Bachelorarbeit, 2019
42 Seiten, Note: 1,0
1. Abstract
2. Einleitung
3. Theoretischer und fachdidaktischer Hintergrund
3.1 Fachliche Klärung
a. Wirkungsweise von Geschlechtshormonen
b. Weiblicher Menstruationszyklus mit und ohne Einfluss der Anti-Baby-Pille
3.2 Verortung im Bildungsplan
3.3 Didaktische Analyse
3.4 Didaktische Reduktion
a. Fachdidaktisches Triplett
b. Schülervorstellungen
c. Sektorale und Strukturelle Reduktion
3.5 Kompetenzen
a. Inhaltsbezogene Kompetenzen
b. Prozessbezogene Kompetenzen
c. Resultierende Lernziele
4. Planung und Durchführung zweier Unterrichtsstunden im Themengebiet Fortpflanzung und Entwicklung
4.1 Hintergrund: Unterrichtsplanung
a. Direkte Instruktion
b. Kooperatives Lernen
4.2 Unterrichtsstunde 1: Geschlechtshormone und ihre Wirkung
4.3 Unterrichtsstunde 2: Weiblicher Menstruationszyklus mit und ohne Einfluss der Pille .
4.4 Besonderheiten im Unterrichten des Themengebiets Fortpflanzung und Entwicklung
4.5 Eigene Wahrnehmung und Hypothesenbildung
5. Quantitative Analyse der Unterrichtsstunden
5.1 Hintergrund und Hypothesenbildung
5.2 Material und Methoden
5.3 Gütekriterien
5.4 Ergebnisse
a. Vergleich der Fragen
b. T-Test
c. Reliabilität - Cronbachs Alpha
5.5 Diskussion
a. Vergleich der Fragen
b. T-Test
c. Reliabilität - Cronbachs Alpha
6. Fazit
7. Literaturverzeichnis
Bei der Planung und Durchführung von Unterricht steht immer die Frage nach der Unterrichtsqualität im Vordergrund. Ein Unterricht soll wirksam sein, die Schülerinnen und Schüler erreichen aber auch kognitiv fordern. Der Weg zu einem qualitativ hochwertigen Unterricht kann unterschiedlich sein und je nach Situation variieren. Dabei spielt auch die Wahl der passenden Unterrichtsmethode eine entscheidende Rolle.
In dieser Arbeit wurden zwei bekannte Unterrichtsmethoden - Direkte Instruktion und Kooperatives Lernen - verglichen und untersucht, welche für den Sexualkundeunterricht am Gymnasium besser geeignet ist.
Anhand einer quantitativen Analyse von zwei Unterrichtsstunden konnte gezeigt werden, dass die Schülerinnen und Schüler die Unterrichtsqualität unter der Methode des kooperativen Lernens als qualitativ hochwertiger bewerten.
„Fachdidaktik ist die Bezeichnung für wissenschaftliche Disziplinen, deren Gegenstände in Forschung, Lehre und Entwicklung fach- bzw. domänenspezifische Lernprozesse sind“ (FACHDIDAKTIK).
Fachdidaktiken bieten Hilfeleistung, wie ein wissenschaftliches Thema unterrichtet werden kann. Diese Arbeit soll sich daher mit der fachdidaktischen Sicht auf ein spezifisches Thema auseinandersetzen, das meiner Meinung nach am meisten Besonderheiten und Komplexitäten im Lehren aufzeigt und daher mit großer Sorgfalt angegangen werden muss. Bei dem Thema handelt es sich um Sexualerziehung, welches dem Themengebiet Fortpflanzung und Entwicklung untergeordnet ist. Ziel dieser Arbeit ist zu zeigen, wie wichtig eine schulische Sexualbildung für die Schülerinnen und Schüler ist. Außerdem sollen Besonderheiten im Unterrichten dieses Themengebiets vorgestellt werden und Anregungen in Bezug auf die Wahl einer passenden Unterrichtsmethode gegeben werden.
