Bachelorarbeit, 2013
64 Seiten, Note: 1,5
1 Einleitung
2 Medien, Migration und Integration: Ein Problemaufriss
2.1 Internationalisierung der Gesellschaft
2.2.1 Differenzierung von Integrationsformen
2.2.2 Assimilation vs. Segregation
2.3 Kulturelle und ethnische Identität
3 Integratives Potenzial von Medien
3.1 Medienwirkungsmodelle
3.1.1 Uses-and-Gratifications-Approach
3.1.2 Agenda-Setting-Theorie
3.2 Mediale Integration im Globalisierungskontext: zwischen Mehrheits- und Ethnomedien
3.3 Mediale Darstellung von Migranten
4 Explorative Studie
4.1 Methodischer Vorgang
4.2 Auswertung der Umfrageergebnisse
4.2.1 Allgemeine Informationen über die Teilnehmer
4.2.2 Sprachkompetenzen
4.2.3 Mediennutzung, Medienwahl und Nutzungsmotive
4.2.4 Deutsche vs. Heimatmedien: Unterschiede und Gemeinsamkeiten
4.2.5 Mediale Darstellung von anderen Ländern
4.2.6 Integrationsindikatoren
5 Fazit
6 Literaturverzeichnis
Anhang
Konflikt der Kulturen oder „Einheit-in-Verschiedenheit“ (Geißler 2005, 63)? Nur wenige Themen sorgen so häufig für große Aufmerksamkeit und sind der Grund für öffentliche Debatten wie Migration und Integration. In der heutigen Welt ist Migration zu einem globalen Phänomen geworden, das Auswirkungen auf Kulturen, Sprachen, Religionen, Wirtschaft und Demographie hat.
In den letzten Jahrzehnten nahm in Deutschland, so wie auch in vielen anderen Ländern, der Internationalisierungsprozess der Gesellschaft zu. Mehr als zehn Millionen MigrantInnen leben derzeit in der Bundesrepublik (s. Statistisches Bundesamt, abgerufen am 18.12.12). Sie sind ein bedeutender Teil der Sozialstruktur Deutschlands, was die Notwendigkeit von Integration in den Fokus der Migrationsdiskurse rückt und bestimmte Herausforderungen sowohl an die Einwanderer selbst als auch an die einheimische Bevölkerung stellt.
In Rahmen der Diskussionen zu Migrations- und Integrationsthematik wird, neben der Bildungsrelevanz, immer öfter auf die Rolle der Massenmedien im Integrationsprozess von MigrantInnen eingegangen, obwohl die Meinungen zur Bedeutung der Medien im Einwanderungsdiskurs unterschiedlich sind. Trotz der zahlreichen Studien, die teilweise unterschiedliche Bereiche abdecken und/oder miteinander nicht kombinierbar sind, gibt es keine einheitlichen Ergebnisse zur Integrationsfunktion der Medien. Außerdem macht die Vielfalt der Untersuchungsperspektiven und Herangehensweisen die Integrationsfunktion bzw. das integrative Potenzial der Medien zu einem sehr interessanten Forschungsfeld.
Diese Arbeit beschäftigt sich mit einer Untersuchung der Mediennutzung von internationalen Studierenden und deren Zusammenhang mit Integration.
Der Bologna-Prozess und die damit verbundenen Reformen im Bildungssektor haben dazu beigetragen, dass jedes Jahr viele junge Menschen für das Studium nach Deutschland kommen. So lag im Wintersemester 2011/2012 die Anzahl der internationalen Studierenden an Deutschen Hochschulen bei 183,504 Personen, was ca. 12% aller Studierenden entspricht (s. Statista, abgerufen am 28.12.2012). Da die Bundesrepublik hoch qualifizierte Fachkräfte wie z.B. Ingenieure, Informatiker usw. braucht, haben internationale Studierende die Möglichkeit auch nach dem Studium in Deutschland zu bleiben und die Einführung von Blue Card EU soll dies weiter vereinfachen bzw. Zuzug von Fachkräften aus anderen Ländern fördern (s. Blue Card EU 2012, abgerufen am 10.09.12). Somit ist die Wahrscheinlichkeit, dass in der Zukunft Bildungsmigration öfter in dauerhafte Migration übergehen wird, relativ hoch. Aus diesem Grund wurde diese spezifische Migrationsgruppe für die vorliegende Arbeit als Forschungsobjekt ausgewählt.
Es werden die folgenden Hypothesen ausformuliert:
1. Bei Bildungsmigranten stehen kognitive Mediennutzungsmotive im Vordergrund.
2. Im Gegensatz zu anderen Migrantengruppen dominiert bei internationalen Studierenden die Internetnutzung (über Fernseh-, Radio- sowie Zeitungsnutzung).
3. Die Zuwendung zu den Ethnomedien ist bei den Bildungsmigranten sehr gering.
4. Internationale Studierende greifen auf das Fernseh-, Radio-, Zeitungs- und Internetangebot vorwiegend in deutscher Sprache zu.
