Für neue Kunden:
Für bereits registrierte Kunden:
Bachelorarbeit, 2019
42 Seiten, Note: 1,3
1 Einleitung
2 Fächerübergreifender Unterricht
2.1 Definition
2.2 Ziele
2.3 Organisation und Kooperationsformen
3 Bildungsplan der Sekundarstufe 1 in Baden-Württemberg
3.1 Inhalte der Fächer Deutsch und Musik
3.2 Möglichkeiten eines fächerübergreifenden Unterrichts
4 Jazz-Hörspiele – Definition und Einordnung
5 Beispiel – Jazz-Hörspiel über Bix Beiderbecke
5.1 Analyse des Hörspiels
5.2 Gründe für die Auswahl dieses Hörspiels
5.3 Didaktische Konzeptionen für den fächerübergreifenden Unterricht
6 Zusammenfassung
7 Fazit
8 Literaturverzeichnis
9 Anlagen
Gegenüber der Institution Schule gibt es verschiedene Erwartungen seitens des Staates und der Gesellschaft, die sich in den Grundfunktionen von Schule wiederspiegeln. Zu diesen Funktionen gehören u.a. Qualifikation, Personalisation, Sozialisation, Selektion und Allokation, mittels derer junge Gesellschaftsmitglieder auf die Arbeitswelt, auf verantwortungsvolles Handeln in Staat und Gesellschaft sowie auf eine Platzierung im Gesellschaftssystem vorbereitet werden.1
Die Wirklichkeit von Staat und Gesellschaft sowie die dazugehörigen gegenwärtigen wie zukünftigen Konflikte und Probleme lassen sich im schulischen Fächersystem respektive in isolierten Schulfächern nur bedingt angemessen erfassen und erfordern Bildungsprozesse, die Perspektivwechsel ermöglichen sowie vernetztes Denken und komplexes Handeln fördern.2
Zu solchen Bildungsprozessen gehört der fächerübergreifende Unterricht, der jedoch weder eine Modeerscheinung ist noch das Ergebnis neuester pädagogischer Trends darstellt, denn seine Wurzeln liegen bereits in der Reformpädagogik Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts.3 Im Laufe seiner Entwicklung trat er auch unter den Bezeichnungen Gesamtunterricht, interdisziplinärer Unterricht, überfachlicher Unterricht o.ä. auf.4 Trotz dieser Wurzeln und obwohl er Bestandteil aktueller Lehrpläne ist,5 wird der fächerübergreifende Unterricht v.a. in „leistungsorientierten“ Fächern, beispielsweise Mathematik, Physik oder Englisch, nur selten durchgeführt, so eine Studie an baden-württembergischen Hauptschulen.6 An der Spitze der am fächerübergreifenden Unterricht beteiligten Fächer steht dieser Studie zufolge der Deutschunterricht, was u.a. damit zusammenhängt, dass Textverständnis fach- und themenunabhängig eine bedeutende Rolle spielt. Darüber hinaus gibt es einige Nebenfächer sowie praktische und künstlerische Fächer, z.B. Musik und Bildende Kunst, die besonders häufig am fächerübergreifenden Unterricht beteiligt sind.7
Diese Arbeit untersucht die Frage, welche Möglichkeiten der fächerübergreifende Unterricht zwischen Deutsch und Musik in der Sekundarstufe 1 bietet. Gemeinsamen thematischen Bezugspunkt stellen dabei Jazz-Hörspiele dar, wobei Ror Wolfs „Radio-Ballade“Leben und Tod des Kornettisten Bix Beiderbecke aus Nordamerika aus dem Jahr 1985/86, die mit dem Hörspielpreis der Kriegsblinden 1987 ausgezeichnet wurde,8 als Beispiel dient.
Um diese Frage beantworten und die Möglichkeiten darstellen zu können, werden zunächst der fächerübergreifende Unterricht definiert und die damit verbundenen Ziele und Kooperationsformen erläutert. Anschließend wird der aktuelle Bildungsplan der Sekundarstufe 1 in Baden-Württemberg auf inhaltliche Berührungspunkte der Fächer Deutsch und Musik hin untersucht, welche die Grundlage für die Möglichkeiten fächerübergreifenden Unterrichtens bilden.
Bevor didaktische Konzeptionen für den fächerübergreifenden Unterricht der beiden beteiligten Fächer erläutert werden können, sind Definition und theoretische Einordnung des Begriffs und des gemeinsamen Themas Jazz-Hörspiele notwendig.
