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Examensarbeit, 2017
59 Seiten, Note: 2,3
1. Einleitung
2. Stellenanzeigen im Massenmedium Zeitung
2.1 Stellenanzeigen
2.2 Forschungsstand zu Stellenanzeigen des 19. Jahrhunderts
2.3 Zur Geschichte des Massenmediums Zeitung
3. Theoretische Grundlagen zur Textanalyse
3.1 Stellenanzeigen als Text
3.2 Sprachgeschichte als Textsortengeschichte
3.2.1 Mehrdimensionales Textsortenmodell nach BRINKER
3.2.2 Stellenanzeigen als Textsorte nach BRINKER
3.2.3 Textsorten im Wandel
3.3 Korrelationsmodell zur Textsortenbeschreibung
3.3.1 Dimensionen nach Meiburg
3.3.2 Textsortenbeschreibung unter dem Einfluss optischer Aspekte
4. Analysevorüberlegungen zur Textsortenbeschreibung der Stellenanzeigen
4.1 Problemstellung
4.2 Methodisches Vorgehen
4.3 Untersuchungskorpus
5. Analyse der Textsorte Stellenanzeigen
5.1 Situationsdimension
5.1.1 Kommunikationsbereich
5.1.2 Kommunikationssituation
5.2 Sozialdimension
5.3 Sachdimension
5.3.1 Thematik einer Stellenanzeige
5.3.2 Zeitgeschichtliche Einflüsse auf Stellenanzeigen
5.4 Funktionsdimension
5.5. Strukturdimension
5.6 Optische Dimension
5.6.2 Innere optische Beschaffenheit einer Stellenanzeige
5.6.3 Äußerliche optische Abgrenzungen einer Stellenanzeige
6. Schlussbetrachtung
7. Literatur/ Quellenverzeichnis
8. Abbildungsverzeichnis
9. Anhang
Das Kommunikationsmedium Zeitung vollzieht im 19. Jahrhundert durch zahlreiche Neue- rungen und Entwicklungen den Prozess von einem bedeutenden Medium zum Massenme- dium (vgl. Pürer 2015, S. 25). Drucktechnische Neuerungen, wirtschaftlicher Fortschritt und ein wachsendes Interesse der Bevölkerung an Politik und Gesellschaft steigern die Bedeu- tung der Zeitung innerhalb eines Jahrhunderts enorm. Dieser Wandel verändert nicht nur das Medium selbst, sondern auch dessen Inhalte. Nachrichten, Ankündigungen und ver- schiedenste Anzeigen, wie Wohnungsannoncen, Stellenanzeigen, Trauerfälle und Werbung, unterliegen der fortschreitenden Entwicklung und werden den Umständen entsprechend an- gepasst.
Das Kommunikationsmedium Zeitung und die damit verbundene Entwicklung haben bereits zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen erfahren. STÖBER (2014) setzt sich unteran- derem mit der deutschen Pressegeschichte auseinander, indem er chronologisch vorgehend die Entwicklung der Presse anhand von Öffentlichkeit, Politik und Berufsgruppen seit den Anfängen im 15. Jahrhundert bis heute aufzeigt. In SOLOMONs (1906) historischem Über- blick für selbigen Zeitraum ist die Geschichte des Zeitungswesens unter Bezugnahme auf die Einflüsse der jeweiligen Jahrhunderte dargestellt. Einen moderneren Ansatz bietet PÜRER (2015), der sich mit Medien in Deutschland und dem damit verbundenen Aufstieg der Zei- tung zum Massenmedium auseinandersetzt. Der Anzeigenteil, der in den meisten deutschen Tageszeitungen des 19. Jahrhunderts zu finden ist, wird in der Literatur allerdings kaum be- ziehungsweise gar nicht thematisiert. Eine konkrete Recherche zum Untersuchungsgegen- stand dieser Arbeit, der Textsorte Stellenanzeige und ihrer Entwicklung im 19. Jahrhundert, liefert kaum Ergebnisse und zeigt die vereinzelte und relativ geringe Beachtung der Thematik in der sprachwissenschaftlichen Forschung.
Die folgende Arbeit soll daher über die Methode des Vergleichs zweier regionaler Zeitungen konkrete Schlüsse zur allgemeinen Entwicklung der Stellenanzeigen im 19. Jahrhundert lie- fern. Anhand verschiedener Analysekategorien soll versucht werden, eine Entwicklung die- ses Zeitungsbestandteils darzulegen. Die Textsorte Stellenanzeige ist insofern interessant, da sie in ihrer übergeordneten Funktion dazu dient, Menschen zum Zwecke der Arbeit zusam- menzuführen. Der Emittent einer Stellenanzeige hat eine freie Stelle, die er gern besetzen möchte und nutzt das Kommunikationsmedium der Zeitung, um in Textform alle notwendi- gen Information für den möglichen Rezipienten, der sich im Idealfall für die Stelle interes- siert, bereitzustellen. Durch die schriftliche Verbreitung können auf direktem Wege deutlich mehr potenzielle Bewerber erreicht werden als über die mündliche Kommunikation, bei der die Verbreitung der Nachricht deutlich länger dauert und die die Gefahr der fehlerhaften Übermittlung besteht.
