Bachelorarbeit, 2017
59 Seiten, Note: 1,7
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Grundlagen
2.1 Umsatzrealisation
2.1.1 Auf nationaler Ebene
2.1.1.1 Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung
2.1.1.2 Realisationsprinzip
2.1.1.3 Umsatzerlöse
2.1.2 Auf internationaler Ebene
2.1.2.1 Realisation
2.1.2.2 Erlöse
2.2 Ermittlung des Fertigstellungsgrades
2.3 Vertragsarten
2.3.1 Mehrkomponentenvertrag
2.3.2 Werkvertrag
3. Vergleich der Behandlung der Umsatzrealisation von kundenspezifischen Fertigungsaufträgen in der nationalen und internationalen Rechnungslegung
3.1 Behandlung in der nationalen Rechnungslegung
3.1.1 Completed-Contract-Methode
3.1.2 Selbstkostenaktivierung
3.1.3 Teilgewinnrealisierung
3.2 Behandlung im nationalen Steuerrecht
3.3 Behandlung in der internationalen Rechnungslegung
3.3.1 Fertigungsaufträge nach IAS 11
3.3.2 Erlöse aus Verträgen mit Kunden gemäß IFRS 15
4. Synopse
Literaturverzeichnis
Abb. 1: Die fünf Schritte auf dem Weg zur Erlösrealisierung
Tab. 1: Übersicht über die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung
Tab. 2: Umfang des Herstellungskostenbegriffs im Handelsrecht
Tab. 3: Synoptische Zusammenfassung der Grundlagen
Tab. 4: Synoptische Zusammenfassung zu Fertigungsaufträgen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Kundenspezifische Fertigungsaufträge haben in der Vergangenheit in verschiedensten Branchen an Bedeutung gewonnen. Neben den klassischen Bereichen wie der Bauindustrie, werden sie auch zunehmend in Branchen wie der Softwareentwicklung relevant.
Besonders das nationale Handelsrecht ist in seinen Vorschriften auf kurzfristige Prozesse, welche innerhalb einer Rechnungslegungsperiode abgeschlossen werden, zugeschnitten.1 Das Fehlen von gesonderten Vorschriften für kundenspezifische Fertigungserträge führt dazu, dass sämtliche Fragen zur Bilanzierung solcher Aufträge unter Heranziehung der allgemeinen handelsrechtlichen Vorschriften beantwortet werden müssen.2 Auch vor dem Hintergrund des neu geschaffenen IFRS 15 für Erlöse aus Verträgen mit Kunden und dem damit verbundenen Wegfall der bisherigen internationalen Regelungen zu Fertigungsaufträgen, erscheint ein Vergleich der Behandlung der Umsatzrealisation von kundenspezifischen Fertigungsaufträgen in der nationalen und internationalen Rechnungslegung notwendig.
Ziel dieser Arbeit ist die Darstellung der nationalen und internationalen Umsatzrealisation in Bezug auf kundenspezifische Fertigungsaufträge. Die unterschiedlichen Voraussetzungen und Vorgaben werden vergleichend gegenübergestellt, wodurch diese Arbeit eine praktische Hilfe zur fallbezogenen Einordnung der Umsatzrealisation und dessen bilanzielle Behandlung liefert.
Die Arbeit gliedert sich in vier Kapitel. Im ersten Kapitel werden zunächst die Grundsätze der Umsatzrealisation auf nationaler und internationaler Ebene erläutert. Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf der Realisation, welche dann in einen konkreten Bezug zu der Realisation von Umsatzerlösen gesetzt wird. Des Weiteren werden die Möglichkeiten zur Ermittlung des Fertigstellungsgrades beleuchtet und die, einem Fertigungsauftrag zugrundeliegenden, Vertragsarten thematisiert. Im dritten Kapitel wird auf die Behandlung der Umsatzrealisation von kundenspezifischen Fertigungsaufträgen in der nationalen und internationalen Rechnungslegung eingegangen, woraufhin im vierten Kapitel ein synoptischer Vergleich folgt.
Nach § 238 Abs. 1 Satz 1 HGB ist jeder Kaufmann dazu verpflichtet, seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) ersichtlich zu machen. Laut § 243 Abs. 1 HGB hat auch die Aufstellung des Jahresabschlusses nach den GoB zu erfolgen. § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB betont zusätzlich noch einmal, dass der Jahresabschluss, unter Beachtung der GoB, ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu vermitteln hat.