Im ersten Teil erfolgt eine Darstellung des theoretischen und fachdidaktischen Hintergrunds, die das Thema zunächst im Bildungsplan verortet. Anschließend findet eine didaktische Analyse und Reduktion statt. Dabei werden zunächst fachdidaktische Begriffe und wichtige Modelle ausführlich erläutert und anschließend detailliert auf den Sexualkundeunterricht bezogen. Im zweiten Teil werden Besonderheiten, die bei der Planung und Durchführung von Unterrichtsstunden in diesem Thema beachtet werden müssen, beschrieben. Außerdem werden zwei Unterrichtsstunden (Geschlechtshormone und ihre Wirkung und weiblicher Menstruationszyklus mit und ohne Einfluss der Pille), die ich selbst gehalten habe, vorgestellt. Die erste Unterrichtsstunde orientiert sich an der Unterrichtsmethode der direkten Instruktion und ist somit lehrerzentrierter und durchgeplanter. Die zweite Stunde hingegen orientiert sich an der Unterrichtsmethode des kooperativen Lernens. Sie stellt den Schüler ins Zentrum und bietet mehr Freiraum, um auf Wünsche und Anregungen der Schülerinnen und Schüler einzugehen. Mit einer abschließenden quantitativen Analyse durch Evaluationsbögen wurden die beiden verwendeten Unterrichtsmethoden verglichen. Es wurde untersucht in welcher Unterrichtsstunde die Lernenden die Unterrichtsqualität als hochwertiger bewerten. Die Arbeitshypothese „In Unterrichtsstunden zum Thema Sexualerziehung, sehen Schülerinnen und Schüler eine signifikant höhere Unterrichtsqualität in Unterrichtsstunden, die sich an der Unterrichtsmethode des kooperativen Lernens orientieren als in Unterrichtsstunden die sich an der Unterrichtsmethode der direkten Instruktion orientieren“ konnte bestätigt werden.
Das Hormonsystem spielt zusammen mit dem Nervensystem eine entscheidende Rolle bei der Kommunikation und Regulation von Organismen. „Hormone erhalten die Homöostase aufrecht, vermitteln Reaktionen auf Umweltreize und regulieren Wachstum, Entwicklung und Fortpflanzung.“ (Campbell, 2009, S. 1184). Zudem sind sie für Merkmale des äußeren Erscheinungsbildes verantwortlich, durch das sich Kinder, Jugendliche und Erwachsene unterscheiden lassen. Alle Hormone gehören zur Gruppe der sezernierten Substanzen, die als Signalmoleküle Informationen zwischen den Zellen eines Lebewesens übertragen. Binden sie an passende Rezeptorproteine in oder auf den Zielzellen, lösen sie eine spezifische Reaktion aus. Hormone werden von endokrinen Zellen in die extrazelluläre Flüssigkeit abgegeben und vom Blut zu ihren Zielzellen transportiert. Liegen endokrine Zellen gehäuft in Organen vor, spricht man von endokrinen Drüsen. Auch endokrine Drüsen geben ihre Hormone direkt in die umgebende Flüssigkeit ab und unterscheiden sich darin von exokrinen Drüsen, die Ausführgänge besitzen und ihre Produkte so an die Körperoberfläche oder in Körperhöhlen abgeben.
Anhand von Struktur und Syntheseweg werden Hormone in verschiedene chemische Klassen unterteilt.
Während Proteine und einige Amine zu den wasserlöslichen Hormonen gehören, zählen Steroide, darunter Sexualhormone, sowie andere Amine zu den fettlöslichen Hormonen. Geschlechtshormone können also auf Grund ihres fettlöslichen Charakters ungehindert durch die Membran endokriner Zellen diffundieren. Sie bleiben außerdem während ihres gesamten Transports im Blut an Transportproteine gebunden. Ihre Rezeptoren befinden sich im Cytosol der Zielzellen. Nachdem das Hormon in die Zielzelle hineindiffundiert, bildet es mit dem intrazellulären Rezeptor einen Hormon-Rezeptor-Komplex, der in den Zellkern wandert. Der Komplex tritt im Zellkern mit der DNA in Wechselwirkung und steuert so spezifisch die Gentranskription. Abbildung 1 zeigt noch einmal den Weg von Geschlechtshormonen aus der extrazellulären Flüssigkeit in den Zellkern.