Daraufhin werden das exemplarische Hörspiel auf inhaltliche Aspekte hin analysiert, Gründe für die Auswahl dieses Hörspiels aufgezeigt und schließlich konkrete Einsatzmöglichkeiten im fächerübergreifenden Unterricht an Hand didaktischer Konzeptionen dargestellt.
Die daraus gewonnenen Erkenntnisse werden abschließend in einem Fazit zusammengefasst und die Frage nach den Möglichkeiten fächerübergreifenden Unterrichtens mittels Jazz-Hörspiele in der Sekundarstufe 1 beantwortet.
Um komplexe Formulierungen zu vermeiden, wird durchweg das generische Maskulinum verwendet.9
Für eine erste Annäherung an den Begriff fächerübergreifender Unterricht ist festzuhalten, dass es sich bei dieser Unterrichtsform zunächst einmal um Unterricht im Allgemeinen handelt, also um ein pädagogisches Handeln mit Fokus auf Bilden, Lernen und Erziehen innerhalb einer Institution und deren Rahmenbedingungen. Die Beschäftigung mit einem Unterrichtsgegenstand als zentrales Element von Unterricht kann dabei geplant rational oder auch außerplanmäßig intuitiv erfolgen.10
Der Begriff fächerübergreifend setzt eine Gliederung in einzelne Fächer im jeweiligen Schul- oder Unterrichtsmodell voraus und ist somit im Fachunterrichtssystem der Sekundarstufen 1 und 2 zu finden. Wird auf eine solche Gliederung in einzelne Fächer verzichtet, wie es vor allem zu Beginn der Primarstufe geläufig ist, wird der Unterricht ungefächert genannt.11
Somit ist der Begriff fächerübergreifender Unterricht abhängig von strukturellen und organisatorischen Merkmalen und bezeichnet allgemein die Beschäftigung mit einem Unterrichtsgegenstand unter Einbezug eines anderen Faches oder mehrerer anderer Fächer, wodurch fachliche Grenzen überschritten werden.12 Forsbach dazu:
„Fächerübergreifender Unterricht meint eine Unterrichtsform, die gezielt die Grenzen einzelner Fachperspektiven überschreitet. Sie erweitert das System des Fachunterrichts und richtet sich gegen den alleinigen Fachunterricht, ohne diesen auflösen zu wollen.
Fächerübergreifender Unterricht ist eine Ergänzung des Fachunterrichts. Er setzt diesen voraus und führt wieder dahin zurück.“ 13
Darüber hinaus nimmt die Autorin Bezug auf den Begriff Projektunterricht, zu dessen wesentlichen Merkmalen neben Schülerorientierung, Wirklichkeitsorientierung und Produktorientierung auch der fächerübergreifende Aspekt gehört. Da diese Merkmale wiederum auch für den fächerübergreifenden Unterricht zutreffen, werden fächerübergreifender Unterricht und Projektunterricht häufig gleichgesetzt. Projektunterricht muss jedoch nicht zwangsläufig fächerübergreifend organisiert sein, sondern kann auch fachbezogen stattfinden. Zwar lässt sich laut Forsbach der fächerübergreifende Unterricht am besten als Projekt realisieren, er kann aber auch projektunabhängig umgesetzt werden.14 Sowohl der fächerübergreifende Unterricht als auch der Projektunterricht sind Formen des offenen Unterrichts.15
Während Forsbach in ihrer Definition überwiegend strukturelle Merkmale fokussiert, definiert Moegling den fächerübergreifenden Unterricht mit Fokus auf Didaktik und Kompetenzorientierung:
„Fächerübergreifender Unterricht ist der didaktische Oberbegriff für alle Unterrichtsversuche, bei denen verschiedene Fachperspektiven systematisch zur Lösung eines Problems so miteinander Vernetzt werden, dass ein thematisch-inhaltlicher Zusammenhang erkennbar wird, eine mehrperspektivische Analyse und Beurteilung gefördert werden und eine handlungsorientierte Problemlösung oder handlungsorientierte Problemlösungsalternativen aus verschiedenen Blickwinkeln heraus entwickelt werden können.“ 16
Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass fächerübergreifender Unterricht eine Grenzüberschreitung und Vernetzung voneinander isolierter Fachperspektiven darstellt, wodurch thematisch-inhaltliche Zusammenhänge einzelner Fächer erkennbar gemacht und neue Problemlösungsstrategien generiert werden sollen.