Obwohl die GoB nicht gesetzlich definiert sind, werden sie durch § 238 Abs. 1 S. HGB zu gesetzesergänzenden Rechtssätzen und gelten somit als zwingendes Recht.3 Grundsätzlich lassen sich die GoB in kodifizierte GoB und nicht kodifizierte GoB unterscheiden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 1: Übersicht über die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung6
Vorsichtsprinzip
Der Grundsatz4 der Vorsicht5 ist der wohl Wichtigste. Nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB muss vorsichtig bewertet werden, bei der Bewertung von zukünftigen Ereignissen müssen sämtliche vorhersehbare Risiken berücksichtigt werden.
Kernziel dieses Grundsatzes ist es, Schätzgrößen festzulegen, durch welche sichergestellt wird, dass ein Periodenerfolg nicht durch eine übermäßig optimistische Schätzung zu hoch ausgewiesen wird. Obwohl es sich bei dem Grundsatz der Vorsicht nach herrschender Meinung um einen der wohl wichtigsten Grundsätze handelt, ist das Vorsichtsprinzip nicht weiter definiert.7
Im Wesentlichen setzt sich das Vorsichtsprinzip aus dem Imparitätsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 1. Hs. HGB) und dem Realisationsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 2. Hs. HGB) zusammen.
Das Imparitätsprinzip besagt, dass sämtliche vorhersehbaren Risiken und Verluste, die zum Abschlussstichtag entstanden sind auch berücksichtigt werden müssen. Dies gilt auch, wenn diese erst zwischen Abschlussstichtag und dem Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses bekannt werden. Somit sorgt das Imparitätsprinzip dafür, dass erwartete Gewinne und erwartete Verluste ungleich behandelt werden.
Gewinne sind nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind. Mit diesem, für seine Tragweite recht kurzen Satz, ist das Realisationsprinzip unter § 252 Abs. 1 Nr. 4 2. Hs. im HGB kodifiziert.
Als Gewinn im Sinne des Realisationsprinzips wird der (positive) Unterschiedsbetrag zwischen dem, zum Zeitpunkt der Veräußerung, in der Bilanz angesetztem Wert und dem Erlös eines Vermögensgegenstandes bezeich- net.8
Im Wesentlichen verfolgt das Realisationsprinzip zwei Ziele:
1. Die Gewährleistung der Erfolgsneutralität von Anschaffungs- und Herstellungsvorgängen.
2. Eine korrekte und zugleich vorsichtige Ermittlung des Periodenerfolges, durch die Verhinderung von Ausweis und Ausschüttung noch nicht realisierter Gewinne.9
Zur Erreichung des ersten Zieles macht das Realisationsprinzip von dem Gewinnbegriff Gebrauch. Daraus resultiert im Umkehrschluss, dass selbst hergestellte und erworbene Güter oder Leistungen so lange zu ihren Anschaffungsbeziehungsweise Herstellungskosten angesetzt werden, bis durch ihre Veräußerung ein Gewinn entsteht. Reine Buchwertgewinne werden somit nicht bilanziell erfasst.10
Für das Erreichen des zweiten Zieles ist die Bestimmung des Realisationszeitpunktes von entscheidender Bedeutung. Eine Verfahrensweise oder Anhaltspunkte zur Ermittlung dieses Zeitpunktes bleibt das Handelsrecht jedoch schuldig.
Ein wesentlicher Aspekt der Gewinnrealisierung liegt in der risikoorientierten Ermittlung des Realisationszeitpunktes. So ist die Realisation des Gewinnes handelsrechtlich frühestens dann zulässig, wenn ein zur Leistung Verpflichteter, die sich aus einem geschlossenen Vertrag ergebenden Pflichten erfüllt und ihm eine Gegenleistung „so gut wie sicher“ ist.11 Damit übereinstimmend urteilte der BFH, dass Gewinne erst dann zu realisieren seien, wenn sie „so gut wie sicher“ sind.12
Unter Berücksichtigung des Risikoaspektes kristallisieren sich so vier verschiedene mögliche Realisationszeitpunkte heraus.