Um Informationen aus der Umgebung zu erhalten, arbeitet das Hormonsystem eng mit dem Nervensystem zusammen. Der Hypothalamus stellt dabei die oberste Kontrollinstanz dar. Er ist eine von mehreren endokrinen Drüsen im Gehirn und „nimmt Informationen von Nerven aus dem gesamten Körper und anderen Gehirnteilen auf und löst endokrine Signale aus." (Campbell, 2009, S. 1194). Die Signale aus dem Hypothalamus wandern zur Hypophyse, einer Drüse die an seiner Unterseite angebracht ist. Sie ist unterteilt in Hypophysenhinter- und vorderlappen. Der Hypophysenhinterlappen (Neurohypophyse) ist eine Fortsetzung des Hypothalamus und schüttet zwei Neurohormone, Oxytocin und das antidiuretische Hormon (ADH) aus. Der Hypophysenvorderlappen (Adenohypophyse) hingegen entwickelte sich aus einer Gewebefalte im Dach des embryonalen Gewebes. Er wird von Releasing- oder Inhibiting-Hormonen aus dem Hypothalamus reguliert. Diese Hormone begünstigen oder hemmen wiederum spezifisch die Ausschüttung weiterer Hormone.
Dieses stufenweise Verfahren lässt sich auch auf Geschlechtshormone beziehen. Geschlechtshormone beeinflussen speziell Wachstum, Entwicklung, Fortpflanzung und Sexualverhalten und werden hauptsächlich in den Gonaden von Frau (Eierstöcke) und Mann (Hoden) produziert. Beide Geschlechtsdrüsen produzieren und sezernieren die drei Hauptgruppen von Steroidhormonen - Androgene, Östrogene und Gestagene - jedoch in unterschiedlichem Mengenverhältnis. Damit sie produziert werden, müssen zunächst die GnRH-Neuronen im Hypothalamus Gonodotropin-releasing-Hormone (GnRH) ausschütten. Diese sorgen für eine Ausschüttung der Gonotropine: das Follikelstimulierende Hormon (FSH) und das Luteinisierende Hormon (LH) aus dem Hypophysenvorderlappen. Anschließend werden bei der Frau in den Ovarien vor allem Östrogene und Gestagene und beim Mann in den Hoden vor allem Androgene produziert. „Die Östrogene mit dem Östradiol als wichtigstem Vertreter halten die weiblichen Fortpflanzungsorgane in Stand und sorgen für die Entwicklung der weiblichen sekundären Geschlechtsmerkmale.“ (Campbell, 2009, S. 1206). Die Gestagene, vor allem Progesteron, sind hauptsächlich an der Vorbereitung und Erhaltung des Uterusgewebes beteiligt. Dieses ist für das Wachstum und die Entwicklung eines Embryos notwendig.
Damit ein solcher Mechanismus nicht überhandnimmt, werden Hormonkreise durch negative Rückkopplungsschleifen reguliert. Rückkopplungsschleifen sind charakteristisch für Steuerkreise und verbinden die Reaktion mit dem anfänglichen Reiz. Im Fall von einer negativen Rückkopplung verringert die Reaktion den anfänglichen Reiz.
(Campbell, 2009, Kapitel 41, S. 1183 - 1210)
Die weiblichen Geschlechtshormone steuern auch den wichtigsten Vorgang, der die Geschlechtsreife der Frau signalisiert - den Menstruationszyklus.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb 2: Entwicklung von Eizelle, Hormo-nen und Gebärmutterschleimhaut wäh-rend des Zyklus (Demel, 2012)
Darunter „versteht man die periodischen Veränderungen der Gebärmutterschleimhaut, und die dazu synchron verlaufende Heranreifen einer Eizelle im Ovar." (Högemann). Der Menstruationszyklus beginnt am ersten Tag der Blutung und endet mit dem letzten Tag vor der nächsten Blutung. Der Modellzyklus dauert 28 Tagen, wobei die Ovulation (Eisprung) am 14. Tag stattfindet.