Es ist anzunehmen, dass sich eine Textsorte, wie die der Stellenanzeige, an die zeitlichen Gegebenheiten anpasst und sich dementsprechend weiterentwickelt. Da die Zeitung im 19. Jahrhundert die Entwicklung vom Medium zum Massenmedium bewältigt (vgl. Pürer 2015, S. 25), ist davon auszugehen, dass sich sowohl die Inhalte, als auch die Form der Stellenan- zeigen im Laufe der Zeit verändern. Werden zu Beginn des Jahrhunderts beispielsweise eher Bedienstete für Haus und Garten gesucht, sind es im Zuge der Industrialisierung deutlich differenziertere Anzeigen, durch die für alle Bereiche des öffentlichen Lebens Stellen ausge- schrieben werden. So lassen sich in der Stralsundischen Zeitung von Januar 1870 34 ver- schiedene Berufe kennzeichnen, zu denen unteranderem Wirtschafter, Bäcker, Kindergärt- nerinnen, diverse Lehrlinge und Verkäufer gehören.
Ziel der Arbeit ist es, eine kontinuierliche Veränderung der Textsorte Stellenanzeige im 19. Jahrhundert herausstellen zu können. In Form eines Vergleichs sollen eventuelle Gemein- samkeiten und Unterschiede in der Entwicklung gekennzeichnet werden können. In diesem Zusammenhang sind sowohl wirtschaftliche Veränderungen in der Region zu untersuchen als auch technische Neuerungen und politische Entscheidungen. Das Textkorpus dazu liefern das digitale Archiv der Stralsundischen Zeitung von 1800 bis 1900 und das kalendarisch angelegte und ebenfalls digital vorliegende Archiv des Halleschen Tagesblatts aus selbigem Zeitraum.
Für die allgemeine wissenschaftliche Einordnung der Stellenanzeige kann auf eine große Auswahl an Werken der Textlinguistik zurückgegriffen werden. Ausgehend von verschiede- nen Auffassungen des Textbegriffes, die sich unterschiedlich gut für die Zielstellung dieser Arbeit eignen, soll die Textsorte der Stellenanzeige analysiert und in ihrer Entwicklung be- schrieben werden. Als Grundlage für die Einordnung als Text dienen sowohl die Überlegun- gen ADMAZIKs (2004) als auch die Definitionen nach GANSEL/JÜRGENS (2009). Weiter- hin werden die Vorschläge von FIX/POETHE/YOS (2001) zur Textklassifikation und Text- sortenbestimmung hinzugezogen. Den Ausgangspunkt zur Untersuchung als Textsorte bildet die Definition nach BRINKER (2010). Anschließend sollen Sprachgeschichte und Textsorten anhand der in der Festschrift von BARZ/FIX/SCHRÖDER/SCHUPPENER enthaltenen Bei- träge ins Verhältnis gesetzt werden. Das Korrelationsmodell zur diachronen Textsortenbe- schreibung, auf das in dieser Arbeit zur Analyse der Stellenanzeigen zurückgegriffen werden soll, wird aus der Masterarbeit von MEIBURG (2006) entnommen.
Methodisch wird in dieser Arbeit auf bestehende Verfahren zurückgegriffen, die allerdings ergänzt werden müssen, um das Vorhaben eines Vergleichs zwischen den Stellenanzeigen zweier Zeitungen umsetzen zu können. Daher sollen textlinguistische Grundlagen den Ein- stieg erleichtern und anschließend mit systemtheoretischen Ansätzen verknüpft werden. Als Modell eignet sich dafür das Korrelationsmodell von MEIBURG. Die dort festgelegten Ana- lysekategorien ermöglichen eine umfassende Untersuchung des Forschungsgegenstands. Da bei einer Stellenanzeige aber auch die optische Komponente relevant ist, wird besagtes Mo- dell um eine Kategorie ergänzt werden. So bietet sich insgesamt die Möglichkeit, die zu un- tersuchende Textsorte aus verschiedenen Blickwinkeln möglichst genau zu betrachten und gleichzeitig eine Struktur in die herausgestellten Ergebnisse zu bekommen. Weiterhin kann die Entwicklung der Textsorte anhand von Markierungen einzelner Sachverhalte in Verbin- dung mit Fachliteratur nachvollzogen werden.
Zusammenfassend sollen in dieser Arbeit zwei Schwerpunkte verfolgt werden. Zum einen steht die Untersuchung der Entwicklung einer Textsorte, die der Stellenanzeige im 19. Jahr- hundert im Fokus. Über die Methode des Vergleichs sollen Gemeinsamkeiten und Unter- schiede im Korpus zweier regionaler Tageszeitungen herausgestellt werden, um so Aussagen über die Entwicklung der Textsorte im Laufe eines Jahrhunderts treffen zu können. Zum anderen sollen in Anlehnung an die Entwicklung der Textsorte, technische, wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Einflüsse präzisiert werden, die Auswirkungen auf die Ent- wicklung gehabt haben. Durch den Vergleich können allgemeine Ergebnisse herausgestellt werden, die unabhängig von einer einzelnen Region die Entwicklung aufzeigen.