- Der Vertragsabschluss
- Die Lieferung eines Gutes oder die Beendigung einer Dienstleistung
- Der Zahlungseingang
- Und der Ablauf von Gewährleistungs- und Produkthaftungsfristen
Der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses kommt als Realisationszeitpunkt nicht in Frage, da das Lieferrisiko13 bei Abschluss eines Vertrages verhältnismäßig hoch ist.14 Die Wahl des Zahlungseingangs als Realisationszeitpunkt käme nur dann in Frage, wenn der Geldschuldner seine Zahlung direkt bei Übergabe eines Gutes leistet. Bei teilweiser Vorauszahlung kommt es nicht zu einer Re- alisation.15 Wird erst nach Übergabe oder Beendigung gezahlt, so müsste wiederum mit der Realisation gewartet werden.16
Nach aktuell herrschender Meinung ist der Realisationszeitpunkt der, in dem der Vermögensgegenstand ausgeliefert beziehungsweise eine Dienstleistung vollständig erbracht, der Anspruch auf Gegenleistung entstanden und die Preisgefahr17 auf den Käufer übergegangen ist.18 Durch die zusätzliche Bildung einer Rückstellung kann das Gewährleistungsrisiko minimiert werden, wodurch dem Vorsichtsprinzip in vollem Maße Rechnung getragen wird. Diese Auffassung wird auch von der These gestützt, dass mit der Realisation ein Wertsprung verbunden ist. Dieser Wertsprung entsteht, wenn ein Vermögensgegenstand den „Sprung“ zum Absatzmarkt schafft und besteht grundsätzlich aus der, im Optimalfall, positiven Differenz zwischen dem Aufwand und dem Ertrag der Leistung. Daher dient der Wertsprung als ein Indikator für die Rea- lisation.19 Dabei wird deutlich, dass die grundlegende Voraussetzung für die Realisierung von Gewinnen der Umsatz ist. Dies entspringt letztlich der logischen Konsequenz, dass aus einem Umsatz auch ein Ergebnis, in Form eines Gewinnes oder eines Verlustes, resultiert.
Die Umsatzerlöse sind Teil der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) nach § 275 HGB und werden, unabhängig davon, ob die GuV nach dem Gesamtkos- tenverfahren20 (Abs. 1) oder dem Umsatzkostenverfahren21 (Abs. 2) aufgestellt wird, dort unter der Nr. 1 des jeweiligen Absatzes22 ausgewiesen. Als Umsatzerlöse sind gemäß § 277 Abs. 1 HGB solche Erlöse auszuweisen, welche aus dem Verkauf und der Vermietung oder Verpachtung von Produkten sowie aus der Erbringung von Dienstleistungen, nach Abzug von Erlösschmälerungen und der Umsatzsteuer sowie sonstiger direkt mit dem Umsatz verbundener Steuern, entstehen. Um den Begriff der Umsatzerlöse zu erläutern, sollte zunächst der Umsatzbegriff an sich näher beleuchtet werden.
Die Frage des Umsatzes ist eine Frage des wirtschaftlichen Eigentums. § 246 Abs. 1 S. 2 besagt, dass ein Vermögensgegenstand nicht grundsätzlich in der Bilanz des Eigentümers auszuweisen ist, sondern in der Bilanz desjenigen, dem der Vermögensgegenstand wirtschaftlich zuzurechnen ist. Zur Qualifikation von Eigentum als wirtschaftliches Eigentum verweist das IDW auf das Verwertungsrecht eines Gegenstandes durch dessen Nutzung oder Veräußerung sowie auf das Tragen des Risikos der Wertminderung, des Verlustes oder des zufälligen Untergangs und die Chance auf Wertsteigerung.23
Als Umsatzakt kann somit der Übergang eines Vermögensgegenstandes von der Bilanz des Veräußerers in die Bilanz des Erwerbers verstanden werden, welcher sich direkt an der Abgangsbuchung bei dem einen Bilanzierenden und der Zugangsbuchung bei dem anderen Bilanzierenden festmachen lässt.24
Die sich aus einem solchen Umsatzakt ergebene Vermögensmehrung ist ein Ertrag, welcher einen Umsatzerlös darstellt.25 Erträge bezeichnen alle bewerteten Vermögensmehrungen innerhalb einer Rechnungsperiode.26 Der Begriff der Erlöse wird im HGB stets nur in Verbindung mit Umsatzerlösen genannt, weshalb Umsatzerlöse und Erlöse oft synonym verwendet werden.27 Der Umsatzakt allein ist jedoch nicht ausreichend, um einen Ertrag als Umsatzerlös zu qualifizieren. Ausschlaggebend ist neben dem Umsatzakt auch die Einordnung in Produkt oder Dienstleistung.
