und als Institution betrachten. Auf die Perspektive, die Technik als eigenständigen Handlungsträger (Akteur) versteht, wird nicht näher eingegangen, da sie die weitreichenden sozioökonomischen Einflüsse von Technologien nicht erfassen kann und die Kernargumente lediglich Verwendung auf der Mikroebene finden.
Laut Dolata lässt sich die strukturbildende Macht von Technologien darauf zurückführen, dass einmal implementierte Technologien und die damit einhergehenden strukturellen Veränderungen nur schwer rückgängig zu machen sind und über einen längeren Zeitraum prägenden Einfluss auf soziales Handeln und Strukturen innerhalb von Organisationen ausüben. Dies wirkt sich wiederum dahingehend aus, dass soziale Effekte über einen längeren Zeitraum geformt werden. Diese gefestigten Strukturen können Einfluss auf die unterschiedlichen Lebensbereiche nehmen, uneingeschränkt davon, ob dies bei der Implementierung intendiert war oder nicht. Als Beispiel hierfür verweisen die Autoren auf die Brücken von New York nach Long Island, die niedrig gebaut wurden, sodass Busse sie nicht passieren konnten. So wurden die ärmere Bevölkerung und vor allem Farbige (die auf den Bustransport angewiesen waren) von den Stränden ferngehalten. Dieses Beispiel erscheint den Autoren für ,das Verständnis von Technik als Struktur recht instruktiv".2 Dolata und Werle sprechen davon, dass technologischer Wandel Opportunitäten schafft, die es ohne einen strukturellen Wandel innerhalb von Sektoren bzw. Unternehmen nicht gegeben hätte. So erzeugen technische Innovationen einen beträchtlichen sozioökonomischen und institutionellen Veränderungsdruck, der oftmals Sektoren revolutioniert oder zu einem Umbruch in bereits vorhandenen Strukturen führt.
Von einem ,digitalen Darwinismus" spricht Schmiech, wenn Unternehmen nicht mehr in der Lage sind, sich dem durch die Digitalisierung angetriebenen strukturellen Wandel anzupassen und somit sukzessiv Marktanteile gegenüber ihren digitalisierten Konkurrenten verlieren. So seien vor allem deutsche Unternehmen von dem zuvor erwähnten strukturellen Veränderungsdruck betroffen, da diese das Potenzial der Digitalisierung im Gegensatz zur internationalen Konkurrenz verkennen.3 Demnach können neue Technologien zur strukturellen Veränderung von Märkten, Marktbeziehungen und Nachfragemustern beitragen. Oftmals stellt die Implementierung von neuen Technologien die Funktionsfähigkeit von bereits bestehenden Systemen (Industrien, Organisationen) grundlegend infrage und erzwingt deren strukturelle Anpassung.4
Dem gegenüber steht das Konzept der Technik als Institution, wonach der Technik das Potenzial einer steuernden (verhaltensbestimmenden) Wirkung auf Individuen und Kollektive zugeschrieben wird. Davon ausgehend binden technische Prozesse (zum Beispiel Arbeitsprozesse in Fabriken) Arbeitskräfte in einen bestimmten Produktionsrhythmus ein. Laut Dolata und Werle zeigt sich die Perspektive von Technik als Institution vor allem mit Blick auf technische Standards. Technische Normen können als Verhaltensanweisungen von Nutzern gegenüber technischen Geräten werden (technische Regeln wie Gebrauchsanweisungen). Darüber hinaus definieren sie die Rahmenbedingung für den Umgang mit Technik. Bei Missachtung der Rahmenbedingungen müssen im schlimmsten Fall Funktionsprobleme erwartet werden.5 Zu den Rahmenbedingungen können zum Beispiel die Wartungsarbeiten von Maschinen oder bestimmte Mechanismen, die den Umgang mit der jeweiligen Maschine regeln, gezählt werden. Aus dieser Perspektive beeinflusst die Technik regelbasiertes Verhalten von Individuen und Kollektiven, da Technik maßgeblich die Rahmenbedingungen für den Umgang mit ihr definiert.