Eine Stellenanzeige im 19. Jahrhundert meint einen öffentlich gedruckten Text, für den ein Emittent bezahlen muss, um monologisch über das Kommunikationsmedium der Zeitung Rezipienten erreichen zu können (vgl. Moser 1990, S. 341). Abgesehen von den situativen Merkmalen weisen alle Stellenanzeigen eine weitere Gemeinsamkeit auf. Von zentraler Be- deutung ist stets das Bestreben, eine Person für eine freie Stelle zu suchen. Diese oberste Zielstellung wird daher in einem Großteil der Anzeigen explizit durch das Verb suchen aus- gedrückt (vgl. Gansel 2009, S.96).
Nach heutigem Verständnis versteht man unter einer Stellenanzeige ein „Instrument der Per- sonalbeschaffung, mit dem sich ein Unternehmen an das interne (innerbetriebliche Stellen- ausschreibung) und externe (Personalwerbung) Arbeitskräftepotenzial wendet, um vakante Stellen zu besetzen (Ausschreibung von Arbeitsplätzen).“ (Gabler Wirtschaftslexikon) Sowohl in der modernen als auch in der Auffassung des 19. Jahrhunderts besteht die Intention darin, eine freie Stelle durch eine Person besetzen zu können. Man nutzt demnach die Stel- lenanzeige als Vermittler zwischen dem Emittent, der eine Stelle zu vergeben hat, und dem Rezipient, der durch das Lesen der Anzeige davon in Kenntnis gesetzt wird, dass sich auf jene Stelle unter Berücksichtigung der beigefügten Bedingungen beworben werden kann. Prinzipiell sind in einer Stellenanzeige des 19. Jahrhunderts Informationen bezüglich der zu erwartenden Tätigkeiten zu finden. Die wichtigste Angabe ist dementsprechend, welche Stelle besetzt werden soll. Ergänzt werden meist die Punkte des Beginns des Beschäftigungs- verhältnisses, des Ortes der Beschäftigung und der Vergütung. Den Schluss einer Anzeige bilden in den meisten Fällen die Kontaktdaten.
Vergleichend aus heutiger Sicht betrachtet, besteht eine Stellenanzeige laut Wirtschaftslexi- kon aus einer „Darstellung des Anforderungsprofils der Stelle, des Eintrittstermins, der er- wünschten Bewerbungsunterlagen, der Ausschreibungsfrist und weiterer Informationen für den potenziellen Stelleninhaber.“ (Gabler Wirtschaftslexikon)
Zusammenfassend ist eine Stellenanzeige ein in einer Zeitung öffentlich abgedruckter Text, der möglichen Rezipienten alle Informationen zur Verfügung stellt, die zur Besetzung einer freien Stelle benötigt werden. Der Emittent der Stellenanzeige ist über das Medium der Zei- tung in der Lage, öffentlich mitzuteilen, dass er nach geeigneten Personen sucht. Im Falle einer erfolgreichen Vermittlung kann über die enthaltenden Kontaktdaten eine Verbindung zwischen möglichen Interessenten und dem eventuellen zukünftigen Arbeitgeber hergestellt werden.
In der Forschung wurden historische Stellenanzeigen bisher eher in geringem Maße betrach- tet. Einen Ansatz liefert der Aufsatz von GANSEL (2009), in dem regionale Stellenangebote aus dem Mecklenburger Raum im 19. Jahrhundert thematisiert werden. Für den Zeitraum von 1750-1850 liegen in Form eines Beitrags von PFEFFERKORN (2014) einige wenige Er- kenntnisse zu exemplarischen Merkmalen von Stellenangeboten und Gesuchen in ver- schiedensten Intelligenzblättern, Wochenblättern und Tageszeitungen vor.
Daraus ergibt sich ein Forschungsdefizit, an dem mit Hilfe dieser Arbeit geforscht werden soll. Die Untersuchungen können dann im Idealfall als Grundlage dienen, um eine Entwick- lung der Textsorte Stellenanzeige im 19. Jahrhundert nachvollziehen zu können.
