Bachelorarbeit, 2019
41 Seiten, Note: 2,7
1. Einleitung
2. Die griechische Paideia und das Christentum
3. Allgemeine frühchristliche Erziehung
3.1 Die Erziehungsziele
3.2 Der Besuch der Schule
3.2.1 Tertullians De Idololatria
4. Die Erziehungsmaßnahmen
5. Frühchristliche Erziehung an Jungen
5.1 Die Regula Benedicti
6. Frühchristliche Erziehung an Mädchen
6.1 Hieronymus und sein Erziehungsdenken
6.2 Gregor von Nyssa und die Vita Macrinae
7. Fazit
8. Bibliographie
8.1 Abkürzungsverzeichnis
8.2 Quellenverzeichnis
8.3 Literaturverzeichnis
„Unsere Kinder sollen der Erziehung in Christus teilhaftig werden; sie sollen lernen, was demütiger Sinn bei Gott vermag, wie mächtig reine Liebe bei Gott ist, wie Gottesfurcht gut und groß ist und wie sie alle rettet, die in ihr ein heiliges Leben führen in reiner Gesinnung.“1
Das Christentum ist heute die Religion mit der größten Anhängerschaft auf der Welt. Dies war zu ihrer Entstehungszeit gewiss nicht vorherzusehen. Die Christenheit, wenn sie auch am Anfang, sprich im ersten Jahrhundert n. Chr. unserer Zeitrechnung, nur in kleinen Gemeinden und von geringer Anhängerzahl vertreten war, wurde schon damals durch Verfolgungen und Tötungen versucht zu dezimieren, gar auszulöschen. Schon der römische Kaiser Claudius (10 v. Chr – 54 n. Chr.) veranlasste 49 n. Chr. ein Edikt in dem er Juden verfolgen ließ: „Iudaeos impulsore Chresto assidue tumultantis Roma expulit.“2
So ist anzunehmen, dass Chresto sich auf die Christen bezieht. Sollte dies dennoch nicht der Fall sein, kann man trotzdem davon ausgehen, dass Juden und Christen zu dieser Zeit in gleichem Maße verfolgt wurden. Denn es wurde kein Unterschied zwischen beiden Glaubensrichtungen getätigt. Dies ist wohl auch damit zu begründen, dass die Wurzeln des Christentums im Judentum liegen.
Zu den wohl bekanntesten und bedeutendsten Christenverfolgern gehört der römische Kaiser Nero (37 – 68 n. Chr.). Nach dem Brand von Rom 64 n. Chr. veranlasste dieser die erste tatsächlich gegen die Christen gerichtete Verfolgung. Begründet darin, dass ebendiese das Feuer gelegt hätten. Es kam zu zahlreichen Hinrichtungen, darunter wohl auch zu den Hinrichtungen von Petrus und Paulus.3 Klemens schreibt über jene Tode in seinem Brief an die Korinther. In seiner Beschreibung lässt sich ein definitives Märtyrermotiv feststellen: „7. Er hatte Gerechtigkeit der ganzen Welt gelehrt, war bis in den äußersten Westen vorgedrungen und hatte vor den Machthabern sein Zeugnis abgelegt, so wurde er weggenommen von dieser Welt und ging ein in den heiligen Ort, das größte Beispiel der Geduld.“4
Der Begriff des Märtyrers wurde in den ersten zwei Jahrhunderten n. Chr. durch Christen geprägt. Denkbar ist durchaus, dass es schon davor Menschen gab, die nach dem Märtyrermotiv handelten, aber es wurde soweit bekannt zuvor nicht unter dem Begriff Märtyrer bzw. Martys festgehalten. Für die Christen bedeutete der Begriff, dass sie im Namen ihres Glaubens Schmerzen und Qualen erleiden, gar getötet werden. Ein durchweg heiliger Akt, denn so zeigten sie, dass sie bis zum Tod am Glauben festhalten, der Glaube also unerschütterlich ist.
