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Bachelorarbeit, 2019
60 Seiten, Note: 1,0
1. Einleitung
2.Schreibkompetenz
2.1 Schreibprozess
2.2 Überarbeiten als Subprozess
2.3 Schreibentwicklung
3.Schreibunterricht
3.1 TraditionellerAufsatzunterricht
3.2 ProzessorientierterSchreibunterricht
4.Textüberarbeitung imSchreibunterricht
4.1 Begriff Textüberarbeitung
4.2 Textüberarbeitungskompetenz
4.3 Didaktisch-Methodische Umsetzung
4.3.1 Leitlinien für den Unterricht
4.3.2 Methodenüberblick
5.Exemplarische Unterrichtssequenz
5.1 Sequenzübersicht
5.2 Sachanalyse
5.3 Verlaufsplan
5.4 Methodisch-Didaktische Analyse
6.Fazit
7.Literaturverzeichnis
8.Abbildungsverzeichnis
9.Anhang
Der Aufbau der Textüberarbeitungskompetenz trägt im Wesentlichen zur Entwicklung der Schreibkompetenz von Schülerinnen und Schülern (SuS) bei und befähigt sie, Texte sach- und situationsangemessen zu verfassen. Dies ist nach den KMK-Standards (2005, S.8) ein wichtiges Ziel des Schreibunterrichts und das schon in der Grundschule. Auch in der schreibdidaktischen Forschung wurde die Relevanz von Textrevisionen längst erkannt, sodass sie als zentraler Bestandteil des Schreibprozesses angesehen werden. Studien bestätigen, dass die Förderung der Revisionsfähigkeit besonders wirksam für die Optimierung der Schreibqualität ist (vgl. z.B. Philipp 2012). Nach August (1988) besteht zudem der entscheidende Vorteil des Schreibens gegenüber dem Sprechen genau darin, dass Texte nachträglich veränderbar sind. Bei der Vermittlung des Unterschieds von Schriftlichkeit und Mündlichkeit handelt es sich ebenfalls um eine wesentliche Aufgabe des Deutschunterrichts (vgl. Held 2006, S.28). In der Unterrichtsrealität scheinen diese Erkenntnisse leider jedoch noch nicht überall angekommen zu sein. Textüberarbeitungen besitzen dort nämlich meist noch nicht den Stellenwert, der ihnen eigentlich zusteht. Zu Revisionen kommt es im Schreibunterricht oft nur in Form von Verbesserungen orthographischer und grammatikalischer Fehler nach der Benotung des Textes durch die Lehrkraft (vgl. Fix 2006, S.164). Es gibt allerdings auch Lehrpersonen, die sich z.B. mithilfe des Einsatzes von Schreibkonferenzen eine Verbesserung der Überarbeitungskompetenzen bei den Lernenden erhoffen, wobei der Erfolg dabei jedoch überschaubar bleibt, da die Kinder sich beim Revidieren hauptsächlich auf sprachliche Oberflächenphänomene beziehen, was auch Textverschlechterungen mit sich bringen kann (vgl. Feilke 1993, S.30). Ziel dieser Arbeit ist es daher herauszufinden, wie ein Schreibunterricht aussehen kann, der Textüberarbeitungen als einen selbstverständlichen unterrichtlichen Bestandteil integriert, bei dem die Revisionsfähigkeit der Lernenden effektiv gefördert wird und in welchem Überarbeitungen durch SuS zu einer Textverbesserung beitragen können. Um dies zu erreichen, wird im Folgenden zunächst die Schreibkompetenz im Zusammenhang mit dem Schreib- und Überarbeitungsprozess, sowie deren Entwicklung genauer betrachtet. Im Anschluss daran werden zwei bekannte schreibdidaktische Konzeptionen in Bezug auf den Stellenwert, welchen sie der Textrevision einräumen, verglichen. Dabei soll herausgefunden werden, welche sich besser für den Erwerb von Überarbeitungshandlungen eignet. Danach erfolgt die konkrete Auseinandersetzung mit der Textüberarbeitung im Schreibunterricht. Dafür wird der Begriff Textüberarbeitung im Rahmen des Unterrichts genauer beleuchtet, Forschungsergebnisse zur Revisionskompetenz von SuS vorgestellt und sowohl Leitlinien als auch Methoden und Medien für gewinnbringende Überarbeitungen im Schreibunterricht erläutert. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse wird abschließend eine exemplarische Unterrichtssequenz ausgearbeitet, bei welcher der Schwerpunkt auf einer sinnvollen und zielführenden Integrierung von Textrevisionen im Rahmen der Textproduktion liegen soll.