Die Zeitung als Massenmedium, wie sie im 21. Jahrhundert vorliegt, hat sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts herausgebildet. Die Anfänge der Druckmedien sind allerdings schon im Verlauf des 15. Jahrhunderts in Mitteleuropa zu finden. Zu diesem Zeitpunkt werden Schrif- ten, anders als heutzutage, durch Abmalen beziehungsweise Abschreiben der Inhalte verviel- fältigt (vgl. Pürer 2015, S. 22). Mit der Erfindung des Buchdrucks 1445 durch Johannes Gut- tenberg, der mit beweglichen Lettern eine schnellere Möglichkeit bietet, entwickelt sich auch das Medium der Zeitung voran (vgl. Eisenstein 1997, S. 63). Trotz dieser Veränderungen erfolgt die Vervielfältigung weiterhin per Hand, womit in diesem Fall allerdings nicht mehr das Abschreiben gemeint ist, sondern sogenannte Handpressen. Da diese Drucke jedoch noch immer mit enormen Kosten verbunden sind und der zeitliche Aufwand ebenfalls zu hoch ist, bleiben die Auflagen zu diesem Zeitpunkt begrenzt. Hergestellt werden in dieser Zeit daher vor allem Einblattdrucke, Ablassbriefe und Kalender, die im Gegensatz zu einer Zeitung nicht auf Aktualität und Schnelligkeit angewiesen sind (vgl. Pürer 2015, S. 23f).
Ab dem 16. Jahrhundert sind vereinzelt Vorboten einer periodischen Presse zu verzeichnen (vgl. Pürer 2015, S. 25). Zeitungen und Zeitschriften im heutigen Sinne, welche monatlich oder wöchentlich publiziert werden, treten jedoch erst ein Jahrhundert später auf. Die erste Wochenzeitung erscheint 1605 in Straßburg. Periodizität als Anforderung einer Zeitung meint das regelmäßige Erscheinen des Druckerzeugnisses (vgl. Blana 1999, S.138). Nach der Erscheinungsweise unterscheidet man Tageszeitungen, Wochenzeitungen und Sonntagszei- tungen. Die erste Tageszeitung „Einkommende Zeitung“ erscheint ab 1650 regelmäßig in Leipzig. Sie wird durch den Drucker Timotheus Ritzsch herausgegeben (vgl. Ehlers 2012, S. 97). Neben der Periodizität wird durch das regelmäßige Erscheinen auch die Forderung nach Aktualität erfüllt (vgl. Blana 1999, S. 138). Durch das tägliche Erscheinen sind die Verleger in der Lage, aktuelle Geschehnisse und Ereignisse zeitnah an die Leserschaft zu vermitteln. Universalität und Publizität, die die Anforderungen einer Zeitung vervollständigen, sind erst in der Folge zu erfüllen und zu diesem Zeitpunkt noch nicht gegeben (vgl. Blana 1999, S. 138).
Zur Jahrhundertwende im 17./18. Jahrhundert ist eine deutliche Veränderung im Zeitungs- wesen zu verzeichnen. Die Druckmedien entwickeln sich von einfachen Zeitungen hin zu hochwertigen literarischen Zeitschriften, die jedoch alle in geringen Ausführungen gedruckt werden (vgl. Pürer 2015, S. 25). Eine Herstellung von Zeitungen mit hohen Auflagen wird erst durch die technischen Neuerungen möglich, die in der Folge aufkommen. Die Drucke werden nun nicht mehr per Hand hergestellt, sondern ab dem 19. Jahrhundert durch dampf- betriebene Maschinen produziert (vgl. Pürer 2015, S. 38). Die Dauer der Herstellung von Zeitungen kann durch das neue Verfahren im historischen Vergleich stark reduziert werden und die breite Öffentlichkeit nach dem Prinzip der Publizität bedient werden. Für den Anzei- genteil und im Besonderen für die Textsorte der Stellenanzeige bedeutet diese Veränderung vor allem eine größere Reichweite. Der Verfasser, der seine freie Stelle besetzen möchte, kann durch die höheren Auflagen davon ausgehen, mehr Leser und somit auch mehr poten- zielle Interessenten für sein Anliegen zu erreichen. Die Wahrscheinlichkeit, eine geeignete Person zu finden, steigt also durch die größere Anzahl aus der Leserschaft.
Mitte des 19. Jahrhunderts vollziehen sich weitere politische Veränderungen, sowie techni- sche Neuerungen, die zur Folge haben, dass sich das Druckmedium zu einem Massenmedium entwickelt (vgl. Pürer 2015, S. 25). Zum einen wird die durch den späteren ersten deutschen Kaiser Wilhelm I. festgelegte Zensur 1848 aufgehoben, wodurch die Universalität, also das Veröffentlichen ohne thematische Einschränkung möglich wird. Zum anderen wird die Dampfdruckmaschine durch eine Rotationsdruckmaschine ersetzt, die einen enormen tech- nischen Fortschritt darstellt (vgl. Pürer 2015, S. 22). Dadurch können sich eine inhaltlich weit umfassende Zeitungskultur und erste große Verlage herausbilden. In Verbindung mit einem wachsenden Interesse der Bevölkerung an Politik und Gesellschaft steigert sich die Bedeutung der Zeitung innerhalb eines Jahrhunderts enorm und man kann am Ende des 19. Jahrhunderts von der Zeitung als Massenmedium sprechen (vgl. Pürer 2015, S. 25). Im Zuge der Industrialisierung im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts ist neben der wachsenden Be- deutung des Mediums selbst eine deutliche Veränderung in Bezug auf die Stellenanzeigen festzustellen. Quantitativ steigert sich sowohl die reine Zahl der Stellenanzeigen pro Zeitung als auch die Verschiedenheit der ausgeschriebenen Stellen. Im Verlauf der Arbeit wird dieser Zusammenhang zwischen dem Aufstieg von Zeitungen zum Massenmedium und der Ent- wicklung der Textsorte Stellenanzeige immer wieder aufgegriffen.
