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Bachelorarbeit, 2006
52 Seiten, Note: 1,3
1. Einleitung
2. Qualität im Journalismus
2.1. Über die Schwierigkeiten bei der Entwicklung allgemein
2.2. gültiger Qualitätskriterien für journalistische Produkte
2.3. Geschichte der journalistischen Qualität
2.3.1. Erste Qualitätspostulate
2.3.2. Journalistische Qualität während der Aufklärung
2.3.3. Journalistische Qualität und Zensur
2.3.4. Journalistische Qualität im 20. Jahrhundert
2.4. Zwischenbilanz
3. Das Ragersche Qualitätsmodell
3.1. Normative Rahmenbedingungen
3.2. Dimensionen der Qualität
3.2.1. Aktualität
3.2.2. Relevanz
3.2.3. Richtigkeit
3.2.4. Vermittlung
4. Online-Journalismus
4.1. Qualität im Online-Journalismus
4.1.1. Webspezifische Qualitätskriterien des Journalismus
4.1.2. Besondere Maßnahmen zur Qualitätssicherung im
4.1.3. Internet
4.2. Qualitätssicherung durch Ausbildung
4.2.1. Zur Geschichte der Journalisten-Ausbildung 20
4.2.2. Veränderung der Journalistenrolle durch das Internet
4.2.3. Der Internet-Nutzer als Konkurrent des Journalisten
4.3. Gültigkeit der Ragerschen Qualitätsdimensionen für den
4.4. Online-Journalismus
5. Das Nachrichtenangebot im Internet
5.1. Klassische Medien im Internet
5.1.1. Spiegel Online
5.2. Partizipativer Journalismus im Internet
5.2.1. Nutzergenerierte Nachrichtenportale
5.2.2. Stern Shortnews
5.2.2.1. Qualitätssicherung bei Stern Shortnews
6. Vorgehensweise bei der Qualitätsuntersuchung
6.1. Auswahl des Untersuchungsobjektes
6.2. Festlegung des Untersuchungsgegenstandes
6.3. Stichprobe
6.4. Operationalisierung der Ragerschen Qualitätsdimensionen
6.4.1. Aktualität
6.4.2. Relevanz
6.4.3. Richtigkeit
6.4.4. Vermittlung
7. Auswertung
7.1. Bestimmung von Toleranzbereichen für die einzelnen
7.2. Dimensionen
7.3. Einzelauswertung
7.3.1. Aktualität
7.3.2. Relevanz
7.3.3. Richtigkeit
7.3.4. Vermittlung
7.4. Gesamtauswertung
7.5. Vergleich von Stern Shortnews mit Spiegel Online
7.5.1. Bestimmung des Toleranzbereichs
7.5.2. Auswertung des Vergleichs
7.6. Beantwortung der Forschungsfragen
8. Fazit
9. Quellenangabe
9.1. Internet-Quellen
10. Anhang
10.1. Codebuch
10.2. Eidesstattliche Erklärung
Nicht erst seit es das Internet gibt wird über das Thema journalistische Qualität diskutiert. Das Internet hat lediglich – wie jedes neue Medium in der Vergangenheit auch – die Debatte über Qualität im Journalismus neu entfacht und ihr gleichzeitig eine neue Wendung gegeben: Die typischen Eigenschaften des Internet ermöglichen es theoretisch jedem Menschen, sich journalistisch zu betätigen. Diese Tatsache wirft Fragen auf, mit denen sich zuvor nicht auseinandergesetzt werden musste; so zum Beispiel: Ist der ehemals passive Rezipient, der sich bisher höchstens durch das Verfassen von Leserbriefen am publizistischen Prozess beteiligt hat, heute ein potenzieller Konkurrent des Journalisten?
In der vorliegenden Arbeit nun soll solch ein Konkurrenzprodukt – ein nutzergeneriertes Nachrichtenportal – auf seine Qualität hin überprüft werden. Wenn der User nämlich wirklich ein ernst zu nehmender Konkurrent des klassischen Journalisten ist, erhalten die Themen „Journalistische Qualität“ und „Ausbildung von Journalisten“ eine noch höhere Relevanz als bisher. Denn wie sonst wenn nicht durch höhere Qualität und Professionalität sollen Internetauftritte von renommierten klassischen Medien neben den Privatangeboten auf dem Markt legitimiert werden?