Für die Christenheit folgten nach Neros Verfolgungen weitere. Von Domitian bis zur Herrschaft Commodus und auch noch nach ihnen wurden sie immer wieder verfolgt, wenngleich in kleinerem Ausmaß. Erst mit der konstantinischen Wende und dem 313 n. Chr. erlassenem Toleranzedikt war es den Christen möglich aufzuatmen. Etwas später, nämlich im Jahr 380 n. Chr., wurde das Christentum sogar zur Staatsreligion ernannt.
Die Christen schafften es ihre Anzahl, trotz vieler Herausforderungen und soeben beschriebenen Verfolgungen, stetig zu vergrößern. Dieser Erfolg ist den Missionaren und Missionarinnen zuzugestehen. Um einmal genauer auf die Rolle von Missionarinnen einzugehen, soll gesagt werden, dass sie essentiell für die Verbreitung des Christentums waren. Denn hätte es sie nicht gegeben, wäre es fraglich wie lange es gebraucht hätte, bis das Christentum akzeptiert und toleriert wird. Timotheus schreibt: „11. Eine Frau soll sich still und in aller Unterordnung belehren lassen. 12. Dass eine Frau lehrt, erlaube ich nicht, auch nicht, dass sie über ihren Mann herrscht; sie soll sich still verhalten. 13. Denn zuerst wurde Adam erschaffen, danach Eva.“5 Nach diesen Worten kann man der eben erläuterten Tatsache fast keinen Glauben schenken, zumal nicht nur Timotheus solche Worte schrieb. Dennoch galt die Regel, dass Frauen nur von Frauen bekehrt werden durften. Männer durften nicht in die Frauengemächer, das heißt, dass Frauen aus vor allem höheren Ständen nur durch Missionarinnen erreichbar waren. Sobald die Missionarinnen Erfolg hatten, schafften es die Frauen aus der Oberschicht auch meistens ihre Familien zu überzeugen. Somit waren Frauen für die Mission zwingend notwendig, um ganze Familien für das Christentum zu gewinnen.6
Auch so kam der christlichen Frau im frühen Christentum viel Verantwortung zu. Die Christin war an der Erziehung ihrer Kinder oder anderer Kinder beteiligt. Ob dies aktiv oder passiv geschah und in welchem genauen Ausmaß, wird in dieser Arbeit untersucht.
Es wird versucht einen allgemeinen Überblick über die Erziehung im frühen Christentum zu geben, ferner wird auf die Unterschiede zwischen der Erziehung bei Jungen und Mädchen eingegangen. Hatte die Erziehung von Jungen und Mädchen Gemeinsamkeiten? Wer war verantwortlich für die Erziehung und wo fand sie statt? Welche pädagogischen Werte waren von Bedeutung? Wie konnte eine gute christliche Erziehung in einer Welt voller Demütigungen und Verfolgungen in einem heidnischen Umfeld glücken? Auch auf schulische Bildung soll eingegangen werden, dabei muss beachtet werden, dass Bildung ungleich Erziehung ist, aber dennoch einen wichtigen Teil dazu beiträgt. Nichtsdestotrotz liegt der Schwerpunkt der Arbeit aber bei der Erziehung von Mädchen.
Stützen wird sich diese Arbeit vor allem auf ausgewählte Stellen der Einheitsübersetzung der Bibel, wie auf Primärquellen unter Anderem von Klemens von Rom, Tertullian und Gregor von Nyssa, welche in der Bibliothek der Kirchenväter zu finden sind. Die wohl wichtigsten Primärquellen in Bezug auf Mädchenerziehung stellen in dieser Arbeit die aszetischen Briefe des Eusebius Hieronymus an Laeta und Pacatula dar. Es gibt nur wenige zeitgenössische Schriften, die sich ausführlich mit Kindererziehung befassen - umso wichtiger sind jene, die uns Informationen liefern können. Auch auf Überblickswerke der Sekundärliteratur wie „Geschichte der Bildung und Erziehung von der Antike bis zum Mittelalter“ von Schwenk7 oder „Die Familienerziehung in der alten Kirche“ von Gärtner8 wird zurückgegriffen, da zum Beispiel diese beiden Autoren einige eigene Vermutungen und Thesen über Textstellen der zeitgenössischen Quellen aufstellen, die durchaus bei der Bearbeitung von eben erwähnten Quellentexten hilfreich sein können.