Um die Relevanz und die Funktion von Überarbeitungshandlungen für das Schreiben verstehen zu können, werden im Folgenden die Schreibkompetenz, als Fähigkeit, bei der die Revisionskompetenz einen Teilaspekt darstellt, der Schreibprozess, welcher die Revision als Subprozess beinhaltet, und die Schreibentwicklung, die auch den Ausbau der Revisionskompetenz betrifft, genauer betrachtet.
Im Vergleich zum Sprechen zeichnet sich das Schreiben durch seinen erhöhten Planungs- und Überarbeitungsaufwand aus, welchen es infolge seiner vielfältigen und spezifischen Anforderungen, wie z.B. der Antizipation der Verstehensvorgänge des anvisierten Lesers, mit sich bringt (vgl. Huneke 2013, S.21). Einer der wichtigsten Aufträge des Schreibunterrichts besteht daher in der Vermittlung und Entwicklung der Schreibkompetenz (vgl. Heimchen; Römhild 2014, S.310). Der Begriff Schreibkompetenz stellt sich jedoch als höchst komplex und bisher wenig präzisiert heraus. Die meisten Definitionen basieren auf der Grundlage verschiedener Aspekte des Schreibprozesses, welcher die Basis von Schreibkompetenz darstellt (vgl. Krelle 2017, S.54). Eine davon stammtvon Fix (2008, S.33):
„Schreibkompetenz wird hier verstanden als die Fähigkeit, pragmatisches Wissen, inhaltliches (Welt- und bereichsspezifisches) Wissen, Textstrukturwissen und Sprachwissen in einem Schreibprozess so anzuwenden, dass das Produkt (der Text) den Anforderungen einer selbst- oder fremdbestimmten Schreibfunktion gerecht wird.“
Anhand seiner Ausführungen wird deutlich, dass es sich beim Schreiben um einen sehr komplizierten Prozess handeln muss, der ein hohes Maß an kognitiven und metakognitiven Anforderungen mit sich bringt. Zu den Teilkompetenzen, aus denen sich die Schreibkompetenz zusammensetzt, zählt nach Fix (2008) neben der Zielsetzungs-, Strukturierungs-, Formulierungs- und der inhaltlichen Kompetenz auch die Revisionskompetenz (vgl. ebd.). Sie ist somit ein wesentlicher Bestandteil des Schreibens und ihre Förderung trägt demzufolge auch zur Entwicklung schriftlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten bei. Laut Heimchen und Römhild (2014, S. 310) ist der Erwerb der Schreib- undÜberarbeitungskompetenzjedoch als individuell zu verstehen und sollte daher in einem Unterricht stattfinden, der Möglichkeiten zur Differenzierung bietet. Wie die Gestaltung eines solchen Lehr- und Lernprozesses aussehen kann, wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit näher untersucht.
Wie oben bereits erwähnt, handelt es sich bei dem Schreib- und Überarbeitungsprozess um einen höchst komplexen Vorgang. Um ihn dennoch begreifen zu können, wurden in der schreibdidaktischen Forschung Modelle entwickelt, anhand derer er vereinfacht dargestellt werden soll. Die Untersuchung von Schreibhandlungen nahm ihren Anfang in den frühen 80er Jahren in den USA. Damit verbunden war die sogenannte „kognitive Wende“, welche eine Veränderung der Sichtweise weg vom Text als Produkt hin zu den Prozessen, die beim Schreiben eines Textes im Vordergrund stehen, mit sich brachte. Im Zentrum stand dabei die Frage, was ein Schreiber genau tut, wenn er schreibt (vgl. Wrobel 2013, S.207). In der aktuellen Literatur finden sich viele Ansätze, die das Schreiben unter verschiedenen Gesichtspunkten analysieren. Dazu gehören bspw. die kognitive, die kommunikative und die epistemisch- heuristische Herangehensweise (vgl. ebd.). Da jedoch nicht alle von ihnen relevant für den weiteren Verlauf dieser Arbeit sind, wird an dieser Stelle nur auf zwei der kognitiven Modelle eingegangen. Es geht hierbei hauptsächlich um die Darstellung des Überarbeitens als Teil des Schreibprozesses und um die Rolle, die es dabei spielt.