Vor der Untersuchung liefert die Arbeit im ersten Teil einen geschichtlichen Abriss über die Entwicklung der Qualitätsdiskussion seit dem 17. Jahrhundert und setzt sich mit den Schwierigkeiten auseinander, welche bei der Formulierung allgemein gültiger Qualitätskriterien bestehen. Außerdem wird das von Günther Rager generierte vierdimensionale Modell journalistischer Qualität vorgestellt.
Im zweiten Teil liefert die Arbeit eine Zusammenfassung über die Besonderheiten journalistischer Qualität im Netz und stellt kurz das – professionelle und private – Nachrichtenangebot im Internet vor. Anschließend wird die Qualitätsuntersuchung des nutzergenerierten Nachrichtenportals Stern Shortnews anhand des zuvor beschriebenen Qualitätsmodells von Günther Rager durchgeführt.
Ein immer wieder gern zitierter Ausspruch zur Debatte über Qualität im Journalismus darf auch in dieser Arbeit nicht fehlen, und so kommt gleich zu Beginn Stefan Ruß-Mohl zu Wort: „Qualität im Journalismus definieren zu wollen gleicht dem Versuch, einen Pudding an die Wand zu nageln.“ (Vgl. Neuberger 2004: 34)
Für nahezu alle Bereiche der Wirtschaft gibt es heutzutage allgemein gültige Qualitätsstandards. So müssen Elektrogroßgeräte Strom sparend arbeiten, Autos müssen gewissen Sicherheitsanforderungen genügen und wenig Benzin verbrauchen, das Verhältnis zwischen Preis und Leistung eines Produktes muss stimmen und so weiter. Diese Standards helfen dabei, Produkte miteinander vergleichbar zu machen. Zusätzlich gibt es Organisationen wie zum Beispiel die Stiftung Warentest, die durch regelmäßige Prüfungen die Einhaltung dieser Standards kontrollieren und dem Konsumenten Entscheidungshilfen an die Hand geben. Aber auch ohne die festgelegten Standards ist jedem Verbraucher klar, dass ein Kühlschrank, der nicht richtig kühlt, viel Strom verbraucht und bereits nach wenigen Jahren kaputt geht, kein Qualitätsprodukt sein kann.
Anders sieht es da bei Qualitätsstandards für den Journalismus aus. Es ist unwahrscheinlich, dass eine Person auf Anhieb ebenso viele Kriterien für ein gutes journalistisches Produkt wie für ein Auto oder ein Elektrogroßgerät nennen könnte. In diesem Bereich verwischen die ansonsten klaren Trennlinien zwischen tatsächlichen Qualitätsnormen und einfachen Geschmackskriterien. „Das Problem liegt auf der Hand: Anders als bei Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens lässt sich die Funktionalität von Medienprodukten weniger klar bestimmen, da die angestrebten Ziele um ein Vielfaches abstrakter sind; zudem basiert die Festlegung, dass bestimmte Ziele überhaupt angestrebt werden sollen, bereits auf normativen Setzungen, die sich nicht in letzter Instanz begründen lassen.“ (Vgl. Vlasic 2004: 15 f.)
Dass es Qualität im Journalismus tatsächlich gibt, ist unter Experten unumstritten. Einig ist man sich allerdings auch dahingehend, dass es schwierig ist, Standards für diese Qualität festzulegen und Definitionen zu formulieren. Journalistische Produkte sind stets im Zusammenhang mit Variablen wie zum Beispiel dem Selbstverständnis des Journalismus im Allgemeinen, dem Selbstverständnis des jeweiligen publizierenden Mediums, der jeweiligen Zielgruppe des jeweiligen Mediums und so weiter zu betrachten. Die Kriterien für Qualität sind von diesen Variablen abhängig und verändern sich dementsprechend von Medium zu Medium. (Vgl. Wilke 2003: 35 ff.). Das Selbstverständnis des Journalismus im Allgemeinen unterliegt gleichzeitig immer auch dem Wertewandel der Gesellschaft und sorgt somit dafür, dass sich Qualitätsansprüche auch einfach durch den Lauf der Zeit immer wieder verändern (Vgl. Rager 1994: 190).