Ein Produkt im Sinne des § 277 Abs.1 HGB ist ein Vermögensgegenstand, welcher regelmäßig im Rahmen der Geschäftstätigkeit des bilanzierenden Unternehmens veräußert wird. Dabei ist es unerheblich, ob es sich bei dem veräußerten Vermögensgegenstand um ein Produkt der „klassischen“ Angebotspalette des Unternehmens oder beispielsweise um ein Kuppelprodukt28 handelt.29
Eine Dienstleistung im Sinne des § 277 Abs.1 HGB ist grundsätzlich jede entgeltliche Leistung, die weder Verkauf noch Vermietung oder Verpachtung darstellt.30 Ausschlaggebend ist das Vorliegen eines Leistungsaustausches, wobei im Gegensatz zum Produkt eine Regelmäßigkeit nicht entscheidend ist.31 Die aus einer Dienstleistung resultierenden Erlöse dürfen erst dann erfasst werden, wenn die Dienstleistung vollständig erbracht ist. Als vollständig erbracht gilt sie, wenn zur Erfüllung der Vereinbarung keine wesentlichen Leistungen seitens des Auftragnehmers mehr erforderlich sind.32
Umsatzerlöse dürfen nur in der Höhe ausgewiesen werden, in welcher sie auch tatsächlich vom Abnehmer geleistet wurden. Daher schreibt der Gesetzgeber in § 277 Abs. 1 HGB, neben dem Abzug der Umsatzsteuer, den Abzug von Erlösschmälerungen vor. Dies ist auch der Fall, wenn eine Erlösschmälerung noch nicht eingetreten ist, jedoch in der näheren Zukunft erwartet wird. Daher ist die Bildung einer Rückstellung sowie der Ausweis eines entsprechenden Aufwandes in einem solchen Fall verpflichtend.33 Zu den Erlösschmälerungen im Sinne des § 277 Abs. 1 HGB gehören Preisnachlässe jeglicher Art sowie Gutschriften, Boni, Skonti, Umsatzvergütungen und zurückgewährte Entgelte.34 Neben den Erlösschmälerungen sind laut Handelsgesetz alle sonstigen direkt mit dem Umsatz verbundenen Steuern von den Umsatzerlösen abzuziehen. Als solche Steuern gelten grundsätzlich Verbrauchs- steuern35 und Monopolabgaben.36 Voraussetzung für die Abzugsfähigkeit dieser Steuern ist, neben der Tatsache, dass das Unternehmen auch der Steuerschuldner ist, dass diese nicht mit in den Herstellkosten aktiviert werden. Des Weiteren müssen der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer sowie der Zeitpunkt der Umsatzrealisierung, entsprechend der Verhältnisse der jeweiligen Branche, nahezu übereinstimmen.37 Ist der Zeitraum zwischen der Erstehung der Steuer und dem Umsatzakt zu groß, fließen die Steuern in die Herstellungskosten des jeweiligen Vermögensgegenstandes mit ein.
Unternehmen haben gemäß IAS38 1.27 ihre Abschlüsse, mit Ausnahme der Kapitalflussrechnung, nach dem Konzept der Periodenabgrenzung aufzustellen. Sodann werden laut IAS 1.28 Vermögenswerte, Schulden, Eigenkapital, Erträge und Aufwendungen gemäß den Definitionen und Kriterien des vom IASB39 herausgegebenen Rahmenkonzeptes40 (RK) erfasst. Dieses gibt in RK OB17 grundlegend vor, dass Auswirkungen von Geschäftsvorfällen und anderen Ereignissen in der Periode abzubilden sind, in welcher sie eintreten.
Den Begriff Erfassung definiert RK 4.37 als die Berücksichtigung eines Sachverhaltes in der Bilanz oder der GuV. Grundlegende Bedingung der Berücksichtigung ist die Qualifizierung eines Sachverhaltes als Abschlussposten gemäß RK 4.38, wonach dieser zwei Kriterien zu erfüllen hat.