Dafür wird zunächst das sogenannte ,Urmodell’ des Schreibens, an dem sich im Anschluss viele weitere Modelle orientierten, vorgestellt. Dieses wurde 1980 von Hayes und Flower entwickelt (siehe Abb.l.). Der Schreibprozess wird hierbei als Problemlösevorgang verstanden, der in ein Aufgabenumfeld und in ein kognitives Umfeld, dem Langzeitgedächtnis des Schreibers, integriert ist (vgl. ebd.). Bei dem Problem, welches es zu lösen gilt, handelt es sich um den zu schreibenden Text selbst. Während ihrer Untersuchung analysierten Hayes und Flower einzelne Subprozesse der Schreibhandlung, die während des Verfassens eines Textes im Allgemeinen auftreten (vgl. Fix 2008, S.36ff.). Dazu gehört zunächst das Planen, welches die Strukturierung des Handlungsproblems beinhaltet. Dafür erfolgt in dieser Phase die Ideengenerierung, das Ordnen und Auswerten von Informationen und die Ermittlung des Schreibziels. Der nächste Teilprozess ist das Formulieren. Dabei geht es hauptsächlich um die Versprachlichung von Gedanken und Ideen, die entweder durch die „bottom up“ oder „bottom down“-Strategie bewältigt wird. Ersteres meint die Suche nach Wörtern, mit welchen anschließend Sätze gebildet werden. Letztere bezieht sich umgekehrt auf die Wahl des Satzschemas, in welches dann Wörter eingefügt werden. Egal, welche der beiden Vorgehensweisen Anwendung findet, beim Formulieren handelt es sich um weit mehr als die bloße Übersetzung von Gedanken in Sprache. Viele Ideen entwickeln sich erst richtig während der Versprachlichung weiter. Die dritte Phase des Schreibprozesses ist eng mit der Formulierungshandlung verbunden und bezieht sich auf Überarbeitungen. Dieser Prozess wird im Folgenden noch unterPunkt 2.2 „Überarbeiten als Subprozess“ näher behandelt. Jedoch soll im Vorhinein gesagt werden, dass Revisionen nicht erst nach dem Verfassen eines Textes erfolgen, sondern schon während des Planens und Formulierens auftreten (vgl. ebd.). Zum Beispiel werden sogenannte „Prätexte“, noch nicht niedergeschriebene Vorstellungen von Texten oder Textabschnitten, in den meisten Fällen erst gedanklich überprüft und revidiert, bevor sie aufgeschrieben werden. Aufgrund dessen kann man davon ausgehen, dass die beiden Teilprozesse Formulieren und Überarbeiten zusammenfallen bzw. Letzteres als Sonderfall der Versprachlichung angesehen werden kann (vgl. Wrobel 1995, S.87). Während des Schreibprozesses überwacht der Monitor als Prüfinstanz die einzelnen Handlungen in Hinblick auf das gesetzte Schreibziel.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. ¡'.Allgemeines Schreibprozessmodell nach Hayes und Flower (1980, S.ll)
In Bezug auf die Annahme, Schreiben sei zielorientiertes Problemlosen, stellt das Schreibprozessmodell von Hayes und Flower ein Modell zur Lösung dieses Problems dar. Dafür werden kognitive Prozesse erst in Isolation voneinander beleuchtet und anschließend miteinander in Beziehung gesetzt, indem diese Teilvorgänge während des Verfassens eines Textes so zusammen interagieren, dass sie das Problem zielorientiert lösen können (vgl. Senn 2018, S.9f.). Es handelt sich bei ihnen demnach um Operatoren, die den Lösungsvorgang beschreiben, wobei der Verlauf und der Ausgang dessen im Vorfeld noch gänzlich unbestimmt bleiben. Eine exaktere Vorstellung des Textes als Endprodukt entwickelt sich erst zunehmend im Laufe des Schreibprozesses selbst (vgl. Fix 2008, S.39) Ein Kritikpunkt, welcher häufig mit Blick auf dieses Modell geäußert wurde, besteht darin, dass eine Zerlegung des Schreibprozesses in einzelne Phasen andeute, dass Schreiben stark schemagesteuert sei und nur in einer linearen Abfolge stattfände (vgl. zb. Fix 2000, S.26). Fix (2000) betont jedoch, dass Hayes und Flower die Teilvorgänge des Schreibens nicht als starre Schritte eines immer gleichen Ablaufs ansehen, sondern als rekursiv. Das bedeutet, dass der Schreibende im Verlauf des Prozesses zwischen den Phasen hin und her wechseln kann und diese teilweise auch parallel ablaufen (vgl. ebd.). Des Weiteren verweist Senn (2018, S.10) darauf, dass der Ansatz, Schreiben als Problemlosen, offenließe, worin das „Problem“ beim Verfassen eines Textes eigentlich bestünde. In Anlehnung an Pohl (2007, S.12), welcher bei Problemen des Schreibens zwischen „objektiven“ und „subjektiven“ Schwierigkeiten unterscheidet, vertritt er die Ansicht, dass Schreibprobleme sich nicht nur auf den Schreibvorgang an sich beziehen, sondern auch auf den Text selbst (vgl. Senn 2018, S.10). Das Produkt sollte, als eine der zwei Seiten des Verschriftlichens, nicht vollkommen aus dem Blick geraten. Es sollte zudem nicht außer Acht gelassen werden, dass das Modell von Hayes und Flower nur den Schreibprozess eines bestimmten Schreibertypens abbildet, nämlich den eines erfahrenen Schreibers (vgl. z.B. Fix 2008, S.39; Wrobel 2013, S.209). Dieses Modell ist daher nur bedingt auf das Schreiben von SuS übertragbar. Wobei Spitta (2015, S.33) einwendet, dass sogar schon Grundschüler/innen bei der Textproduktion in einer elementaren Weise genau dieselben kognitiven Prozesse durchlaufen würden wie Erwachsene. Die Abläufe seien dabei allerdings weniger routiniert und ausgestaltet als die erfahrener Schreiber. Baer (1995, S.146) stellt klar, dass die Lernenden dann jedoch nach einer „top-down“-Strategie vorgehen müssten, indem sie zunächst das Schreibziel ermitteln, im Anschluss die semantische Tiefenstruktur konstruieren und sequenzieren, um am Ende eine sprachliche Kodierung vornehmen zu können. Fix (2008, S.40) ist der Ansicht, dass Schülerinnen und Schüler damit allerdings große Probleme haben. In Hinblick auf diese und weitere Kritik- und Diskussionspunkte am allgemeinen Schreibprozessmodell entstanden im Laufe der Zeit zusätzliche Modelle des Schreibens. Eines davon ist die Darstellung des Schreibvorgangs von Ludwig (1983), welcher an der Zielorientierung des kognitionspsychologischen Modells nach Hayes und Flower festhielt, aber es in Bezug auf die didaktische Perspektive erweiterte, indem er auch motivationale und motorische Prozesse einfließen ließ (siehe Abb. 2).
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Abb. 2: Schreibprozessmodell nach Ludwig 1983 (aus: Fix 2008, S. 40)
Unter diesem Punkt wird das Überarbeiten als Subprozess des Schreibprozesses näher betrachtet. Es handelt sich beim ihm, wie bereits erwähnt, um einen integralen Bestandteil des Schreibens, der sich in allen Phasen der Textproduktion wiederfmdet. Die Annahme, Revisionen bezögen sich ausschließlich auf das Ende eines Schreibvorgangs, entspricht nicht der Realität des Schreibens (vgl. Becker-Mrotzek; Böttcher 2009, S.105). Dabei würde die Funktion des Überarbeitens auf Seiten des Schreibprozesses in der Weise verkannt, dass viele Revisionshandlungen schon parallel während des Planens und Formulierens stattfinden. Dennoch kann auch ein bereits niedergeschriebener Text niemals als komplett abgeschlossen angesehen werden, da immer ein spezifisches Überarbeitungspotential offenbleibt (vgl. Senn 2018, S.101). Held (2006, S.24) bezeichnet den Revisionsprozess in diesem Zusammenhang als eine komplexe Schreibhandlung [...], die sich aus mehreren Teilhandlungen zusammensetzt.“ Auf dieser Grundlage kann angenommen werden, dass es sich auch bei der Überarbeitung um einen Vorgang handelt, der ebenso wie der Schreibprozess selbst, anspruchsvolle kognitive Aktivitäten umfasst, die einer hohen metakognitiven Koordination und Steuerung bedürfen. Wie genau solche Revisionshandlungen aussehen, wird in der Schreibforschung anhand von Überarbeitungsprozessmodellen dargestellt. Eines der bekanntesten davon ist das CDO-Modell von Bereiter und Scardamalia (1987, S.265ff.), in welchem die kognitiven Teilhandlungen des Revidierens genauer betrachtet werden (siehe Abb.3.). Diese lassen sich bereits in der Abkürzung „CDO“ wiederfinden und stehen für „compare“, „diagnose“ und „operate“ - drei rekursive Aktivitäten, die zyklisch während der Überarbeitung ablaufen.