Eine weitere Schwierigkeit bei der Formulierung von Qualitätsstandards liegt in der Tatsache begründet, dass es unterschiedliche Perspektiven gibt, aus welchen der Journalismus betrachtet werden kann. Die Vorstellungen und Ansprüche, welche in den Augen der Rezipienten einen qualitativ hochwertigen Journalismus garantieren, stimmen nicht unbedingt mit denen der Medienmacher und Experten überein: „Im Augenblick allerdings sind selbst die Qualitätsvorstellungen im Journalismus wenig erforscht, von denen des Publikums ganz zu schweigen. […] JournalistInnen orientieren sich schließlich an den Erwartungen, die sie bei den RezipientInnen erwarten.“ (ebd.: 194)
Es gibt allerdings nicht nur unterschiedliche Perspektiven der Betrachtung von Journalismus, sondern auch verschiedene Betrachtungsebenen; nämlich die journalistische Organisation und die Strukturen im Umfeld des Journalismus. Klaus-Dieter Altmeppen bezeichnet diese Ebenen als journalismusinterne beziehungsweise journalismusexterne Strukturebenen: „Wenn journalismusintern Qualitätssicherung betrieben werden soll, sind vor allem die Programme wichtig, denn in ihnen sind die Standards, die Arbeitsroutinen und die Ressourcen gebündelt. Auch Überlegungen zum Qualitätsmanagement im Journalismus rekurrieren auf die journalistischen Programme und ihre Wirkungen. […] Zu diesen (den journalismusexternen, Anm.) Strukturen zählt Ruß-Mohl verschiedene Institutionen und Initiativen, so unter anderem die Aus- und Weiterbildung, Presseräte, Berufsverbände und den Medienjournalismus.“ (Vgl. Altmeppen 2003: 113)
Die Diskussion um Qualität im Journalismus beginnt fast zeitgleich mit dem Aufkommen der periodischen Medien im frühen 17. Jahrhundert. Bereits wenige Jahre nach dem Erscheinen der ersten Wochenzeitungen setzte sie ein (Vgl. Wilke 2003: 35), und sie erstreckt sich bis in die Gegenwart. Lange Zeit drehte sich die Debatte ausschließlich um gedruckte Presseerzeugnisse. Erst später folgten zunächst das Radio, dann dass Fernsehen und schließlich das Internet. Alle diese Medien wurden ebenfalls nicht aus der Qualitätsdiskussion ausgeschlossen. Da der Fokus dieser Arbeit sich aber auf die Qualität von Presseerzeugnissen im Internet richtet und sich dabei an Richtlinien orientiert, welche für die gedruckte Presse aufgestellt wurden, wird auf die Medien Radio und Fernsehen im Folgenden nicht weiter eingegangen.
Bereits aus dem späten 17. Jahrhundert werden erste Qualitätspostulate überliefert. Die Zeitungen wurden damals äußerst kritisch beobachtet und von vielen als Gefahr für die Gesellschaft betrachtet. So verlangte Ahasver Fritsch im Jahre 1676 in einer zeitungskritischen Schrift: „Man muss die Wahrheit sagen […], Lügen und falsches Gerede überhaupt meiden und alles unterlassen, was zur Erbauung des Nächsten nichts beiträgt“ (Vgl. Wilke 2003: 36). Einige Jahre später dann appellierte Christian Weise an die Sorgfaltspflicht des Journalisten und verlangte, „dass nichts aufgenommen werden darf, als was durch spätere Nachrichten bestätiget wird“ und „den Ort [zu] beachten, woher die Erzählung kommt“ (ebd.: 36).
Christian Peucer schrieb 1690 die erste Dissertation über das Zeitungswesen. Darin stellte er Richtlinien auf, die sich nicht nur auf den Inhalt sondern erstmals auch auf die Form und die Präsentation der Nachrichten bezogen: „Die Lexis der Wortwahl oder der Stil der Neuen Zeitungen darf weder der eines Redners noch der eines Dichters sein, weil jener den neugierigen Leser hinhält, dieser ihn stört und auch die Sache nicht recht klar darstellt. […] Diese Absicht aber erreicht er, wenn er sich teils einer reinen, teils einer kurzen und klaren Sprache bedient“ (ebd.: 37).