Anhand des Modellzyklus, kann der Zyklus in vier Phasen eingeteilt werden. In der ersten Phase (5. bis 14. Zyklustag), der Proliferationsphase bewirkt FSH die Reifung eines Follikels mit enthaltener Eizelle im Eierstock. Gleichzeitig sorgt Östrogen für die Regenration der in der vorherigen Blutung abgestoßenen Gebärmutterschleimhaut (Endometrium), sowie die Öffnung des Gebärmutterhalses (Zervix) und eine Verflüssigung des Zervixschleims. „Zwischen dem 12. und dem 14. Zyklustag wird der Eisprung durch einen Abfall des Östrogenspiegels und einen Anstieg der Hormone FSH und LH ausgelöst und das Ei vom Eileiter aufgenommen.“ (Högemann). Findet innerhalb von 24 Stunden keine Befruchtung statt, stirbt die Eizelle ab. Die Sekretionsphase beginnt am 15. Zyklustag und endet am 24. Zyklustag. Aus dem ehemaligen Follikel entsteht der Gelbkörper (Corpus Luteum). Unter Einfluss von LH produziert er das Gestagen Progesteron, welches die Gebärmutterschleimhaut weiter verdickt. Die Zervix verengt sich wieder und wird durch eingedickten Zervixschleim verschlossen. „Progesteron führt durch seinen thermogenetischen Effekt außerdem zu einer Erhöhung der Basaltemperatur“ (Högemann). Wenn eine Befruchtung stattgefunden hat, findet nun die Nidation (= Einnistung des frühen Keims in die Uterusschleimhaut) statt. Ab dem 25. Zyklustag schließt sich die Ischämische Phase an. Ohne Befruchtung der Eizelle bildet sich der Gelbkörper zurück, woraufhin der Progesteronspiegel sinkt. Auf Grund des Mangels an Progesteron bildet sich auch die Gebärmutterschleimhaut zurück. Durch Kontraktionen der Muskeln der Gebärmutterwand (Myometrium) und Verengungen der Gefäße kommt es zu einer mangelnden Durchblutung (Ischämie) der Schleimhaut. Vom ersten bis vierten Zyklustag erfolgt die vierte Phase, die Desquamationsphase. „Die funktionale Zone der Gebärmutterschleimhaut [wird] enzymatisch abgebaut und mit ca. 50 ml Blut durch Kontraktion des Myometriums abgestoßen.“ (Högemann). Aus der zurückgebliebenen Wundfläche bildet sich in der anschließenden Proliferationsphase die Schleimhaut. (Högemann)
Wie eben erwähnt, kann nur ein Embryo entstehen, wenn die Befruchtung zum richtigen Zeitpunkt stattfindet. Für Paare, die noch keine Kinder bekommen möchten, gibt es auch Möglichkeiten, eine Schwangerschaft zu verhindern. Neben nicht-hormonellen Verhütungsmitteln (Kontrazeptiva) wie dem Kondom, gibt es auch hormonelle Verhütungsmittel, die in den Hormonhaushalt der Frau eingreifen. Dazu zählt auch eines der gebräuchlichsten Verhütungsmittel, die Anti-Baby-Pille für die Frau. Sie muss regelmäßig oral zu sich genommen werden und kann nach enthaltenen Hormonen in Minipille und Mikropille eingeteilt werden. Während die Minipille nur Gestagene enthält und nicht als Ovulationshemmer, sondern auf Zervixschleim, Endometrium und die Tuba Uterina wirkt, sind Mikropillen Kombinationspräparate aus Östrogenen und Gestagenen. (Abels)
Die häufiger verschriebene Mikropille greift in den Hormonzyklus der Frau ein und verhindert das Heranreifen einer Eizelle im Eierstock sowie den Eisprung. Durch das Vorhandensein der künstlich zugenommenen Hormone wird die Gonodotropin-Ausschüttung im Hypothalamus gestoppt (negative Rückkopplung). Die Eierstöcke produzieren kein körpereigenes FSH und LH mehr und die Signale, die sonst den Eisprung auslösen werden durch die Einnahme der Pille verhindert. Da keine Eizelle heranreift und der monatliche Eisprung ausbleibt, kann es zu keiner Befruchtung kommen und eine Schwangerschaft nicht eintreten. Zudem unterdrückt die Mikropille den Aufbau der Gebärmutterschleimhaut, sodass zusätzlich das Einnisten einer befruchteten Eizelle unmöglich wird. „Außerdem stellt sie einen zähflüssigen und für Spermien undurchlässigen Schleimtropf während des gesamten Zyklus am Gebärmutterhals sicher.“ (Iconomic, 2019). Dieser dreifache Schutz bietet daher für Frauen eines der sichersten Verhütungsmittel. (Iconomic, 2019)
Der Bildungsplan 2016 ordnet das Thema Fortpflanzung und Entwicklung (3.2.2.3) dem Thema Humanbiologie (3.2.2) unter und situiert es in Klasse 7/8.