Beckmann greift die Unterscheidung zwischen fächerübergreifendem und fächerverbindendem Unterricht auf, der sich vor allem durch den jeweiligen organisatorischen Aufwand ergibt.17 Auf diese und andere Kooperationsformen soll in Kapitel 2.3 eingegangen werden.
Zunächst aber stellt sich die Frage, welche Ziele mit fächerübergreifendem Unterricht erreicht werden sollen.
Fächerübergreifender Unterricht setzt an den Defiziten des Fächersystems – allen voran die Isoliertheit einzelner Fächer – an und ermöglicht Überblick und Einsicht in strukturelle Zusammenhänge, wobei pädagogische Ziele den fachlichen Zielen übergeordnet und Subjektorientierung sowie gemeinsame pädagogische Ziele aller beteiligten Fächer die Folge sind.18
In diesem Sinne nennt Forsbach fünf Ziele fächerübergreifenden Unterrichts:
1. Ganzheitliches Lernen, indem fächerübergreifender Unterricht eine stärkere Orientierung an der Wirklichkeit sowie Lernen in Zusammenhängen ermöglicht und dadurch mehrperspektivisches, vernetzendes Denken fördert. Darüber hinaus sollen kognitives, emotionales und praktisches Lernen miteinander verbunden werden.
2. Problemorientiertes Lernen, indem fächerübergreifender Unterricht nicht an Fachsystematik gebunden ist, sondern sich an praktischen und gesellschaftlich relevanten Problemen orientiert. Darin enthalten ist das Ziel der Handlungskompetenz – eine Kombination aus Fach-, Methoden- und Sozialkompetenz – der Lernenden, die dadurch in der Schule auf Ansprüche von Gesellschaft und Arbeitswelt vorbereitet werden.19
3. Vertiefung und Ergänzung fachlichen Lernens, indem fächerübergreifender Unterricht Fachwissen als Grundlage für anwendungsbezogenes Handeln und Denken nutzt und die flexible Nutzung bereits erworbenen Wissens fördert.
4. Perspektivwechsel und wissenschaftspropädeutisches Arbeiten, indem fächerübergreifender Unterricht die Akzeptanz fremder Perspektiven sowie die Kommunikation über verschiedene Perspektiven fördert und die Reflexion von unterschiedlichen Fächern ermöglicht. Der Aspekt des wissenschaftspropädeutischen Arbeitens spielt jedoch eher in der gymnasialen Oberstufe eine Rolle.
5. Erwerb von Schlüsselqualifikationen, indem fächerübergreifender Unterricht neben der Fachkompetenz auch Methodenkompetenz (das Lösen von Problemen durch anwendungsbezogenes Denken und Handeln) und Sozialkompetenz (Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit, Verantwortungsbereitschaft usw.) fördert.20
Auch Moegling thematisiert die eingangs genannten Defizite eines Fächersystems respektive die Vorteile fächerübergreifenden Unterrichts, die er mittels lernpsychologischer Aspekte begründet.21 Darüber hinaus nennt der Autor ebenfalls eine am Subjekt orientierte Pädagogik als Ziel dieser Unterrichtsform, um komplexes Handeln und vernetztes Denken zu fördern.22
So auch Haenisch, der ein vertikales Vernetzen der Lernstoffe im fächerübergreifenden Unterricht als ein Merkmal erfolgreichen Unterrichts aufzählt.23
Weitere angestrebte Kompetenzen sind die mehrperspektivische Sachanalyse und die Relativierung von Fachperspektiven, die Urteilsbildung an Hand interdisziplinärer Argumente sowie die Anwendung von Methoden diverser Disziplinen zur Problemlösung.24
Beckmann hingegen verweist bei den Zielen auf die Notwendigkeit einer Bereicherung, die mit dem fächerübergreifenden Unterricht einhergehen sollte, was gleichzeitig eine Zielanalyse erfordert, um eine solche Bereicherung sicherzustellen. Übergeordnete Kriterien, die sich aus fachlichen Aspekten und aus Disziplinen wie Pädagogik und Psychologie ergeben, dienen als Beurteilungsgrundlage für die Analyse. Eine Bereicherung kann sich Beckmann zufolge sowohl durch Gemeinsamkeit als auch durch Fremdheit der beteiligten Fächer ergeben.25 Die Autorin betont, dass es den fächerübergreifenden Unterricht nicht gibt und erläutert daher 17 Ziele dieser Unterrichtsform, die sie unterschiedlichen Phasen der Sekundarstufe 1 zuordnet. Eine Erläuterung dieser Ziele im Einzelnen – einige decken sich mit denen Forsbachs – ist im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich, aber auf die Zuordnung zu den Jahrgangsstufen soll hier näher eingegangen werden:
- Dem Beginn der Sekundarstufe 1 werden Ziele zugeordnet, „die anschauliche und gegenständliche Erfahrungen ermöglichen.“26 Dazu gehören Schülerorientierung, ganzheitliches Lernen, Motivation, das Erlernen geistiger Grundtechniken (vergleichen, ordnen, abstrahieren, klassifizieren usw.), Hilfe bei der Integration und Ordnung der Lernerfahrungen, das Einüben allgemeiner Kompetenzen, produktiver Umgang mit Heterogenität sowie ein Beitrag zur Allgemeinbildung.