Dass eine Zeitung nicht nur der Information sondern auch der Unterhaltung dienen soll, forderte erstmals 1695 Kaspar Stieler in seiner Schrift „Zeitungs Lust und Nutz“. Gleichzeitig verlangte aber auch er die Einhaltung von Richtlinien wie etwa Wahrhaftigkeit, Relevanz und Aktualität („Je neuer und unverhoffter die Zeitungen / einlangen / je willkommener sie auch seyn / dahingegen alte verlegene Wahren verächtlich sind“) zur Sicherung eines qualitativ hochwertigen Journalismus. (ebd.: 37 f.)
Im 18. Jahrhundert betrachtete man die Zeitung an sich dann etwas unkritischer und sah in ihr vielmehr ein Mittel der Aufklärung als eine Gefahr für die Gesellschaft. Mit diesem neuen Anspruch an das Medium änderte sich gleichzeitig aber auch der qualitative Anspruch, der an die Zeitung gestellt wurde. (Vgl. Wilke 2003: 39) So war Paul Jacob Marperger 1726 mit seiner Forderung nach Zuverlässigkeit, Unparteilichkeit und „Reinigkeit des Styli“ zwar zuerst den Ideen seiner Vorreiter sehr nah. Auf der anderen Seite klagte er aber auch über den Geiz und die Nachlässigkeit der Journalisten bei der Recherche. Er warf ihnen vor, dass sie „zur Ausfüllung ihres ordinairen Zeitungs-Blats nur aus andern gedruckt-einlauffenden teutschen Avisen dasjenige auszeichnen, was ihr Drucker in die ihrige einsetzen soll“ (ebd.: 40).
Ebenfalls laut wurden in dieser Zeit Forderungen nach einer sachlichen Gliederung des Zeitungsinhalts. So äußerte Ende des 18. Jahrhunderts der Zeitungstheoretiker Joachim von Schwarzkopf neben dem Wunsch nach Quellenehrlichkeit, Wahrheit und Neuheit auch den Wunsch nach einem „typographischen Haushalts-System“, „nach welchem der innere Gehalt einer Nachricht mit dem Raum, den man ihr verleihet, in einem gewissen Verhältnisse stehen muss“. (ebd.: 41)
Zur gleichen Zeit meldeten sich auch besonders radikale Zeitgenossen zu Wort, welche die Rolle der Zeitung als objektive Berichterstatterin beklagten. So forderte Christian Friedrich Daniel Schubart 1774, dass den Lesern nicht bloß „elende Schmierereien“ sonder vielmehr „wahre politische Gemälde“ geboten werden sollten, die durchaus nicht urteilsfrei sein müssten (ebd.: 41 f.).
Ähnlicher Meinung war der Journalist Joseph Görres 1814: Die Zeitungen hätten begriffen, „dass es in jetziger Zeit mit dem bloßen Zusammenscharren von Neuigkeiten ohne Zweck, Kritik und Zusammenhang keineswegs gethan ist. […] Allgemein ist es als knechtischer Grundsatz verworfen, dass sie blos Thatsachen erzählen, und jedes Urtheils sich enthalten sollen“ (ebd.: 43).
Im 18. und 19. Jahrhundert unterlag die deutsche Presse einer strengen Zensur. Diese Kontrolle des Zeitungswesens sorgte zwar auf der einen Seite dafür, dass Journalisten wertfrei berichteten, verhinderte zugleich aber auf der anderen Seite, dass sich eigene Qualitätsnormen entwickeln konnten. Die deutsche Zeitungslandschaft lag zu Beginn des 19. Jahrhunderts qualitativ also nahezu brach und wurde verspottet und nicht ernst genommen. (Vgl. Wilke 2003: 43)
Dieser Umstand rief gleichzeitig auch Widerstand hervor, der allerdings erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine rechtliche Liberalisierung der Presselandschaft herbeiführte. Außerdem sorgte das Ende des staatlichen Inseratenmonopols für einen ökonomischen Auftrieb, denn die Anzeigen sicherten in der Folgezeit die Finanzierung der Zeitungen. Technische Errungenschaften wie zum Beispiel schnellere Pressen oder die Setzmaschine sorgten für eine bessere Verbreitung der Zeitungen. 1874 dann wurde mit dem Erlass des Reichspressegesetzes die Pressefreiheit in Deutschland eingeführt. (Vgl. Wilke 2003: 44 f.)