Die Arbeit hat zu diesem Zeitpunkt noch keine ausgereifte eigenständige These, vielmehr sollen die oben genannten Fragen vollständig oder zumindest im Ansatz beantwortet werden. Dabei soll ein besonderes Augenmerk auf der Rolle der Frau liegen. Ziel der Arbeit ist es also abschließend festzuhalten, wenn auch dies nicht vollständig möglich ist, in Anbetracht der Anzahl und möglicherweise ungenauem Wahrheitsgehalt der Quellen, inwiefern frühchristliche Erziehung von statten ging.
„Der griechische Begriff - Paideia - kann sich formen, weil es den Griechen als erstes gelingt einen Begriff des Menschen zu formulieren: »Über dem Menschen als Herdenwesen wie über dem Menschen als angeblich autonomen Ich steht der Mensch als Idee.«“9
Freilich wird nun nicht versucht die ganze Komplexität der altgriechischen Erziehung darzustellen, dennoch wird auf einen Begriff ebendieser eingegangen – die Paideia. Paideia, abgeleitet von paideúin, bedeutet im herkömmlichen Sinne in etwa die intensive Beschäftigung mit einem Kind. Der Begriff wurde ungefähr seit der zweiten Hälfte des fünftem Jahrhunderts v. Chr. zum Inbegriff der griechischen Bildung, aber auch Erziehung.10
Laut Stockmeier bildet die antike Paideia die Antithese zum christlichen Glauben, da diese für die Leistung und auch die Entfaltung des griechischen Geistes steht. Das lateinische Äquivalent bildet der Begriff humanitas. Stockmeier beschreibt weiter, dass das Zueinander von Glaube und Paideia so langanhaltend und drastisch wie nur wenige andere Themen in der alten Kirche diskutiert wurden.11 Er führt wie folgt weiter fort: „Die Synthese von Glaube und Paideia, wie sie von den Alexandrinern vollzogen wurde, hat trotz ihrer Differenziertheit nicht den ungeteilten Beifall der frühen Christenheit gefunden“.12 Auch Hieronymus äußert sich zeitgenössisch zu dem Thema, in dem er schreibt: „Was haben Licht und Finsternis miteinander gemein, welche Übereinstimmung besteht zwischen Christus und Belial? Was hat Horaz mit dem Psalterium zu tun, was Maro mit den Evangelien, was Cicero mit den Aposteln?“13
Diese ganze Debatte ist vielleicht auch darin begründet, dass Paideia vor allem eine schulische Ausbildung und Erziehung bedeutet, während das Christentum in seinen frühen Jahren noch keine eigene religiöse, sprich unpagane, Schulform besaß. Christliche Kinder mussten auf die paganen Schulen, auf denen demnach auch paganer Unterricht gelehrt wurde, gehen. Dies war für viele Christen nicht miteinander zu vereinbaren, später soll auf diesen Aspekt allerdings nochmal genauer eingegangen werden.
Nichtsdestotrotz findet teilweise eine Transformation der Paideia zum Christentum statt, in die Paideia Christi. Hierbei wird die Paideia umgewandelt und erneuert. Der oberste Erzieher ist nun Christus, da der menschliche Erzieher aufgrund der Sünde diese Aufgabe nicht vollends erfüllen kann.14
Die Paideia Christi hat, so Jaeger, vor allem zwei Ansprüche: „1. Die Selbsteinordnung des Christentums in ein schon vorgefundenes Kultursystem und Geschichtsbild und 2. den Anspruch der neuen Religion, eine erzieherische Weltmission zu haben, dadurch, daß sie jener von ihr vorgefundenen griechischen Geistesordnung einen neuen Sinn gibt.“15
Die Hellenisierung gibt diesem Prozess einen Namen, denn sie beschreibt im Grunde die Rezeption der griechischen Paideia durch die christliche Religion. Das Christentum tritt allerdings erst im zweiten Jahrhundert n. Chr. in die griechische Geisteswelt ein, nachdem eine wesentliche Übereinstimmung zwischen der christlichen Lehre und der griechischen Philosophie - unter Anderem ist hier auf Platon zu verweisen - erkannt wurde.16
Es bleibt also festzuhalten, dass im zweiten Jahrhundert n. Chr., trotz anfänglichem Unverständnis seitens der Christenheit eine partielle Transformation stattgefunden hat. Weiter war es wichtig einen Teilaspekt einer anderen Erziehung zu beleuchten, um später ein besseres Bild der frühchristlichen Erziehung darstellen zu können.