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Abb. 3: CDO-Modell zum Überarbeitungsprozess nach Bereiter undScardamalia 1987 (aus: Fix 2000, S.28)
Im Zentrum dieses Modells steht der Vergleichsprozess („compare“), welcher mögliche Veränderungen am Text überhaupt erst anstößt. Dabei wird der bereits produzierte Text mit der mentalen Repräsentation des intendierten Textes verglichen (vgl. Senn 2018, S.106). Wird beim beschriebenen Vergleich eine Diskrepanz festgestellt, kommt es zur Einleitung der nächsten Überarbeitungsphase, der „diagnose“. Hier begibt sich der Schreibende auf die Suche nach der Ursache für die Differenz zwischen den beiden Textrepräsentationen und damit auch nach Verbesserungsmöglichkeiten. Im Anschluss erfolgt der produktive Teil des Revisionsvorgangs („operate“), welcher sich auf die Veränderung des bereits realisierten Textes oder die Anpassung des Schreibplans und damit des Schreibziels bezieht (vgl. Fix 2000, S.27). Diese Phase beinhaltet zwei Teilhandlungen, nämlich die Wahl der Überarbeitungsstrategie und die explizite Veränderung des Textes selbst (vgl. Senn 2018, S.107). Das CDO-Verfahren kann solange durchlaufen werden, bis alle Differenzen zwischen dem niedergeschriebenen Text und der Repräsentation der Zielvorstellung des Textes ausgeräumt wurden. Es bezieht sich dabei, wie bereits erwähnt, nicht ausschließlich auf das Ende des Schreibprozesses, sondern kann an jedem Punkt der Textproduktion angewendet werden und dabei andere Subprozesse unterbrechen, welche im Anschluss an die Revisionshandlungen wiederaufgenommen werden. Die Vorstellung des angestrebten Textes bildet in Kombination mit dem Schreibplan die Produkt- und Prozessziele des Schreibens, an welchen sich der Schreibende während der Textproduktion fortlaufend orientiert (vgl. ebd.). In der Forschung kam man beim Einsatz des CDO-Verfahrens auf unterschiedliche Ergebnisse. Jedoch wurde in den meisten Fällen einheitlich festgestellt, dass die SuS infolge der Anwendung dieser Methode mehr Revisionen durchführten, welche im Vergleich zu ihren sonstigen Überarbeitungshandlungen großteils auch qualitativ hochwertiger ausfielen. Außerdem berichteten die Lernenden in diesem Zusammenhang, dass ihnen die Textüberarbeitung so subjektiv leichter fallen würde (vgl. z.B. Graham, 1997; De La Paz et. al, 1998). Allerdings konnten nur wenige Untersuchungen eine Verbesserung der gesamten Textqualität bei den SuS bestätigen (vgl. z.B. De La Paz et. al, 1998). Was rückblickend noch gesagt werden kann, ist, dass sich dieses Modell ausschließlich auf Überarbeitungsoperatoren mentaler Textrepräsentationen bezieht und deshalb nur den Schreibenden selbst in den Blick nimmt. Wie Außenstehende einen Text überarbeiten, wird anhand der Darstellung von Bereiter und Scardamalia nicht deutlich. Sie gibt zudem keine Auskunft darüber, wie das Auswahlverfahren der Revisionsstrategie erfolgt und welches Wissen bzw. welche Erfahrung dafür notwendig ist.
Auch Hayes et. al (1987) beschäftigten sich mit dem Überarbeitungsprozess als Bestandteil des Schreibens und analysierten dabei vier Schritte als Wissensbestände, die während der Revision gezielt Anwendung finden und dabei einer bewussten Steuerung unterliegen (vgl. Senn 2018, S.107) (siehe Abb. 4).