1. Es muss wahrscheinlich sein, dass dem Unternehmen mit dem Sachverhalt künftig ein wirtschaftlicher Nutzen zufließt.
2. Die Anschaffungs- oder Herstellkosten oder der Wert des Sachverhaltes müssen sich verlässlich ermitteln lassen.
Die Wahrscheinlichkeit bemisst sich nach RK 4.40 an dem Grad der Unsicherheit, welche im Tätigkeitsfeld des Unternehmens herrscht. Der Grad der Unsicherheit stützt sich wiederum auf die zum jeweiligen Zeitpunkt verfügbaren substanziellen Hinweise (auf bestimmte Sachverhalte). Um dies zu präzisieren, empfiehlt sich an dieser Stelle auf die Regelungen des IAS 37 zurückzugreifen. Nach IAS 37.23 gilt etwas als wahrscheinlich, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass ein Ereignis eintritt größer ist, als die Wahrscheinlichkeit, dass es nicht eintritt.
In vielen Fällen kann es sein, dass die Anschaffungs- oder Herstellkosten oder der Wert eines Sachverhaltes geschätzt werden müssen. RK 4.41 gibt in diesem Zusammenhang vor, dass angemessene Schätzungen grundsätzlich als verlässlich gelten und diese in der Abschlusserstellung unumgänglich sind. Die Voraussetzungen einer Schätzung werden individuell in den jeweiligen, einen Sachverhalt betreffenden, Standards geregelt.
Grundsätzlich gilt nach RK 4.39, dass nur solche Sachverhalte erfasst werden dürfen, die als wesentlich zu erachten sind. Die Wesentlichkeit bestimmt das RK in QC11. Danach ist eine Abschlussinformation wesentlich, wenn ihr Weglassen oder ihre fehlerhafte Darstellung, die auf Grundlage des Abschlusses getroffenen Entscheidungen eines Abschlussadressaten beeinflussen können.
Gemäß RK 4.47 werden Erträge erfasst, wenn es zu einer Zunahme des künftigen Nutzens in der Kombination mit der Zunahme von Vermögenswerten beziehungsweise Abnahme von Schulden kommt. Spiegelungsgleich zu den Erträgen werden gemäß RK 49 Aufwendungen dann erfasst, wenn es zu einer Abnahme des künftigen wirtschaftlichen Nutzens und der Abnahme von Vermögenswerten beziehungsweise Zunahme von Schulden kommt. Durch dieses sogenannte „matching principle“41 wird vor dem Hintergrund der Periodenabgrenzung nach RK 4.50 dafür gesorgt, dass Erträge und Erlöse, die aus denselben Ereignissen resultieren auch gemeinsam und zeitgleich erfasst werden. Im Falle einer periodenübergreifenden Entstehung von wirtschaftlichem Nutzen und der damit einhergehenden nur ungenauen Möglichkeit der Ertragsermittlung werden nach RK 4.51 die zugehörigen Aufwendungen mit Hilfe eines geeigneten Verteilungsverfahrens erfasst.
An dieser Stelle ist bereits deutlich geworden, dass es gravierende Unterschiede zu der Realisation nach deutschem Handelsrecht gibt, da sich nach der Vorgabe des IASB also auch Geschäftsvorfälle erfassen lassen, die realisierbar, aber noch nicht realisiert sind und somit nach dem handelsrechtlichen Realisationsprinzip nicht berücksichtigt werden dürften. Grund für dieses Auseinanderfallen der nationalen und der internationalen Vorgehensweise ist die Tatsache, dass es in der internationalen Rechnungslegung keine übergeordnete Regelung zur Realisation gibt.42
Damit zusammenhängend ist anzumerken, dass es in der internationalen Rechnungslegung kein dem Handelsrecht ähnliches Vorsichtsprinzip gibt, da ein solches, nach Auffassung des IASB, dem Neutralitätsgebot nach RK QC 14 entgegenstehen würde. Für die Imparität gibt es in der internationalen Rechnungslegung ebenfalls keine Generalnorm. Jedoch finden sich diesbezüglich separate Regelungen in den jeweiligen Standards. So werden beispielsweise gemäß IAS 11.32 Verluste aus Fertigungsaufträgen sofort und in voller Höhe realisiert, während Gewinne dem Leistungsfortschritt nach realisiert werden.