„Anders als im Griechisch sprechenden Osten verblieben im lateinischen Westen Erziehung und Bildung in der Verantwortung der Familie (…).“17
Im Römischen Reich war die Machtfülle des Familienvaters noch größer als im griechischem Bereich. Das lag unter anderem schon am rein rechtlichen Sinn von Macht, nämlich an der patria potestas, welche sich auf alle Angehörigen des Haushaltes erstreckte.18 Daher war für die Durchsetzung der christlichen Erziehungsvorstellungen die Familie der geeignete Ansatzpunkt.19 Der Familienvater war für seine Familie verantwortlich, dennoch nicht allein für die Erziehung. Auch wenn Augustinus in seinem „Gottesstaat“20 noch von einem wahren Familienvater ausgeht, der alle Familienangehörigen wie Kinder dazu anleitet Gott zu ehren und dessen Gunst zu erlangen - dies tut er, der Familienvater, mit Worten, notfalls aber auch mit Schlägen oder sonstigen Zuchtmitteln.
„Aber die wahren Hausväter leiten all ihre Hausangehörigen wie Kinder an zur Verehrung und Gewinnung Gottes und wünschen dabei sehnlichst, in jenes himmlische Haus einzugehen, wo ein Amt Sterblichen zu befehlen nicht nötig ist, weil das Amt der Anleitung sich von selbst erübrigt solchen gegenüber, die bereits in jener Unsterblichkeit glückselig sind; bis man dorthin gelangt, müssen eigentlich mehr die Väter das Befehlen in Geduld aushalten, als die Sklaven das Dienen. Wenn aber ein Hausangehöriger durch Ungehorsam den Hausfrieden stört, so wird er zurechtgewiesen durch Scheltworte oder Schläge oder sonst eine gerechte und erlaubte Strafart, so gut es eben Gesetz und Herkommen unter den Menschen gestatten, und zwar zu seinem eigenen Besten, damit er sich dem Frieden, von dem er abgewichen war, wieder füge.“21
Vor allem die Frauen waren für die Kindesfürsorge und die Erziehung der kleinen Kinder zuständig. Im Idealfall wurde die Erziehungsaufgabe von der Mutter selbst übernommen.22 Diese Tatsache ist schon im 1. Timotheus abzulesen, dort heißt es: „Sie wird aber dadurch gerettet werden, dass sie Kinder zur Welt bringt, wenn diese in Glaube, Liebe und Heiligkeit ein besonnenes Leben führen.“23
Wie schon in der Einleitung erwähnt, gibt es wenige tatsächliche und direkte zeitgenössische Aussagen und Anleitungen über Kindererziehung. Einige dieser wenigen Aussagen befinden sich im Neuen Testament, allerdings erst in der späteren Paulinischen Briefliteratur. Schwenk weist hierbei auf den Kolosserbrief wie auf den Epheserbrief hin und geht davon aus, dass diese beiden Beispiele mit Wahrscheinlichkeit nicht von Paulus selbst verfasst wurden.24 So steht folgendes zur Erziehung zum Beispiel im Epheserbrief:
„1. Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern im Herrn, denn das ist recht! 2. Ehre deinen Vater und deine Mutter: Das ist ein Hauptgebot mit einer Verheißung: 3. damit es dir wohl ergehe und du lange lebst auf der Erde. 4. Und ihr Väter, reizt eure Kinder nicht zum Zorn, sondern erzieht sie in der Zucht und Weisung des Herrn! 5. Ihr Sklaven, gehorcht den irdischen Herren mit Furcht und Zittern und mit aufrichtigem Herzen, als wäre es Christus, 6. nicht in Augendienerei, als wolltet ihr Menschen gefallen, sondern erfüllt als Sklaven Christi von Herzen den Willen Gottes! 7. Dient mit Hingabe, als dientet ihr dem Herrn und nicht den Menschen! 8. Denn ihr wisst, dass jeder, der etwas Gutes tut, es vom Herrn zurückerhalten wird, ob er ein Sklave ist oder ein Freier. 9. Und ihr Herren, handelt in gleicher Weise ihnen gegenüber, unterlasst das Drohen, denn ihr wisst, dass ihr im Himmel denselben Herrn habt, und bei ihm gibt es kein Ansehen der Person!“25