Die Definition eines Massenmediums, die in dieser Arbeit als Grundlage dient, ist die von BURKART, der sich vergleichend in seinem Vorschlag auf Ansätze von DÖHN und MA- LETZKE beruft:
„Massenmedien oder auch Massenkommunikationsmittel sind all jene Medien, über die durch Tech- niken der Verbreitung und Vervielfältigung mittels Schrift, Bild und/ oder Ton optisch bzw. akustisch Aussagen an eine unbestimmte Vielzahl von Menschen vermitteln werden. Zu den Massenmedien zählen somit Flugblatt, Plakat, Presse, Buch, Hörfunk, Schallplatte/CD/DVD, Film, Fernsehen, sowie Homepages im Internet bzw. ähnliche Erscheinungsformen, die sich noch im Entwicklungsstadium befinden und daher erst in Zukunft als Massenmedien fungieren können.“ (Burkart 2002, S. 171f)
Mit dieser Definition als Grundlage kann angenommen werden, dass im Zuge der Entwick- lung von Zeitungen zum Massenmedium die notwendigen Voraussetzungen und somit die technischen Mittel zur Verbreitung ab Ende des 19. Jahrhunderts erfüllt sind, um mit ihrer Hilfe eine Vielzahl an Menschen mit Informationen zu aktuellen Themen und Neuigkeiten versorgen zu können. Die Anforderungen an eine Zeitung, nämlich Aktualität, Publizität, Universalität und Periodizität (vgl. Blana 1999, S. 138) können zu diesem Zeitpunkt eben- falls umgesetzt werden.
In den Phasen der Entwicklung der Textlinguistik fand eine rege Diskussion um Definitionen des Textbegriffs auf der Grundlage unterschiedlicher Aspekte statt: grammatisch, semantisch und pragmatisch. Ausgehend von einem integrativen Textmodell nach GANSEL/JÜRGENS (2009) sollen sowohl Textfunktion als auch Textstruktur von Stellenanzeigen untersucht wer- den.
Ein integratives Modell entspricht dem Vorschlag ADAMZIKs, die als Lösung der textlingu- istischen Diskussion eine „unterschiedliche Kombination von Teilaspekte(n) fokussiert“ (Adamzik 2004, S. 39). Der Zusammenhang zwischen Grammatik und Pragmatik eines Tex- tes soll als Grundlage dienen, um der Zielstellung dieser Arbeit gerecht werden zu können, Textsorten in ihrem historischen Gewordensein zu untersuchen. „Ein Text ist eine in sich kohärente Einheit der sprachlichen Kommunikation mit einer erkennbaren kommunikativen Funktion und einer in spezifischer Weise organisierten Struktur.“ (Gansel/Jürgens 2009, S. 51).
Eine Stellenanzeige kann nach außen hin sowohl optisch als auch thematisch als abgegrenzt bezeichnet werden. Sie bildet damit eine in sich geschlossene Einheit, die im Regelfall durch inhaltliche Zusammenhänge verdeutlicht wird.
Bezugnehmend auf die kommunikative Funktion ist auf BRINKER zu verweisen. Mit dem Begriff der Textfunktion ist der Zweck gemeint, den ein Text im Rahmen einer Kommuni- kationssituation erfüllt (vgl. Gansel/Jürgens 2009, S. 49). Nach BRINKER lassen sich die Informationsfunktion, die Appelfunktion, die Obligationsfunktion, die Kontaktfunktion und die Deklarationsfunktion unterscheiden (vgl. Brinker 1992, S. 108ff).
Für die Stellenanzeige ist als dominierende Funktion die Appelfunktion herauszustellen, da als Intention hinter dem Verfassen der Anzeige der Appel steht, sich auf die ausgeschriebene Stelle zu bewerben. In diesem Fall gibt der Emittent dem Rezipienten zu verstehen, dass eine bestimmte Einstellung oder Handlung vom Gegenüber erwartet wird (vgl. Brinker 1992, S. 112). Dieses Anliegen muss allerdings nicht explizit formuliert werden (vgl. Brinker 1992, S. 116). Auch ohne die konkrete Aufforderung, bei bestehendem Interesse eine bestimmte Person zu kontaktieren oder sich an vorgeschlagener Adresse einzufinden, kann durch das Weltwissen des Rezipienten angenommen werden, dass dieser die Stellenanzeige als impli- ziten Appell zur Kontaktaufnahme versteht (vgl. Brinker 1992, S. 116). In diesem Fall stünde dann allerdings nach BRINKER die Wissensvermittlung zwischen Emittent und Rezipient, und somit die Informationsfunktion im Fokus (vgl. Brinker 1992, S. 108). Es wäre also im Anzeigenteil einer Zeitung die Information zu entnehmen, dass jemand eine bestimmte freie Stelle gern zu einem bestimmten Termin besetzen möchte. Der Rezipient dieser Anzeige muss selbstständig den Transfer leisten, dass hier eine Aufforderung zur Bewerbung vorliegt, ohne dass dies explizit ausgesprochen wird.