Ausgehend von der Implementierung grundlegend neuer Technologien und der Weiterentwicklung vorhandener Technologien können weitreichende sozioökonomische und institutionelle Anpassungsprozesse die Folge sein. Technologie kann als eigenständiger Impulsgeber des Wandels und somit als treibende Kraft verstanden werden. Für eine differenzierte Betrachtungsweise unterscheiden Dolata und Werle zwischen der Ebene der kollektiven Wahrnehmung und kognitiven Verarbeitung sowie der Ebene der Akteure und der Ebene der Interaktionsmuster. Als Beispiel verweisen sie auf den von der Gentechnik ausgelösten Wandel der Pharmakonzerne von ihrer chemischen Ausrichtung hin zur biotechnologischen Spezialisierung. So ist der Technik die ,sukzessive Veränderung von kollektiven Wahrnehmungen und Leitorientierung, die zum Teil mit gravierenden organisatorischen, strukturellen und institutionellen Veränderungen einhergehen"6, geschuldet, während auf der Ebene der Akteure und Interaktionsmuster die betroffenen Akteure unter Druck gesetzt werden (digitaler Darwinismus), sodass sie ihre ,Handlungsorientierung, strategischen Ausrichtungen und Organisationsmuster [.] uberdenken und neu justieren"7 müssen. Zudem heben die Autoren hervor, dass darüber hinaus Opportunitäten für die Etablierung neuer Akteure geschaffen werden, wodurch sich bestehende Monopole verschieben können und neue Konstellationen der Akteure (Marktteilnehmer) innerhalb des Sektors geschaffen werden können. Ein Beispiel hierfür ist der Automobilsektor, in dem die massive Veränderung des Marktes unter anderem durch die Implementierung neuer Technologie (Elektroautos) bedingt wurde. Der technologische Fortschritt erzwang eine strukturelle Anpassung der bereits etablierten Marktteilnehmer, indem ihre eigene Produktion im Bereich der Elektroautos angepasst wurde, um im digitalen Darwinismus nicht zu unterliegen. Darüber hinaus führte der technologische Fortschritt dazu, dass sich der Markt und das Nachfragemuster veränderten, sodass sich beispielsweise das Unternehmen Tesla etablieren konnte, was zu einer Verschiebung der Konstellationen im Automobilsektor führte.
Somit ist aus beiden Sichtweisen (Struktur und Institution) festzuhalten, dass implementierte Technologien weitreichende Handlungsbedingungen konstituieren und Rahmenbedingungen für den Umgang mit Technologie definieren können, die von betroffenen Individuen und Kollektiven berücksichtigt werden müssen. Technischer Fortschritt legt ,distinkte, nicht beliebig variierbar industrielle, politische, gesellschaftliche Moglichkeiten [.]"8 nahe, da es sich oftmals um eine effizientere Alternative gegenüber bereits etablierter Technologie handelt.
Für eine differenzierte Betrachtungsweise unterscheidet Dolata den sektoralen Veränderungsdruck zwischen intrinsischen und extrinsischen technologischen Innovationen. So lassen sich Sektoren finden, die keine eigenen technischen Innovationen hervorbringen (zum Beispiel der Versicherungssektor oder Finanzsektor) und dementsprechend auf sektorextern entwickelte Informations- und Kommunikationstechnologien zurückgreifen müssen. Das bedeutet, dass sektorextern entwickelte Technologien weitreichend sozioökonomisch an der Strukturierung von Sektor mitgewirkt haben.9 Als Beispiel hierfür lässt sich der Mediensektor anführen, der laut Wolff und Göbel10 einer der am stärksten von exogener Technologie beeinflussten Sektoren ist. Je stärker der zu untersuchende Sektor von anderen Sektoren abhängig ist, desto weitreichender können die extrinsischen Impulse ausfallen. Dem gegenüber stehen sektorspezifische intrinsische Impulse, wonach technologische Innovationen und die damit einhergehende Veränderung auf den zu untersuchenden Sektor zurückzuführen ist. Dolata führt auf, dass vor allem die ,wachsende Komplexität von Mikroprozessoren [.] immer hohere Anforderungen an Unternehmen bildet und den Ausgangspunkt einer permanenten Neujustierung des Sektors, seiner Akteure und Netzwerkstrukturen"11 bedingt. Entsprechend lässt sich die Veränderung des Sektors der Mikroprozessoren auf intrinsische Impulse zurückführen.