- In der Mitte der Sekundarstufe 1 rücken dagegen Ziele in den Vordergrund, welche den Bezug zur Wirklichkeit – gesellschaftliche sowie technologische Entwicklungen – fokussieren. Ebenso gewinnen allgemeine Prinzipien wie auch komplexere Fragestellungen an Relevanz. In Ergänzung zu den o.g. Zielen seien hier das Reflektieren über fachspezifische Methoden, das Eingehen auf aktuelle Anlässe, das Veranschaulichen der Bedeutung interdisziplinärer Zusammenarbeit für Problemlösungen sowie fachliche Tiefe genannt.
- Zum Ende der Sekundarstufe 1 rückt das Reflektieren und Thematisieren fächerübergreifender Arbeit in den Vordergrund. Daraus resultieren vernetztes Denken und die Vermittlung sozialer Wirklichkeit von Wissenschaft als neue Ziele, die ggf. durch die bisher genannten Ziele ergänzt werden. Darüber hinaus dient in diesem Stadium der fächerübergreifende Unterricht als notwendiger Kontrast zur Spezialisierung einzelner Fächer.27
Beckmann plädiert bei der Planung fächerübergreifenden Unterrichts für „eine kritische Auseinandersetzung mit den Zielen im Einzelfall“ und im Vergleich zum fachspezifischen Unterricht.28
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass fächerübergreifender Unterricht klare Ziele im Kompetenzaufbau der Schüler verfolgt, die im isolierten Fachunterricht nicht oder nur bedingt erreicht werden können. Welche Kooperationsformen der fächerübergreifende Unterricht bietet und wie diese organisiert sind, soll im folgenden Kapitel näher betrachtet werden.
Die Wirksamkeit fächerübergreifenden Unterrichts resultiert aus dessen Ausprägung und Intensität, diese wiederum hängen von der Organisation und den Kooperationsformen ab.29
Eine Systematik unterschiedlicher Arten der Unterrichtsorganisation im fächerübergreifenden Unterricht liefert Huber, der fünf Organisationsformen unterscheidet:
1. Fächerüberschreitend: Über die Grenzen seines Faches hinaus bezieht der Lehrer Inhalte oder verwandte Bezüge anderer Fächer in seinen Unterricht ein. Da diese Organisationsform ohne Zusammenarbeit mit anderen Fachlehrern stattfindet, ist keine aufwändige Unterrichtsorganisation notwendig. Voraussetzung ist jedoch eine entsprechende Mehrfachkompetenz der Lehrkraft über das eigene Fach hinaus.
2. Fächerverbindend: Es gibt einen gemeinsamen thematischen Gegenstand zweier oder mehrerer Fächer, wobei das fachliche Wissen des jeweils anderen Faches wechselseitig einbezogen wird. Eine Übersicht über die Unterrichtsplanung der beteiligten Fächer sowie der Austausch zwischen den beteiligten Lehrkräften ist Voraussetzung, eine intensive Koordination ist jedoch nicht notwendig.
3. Fächerkoordinierend: Der Unterricht zweier oder mehrerer Fächer, die einen gemeinsamen thematischen Gegenstand behandeln, wird gemeinsam geplant, aufeinander abgestimmt und zeitlich koordiniert. Die Durchführung findet jedoch getrennt in den einzelnen Fächern mit Fokus auf den jeweiligen Schwerpunkten statt. Der Organisationsaufwand des fächerkoordinierenden Unterrichts stellt somit eine Steigerung gegenüber dem fächerverbinden Unterricht dar.