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Abb. 4: Prozessschritte beim Überarbeiten nach Hayes et. al 1987 (aus: Fix 2000, S.29)
Die „Aufgabendefinition“ bildet dabei die Grundlage aller Überarbeitungshandlungen. Der Schreibende muss anhand seiner Interpretation der Schreibaufgabe, welche in Hinblick auf seinen Wissenshorizont und in Bezug auf Informationen aus dem Aufgabenkontext erfolgt, ein Schreibziel ermitteln, welches während des Revisionsprozesses die Prüfinstanz darstellt. Das Schreibziel ist als Leitlinie aller Überarbeitungen unbedingt notwendig, damit es nicht zu Verschlechterungen des Textes kommt (vgl. Fix 2000, S.29). Der zweite Schritt „Evaluation“ meint einen zielgerichteten Leseprozess, bei dem der Autor den Text aus der Perspektive des möglichen Rezipienten liest und ihn auf Textprobleme hin untersucht. Die festgestellten Diskrepanzen können sich sowohl auf das Textverständnis als auch auf orthographische und grammatische Aspekte beziehen (vgl. Senn 2018, S.107f.). Sie werden innerhalb der „Problemrepräsentation“ näher bestimmt. Hayes et. al (1987, S.212) unterscheiden dabei, je nachdem, ob dieser Schritt eher gut oder schlecht gelingt, zwischen „well-defined“, klar umrissenen, und „ill-defmed“, ungenau bestimmten, Problemen. Zudem analysieren sie drei unterschiedliche Ebenen der Diagnose. Sie kann demzufolge auf das Schreibziel, grammatische Regeln oder die Vorstellung über einen idealen Text Bezug nehmen (vgl. Fix 2000, S.29). Auf Grundlage der Problemrepräsentation erfolgt als letzter Schritt die „Wahl der Revisionsstrategie“. Diese verläuft in starker Abhängigkeit zu den gesetzten Überarbeitungszielen, kann sich jedoch umgekehrt auch selbst auf diese auswirken (vgl. Senn 2018, S.109). Der Schreibende hat nach Hayes et. al (1987) nun die Möglichkeit das Problem zu ignorieren, es zu verschieben, neue Informationen zu suchen, den Text, einzelne Abschnitte oder einzelne Sätze neu zu schreiben oder den Text auf globaler Ebene zu überarbeiten, indem bspw. fehlende Inhalte ergänzt werden (vgl. Fix 2000, S.30). Die ersten beiden Vorschläge scheinen zunächst eventuell abwegig zu sein, jedoch betont Fix, dass sie in Bezug auf orthographische Fehler durchaus sinnvoll sein können, wenn man sich z.B. in erster Linie auf den Inhalt fokussieren möchte (vgl. ebd.). Um die Möglichkeiten der Überarbeitungshandlungen genauer in den Blick zu nehmen und zu differenzieren, wird im Anschluss die Klassifikation von Überarbeitungen betrachtet. Im Allgemeinen unterscheidet man zwischen Revisionen, die sich auf die Textoberfläche beziehen, und jenen, die auf eine Veränderung der Texttiefenstruktur zielen (vgl. ebd., S.28f.). Während Erstere die Ebene des Aufschreibens und Formulierens betreffen, meint Letztere Überarbeitungen, welche bis auf die Ebene der Struktur- oder auch Planbildung zurückführen können. Dabei ist anzumerken, dass der Übergang zwischen beiden Revisionsformen fließend ist (vgl. ebd.). Eine genauere Klassifizierung von Überarbeitungsmöglichkeiten liefern Baurmann und Ludwig (1984). Sie entwarfen ein terminologisches Modell, das Revisionen in Hinblick auf verschiedene linguistische Ebenen unterscheidet (siehe Abb. 5). Anhand dessen wird deutlich, über wie viele Fähigkeiten und Fertigkeiten der Schreibende verfügen muss, wenn er einen Text revidiert. Die Überarbeitungshandlungen können von Nachträgen, welche sich lediglich auf die Buchstabenebene beziehen, bis hin zu Reformulierungen reichen, die zu einem völlig neuen Text führen können.
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Abb. 5: Klassifikation von Revisionen nach Baurmann und Ludwig 1984 (aus: Fix 2000, S.30)
Zunehmende „Tiefe“ der Revision, Zunahme von Revisionen, die erst nach dem Schreiben geschehen
Baurmann und Ludwig beachteten in ihrer Darstellung, dass Revisionen schon während der Formulierungsphase vorgenommen werden. Jedoch beschränkten sie dies auf die Ausdrucksseite (vgl. Fix 2000, S.31). Rau (1994, S.159) differenziert zusätzlich zwischen Überarbeitungen, die sich auf den realisierten Text beziehen, und jenen, die die mentalen Textrepräsentationen im Kopf („Prätexte“) betreffen. Letztere erfolgen demnach schon beim Denken und werden der Formulierungsphase zugeordnet. Die Bereitschaft zum Revidieren von Prätexten ist höher, als Veränderungen an einem bereits handschriftlich niedergeschriebenen oder am Computer getippten Text vorzunehmen (vgl. Baurmann; Ludwig 1996, S.15).