Die Tatsache, dass Zeitungen und Journalismus nun von ihren technischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Fesseln befreit waren, ebnete zu Ende des 19. und zu Anfang des 20. Jahrhunderts den Weg für Verbesserungen der publizistischen Leistungen. Endlich hatte das Zeitungswesen nun die Möglichkeit, autonome Qualitätsstandards zu entwickeln.
Gleichzeitig führte die steigende Nachfrage nach gedruckter Presse auch dazu, dass sich die Redaktionen das Mehr an geforderten Informationen auf fragwürdige Weise beschafften: Aus Mangel an Personal und finanziellen Mitteln erfanden die Redaktionen Auslandskorrespondenten, die zum Beispiel aus Frankreich oder England berichteten. In Wahrheit aber saßen diese Redakteure in der Redaktion in Deutschland und schrieben ihre Artikel dort. Außerdem begaben sich die Redaktionen mehr und mehr in die Abhängigkeit von ihren Inserenten. (Vgl. Wilke 2003: 45 f.)
Ein heftiger Kritiker des damaligen Zeitungswesens war Heinrich Wuttke, der in 1866 in einer Schrift diesen „verkehrten Zustand“ der Presse anprangerte. Er warf den Zeitungen vor, „Massen von Thatsachen der Kenntniß ihrer Leser zu entziehen, die wahre Beschaffenheit der Hergänge zu verschleiern und das Volk in Täuschungen zu wiegen“. Verantwortlich für diesen Zustand war seiner Meinung nach in der Tatsache, dass die Medien Nachrichten zum Gelderwerb verbreiten. (ebd.: 46) Außerdem kritisierte Wuttke, dass Zeitungen „ihrem überwiegenden Inhalte nach nur Ausgaben zweiter Hand“ seien.
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 schließlich wurden sämtliche Medien in den Dienst der neuen staatlichen Ideologie gestellt und das Festhalten an tradierten Qualitätsmaßstäben wurde den Zeitungen schwer bis unmöglich gemacht. Der Zugang zum Journalistenberuf wurde kontrolliert und der Inhalt der Berichterstattung wurde durch Presseanweisungen gelenkt. Qualität wurde in dieser Zeit an der Bereitschaft und Fähigkeit bemessen, der NS-Ideologie zu dienen. Bewährte Qualitätsansprüche aber besaßen für die nationalsozialistische Regierung durchaus weiterhin ihre Gültigkeit. Daher wurde während dieser Zeit besonderer Wert auf eine fundierte Ausbildung der Journalisten gelegt. (Vgl. Wilke 2003: 50 f.)
Nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes lag die Wiedergewinnung der regierungsunabhängigen journalistischen Qualität in Westdeutschland in den Händen der alliierten Besatzungsmächte. Diese versuchten mittels eines Lizenzierungsverfahrens das deutsche Mediensystem wieder aufzubauen. Demnach konnten Deutsche, die bis zum Kriegsende nicht bei der Presse gearbeitet hatten, Lizenzen zur Herausgabe von Zeitungen erhalten. Außerdem sollten den deutschen Journalisten angloamerikanische Berufsnormen vermittelt werden. Das bedeutete vor allem, dass Kommentar und Nachricht sowohl in der Überschrift als auch im Text streng voneinander getrennt werden mussten. Die Journalisten sollten der Öffentlichkeit vor allem „mit einer unbeeinflussten Präsentierung von Nachrichten (…) dienen“. (ebd.: 51)
Die Strukturen des Journalismus haben in der Vergangenheit Entwicklungen durchlaufen, welche stets die Veränderungen, die gleichzeitig die Gesellschaft durchlaufen hat, widergespiegelt haben. „Trotz dieser gesellschaftlichen Umbrüche hat der Journalismus aber einige Konstanten ausgebildet, die epochenübergreifend bestanden und bestehen. Diese Konstanten werden als journalistische Organisations- und Arbeitsprogramme bezeichnet und sie charakterisieren die Strukturen des Journalismus.“ (Vgl. Altmeppen 2003: 115)
Die Debatte um allgemein gültige Qualitätskriterien ist im Laufe der Zeit aber keineswegs abgeflaut, sondern hat sich vielmehr an jeder Neudefinierung und Veränderung des Journalismus neu entzündet. Qualitätsstandards können eben auch nur für die aktuell gültige Position des Mediensystems definiert werden und Gültigkeit besitzen.