4. Fächerergänzend: Bei diesem Unterrichtstypus wird die Fachsystematik zugunsten von Kursen oder Projekten ausgesetzt, die sich an bestimmten Themen orientieren und zusätzlich sowie parallel zum Fachunterricht durchgeführt werden. Die Kooperation der beteiligten Lehrer, deren Mehrfachkompetenzen über das eigene Fach hinaus und die Aufnahme der Kurse oder Projekte in den bestehenden Stundenplan sind Voraussetzung. Darüber hinaus ermöglicht der fächerergänzende Unterricht eine neue Zusammensetzung der Lerngruppe.
5. Fächeraussetzend: Der Fachunterricht wird durch Studientage, Exkursionen oder Projektwochen ersetzt. Da kein anderer Unterricht parallel stattfindet, sind Praktika, Reisen o.ä. möglich, wobei der Zeitraum des fächeraussetzenden Unterrichts festgelegt ist.30
Bei dieser Systematik wird deutlich, dass die verschiedenen Organisationsformen des fächerübergreifenden Unterrichts unterschiedliche Voraussetzungen erfordern und durch unterschiedliche Komplexität und Intensität in der Zusammenarbeit geprägt sind.
Dies berücksichtigt auch Beckmann, die aber zwischen fächerübergreifenden und fächerverbindenden Kooperationsformen unterscheidet. In ihrer Systematik nennt sie vier Kooperationsstufen, deren Aufsteigen „mit zunehmender Intensität und Komplexität in der Zusammenarbeit“ einhergeht.31
Zum fächerübergreifenden Unterricht gehören Beckmann zufolge die Stufen eins und zwei:
1. Themen- und leitfachbezogene Arbeit (Stufe 1): Ausgangspunkt ist das Leitfach, über dessen Fachgrenzen hinaus der Lehrer Inhalte anderer Fächer einbeziehen möchte. Die Kooperation der Kollegen dient der Vertiefung des Ausgangsfaches, wobei nur ausgewählte Elemente eines anderen Faches in den Fokus geraten.
2. Themenbezogene Parallelarbeit (Stufe 2): Bei dieser Kooperationsform gibt es gemeinsame Inhalte verschiedener Fächer, welche die beteiligten Kollegen nach Absprache möglichst zeitgleich unterrichten.
Zum fächerverbindenden Unterricht zählt die Autorin die Stufen drei und vier:
3. Planungsbezogene Parallelarbeit (Stufe 3): Hier steht ein Unterrichtsgegenstand im Zentrum, der in zwei oder mehreren Fächern behandelt werden kann oder sollte. Daher planen die beteiligten Lehrer die jeweiligen Unterrichtseinheiten gemeinsam, wobei sie neben den Inhalten auch Methoden, Ziele und zu vermittelnde Kompetenzen in die Planung einbeziehen.
4. Planungsbezogene Gemeinschaftsarbeit (Stufe 4): Beckmann zufolge stellt diese Form die „höchste Stufe der Kooperation“ und „die komplexeste Form der Zusammenarbeit“ dar.32 Der Unterricht zu einem Thema, welches nur durch die Zusammenarbeit mehrerer Fächer erarbeitet werden kann, wird von den jeweiligen Lehrkräften gemeinsam geplant und auch gemeinschaftlich durchgeführt. Auch wenn alle beteiligten Fächer gleichberechtigt und permanent an der Planung beteiligt sind, hängt die Rolle der einzelnen Fächer im Unterricht von der jeweiligen Arbeitsphase ab. Im Schulalltag mit festgelegtem Fächersystem findet diese Organisationsform überwiegend im Rahmen fächerverbindender Projektarbeit statt.33
In der Systematik Beckmanns gibt es teilweise inhaltliche Überschneidungen mit Hubers Systematik. Unterschiede ergeben sich durch die hierarchische Struktur, da Beckmann zwischen fächerübergreifendem und fächerverbindendem Unterricht unterscheidet. Andere Systematiken orientieren sich nicht an unterrichtsorganisatorischen Merkmalen, sondern beispielsweise an didaktischen Kriterien wie die Systematik von Hiller-Ketterer/Hiller.34
Entscheidend ist, dass es bei diesen Systematiken nicht um richtige oder falsche Ansätze geht, sondern – wie auch Moegling betont – um Möglichkeiten, „die verschiedenen Perspektiven fächerübergreifenden Unterrichts differenziert darzustellen und in eine Systematik zu bringen.“35
Grundlage all dieser Organisations- und Kooperationsformen sind die Berührungspunkte, die sich aus den Bildungsplänen der Fächer Deutsch und Musik der Sekundarstufe 1 ergeben und nachfolgend erläutert werden.