Das Fehlen einer Generalnorm für die Realisation hat zur Folge, dass die Vorgaben zur Realisation, insbesondere im Bereich der Ertragsrealisation, innerhalb der einzelnen Standards geregelt sind. Die größte Relevanz kommt dabei dem IAS 18 „Erlöse“, dem IAS 11 „Fertigungsaufträge“ und dem IFRS 15 „Erlöse aus Verträgen mit Kunden“ zu.
Aktuell werden Erlöse aus Fertigungsaufträgen im IAS 11 behandelt. Sämtliche weitere Erlöse fallen, mit Ausnahme der im Standard selbst genannten Erlösarten, unter den IAS 18. Der am 18.11.2016 in Kraft getretene IFRS 15 ist ein neu geschaffener Standard, welcher die bislang über mehrere Standards verteilten Regelungen zur Erlösrealisierung zusammenführt. Er ist erstmalig verpflichtend auf Geschäftsjahre anzuwenden, die am oder nach dem 01.01.2018 beginnen. Die momentan noch aktuellen Standards IAS 11 und IAS 18 fallen damit zum 01.01.2018 weg.
IFRS 15 „Erlöse aus Verträgen mit Kunden“
Gemäß IFRS 15.31 hat ein Unternehmen einen Erlös dann zu erfassen, wenn ein zugesagtes Gut oder eine zugesagte Dienstleistung so an den Kunden übergeht, dass ein Kunde die Verfügungsgewalt darüber hat. Die Höhe der zu erfassenden Umsatzerlöse bemisst sich dabei an der Höhe der erwarteten Gegenleistung. Bei der Erlöserfassung folgt der IFRS 15 einem aus fünf Schritten bestehenden Modell.
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Abb. 1: Die fünf Schritte auf dem Weg zur Erlösrealisierung43
IAS 18 Erlöse
Gemäß IAS 18.1 ist der IAS 18 auf alle Erlöse aus dem Verkauf von Gütern, der Erbringung von Dienstleistungen sowie aus der Nutzung von Vermögenswerten des Unternehmens durch Dritte gegen Zinsen, Nutzungsentgelte und Dividenden anzuwenden. Nach IAS 18.6 findet der IAS 18 keine Anwendung auf Erlöse aus:
- Leasingverhältnissen (IAS 17)
- Dividenden für at Equity bilanzierte Anteile (IAS 28)
- Versicherungsverträgen (IFRS 4)
- Änderungen des beizulegenden Zeitwertes finanzieller Vermögenswerte oder finanzieller Verbindlichkeiten beziehungsweise deren Veräußerung (IAS 39)
- Dem erstmaligen Ansatz und Änderungen des beizulegenden Zeitwertes der biologischen Vermögenswerte, die mit landwirtschaftlicher Tätigkeit im Zusammenhang stehen (IAS 41)
Die Erlöse aus diesen speziellen Sachverhalten werden jeweils gesondert in ihren Standards geregelt.
In der Zielsetzung des Standards ist festgelegt, dass die Umsatzerlöse dann zu erfassen sind, wenn eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass43 dem Unternehmen ein wirtschaftlicher Nutzen zukommt, welcher sich verlässlich bestimmen lässt. Intention des IAS 18 ist somit die genaue Festlegung des Erfassungszeitpunktes sowie die Regelung der dafür notwendigen Umstände. IAS 18.7 definiert Umsatzerlöse als einen Bruttozufluss von wirtschaftlichem Nutzen innerhalb einer Berichtsperiode, der zu einer Erhöhung des Eigenkapitals führt und aus der gewöhnlichen Tätigkeit des Unternehmens und nicht aus der Einlage von Anteilseignern herrührt. Genau wie im deutschen Handelsrecht werden Umsatz- und Verkehrssteuern sowie Beträge, welche für Dritte eingezogen werden, nicht in den Umsatzerlösen erfasst. Die Bemessung der Umsatzerlöse erfolgt gemäß IAS 18.9 anhand des beizulegenden Zeitwertes, dem sogenannten Fair Value. Dabei handelt es sich um einen marktbasierten Veräußerungswert, also den Wert, der im Rahmen einer gewöhnlichen Transaktion zwischen zwei beliebigen Marktteilnehmern am Bewertungsstichtag zustande käme.44 Besonders bei Rohstoffen kommt es bei Unternehmen regelmäßig zum Tausch von Erzeugnissen, Waren oder Dienstleistungen. Sind die dabei ausgetauschten Erzeugnisse, Waren oder Dienstleistungen gleichwertig, entsteht nach IAS 18.12 kein Umsatzerlös. Ist der Austausch nicht gleichwertig, so entstehen Umsatzerlöse in Höhe des beizulegenden Zeitwertes der Erzeugnisse, Waren oder Dienstleistungen abzüglich der, die Differenz ausgleichende, Zahlung.