Im Kolosserbrief findet sich sogar eine Aussage, die das Gegenteil von der Annahme des Augustinus darstellt. Hier findet sich nämlich neben, der Aufforderung an die Kinder zu gehorchen, auch eine Mahnung an die Väter, die Kinder nicht zu verbittern, um sie am Ende nicht zu entmutigen.26
Die soeben genannten Briefe stehen im Zusammenhang mit sogenannten Haustafeln. Haustafeln sind Zusammenstellungen von Verhaltensnormen für den Wirtschaftsbereich, wie auch für den häuslichen privaten Lebensbereich. Der Form nach stammen sie laut Schwenk aus dem Hellenismus. Sie gehören zum Beginn der christlichen Paränese, also der Ermahnung zum guten Lebenswandel. Ihre Passagen beschränken sich meist auf den Mahnruf an Kinder gehorsam zu sein und sind deshalb knapp gehalten.27
Wie schon zur Einleitung der Arbeit geschrieben, befasst sich auch Klemens von Rom mit frühchristlicher Kindererziehung. In seinem Brief an die Korinther findet sich eine Haustafel wieder. Der Brief an die Korinther lässt sich in das letzte Jahrzehnt des ersten Jahrhunderts datieren und wurde trotz hoher Leseranzahl und langer Würdigung nicht von der Kirche in den Kanon des Neuen Testaments aufgenommen.28 Auch der Klemensbrief gibt eine herkömmliche Mahnung zur Erziehung, wenn er schreibt: „Unseren Herrn Jesus Christus, dessen Blut für uns hingegeben wurde, wollen wir verehren, unsere Vorgesetzten wollen wir achten, die Älteren ehren, die Jugend wollen wir erziehen in der Zucht der Gottesfurcht, unsere Frauen wollen wir zum Guten anleiten (…)“29, weiter: „Unsere Kinder sollen der Erziehung in Christus teilhaftig werden; sie sollen lernen, was demütiger Sinn bei Gott vermag, wie mächtig reine Liebe bei Gott ist, wie Gottesfurcht gut und groß ist und wie sie alle rettet, die in ihr ein heiliges Leben führen in reiner Gesinnung.“30 Klemens beschreibt also die christliche Pflichten - die Gemeindeleiter zu achten, die Ältesten zu ehren, die Lenkung der Frau zum Guten und die Jungen in Gottesfurcht zu erziehen. Er spricht dabei nicht direkt von Kindern, sondern eher von den Jüngeren der Gemeinde.31
Neben christlichem Vater und christlicher Mutter, war auch die christliche Gemeinde, in der sie lebten, bedeutsam für die Erziehung und die Umsetzung ihrer Ziele. Einen Christen zu erziehen hieß damals nichts anderes als einen Menschen zum Leben in der Gemeinde, sprich in der Kirche, zu erziehen. Demnach richtete sich der Erziehungsanspruch an die gesamte Gemeinde, also an alle deren Mitglieder. So wurde die Gemeinde dadurch gefestigt und die Traditionsbildung ging voran.32
„Wenn es also eine Ermahnung in Christus gibt, einen Zuspruch aus Liebe, eine Gemeinschaft des Geistes, ein Erbarmen und Mitgefühl, dann macht meine Freude vollkommen, dass ihr eines Sinnes seid, einander in Liebe verbunden, einmütig, einträchtig, dass ihr nichts aus Streitsucht und nichts aus Prahlerei tut. Sondern in Demut schätze einer den andern höher ein als sich selbst. Jeder achte nicht nur auf das eigene Wohl, sondern auch auf das der anderen.“33
Die zwei größten Ziele der Erziehung waren demnach christlicher Gehorsam und Demut. Bevor nun die Erziehungsziele erneut etwas intensiver dargestellt werden, sollte zusammengefasst werden, wer nun, nach kurzer Beleuchtung der Quellen, wirklich verantwortlich für die Erziehung war. Zwar wird im Römerbrief von Gott als Erzieher der Menschheit und Lehrer durch sein Gesetz geschrieben34, dennoch viel die Verantwortung letztendlich auf den Familienvater zurück. Die Erziehung selbst, wie beschrieben, musste meistens nicht von ihm selbst und alleinig ausgeführt werden und wurde sie auch nicht.