Prozesse des soziotechnischen Wandels verlaufen in unterschiedlicher Form abhängig davon, um welchen sektorspezifischen Wandel es sich handelt. Für gravierenden soziotechnischen Wandel lassen sich keine schnellen und radikale Umbrüche als maßgebliche Faktoren feststellen. Es handelt sich um eine Vielzahl gradueller Transformationsschritte, die in einem soziotechnischen Wandel resultieren.12 So ist die Digitalisierung bzw. Industrie 4.0 kein Phänomen oder Prozess mit definierten Zeitpassagen, sondern ein sich stetig entwickelnder und nicht endender Prozess. Rückblickend ist es sinnvoll, die Entwicklungsstufen des technologischen Fortschritts in einzelne Phasen und Meilensteine zu unterteilen, ähnlich der Unterteilungen der industriellen Revolutionen. Durch den technologischen Fortschritt werden sukzessive Organisationen, Strukturen oder allgemein Institutionen und Sektoren verändert. Die technologischen Umbrüche münden allerdings nicht zwangsläufig in neue Entwicklungspfade, sondern sind oftmals von Zweckoffenheit und vielseitiger Verwendbarkeit gezeichnet, wodurch weitere Entwicklungspfade entstehen können.13 So wurden mit der Einführung von Smartphones nicht nur verschiedene Sektoren und Institutionen revolutioniert. Aufgrund der vielseitigen Verwendbarkeit und Zweckoffenheit von Anwendungsprogrammen (Applications/Apps) ist abseits eines neuen Marktes für Anwendungsprogramme ein Raum für weiterführende Entwicklung und Innovationen entstanden. Auf Basis der stetigen Entwicklung lässt sich soziotechnischer Wandel als ein vielschichtiger und langgestreckter Prozess und damit als Ablauf von Vorgängen mit zeitlichen Unterbrechungen verstehen und nicht als Ergebnis eines einmaligen beziehungsweise radikalen Umbruchs.14
In den Medien finden sich für den Begriff der Industrie 4.0 unterschiedliche Definitionen und Assoziierungen. Oftmals wird die Industrie 4.0 mit dem Begriff der Digitalisierung in Verbindung gebracht. Sie wird hierbei als wesentliches Element und als treibende Kraft des strukturellen Umbruchs verstanden. Hierbei wird auch vom ,Internet der Dinge' gesprochen. In diesem Kapitel erfolgt eine Begriffsabgrenzung der Industrie 4.0 vom Begriff der Digitalisierung, dadurch soll verdeutlicht werden, dass sich die Industrie 4.0 nicht ausschließlich auf die Digitalisierung von Informationen und auf die Automatisierung von Arbeitsprozessen reduzieren lässt. Im Anschluss wird das Konzept der disruptiven Innovation in Zusammenhang mit Industrie 4.0 beleuchtet.
[...]
1 Vgl. Dolata/Werle (2007), S. 17 ff.
2 Dolata/Werle (2007), S. 19.
3 Vgl. Schmiech et. al. (2018), S. 2-18.
4 Vgl. Dolata/Werle (2007), S. 18 ff.
5 Ebd., S. 20.
6 Ebd., S. 22.
7 Ebd., S. 22.
8 Ebd., S. 23.
9 Vgl. Dolata (2011), S. 56.
10 Vgl. Schmiech (2018), S. 3.
11 Vgl. Dolata (2011), S. 45.
12 Vgl. Dolata/Werle (2007), S. 34.
13 Ebd., S. 35.
14 Vgl. Dolata (2011), S. 150ff.