Ähnlich der Maßgabe des § 277 Abs. 1 HGB unterscheidet auch der IAS 18 in Erlöse aus dem Verkauf von Gütern und Erlöse aus der Erbringung von Dienstleistungen.
So werden Erlöse aus dem Verkauf von Gütern laut IAS 18.14 erfasst, wenn:
- Das veräußernde Unternehmen sämtliche maßgebliche Chancen und Risiken, welche mit den verkauften Gütern verbunden sind, auf den Käufer übertragen45 hat.
- Das veräußernde Unternehmen sämtliche Verfügungsrechte sowie die Verfügungsgewalt an den Käufer abgegeben hat.
- Die Höhe des aus dem Verkauf resultierenden Umsatzerlöses verlässlich bestimmt werden kann.
- Es wahrscheinlich ist, dass dem veräußernden Unternehmen durch den Verkauf ein wirtschaftlicher Nutzen zufließt.
- Die im Zusammenhang mit dem Verkauf entstehenden etwaigen Kosten verlässlich bestimmt werden können.
[...]
1 Vgl. Kümpel, Die Bilanz nach Handels- und Steuerrecht, S. 596.
2 Vgl. Winnefeld, Bilanz-Handbuch, Buchstabe M, Rn. 1000.
3 Vgl. Leffson, Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, S. 22.
4 Vgl. Leffson, Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, S. 81.
5 Vgl. IDW Prüfungsstandard 250, Wesentlichkeit im Rahmen der Abschlussprüfung, Stand: 09.09.2010.
6 Eigene Darstellung
7 Vgl. Leffson, Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, S. 465 ff.
8 Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 252, Rn. 80.
9 Vgl. Braun/Fischer/Roos, Unternehmensteuern und Bilanzen, Nr. 21 vom 11.11.2016, S. 804.
10 Vgl. Küting/Lam, Deutsches Steuerrecht, 2012, S. 2348.
11 Vgl. Schubert/Roscher, Beck‘scher Bilanz-Kommentar, § 247, Rn. 80.
12 Vgl. BFH-Urteil vom 25.02.1986 - VIII R 134/80, BStBl 1986 II, S. 788.
13 Handelt es sich um einen Fertigungsauftrag, kommen noch zusätzliche Risiken, wie beispielsweise ein Produktionsrisiko, hinzu.
14 Vgl. Marx, Unternehmensteuern und Bilanzen, Nr. 9 vom 13.05.2016, S. 328
15 Eine Vorauszahlung in voller Höhe ist mehr als ungewöhnlich und wird daher nicht weiter aufgegriffen.
16 Leffson, die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, S. 258 f.
17 Der Schuldner einer Leistung hat gemäß § 326 Abs. 1 BGB keinen Anspruch auf eine Gegenleistung, wenn die Leistungspflicht für ihn nach § 275 BGB ausgeschlossen ist. Es besteht für ihn somit die Gefahr, dass seine bereits entstandenen Kosten nicht durch eine künftige Gegenleistung gedeckt werden.
18 Vgl. Marx, Unternehmensteuern und Bilanzen, Nr. 9 vom 13.05.2016, S. 329.
19 Leffson, Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, S. 247 f.
20 Bei diesem Verfahren werden sämtliche Aufwendungen, welche sich der Produktion des Unternehmens zurechnen lassen, den Umsatzerlösen gegenübergestellt. (Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, S. 614)
21 Bei diesem Verfahren werden die Umsatzerlöse nur solchen Aufwendungen gegenübergestellt, welche durch den Umsatzprozess verursacht wurden. (Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, S. 615)
22 Für Kleinstkapitalgesellschaften nach. § 267a HGB kann die Darstellung der GuV auch in gekürzter Form gemäß Abs. 5 dargestellt werden.