Die im Bildungsplan der Sekundarstufe 1 enthaltenen Fächer sind in prozessbezogene und inhaltsbezogene Kompetenzbereiche gegliedert. Während prozessbezogene Kompetenzen allgemeine und übergreifende sowie das Fach betreffende, sich über den Bildungsprozess herausbildende Kompetenzen erfassen, die nicht an bestimmte Inhalte gebunden sind, wird durch die inhaltsbezogenen Kompetenzen konkret festgelegt, was Lernende „bis zu einem bestimmten Zeitpunkt können und wissen sollen.“36
Im Fach Deutsch gehören zu den prozessbezogenen Kompetenzen Sprechen und Zuhören, Schreiben sowie Lesen. Die inhaltsbezogenen Kompetenzen gliedern sich in Texte und andere Medien sowie Sprachgebrauch und Sprachreflexion.37
Das Fach Musik beinhaltet Persönlichkeit und Identität, Gemeinschaft und Verantwortung, Methoden und Techniken, Kommunikation sowie Gesellschaft und Kultur als Prozessbezogene Kompetenzen. Zu den inhaltsbezogenen Kompetenzen gehören Musik gestalten und erleben, Musik verstehen und Musik reflektieren.38
Die Fächer Deutsch und Musik weisen unterschiedliche Inhalte und Schwerpunkte auf, die mit verschiedenen Methoden und Zielsetzungen einhergehen. Beim fächerübergreifenden Unterricht treffen diese aufeinander, sodass es zu Berührungen der Inhalte, Methoden und Zielsetzungen kommt. Der Bildungsplan verweist dabei auf die Inhalte, und der Vergleich der beiden Fächer macht inhaltliche Unterschiede und Gemeinsamkeiten deutlich, wobei fächerübergreifender Unterricht sowohl von den Gemeinsamkeiten als auch von den Unterschieden der beteiligten Fächer lebt und profitiert, wie Beckmann betont.39
Ausgangspunkt für die Möglichkeiten fächerübergreifenden Unterrichts sind die inhaltlichen Berührungspunkte. Zu diesem Zweck werden die o.g. prozessbezogenen und inhaltlichen Kompetenzen im folgenden Abschnitt genauer betrachtet und die relevanten Punkte aufgeführt.
[...]
1 Vgl. Wiater (2013), S. 23.
2 Vgl. Moegling (2010), S. 16f.
3 Vgl. Beckmann (2003), S. 29.
4 Vgl. Forsbach (2005), S. 17.
5 Vgl. Bildungsplan BW Lehrkräftebegleitheft (2016), S. 11f.
6 Vgl. http://www.qualitative-research.net/index.php/fqs/article/view/77
7 Vgl. ebd.
8 Vgl. Rinke (2018), S. 75.
9 Vgl. http://www.duden.de/rechtschreibung/generisch
10 Vgl. Kiel (2013), S. 198.
11 Vgl. Forsbach (2008), S. 19.
12 Vgl. Beckmann (2003), S. 5.
13 Vgl. Forsbach (2005), S. 160.
14 Vgl. Forsbach (2008), S. 22f.
15 Vgl. Forsbach (2005), S. 143f.
16 Vgl. Moegling (2010), S. 13.
17 Vgl. Beckmann (2003), S. 8.
18 Vgl. Forsbach (2005), S. 174.
19 Vgl. Forsbach (2005), S. 128f.
20 Vgl. ebd., S. 174f.
21 Vgl. Moegling (2010), S. 47f.
22 Vgl. ebd., S. 10.
23 Vgl. http://www.sqa.at/pluginfile.php/1805/course/section/932/merkmaleerfolgreichenunterrichts.pdf
24 Vgl. Moegling (2010), S. 94.
25 Vgl. Beckmann (2003), S. 35.
26 Vgl. ebd., S. 35.
27 Vgl. ebd., S. 35ff.
28 Vgl. ebd., S. 36.
29 Vgl. Breitweg (2005), S. 155.
30 Vgl. Moegling (2010), S. 27f.
31 Vgl. Beckmann (2003), S. 8.
32 Vgl. ebd., S. 10.
33 Vgl. Beckmann (2003), S. 8ff.
34 Vgl. Moegling (2010), S. 28f.
35 Vgl. ebd., S. 31.
36 Vgl. Bildungsplan BW Lehrkräftebegleitheft (2016), S. 10.
37 Vgl. Bildungsplan BW Deutsch Sek I (2016), S. 5.
38 Vgl. Bildungsplan BW Musik Sek I (2016), S. 6f.
39 Vgl. Beckmann (2003), S. 17.