Auch die dritte Eigenschaft des integrativen Textmodells, die in spezifischer Weise organi- sierte Struktur, lässt sich für die Stellenanzeige nachweisen (vgl. Gansel/Jürgens 2009, S. 51). Ausgehend davon, dass der Satz die wichtigste Struktureinheit des Textes ist und Stel- lenanzeigen meist in Satzform vorliegen, lässt sich zwischen den Texteinheiten einer Stel- lenanzeige ein Zusammenhang erkennen, der nach BRINKER als Kohärenz bezeichnet wird (vgl. Brinker 1992 S. 21).
Stellenanzeigen sind somit nach der integrativen Textfunktion als Texte zu bezeichnen, da sie eine klar erkennbare kommunikative Funktion aufweisen, in schriftlicher Form kohärente Einheiten sprachlicher Kommunikation darstellen und in einer spezifischen Weise struktu- riert sind. Es kann also konstatiert werden, dass ein Stellenagebot unter Beachtung geltender Textauffassungen als Text klassifiziert werden kann. Dadurch ist es möglich, im weiteren Verlauf der Arbeit davon auszugehen, dass der Untersuchungsgegenstand mit Hilfe von Textanalysemodellen bearbeitet werden kann.
Für eine Systematisierung oberhalb des Textbegriffs können verschiedene Kategorien ge- nutzt werden, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Einzeltexten verdeutlichen zu können. Ausgangspunkt dieser Arbeit bildet die systematische Kategorie der Textsorte:
„Textsorten stellen eine zentrale Kategorie der Textlinguistik dar, mit der a) sprachsystematisch das heißt, vor allem durch grammatische Merkmale, eine Beschreibung und Abgrenzung von Textsorten versucht wird und b) Zusammenhänge von funktional-situativ bestimmten kommunikativen Handlungen und ihren zu- grunde liegenden Formulierungs- und Baumustern erklärt werden sollen.“ (Brinker 2010, S. 124)
Ähnlich wie bei der Entwicklung eines Textbegriffs, zu dem es heutzutage zahlreiche Lö- sungsansätze gibt, versuchen Wissenschaftler seit mehr als 40 Jahren eine eindeutige Text- sortendefinition aufzustellen, was sich jedoch als sehr kompliziert herausstellt. Als Folge daraus ergibt sich eine Textsortenproblematik, da aufgrund zahlreicher Ansätze keine um- fassend anerkannte und allgemeingültige Definition gefunden werden kann. Die Definitionen werden dabei teilweise zu allgemein gehalten, was Auslegungsprobleme erzeugt oder sie sind zu differenziert und können nicht in allen Bereichen Anwendung finden. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird auf das mehrdimensionale Modell BRINKERs zurückgegriffen. Das Modell erlangte innerhalb der Linguistik eine umfassende Akzeptanz und kann als eine Konkretisie- rung und Erweiterung der Grundkonzeptdefinition verstanden werden.
„Textsorten sind konventionell geltende Muster für komplexe sprachliche Handlungen und lassen sich als jeweils typische Verbindungen von kontextuellen (situativen), kommunikativ-funktionalen und strukturel- len (grammatischen und thematischen) Merkmalen beschreiben. Sie haben sich in der Sprachgemeinschaft historisch entwickelt und gehören zum Alltagswissen der Sprachteilhaber; sie besitzen zwar eine normie- rende Wirkung, erleichtern aber zugleich den kommunikativen Umgang, indem sie den Kommunizierenden mehr oder weniger feste Orientierungen für die Produktion und Rezeption von Texten geben.“ (Brinker 2010, S. 131)
Das Analysemodell nach BRINKER und damit auch die Zuordnung eines Textes zu einer Textsorte ist in fünf Schritten angelegt. Den Anfang der Untersuchung bildet die Markierung der Textfunktion, da diese von zentraler Bedeutung für die Bestimmung eines Textes ist. Die Textfunktion grenzt den vorliegenden Text durch eine dominante Funktion (Informations- text, Appelltexte, Obligationstexte, Kontakttexte, Deklarationstexte) ein und definiert somit nicht die Textsorte, sondern die Textsortenklasse. Einer Textsortenklasse können mehrere Textsorten zugeordnet werden. Aufgrund fehlender Kriterien können Textsortenklassen von Textsorten, jedoch nicht Textsorten untereinander abgegrenzt werden (vgl. Brinker 2010, S. 126).