Die genaue Verortung der Themen meiner Unterrichtsstunden in den Bildungsplan, war nicht ganz eindeutig. Der Bildungsplan listet das Thema Geschlechtshormone und ihre Wirkung separat nicht auf (Abb. 1). Es ist allerdings unumgänglich für die Schülerinnen und Schüler, um die weiteren Themen wie „(1) die Befruchtung und die Entstehung eines Embryos aus einer befruchteten Eizelle durch Zellteilung und Zelldifferenzierung beschreiben“, „(3) verschiedene Methoden der Empfängnisverhütung vergleichen und beurteilen“ oder „(5) unterschiedliche Formen der sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität wertfrei beschreiben“ zu verstehen. Auch der weibliche Menstruationszyklus steht wortwörtlich nicht im Bildungsplan, er ist aber ebenfalls notwendig, um Grundprinzipien der Fortpflanzung und Entwicklung zu verstehen. Er findet sich in den Unterpunkten „(1) die Befruchtung und die Entstehung eines Embryos aus einer befruchteten Eizelle durch Zellteilung und Zelldifferenzierung beschreiben“, „(2) die wichtigsten Entwicklungsschritte der Schwangerschaft (Einnistung, Embryo, Fetus, Geburt) und Folgen äußerer Einflüsse“, sowie „(3) verschiedene Methoden der Empfängnisverhütung vergleichen und beurteilen“ wieder. Auf Unterpunkt (3) wird außerdem detailliert eingegangen, da die Wirkungsweise der Pille auch im Unterricht besprochen wird und Raum für weitere Schülerfragen diesbezüglich gegeben wird. (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, 2016)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Lernziele für das Thema Fortpflanzung und Entwicklung im Biologieunterricht an Gymnasien in der 7./8. Klasse (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, 2016)
Bildung ist der „Prozess der Auseinandersetzung des Individuums mit seiner Umwelt, in dem es sich die Welt und sein Selbst verstehend erschließt.“ (Klafki, 1980). Zu umfassender Bildung gehört auch der Biologieunterricht, der Einsicht in die Grundphänomene des Lebendigen und die Stellung und Rolle des Menschen in der Natur geben soll und somit das Selbst- und Weltverständnis fördert. Neben Beiträgen zur Allgemeinbildung sind außerdem spezielle Aspekte der biologischen Bildung wie Umwelterziehung und Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema im Unterricht. (Kattmann, 2018, S. 24 - 26) Des Weiteren nimmt der Biologieunterricht innerhalb der Naturwissenschaften eine besondere Stellung ein, denn er verbindet Natur- und Sozialwissenschaften und ist daher zentral für fächerübergreifende Aufgaben wie Sexualerziehung, Gesundheitserziehung und Umwelterziehung. (Kattmann, 2018, S. 144)
Sexualerziehung ist deshalb so wichtig, da Sexualität beim Menschen neben biologischen auch eine persönliche, soziale und kulturelle Funktion hat (Etschenberg, 2018, S. 157). Menschen sind sich in der Regel ihrer Sexualität bewusst und können ihr Sexualverhalten steuern und reflektieren und sind daher, im Gegensatz zu Tieren, für ihre Sexualverhalten verantwortlich. (Etschenberg, 2018, S. 157 - 158) Sexualbildung ist also unumgänglich für die schulische Bildung und meint „den Umgang mit der eigenen Sexualität, mit der Sexualität anderer und mit Sexualität als kulturell-gesellschaftliches Phänomen einschließlich medial dargestellter Sexualität.“ (Etschenberg, 2018, S. 159). Das Thema wird zwar auch in anderen Fächern angesprochen, ist aber dennoch zentral für den Biologieunterricht, da Sexualität als Bestandteil von Fortpflanzung ein Phänomen der Natur ist und die Humanbildung viel Wissen liefert, das für einen aufgeklärten Umgang mit menschlicher Sexualität nötig ist. (Etschenberg, 2018, S. 159)
In der didaktischen Analyse, dem Kernstück der Unterrichtsvorbereitung, sollen nun einzelne Unterrichtsinhalte begründet und mit Hinblick auf die konkrete Unterrichtsplanung strukturiert werden. Für die didaktische Analyse eines konkreten Unterrichtsinhaltes, ernannte Klafki drei Leitfragen, die dessen Relevanz begründen sollen. Bei der Frage nach der (1) Gegenwartsbedeutung geht es darum, welche Bedeutung der Inhalt, beziehungsweise die an diesem Thema zu gewinnende Erfahrung, Erkenntnis oder Fertigkeit bereits jetzt im Leben der Kinder hat. Fragen wir nach der (2) Zukunftsbedeutung, geht es um die Bedeutung des Themas für die Zukunft der Kinder und die (3) exemplarische Bedeutung beschäftigt sich mit dem exemplarischen Wert des Inhalts. (Alfter & Seidel)