Wie soeben festgestellt waren zwei der wichtigsten Erziehungsziele Gehorsam und Demut. Bei Betrachtung weiterer zeitgenössischen Quellen fallen aber noch weitere Ziele auf, die wohlgemerkt manchmal nur Jungen oder nur Mädchen betrafen. Auf die unterschiedliche Erziehung zwischen beiden Geschlechtern wird später erneut eingegangen - mit besonderem Augenmerk auf Hieronymus und seine Mahnungen zur Erziehung für Mädchen.
Es gibt, wie ebenfalls schon erwähnt, nicht viele umfassende Texte zur frühchristlichen Erziehung. Als aber die Rate der christlichen Kinder mit der Zeit immer mehr anstieg, wurde auch Erziehung immer bedeutender.35 So widmet sich beispielsweise die Didaskalia Apostolorum 36 der Situation der Kinder und ihrer Erziehung. Sie ist wohl die älteste christliche Schrift, die über dieses Thema in einem zusammenhängenden Abschnitt schreibt. Man findet in diesem Abschnitt dieselben Charakteristika, welche sich durch die gesamte Kirchenordnung ziehen: „Strenge Zucht mit durchaus realisierbaren Anweisungen ohne Neigung zur Askese oder ausgesprochener Gesetzlichkeit; ferner eine deutliche Abgrenzung gegen die heidnische Umwelt.“37 Besonders ist hierbei, dass die Didaskalia Apostolorum sich von der Askese entfernt, während bei zum Beispiel Chrysostomos die Jungfräulichkeit und die Mäßigung unter den wichtigsten vier Erziehungszielen stehen. Es gab also durchaus unterschiedliche Ansichten wie man christliche Kinder erziehen sollte, wenn doch der Kanon der zeitgenössischen Texte gegen die Didaskalia Apostolorum spricht.
Für Chrysostomos galten also andere Erziehungsziele, er spricht dabei von vier Hauptzielen: „Schon früher habe ich euch gesagt, daß sich deswegen das Laster als unaustilgbar erweist, weil niemand etwas von Jungfräulichkeit sagt, niemand etwas von Selbstbeherrschung, Mißachtung von Geld und Ruhm, weil niemand ihnen diese in der Heiligen Schrift niedergelegten Gebote beibringt.“38 Also Jungfräulichkeit, Mäßigung, Verachtung von Geld und Ruhm und die Achtung der biblischen Gebote.