Auch Kritik am Mediensystem belebt die Qualitätsdiskussion in regelmäßigen Abständen: „Qualität ist vor allem dann ein Thema, wenn sie vermisst wird.“ (Vgl. Quandt 2004: 58) So kann man die Qualitätsdebatte auch als Defizit-Diskussion bezeichnen, die immer dann besonders heiß wird, wenn entweder Grenzüberschreitungen im Hinblick auf Normen der Berichterstattung festgestellt werden; wenn bestimmte Regeln des Journalismus nicht eingehalten beziehungsweise bestimmte Standards nicht erreicht werden oder eben wenn ein struktureller Wandel des Mediensystems dazu führt, dass sich der Journalismus (zumindest in Teilbereichen) verändert. (Vgl. Quandt 2004: 58)
In unserer Zeit nun werden die Medien häufig als neben Legislative, Judikative und Exekutive bestehende vierte Macht im Staat bezeichnet. „Das Mediensystem hat m.E. nicht nur Selbstreproduktion als Ziel, sondern eine ‚dienende’ Funktion im demokratischen System“ (Vgl. Rager 1994: 191). So werden dem deutschen Mediensystem drei politische Funktionen zugeschrieben: Information, Mitwirkung an der Meinungsbildung und Kontrolle und Kritik. Weitere Aufgaben liegen in der Unterhaltung und der Bildung. (Vgl. Meyn 2001: 34)
Die Diskussion um die Formulierung von Qualitätsmaßstäben und –standards wird also so lange nicht beendet sein, wie es dauert, verbindliche Qualitätskriterien festzulegen, anhand derer sich überprüfen lässt, ob der Journalismus seine jeweils gültigen Funktionen in zufrieden stellender Weise erfüllt.
Mitte der neunziger Jahre bezeichnet Günther Rager die Diskussion um Qualität im Journalismus als „In-Thema“ der Medienpolitik und schreibt: „Auf Medienkongressen werden die ‚Top-Ten’ des internationalen Qualitätsfernsehens ausgezeichnet, die Fachzeitschrift Media-Perspektiven füllt halbe Hefte mit Aufsätzen über Fernseh-Qualität, die japanischen ‚Studies of Broadcsting’ haben bereits den dritten Band dem Thema ‚Quality Assessment of Broadcasting Programming’ gewidmet.“ (vgl. Rager, 1994: 189)
Von besonderem Interesse für die Kommunikationsforscher sind dabei vor allem die elektronischen Medien. Einen Grund dafür sieht Rager in der gesetzlichen Regelungsdichte im Rundfunkbereich der Bundesrepublik Deutschland, denn hier obliegt die Kontrolle der Qualität von (privatem) Hörfunk und Fernsehen staatlich etablierten Institutionen. Um diese Kontrolle zu vereinfachen, werden „leicht messbare und vor allem juristisch überprüfbare Qualitätskriterien“ gesucht (ebd.: 189).
Zugleich weist Rager in dieser Zeit auf einen sich vollziehenden Wandel auf dem Medienmarkt hin, welcher das Interesse der Wirtschaft am Thema erhöht: Qualität statt einzig Quantität. Nicht mehr allein die Einschaltquote gilt unter Fernsehleuten als Erfolgskriterium; das Interesse wird nun auch auf die Qualität der Kontakte gelenkt; also auf eine genauere Kenntnis der Rezipienten. „Wer auf dem Werbemarkt dauerhaft Erfolg haben will, darf nicht nur darauf sehen, wie viele Menschen die Zeitung in die Hand nehmen – es muss auch gefragt werden, was diese Menschen mit der Zeitung tun, wie aufmerksam sie sie lesen, wobei sie ihren Spaß haben, was sie verstehen.“ (vgl. Rager, 1994: 190) Laut Rager lassen sich die Fragen nach Produkt- und Kontaktqualität allerdings nicht voneinander trennen.