Bei ihren ersten Schreibversuchen greifen Kinder oft auf ihre Kenntnisse mündlicher Kommunikation zurück. Obwohl die Schriftsprache und die Lautsprache verwandte Zeichensysteme sind, handelt es sich bei der Schriftlichkeit nicht um ein sekundäres, vom Sprechen abgeleitetes, sondern um ein autonomes System. Sie unterscheiden sich in relevanten Merkmalen auf allen linguistischen Ebenen voneinander (vgl. Fix 2000, S.33). Im Gegensatz zur mündlichen Kommunikation verlangt das Schreiben in einem stärkeren Maße Abstraktionsvermögen, analytische Kompetenzen und Sprachbewusstheit (vgl. z.B. August; Faigel 1986, S.167). Zu den spezifischen Anforderungen der Schriftlichkeit zählt z.B. der Umstand, dass man einen Text für Adressaten, die auch unbekannt sein können, verfassen muss, ohne dass Klarheit darüber besteht, unter welchen Bedingungen die Leser diesen rezipieren (vgl. Fix 2000, S.33) Nach Ehlich (1984, S.18) handelt es sich beim Schreiben daher um eine „zerdehnte Sprechsituation“, welche sich in zwei Teile gliedern lässt. In der ersten Sprechsituation fixiert der Schreibende seine Äußerungen schriftlich, ohne dass der anvisierte Rezipient anwesend ist. Dieser liest die schriftlichen Ausführungen erst in der zweiten Sprechsituation, in der wiederrum der Verfasser des Textes nicht präsent ist. Bei der Untersuchung der Schreibentwicklung geht man in Anlehnung an Wygotski (1934/1986) von einem starken Zusammenhang zwischen der kognitiven und der schriftsprachlichen Entwicklung aus. Dabei besteht die These, dass die Schriftlichkeit modellbildend für die Sprache wirken könne und für die Konstituierung abstrakten Denkens verantwortlich sei (vgl. Fix 2000, S.33). Sicher ist, dass die Schriftsprache als autonomes kognitives Konzept über einen langen Zeitraum aufgebaut werden muss. Für die Lernenden bedeutet das, sich zunächst von dem „offenen Diskurs-Schemata“ oraler Kommunikation zu lösen und ohne die Rückäußerung eines Kommunikationspartners einen Text zu verfassen, den dieser am Ende dennoch nachvollziehen kann (vgl. ebd., S.34). Genauso wie in der Forschung zum Schreibund Rezeptionsprozess wurden im Zuge der Untersuchung der Schreibentwicklung Modelle konstruiert, welche den Prozess des Aufbaus von Schriftlichkeit darstellen sollen. Eines davon stammt von Bereiter (1980) und basiert auf Erkenntnissen der Entwicklungspsychologie. Es zeigt in Anlehnung an Piagets Stadientheorie den Weg zur konzeptionellen Schriftlichkeit in verschiedenen Stufen (siehe Abb. 6). Bereiter stellt darin Teilkompetenzen dar, welche nach und nach aufgebaut werden müssen. Die Stufen beziehen sich dabeijeweils auf ihren eigenen Schreibmodus. Bei der ersten Stufe, dem assoziative Schreiben, werden Ideen nach der im Gedächtnis bereits vorhandenen Wissensstruktur strukturiert. Schreibende, die sich auf dieser Ebene befinden, sind noch nicht in der Lage zur Evaluation und Überarbeitung ihres Textes aus der Sicht eines möglichen Rezipienten. Dieser wird erst auf der Stufe des kommunikativen Schreibens mit einbezogen. Das vorangehende performative Schreiben bezieht sich auf das Beachten von Schreibnormen während der Textproduktion, wie z.B. der Rechtschreibung und Grammatik. Auf der Stufe des reflektierten Schreibens, wird ein eigener, authentischer Schreibstil entwickelt. Die letzte Stufe wird vom Schreibenden erreicht, wenn er das Schreiben als Mittel des Denkens zum Erwerb neuer Erkenntnisse nutzt (vgl. Fix 2000, S.34). Am linken Rand der Darstellung des Modells befinden sich die Reflexionsebenen, welche bei der jeweiligen Stufe im Fokus stehen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 6: Schreibentwicklungsmodell nach Bereiter 1980 (aus: Fix 2000, S. 35)