Das Themengebiet Fortpflanzung und Entwicklung lässt sich mit Klafki’s Leitfragen gut begründen. Die (1) Gegenwartsbedeutung ist gegeben, da bei vielen Schülerinnen und Schülern in der 7./8. Klasse bereits die Pubertät beginnt. Fragen, die die Entwicklung des eigenen Körpers, des anderen Geschlechts und auch die eigene Sexualität betreffen, rücken immer mehr in den Vordergrund. Es ist ein besonders sensibles Thema, das Lernende eventuell weniger mit ihren Eltern oder generell besprechen wollen und können. Der Biologieunterricht kann dabei wichtige Hilfe leisten und Erklärung sowie Aufklärung liefern. Er muss daher Offenheit bieten und Raum für Schülerfragen lassen. Zudem ist das Thema Fortpflanzung und Entwicklung sehr greifbar für die Schüler, was es zusätzlich zur Aktualität sehr interessant und motivierend macht. Auch die (2) Zukunftsdeutung lässt sich eindeutig begründen. Sexualität, Partnerschaft und Liebe wird im ganzen Leben der Schülerinnen und Schüler eine wichtige Rolle spielen. Es ist daher umso relevanter, dass sie über Möglichkeiten der Empfängnisverhütung sowie über Risiken sexuell übertragbarer Krankheiten informiert sind. Außerdem ist es wichtig, den Lernenden Toleranz gegenüber unterschiedlicher Sexualitäten und Respekt vor dem anderen Geschlecht zu lehren, um ein verantwortungsvolles Denken und Handeln zu fördern. Der (3) exemplarische Wert des Themas besteht darin, dass sowohl die Steuerung der Hormone, sowie der Menstruationszyklus in einem typischen biologischen Regelkreis verlaufen. Schülerinnen und Schüler bekommen einen Einblick in das Thema Steuerung und Regelung und lernen die negative Feedback-Hemmung kennen.
Biologiedidaktik beschäftigt sich mit dem Lehren und Lernen von Biologie. Die fachdidaktische Aufgabe besteht darin, Vorstellungen der Lernenden mit den Bereichen der Wissenschaft zusammenzubringen. (Gropengießer & Kattmann, 2018, S. 16) Dazu haben eine Oldenburger Arbeitsgruppe der Biologiedidaktik und eine Kieler Arbeitsgruppe der Physikdidaktik das Modell des fachdidaktischen Tripletts erstellt, welches das Lehren und Lernen fachlicher Inhalte optimieren soll. (Kattmann et al., 1997) Dieses Modell liefert nicht nur Hinweise für die Forschung, sondern eignet sich auch für die alltägliche Unterrichtsplanung. (Rutke, 2006, S. 13) Grundlage ist eine primär moderat konstruktivistische Sichtweise des Wissenserwerbs, die sozial-konstruktivistische Aspekte miteinbezieht (Duit 1996, 145). Im Zentrum stehen die Lernenden, die sich ihr Wissen aktiv und selbstgesteuert konstruieren. Ausgangspunkt für diese Konstruktion sind existierende Schülervorstellungen. Die „ideosynkratischen Konstruktionsprozesse sind [zudem] immer eingebunden in einen sozialen Kontext." (Duit, 1996, S. 147).
Abbildung 3 zeigt das Modell des fachdidaktischen Tripletts. Im empirischen Teil (Lernpotenzial-Erhebung) werden die Vorstellungen der Lernenden erhoben und im analytischen Teil (Fachliche Klärung) wird geklärt, welche wissenschaftlichen Aussagen für das Thema relevant sind. (Gropengießer & Kattmann, 2018, S. 16) Diese beiden Bereiche werden zueinander in Beziehung gesetzt und sorgen dafür, dass in der didaktischen Strukturierung, dem Planungsprozess des Unterrichts „die Gegenstände des Lernens [..] nicht vom Wissenschaftsbereich vorgegeben, [sondern] [...] vielmehr in pädagogischer Zielsetzung erst hergestellt, d.h. didaktisch rekonstruiert werden." (Gropengießer & Kattmann, 2018, S. 19). Fachlich geklärte Aussagen müssen außerdem in lebensweltliche, individuale, gesellschaftliche, wissenschaftshistorische und -theoretische, erkenntnistheoretische und ethische Zusammenhänge eingebettet werden. (Kattmann, 2007, S. 4).
[...]
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