Es muss erwähnt werden, dass Chrysostomos erst gegen Ende des dritten Jahrhunderts diesen Text schrieb. Mittlerweile sollte sich also schon eine allgemeine christliche Erziehung mit ihren Zielen durchgesetzt haben, er fasst sie letztendlich nur noch einmal zusammen. Ferner gibt er noch eine Art Bitte und Anweisung zur Erziehung an seine Hörer- und Leserschaft weiter. Hierbei bittet er vor allem darum, mit der Erziehung so früh wie möglich zu beginnen, damit der Glaube am Ende des Erziehungsprozesses unumstößlich ist:
„Ich höre nicht auf, euch zu ermahnen, zu bitten, zu beschwören vor allem anderen eure Kinder zu erziehen, solange ihr lebt. (…) Erziehe einen Kämpfer für Christus und lehre ihn auch in der Welt gottesfürchtig zu leben von frühester Jugend an. Prägt man die guten Lehren in die Seele ein, solange sie noch zart ist, so wird niemand sie herauszureißen vermögen, sobald die fest geworden sind wie ein Siegelabdruck; ebenso verhält es sich mit dem Siegelwachs.“39
Das große Ziel der missionarischen, christlichen Erziehung ist es aus Kindern Christen zu machen. Ganz im Sinne der antiken Tradition sollen die Menschen verbessert, veredelt und belehrt werden.40
Die nun skizzierten Erziehungsziele sind wohl die bedeutsamsten, wenn von Gehorsam und Demut, wie auch von den vier Zielen des Chrysostomos ausgegangen wird. In welcher Weise versucht wurde sich diesen Zielen zu nähern, soll noch beschrieben werden. Dabei ist es nötig ebenfalls auf die schulische Bildung einzugehen, auch wenn die Schule keine Erziehungsanstalt ist, muss sie als pädagogische Unterstützung gesehen werden, denn Kinder verbrachten hier viele Stunden am Tag. Im Hinblick darauf wird auch auf den Konflikt zwischen den Christen und dem heidnischen Schulbesuch eingegangen.
[...]
1 1. Clem. 21,8. Brief an die Korinther, in: Bibliothek der Kirchenväter, BKV, Die Apostolischen Väter, aus dem Griechischen übersetzt von Zeller, F., 1. Reihe, Band 35, München 1918, S. 41.
2 Sueton, Claudius 25,4, Edikt 181, in: Mottershead, Suetonius Claudius, Bristol 1986, 17; „Die Juden vertrieb er aus Rom, weil sie, von Chrestus aufgehetzt, fortwährend Unruhe stifteten.“ Barrett, C. K., Die Umwelt des Neuen Testaments, WUNT 4, Tübingen 1959, 25.
3 Vgl. 1. Clem. 5,2-7. Brief an die Korinther, in: BKV, S. 28.
4 Ebd.
5 1. Tim. 2, 11ff.
6 Vgl. Zscharnack, L., Der Dienst der Frau in den ersten Jahrhunderten der christlichen Kirche, Göttingen 1902, S. 21.
7 Schwenk, B., Geschichte der Bildung und Erziehung von der Antike bis zum Mittelalter, (Hrsg.) Driwok, P., Weinheim 1996.
8 Gärtner, M., Die Familienerziehung in der alten Kirche. Eine Untersuchung über die ersten vier Jahrhunderte des Christentums mit einer Übersetzung und einem Kommentar zu der Schrift des Johannes Chrysostomus über Geltungssucht und Kindererziehung, in: Kölner Veröffentlichungen zur Religionsgeschichte, Bd. 7, (Hrsg.) Klöcker, M./Tworuschka, U., Köln/Wien/Böhlau 1985.
9 Jaeger, W., Paideia: Die Formung des griechischen Menschen, Bd. 1, Berlin 1934, S. 14, in: Böhme, G./ Tenorth, H.-E., Einführung in die Historische Pädagogik, Darmstadt 1990, S. 90.
10 Vgl. Schwenk, B., Geschichte der Bildung und Erziehung von der Antike bis zum Mittelalter, S. 62.
11 Vgl. Stockmeier, P., Glaube und Padeia. Zur Begegnung von Christentum und Antike, S. 530f, in: Erziehung und Bildung in der heidnischen und christlichen Antike, (Hrsg.) Johann, H. J., in: Wege der Forschung, Bd. CCCLXXVII, Darmstadt 1976.
12 Ebd., S. 539.
13 Hieronymus, Briefe, Ep. 22 An Eustochium, Kap. 29. in: BKV, Des heiligen Kirchenvaters Eusebius Hieronymus ausgewählte Briefe. Des heiligen Kirchenvaters Eusebius Hieronymus ausgewählten Schriften Bd. 2-3, 2. Reihe, Bd. 16 und 18, (Hrsg.) Kösel, J./Pustet, F., Kempten/München 1936-1937, S. 99.