Da die Schreibentwicklung in diesem Zusammenhang als Integration verschiedener Teilfähigkeiten aufgefasst wird, handelt es sich bei diesem Modell um ein Integrationsmodell, bei dem die Internalisierung von Teilkompetenzen vorangegangener Stufen für den Erwerb weiterer Fähigkeiten als notwendig betrachtet wird. Mit der unzureichenden Verarbeitungskapazität junger, noch unerfahrener Schreiber ließe sich so zwar erklären, warum sie z.B. zunächst mögliche Rezipienten bei der Verfassung ihres Textes außen vor lassen, jedoch ist die Theorie, Schreibentwicklung würde sich in aufeinanderfolgenden Stadien vollziehen, höchst umstritten (vgl. ebd., S.36). Ossner (1996) stellt bspw. fest, dass auch Kinder, die sich noch nicht auf der kommunikativen Stufe befinden, schon Texte mit Blick auf mögliche Leser produzieren. Zudem impliziert diese Darstellung von Schreibentwicklung, dass nur erfahrene Schreiber mithilfe des Schreibens Erkenntnisse gewinnen könnten. Auch August und Faigel (1986) stellten im Zuge ihrer Untersuchung fest, dass die Integrationsleistung einzelner Teilkompetenzen altersunabhängig ist. Daher spricht man im Hinblick auf die Schreibentwicklung vom sogenannten „Schreibalter“, welches sich auf die Dauer der Auseinandersetzung mit den Normen einer literalen Kultur und der praktischen Schreiberfahrung bezieht (vgl. Feilke 1996, S.1181). Die Annahme, die Schreibentwicklung vollzöge sich im Abschließen linearer, aufeinanderfolgender, klar voneinander abgrenzbarer Stadien, stellt sich mittlerweile als überholt heraus. Stattdessen wird die These verfolgt, dass es sich bei dem Aufbau der konzeptionellen Schriftlichkeit, um den Erwerb verschiedener Schreibstrategien handelt, welche dann in konkreten Verwendungssituationen angewendet werden (vgl. Krelle 2017, S.56). Es geht im Schreibunterricht daher nicht
“[...] um die Begleitung eines entwicklungspsychologischen Reifungsmodells, sondern um die individuelle Förderung vom Unvollkommenen zum Vollkommeneren, von simplen hin zu komplexeren Schreibstrategien mit dem Ziel derkonzeptuellen Schriftlichkeit“ (Fix 2006, S.56f.).
Der Weg zu dieser Zielkompetenz verläuft nicht immer geradlinig, sondern auch über Umwege (vgl. Becker-Mrotzek; Böttcher 2009, S.74). Strittig ist in der Forschung allerdings noch immer, ob die Internalisierung einzelner Strategien wirklich notwendig ist, um neue Strategien zu erwerben oder ob sich diese auch parallel entwickeln können. Weitgehende Einigkeit besteht injedem Fall darin, dass der Erwerb dieser Strategien individuell unterschiedlich verläuft (vgl. Krelle 2017, S.56). Baurmann und Pohl (2011, S.98) analysierten textsortenübergreifende Entwicklungstendenzen, welche sich auf die einzelnen Teilkompetenzen der Schreibkompetenz beziehen. In Hinblick auf den Aufbau der Ausdruckskompetenz kommt es von einem emotional involvierten Schreiben hin zu einem emotional involvierenden Schreiben. Bei dem Erwerb der Kontextualisierungskompetenz und der Antizipationskompetenz erfolgt bei beiden zunächst kontextuell eingebettetes Schreiben und später kontexterzeugendes Schreiben. Die Entwicklung der Textgestaltungskompetenz geht von einer assoziativen bzw. reihenden Textgestaltung über zu einer Schema- oder textsortengeleiteter Textstrukturierung (vgl. ebd.). Der Ausbau der Revisionskompetenz vollzieht sich als integraler Bestandteil der Schreibkompetenz von lokaleren Strategien (z.B. Überarbeitung einzelner Orthographiefehler) hin zu globaleren Strategien (Revision ganzer Textabschnitte bzw. ganzer Texte) (vgl. Pohl 2017, S.59).
Schreibunterricht erfolgt auf der Grundlage didaktischer Konzeptionen, welche unterrichtliche Planungsentscheidungen beeinflussen (vgl. Fix 2010, S.467). Im Folgenden werden die zwei unterschiedlichen Herangehensweisen des traditionellen Aufsatzunterrichts und des prozessorientierten Schreibunterrichts erläutert und im Anschluss verglichen. Das Hauptaugenmerk soll dabei auf dem Stellenwert der Textüberarbeitung in den beiden Ansätzen liegen.
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