Um die unterschiedlichen Aspekte der Qualitätsdebatte zu systematisieren, hat er in seinem Aufsatz „Dimensionen der Qualität. Weg aus den allseitig offenen Richter-Skalen?“ ein Modell journalistischer Qualität entwickelt, welches im Folgenden näher erläutert werden wird. Es systematisiert die Kriterien journalistischer Qualität anhand von vier Dimensionen, nämlich Aktualität, Relevanz, Richtigkeit und Vermittlung. (ebd.: 190)
Meines Erachtens ist dieses Modell nachvollziehbar und vollständig. Daher soll es später zur Überprüfung der Qualität der Artikel des nutzergenerierten Nachrichtenportals Stern Shortnews herangezogen werden.
Rager definiert zunächst das Selbstverständnis des Journalismus in unserem System und setzt seinen vier Dimensionen damit einen normativen Rahmen, innerhalb dessen sie ihre Gültigkeit besitzen.
Wie bereits erwähnt kann sich die Rolle, welche die Presse innerhalb einer Gesellschaft innehat, verändern. Dabei spielen vor allem die politischen Rahmenbedingungen, die dem Journalismus gesetzt werden, eine entscheidende Rolle. Aber auch der natürliche Wandel von Werten innerhalb der Gesellschaft nimmt Einfluss auf die Entwicklung des Mediensystems. Dieser Einfluss manifestiert sich darin, dass die Ansprüche der Rezipienten an ihre Zeitung sich im Laufe der Zeit verändern. Die jeweils vorherrschenden Qualitätsvorstellungen sind daher nicht als ein so genanntes Zeitgeistphänomen zu betrachten, sondern als ein Nebenprodukt aus einem sich langsam vollziehenden Wertewandel (Vgl. Rager 1994: 191).
Ragers normativer Rahmen kann also nur für die heutige Zeit gelten, in welcher dem Mediensystem die bereits erwähnten Aufgaben von Kontrolle und Kritik, Meinungsbildung und Information zugeschrieben werden.
Um diese Aufgaben überhaupt erfüllen zu können, bedarf es laut Rager vor allem publizistischer Vielfalt: „Das Mediensystem arbeitet unter Zielvorgaben, die es sich nicht nur aus sich heraus entwickelt hat. Vielfalt ist eine Forderung, die die Gesellschaft und vor allem das politische System – in Folge auch das juristische – an das Mediensystem heranträgt. Massenmedien ‚dienen’ dem Demokratie-Prinzip unserer Gesellschaft, und sie tun das, insofern sie Vielfalt produzieren.“ (vgl. Rager, 1994: 192) Diese Ansicht teilt Rager unter anderen mit Andreas Vlasic: „Es (das Konzept des Pluralismus, Anm.) basiert auf der empirisch feststellbaren Vielfalt gesellschaftlicher Bedürfnisse, Interessen und Organisationen. Diese Vielfalt soll sich – das ist der normative Aspekt des Pluralismus – inhaltlich in der politischen Gestaltung niederschlagen. In diesem Prozess wird den Medien eine zentrale Rolle zugesprochen, da sie für große, differenzierte Gesellschaften eine, wenn nicht sogar die einzige, übergreifende Infrastruktur bieten, über die idealtypisch die Abbildung der unterschiedlichen Interessen sowie ihre Kanalisierung zu vertretbaren Positionen erfolgen kann.“ (Vgl. Vlasic 2004: 19 f.)
Die Forderung nach Vielfalt allerdings bezieht Rager nicht auf einzelne Medien oder Beiträge, sondern vielmehr auf das gesamte Mediensystem: „In einem vielfältigen Mediensystem könnten einzelne einseitige Medien sogar die qualitativ hochwertigsten sein. Umgekehrt sichern einzelne einseitige „Qualitäts-Medien“ freilich keinesfalls die Vielfalt des Mediensystems – wenn sie beispielsweise alle eine ähnliche politische Richtung haben.“ (Vgl. Rager 1994.: 192 f.)
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