14 Vgl. Schwenk, B., Geschichte der Bildung und Erziehung von der Antike bis zum Mittelalter, S. 183.
15 Jaeger, W., Paideia Christi, S. 488, in: Erziehung und Bildung in der heidnischen und christlichen Antike, (Hrsg.) Johann, H. J., in: Wege der Forschung, Bd. CCCLXXVII, Darmstadt 1976.
16 Vgl. Ebd., S. 488ff.
17 Christes, J., Rom – Republik und Kaiserzeit, in: Handbuch der Erziehung und Bildung in der Antike, (Hrsg.) Christes, J./Klein, R./Lüth, C., Darmstadt 2006, S. 17.
18 Vgl. Gärtner, M., Die Familienerziehung in der alten Kirche, S. 312.
19 Vgl. Schwenk, B., Geschichte der Bildung und Erziehung von der Antike bis zum Mittelalter, S. 190.; Vgl. Schmid, K. A., Geschichte der Erziehung vom Anfang an bis auf unsere Zeit, Neudruck der Ausgabe Stuttgart 1892, Aalen 1970, S. 36.
20 Aurelius Augustinus, De civitate dei, in: BKV, Des heiligen Kirchenvaters Aurelius Augustinus zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat. Des heiligen Kirchenvaters Aurelius Augustinus ausgewählte Schriften 1-3, aus dem lateinischen übersetzt von Schröder, A., 1. Reihe, Bd. 01,16,28, Kempten/München 1911-1916.
21 Ebd., 19. Buch, Kap. 16 Von der rechten Ausübung der Herrschgewalt, S. 236.
22 Vgl. Bormann, D., Rom – Republik und Kaiserzeit (Familie und Kindheit), in: (Hrsg.) Christes, J./Klein, R./Lüth, C., Handbuch der Erziehung und Bildung in der Antike, Darmstadt 2006, S. 40.
23 1. Tim. 2, 15.
24 Vgl. Schwenk, B., Geschichte der Bildung und Erziehung von der Antike bis zum Mittelalter, S. 220.
25 Eph. 6, 1ff.
26 Vgl. Gärtner, M., Die Familienerziehung in der alten Kirche, S. 32.; „Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern in allem, denn das ist dem Herrn wohlgefällig! Ihr Väter, schüchtert eure Kinder nicht ein, damit sie nicht mutlos werden!“, Kol. 3,20f.
27 Vgl. Schwenk, B., Geschichte der Bildung und Erziehung von der Antike bis zum Mittelalter, S. 220f.
28 Vgl. Ebd., S. 221.; Vgl. Gärtner, M., Die Familienerziehung in der alten Kirche, S. 41.
29 1. Clem. 21,6. Brief an die Korinther, S. 40.
30 1. Clem. 21,8. Brief an die Korinther, S. 41.
31 Vgl. Gärtner, M., Die Familienerziehung in der alten Kirche, S. 41.
32 Vgl. Schwenk, B., Geschichte der Bildung und Erziehung von der Antike bis zum Mittelalter, S. 204.; Gärtner, M., Die Familienerziehung in der alten Kirche, S. 2.
33 Phil. 2, 1-4.
34 Vgl. Röm. 2,18 „(…) seinen Willen kennst und, belehrt aus dem Gesetz, zu beurteilen weißt, worauf es ankommt;“ und 15,4 „Denn alles, was einst geschrieben worden ist, ist zu unserer Belehrung geschrieben, damit wir durch Geduld und durch den Trost der Schriften Hoffnung haben.“.
35 Vgl. Gärtner, M., Die Familienerziehung in der alten Kirche, S. 53.
36 Die Didaskalia Apostolorum ist ein syrisches Schriftstück und wurde vermutlich in der 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts verfasst.
37 Gärtner, M., Die Familienerziehung in der alten Kirche, S. 183f.
38 Johannes Chrysostomos, Über Hoffart und Kindererziehung, Kap. 17, übersetzt von Glagla, J., Paderborn 1900, S. 12.
39 Ebd. Kap. 19 und 20, S. 12.
40 Vgl. Schwenk, B., Geschichte der Bildung und Erziehung von der Antike bis zum Mittelalter, S. 199.
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