23 Vgl. IDW ERS HFA 13 n.F., Stand: 29.11.2006, Rn. 7.
24 Vgl. Hoffmann, Unternehmensteuern und Bilanzen, Nr. 24 vom 25.12.2009, S. 899.
25 Vgl. E-DRS 17 „Erlöse“, Stand: 13.05.2002, Rn. 7.
26 Vgl. Hayn/Waldersee, IFRS und HGB im Vergleich, S. 66.
27 Vgl. Winnefeld, Bilanz-Handbuch, Buchstabe G, Rn. 145.
28 Produkte, welche zwangsläufig bei einem Herstellungsprozess entstehen, wie beispielsweise Sägespäne bei der Herstellung von Holzprodukten.
29 Vgl. Schmidt/Peun, Beck‘scher Bilanz-Kommentar, § 275, Rn. 50.
30 Vgl Hirschberger/Sulzberger, Buchführung, Bilanzierung, Kostenrechnung, Nr. 6 vom 18.03.2016, S. 279.
31 Vgl. Schmidt/Peun, Beck‘scher Bilanz-Kommentar, § 275, Rn. 52.
32 Vgl. E-DRS 17 „Erlöse“, Stand: 13.05.2002, Rn. 27 f.
33 Vgl. Schmidt/Peun, Beck‘scher Bilanz-Kommentar, § 275, Rn. 62.
34 Vgl. Winnefeld, Bilanz-Handbuch, Buchstabe G, Rn. 145.
35 Abgaben, die den Verbrauch bestimmter (jeweils vom Gesetzgeber festgelegt) Waren belasten (Stromsteuer). Quelle: http://www.zoll.de/DE/Fachthemen/ Steuern/Verbrauchsteuern/Grundsaetzliche-Regelungen/Allgemeine-Einfuehrung/ allgemeine-einfuehrung_node.html (Zugriff: 10.05.2017).
36 Abgaben auf Güter, deren Produktion oder Vertrieb aufgrund eines staatlichen Monopols erfolgt (Tabaksteuer) (Vgl. Hörmann/Haslinger/Hirschler, Unternehmensbesteuerung anhand von Fallbeispielen, S. 1).
37 Vgl. Wobbe, Haufe HGB Bilanz Kommentar, § 275, Rn. 55.
38 Die IAS (International Accounting Standards) sind internationale Rechnungslegungsstandards, welche vom IASC (der Vorgängerorganisation des IASB) herausgegeben wurden. Sie wurden unverändert vom IASB übernommen. (Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, S. 61)
39 Das IASB (International Accounting Standards Board) ist ein unabhängiges, privatwirtschaftliches Gremium. Aufgabe des IASB ist die Formulierung und Veröffentlichung von Rechnungslegungsgrundsätzen mit globaler Geltung, wodurch zur Verbesserung und Vereinheitlichung von Rechnungslegungsnormen beigetragen werden soll. (Vgl. Zülch, IASB - Institution und Prozess der Standardsetzung, InfoCenter vom 25.04.2017, NWB DokID [NAAAC-32087])
40 Das Rahmenkonzept für die Rechnungslegung bildet das theoretische Fundament der internationalen Rechnungslegungsvorschriften. Es dient als Orientierungshilfe und hilft bei der Auslegung bestehender Rechnungslegungsstandards. Die Rahmengrundsätze sind dabei, im Gegensatz zu den Rechnungslegungsstandards, nicht verpflichtend, sondern bieten lediglich eine Empfehlung. (Vgl. Zülch, Standards und Interpretationen, InfoCenter vom 25.04.2017, NWB DokID [MAAAB-80570])
41 Erträge und Erlöse, die aus den gleichen Vorgängen resultieren, bilden ein „match“ (Paar).
42 Vgl. Winnefeld, Bilanz-Handbuch, Buchstabe E, Rn. 103.
43 Quelle: IFRS Fokussiert, https://www.iasplus.com/de/publications/german-publications/ ifrs-fokussiert/ifrs-15
44 Vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, IFRS Kommentar, 14. Auflage, § 8a, Rn.12.
45 Dies geht laut IAS 18.15 in der Regel mit der rechtlichen Eigentumsübertragung oder dem Besitzübergang einher.
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