Neben der Funktion unterscheidet BRINKER anschließend auf der zweiten Stufe nach kon- textuellen/situativen und strukturellen Kriterien. Zu den kontextuellen Kriterien zählen die Kommunikationsformen und der Handlungsbereich beziehungsweise Kommunikationsbe- reich. Die Kommunikationsform wird durch das verwendete Medium festgelegt und meint die Methode zur Übermittlung der Texte (face-to-face-Kommunikationsform, Telefon, Rundfunk, Fernsehen, Schrift) (vgl. Brinker 2010, S. 127). Durch die kontextuellen Kriterien lassen sich die Kommunikationsrichtung (dialogisch/monologisch) und der zeitliche sowie räumliche Kontakt zwischen Emittent und Rezipient bestimmen. Dazu lässt sich feststellen, ob es sich um einen geschriebenen oder gesprochenen Text handelt (vgl. Brinker 2010, S. 127). Der Handlungsbereich beschreibt das Rollenverhältnis zwischen den zwei Kommuni- kationspartnern und kann in 3 Teilbereiche, den öffentlichen, offiziellen und privaten Be- reich, eingeteilt werden (vgl. Brinker 2010, S. 129).
In Hinsicht auf die strukturellen Kriterien betrachtet man vor allem das Textthema, also die thematische Restriktion als Stufe drei des Modells und die Form der Themenentfaltung, so- mit das thematische Muster und die Realisationsform als Stufe vier des Modells (vgl. Brinker 2010, S. 130). Die Einordnung des Textthemas beruht auf ERMERT, der eine Differenzierung von Briefsorten vorgenommen und dargestellt hat. Er benennt in diesem Zusammenhang die zeitliche Fixierung/temporale Orientierung des Themas zum Sprechzeitpunkt, die vorzeitig, gleichzeitig oder nachzeitig ablaufen kann. Neben der temporalen Orientierung ist die Rela- tion zwischen Emittent und Rezipient/lokale Orientierung für ERMERT entscheidend (Thema = Rezipient, Rezipient = Thema, Thema = außerhalb der Kommunikationspartner) (vgl. Ermert 1979, S. 81).
Eine weiterführende Untersuchung fokussiert sich auf die jeweilige Entfaltung des Themas. Diese Themenentfaltung lässt sich anhand der Begriffe deskriptiv, narrativ, argumentativ o- der explikativ kategorisieren (vgl. Brinker 2010, S. 131). Zu beachten ist, dass in einer Texts- orte mehrere thematische Entfaltungsformen auftreten können, die dominante Entfaltungs- form jedoch die thematische Textstruktur bestimmt (vgl. Ermert 1979, S. 81).
Den Abschluss der fünfstufigen Analyse bildet eine „Beschreibung textsortenspezifischer sprachlicher (lexikalischer und syntaktischer) und ggf. nichtsprachlicher Merkmale.“ (Brin- ker 2010, S. 133) BRINKER betont, dass die bisher aufgeführten Kriterien der Abgrenzung, Lexik und Syntax allerdings der Beschreibung dienen. Daran schließt sich die Annahme an, dass es sich dabei in erster Linie um gewisse Präferenzen einzelner Textsorten für bestimmte lexikalische und/ oder syntaktische Mittel handelt, die mit quantitativ-statistischen Methoden zu erfassen sind“ (vgl. Brinker 2010, S. 132). Diese fünfte Stufe nach BRINKER ist dement- sprechend zu kritisieren, da kaum Kriterien und Merkmale für sämtliche Textsorten vorge- stellt werden können. Vielmehr muss an dieser Stelle eine eigene Analyse textsortenspezi- fisch sehr individuell vorgenommen werden, wodurch eine wissenschaftliche Vergleichbar- keit und Abgrenzung gegenüber anderen Textsorten kaum möglich ist.
Entsprechend der vorgestellten Analyse soll in der Folge überprüft werden, ob es sich bei einer Stellenanzeige um eine Textsorte nach BRINKER handelt.
Unter Beachtung des fünfstufigen Modells wird im ersten Schritt die Funktion einer Stellen- anzeige untersucht. Diese kann sowohl appellativ als auch informativ sein, wobei die Ap- pellfunktion letztendlich unter Beachtung geltender Konventionen als die dominierende her- ausgestellt werden muss. Der Emittent, also Verfasser der Anzeige, hat eine freie Stelle zu vergeben und sucht jemanden, um diese zu besetzen. Die Textfunktion wird meist durch die häufig am Ende platzierte Aufforderung zur Kontaktaufnahme bei Interesse an der vorge- stellten Stelle deutlich. Sollte im konkreten Beispiel keine explizite Aufforderung zur Be- werbung oder Vorstellung zu finden sein, kann trotzdem davon ausgegangen werden, dass der Rezipient einer Anzeige durch Kenntnisse in Bezug auf Stellenanzeigen den Appell an die eigene Person versteht.
Die Stellenanzeige wird über die Kommunikationsform der Zeitung realisiert. Da sich das Kommunikationsmedium der Zeitung im Laufe des 19. Jahrhunderts zum Massenmedium entwickelt hat, wird an dieser Stelle zur Einordnung der Stellenanzeige als Textsorte in Be- zug auf die Zeitung vom Stand eines Massenmediums ausgegangen. Wie bereits ausgeführt, dienen Massenmedien als Kommunikationsmittel, um über verschiedene Möglichkeiten der Verbreitung ein öffentliches, anonymes und räumlich verstreutes Publikum erreichen zu kön- nen (vgl. Burkart 2002, S. 171). Die Stellenanzeige als Teil einer Zeitung kann dementspre- chend dem öffentlichen Handlungsbereich zugeordnet werden.
Das Thema einer Stellenanzeige gilt als fixiert (Stelle, die besetzt werden soll), wobei beach- tet werden muss, dass zwischen der Produktion und der Veröffentlichung ein zeitlich und räumlich getrennter Kontakt zwischen Emittent und Rezipient besteht. Die Stellenanzeige wird zu Beginn des Prozedere monologisch in der Hoffnung verfasst, dass sich nach erfolg- reicher Verbreitung über das Medium der Zeitung eine geeignete Person meldet, die die freie Stelle adäquat besetzen kann. Demnach ist die zeitliche Fixierung des Themas nachzeitig angelegt, da Arbeitnehmer und Arbeitgeber erst in der Folge miteinander in Verbindung tre- ten.
Die Relation zwischen Emittent und Rezipient lässt sich nach BRINKER nicht absolut fest- legen, da im Zusammenhang mit Stellenanzeigen eine Unterscheidung getroffen werden muss. Im Regelfall gilt Thema = Rezipient, da durch die Stellenanzeige eine Person gesucht wird, die zugleich Adressat der Anzeige sein muss. Da die Stellenanzeige aber nicht nur von dieser einen Person gelesen wird, kann genau die gleiche Anzeige auch anders aufgefasst werden. So kann für jemand anderes, der kein Interesse an der ausgeschriebenen Stelle hat, Thema = Emittent gelten. Die entnommene Kernaussage wäre dann, dass eine Person eine freie Stelle besetzen möchte.
Die Stellenanzeige weist eine argumentative Themenentfaltung auf, da diese nach heutigem Erkenntnisstand meist aus drei starken Argumenten für eine Bewerbung besteht: „Bewirb dich, weil oder wenn deine Fähigkeiten 1. der offerierten Stelle und den Anforderungen ent- sprechen, weil 2. die Vergütung deinen Vorstellungen entgegenkommt und weil 3. das in der Anzeige explizierte Ansehen des Unternehmens letztlich auf dich zurückwirkt!“ (Gan- sel/Jürgens 2009, S. 99)
Zusammenfassend kann für die Stellenanzeige konstatiert werden, dass es sich um eine ei- genständige Textsorte handelt, die wiederum im übergeordneten Anzeigenbereich (Textfa- milie = Anzeigentexte) zu finden ist. Der Anzeigenteil ist Teil des Kommunikationsmediums der Zeitung (Textklasse = Medientexte), die im Laufe des 19. Jahrhunderts den Status eines Massenmediums erhält.
Die Sprachgeschichte hat in der Vergangenheit bereits „eine Reihe von ‚Wenden’ mitge- macht“ (Wolf 2000, S. 1). In der Diachronie sind diese Veränderungen „bestimmt durch die ‚Sprachgeschichte als Textsortengeschichte’“ (Wolf 2000, S. 1), in der „der Texttypus des- wegen zentral wird, weil sich in ihm die evolutionär bedingte universelle menschliche Sprechfähigkeit und Typisierungskraft unter engeren pragmatischen Bedingungen am ehes- ten natürlich konkretisieren und immer auch zum Ansatzpunkt von kulturellen Weiterent- wicklungen, Überformungen und Differenzierungen werden.“ (Steger 1998, S. 289) Unter Texttypen können nach WOLF Textsorten, Textarten oder Textgattungen verstanden werden. In jedem Fall kann an ihnen sowohl die historische Wandelbarkeit als auch die gleichzeitige Traditionsbildung untersucht werden (vgl. Wolf 2000, S. 1).
Die Anzahl von Merkmalen und die dazugehörigen Eigenschaften von Textsorten sind ebenso streitbar wie die Frage nach der Ausprägung in einzelnen überlieferten Texten (vgl. Erben 2000, S. 147). Davon ausgehend, dass Textsorten als instrumentale Konventionen von Gruppen, die eine bestimmte Absicht verfolgen, ansieht, müssten sich äußere Einflüsse in den Texten widerspiegeln (vgl. Erben 2000, S. 147). Neuerungen entwickeln sich am ehesten da, wo sie gebraucht werden (vgl. Erben 2000, S. 148). Für die Textsorte Stellenanzeige be- deutet dies beispielsweise, dass im Zuge der industriellen Revolution neue Berufsgruppen aufkommen und dementsprechend auch neue Anforderungen an mögliche Bewerber gestellt werden. Die Textsorte muss also angepasst werden, um weiterhin den kommunikativen Be- dürfnissen der Akteure entsprechen zu können.
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