5. Die Darstellung in den deutschen Massenmedien von Migranten und anderer Länder generell wird von Migranten selbst als negativ eingeschätzt.
6. Bildungsmigranten sind eine spezifische Gruppe, die wegen der guten Sprachkenntnisse und der vielen interethnischen sozialen Kontakte (vor allem durch das Studium), ein hohes Integrationspotenzial hat
Im ersten Teil der Arbeit werden Integrationskonzepte von Hartmut Esser und Rainer Geißler vorgestellt, die als theoretische Grundlage für die weitere Analyse verwendet werden. Kapitel 3 ist dem integrativen Potenzial von Medien gewidmet. Hier wird sowohl ein Überblick über die für die Arbeit relevanten Medienwirkungstheorien gegeben als auch auf die Mehrheits- und Ethnomedien sowie auf Mediale Darstellung von Migranten eingegangen. Da die Erkenntnisse der bisherigen Studien lückenhaft sind bzw. sich vorwiegend auf die bestimmten Aspekte begrenzen, steht im Fokus der letzen Kapitel eine empirische Untersuchung mittels einer Onlineumfrage, die als Grundlage für die Verifizierung der gestellten Hypothese betrachtet wird. Im abschließenden Fazit werden im Anschluss an die Umfrageergebnisse Schlussfolgerungen im Bezug auf die Hypothesen gezogen.
Laut der aktuellen Datenerhebung vom Statistischen Bundesamt leben heutzutage in Deutschland 10,7 Millionen MigrantInnen aus 194 verschiedenen Ländern, was ca. 13% der Gesamtbevölkerung des Landes entspricht (s. Statistisches Bundesamt, abgerufen am 18.12.12).
Der Bundeszentrale für politische Bildung zufolge, betrug im Jahr 2011 die Anzahl der Personen mit Migrationshintergrund in Deutschland rund 16 Millionen, was im Vergleich zum Jahr 2010 (19,3%) ein leichter Anstieg ist und ca. 19.5% der Bevölkerung des Landes entspricht. Hier sind aber Personen mit bereits erworbener deutscher Staatsangehörigkeit von solchen mit anderen Staatsangehörigkeiten zu unterscheiden (s. Bundeszentrale für politische Bildung, abgerufen am 30.11.12).
Mit zunehmendem Wachstum gewinnen die ethnischen Minderheiten immer mehr an Bedeutung in der Sozialstruktur Deutschlands und leisten ihren Beitrag zu den Internationalisierungstendenzen in einer modernen Gesellschaft.
Wanderungsprozesse gehören zur Menschheitsgeschichte. Neben den Geburten- und Todesraten zählt Migration zu den bedeutenden Einflussfaktoren der Bevölkerungsentwicklung. Immer mehr Menschen, vor allem aus Entwicklungsländern, hoffen bessere Zukunftsperspektiven im Ausland zu haben und weisen die Bereitschaft, aus ihrer Heimat, auszureisen auf. Dabei ermöglichen die neuen Medien wie Internet einen relativ unkomplizierten Informationszugang: Das heißt man kann bereits vom Heimatsland aus einen Arbeits- und/oder Studiumsplatz suchen, was die Mobilität fördert.
Globalisierung trägt zu den weltweiten Veränderungen nicht nur in wirtschaftlichen und politischen Bereichen bei, sie bezieht sich auch auf demographische und kulturelle Räume, Sprachen und Religionen. In den letzten Jahren ist Migration zu einem globalen Phänomen geworden und sorgt für umstrittene Meinungen zu diesem Thema, weil dadurch ebenfalls die Aufnahmegesellschaften verändert werden. Diese neuen Tendenzen werden von einigen Gesellschaftsteilnehmern positiv als eine „Quelle der Bereicherung“ (Löffler 2011, 185) für die kulturelle Weiterentwicklung betrachtet und von anderen eher als Bedrohung für die eigene Kultur und Wirtschaft empfunden. (s. Keeley 2010, 11-14).
Aber was versteht man im Grunde unter der Migration und wie lässt sie sich kategorisieren? Je nach Aufenthaltsdauer gibt es zwei verschiedene Arten von Migration: Zum einen dauerhafte Migration, wenn die Person bereits plant im Ausland zu bleiben, und zum anderen vorübergehende, wenn der Aufenthalt in einem anderen Land bloß temporär sein soll (s. Keeley 2010, 22). Nach den häufigsten Migrationsmotiven unterscheidet man die folgenden Kategorien: Arbeits-, Bildungs-, Flucht-, Rückkehrmigration und Familienzusammenführung (vgl. Safron 2011, 9-19; Keeley 2010, 27). Da für die vorliegende Arbeit Migration zu Bildungszwecken von besonderer Bedeutung ist, wird auf diese Kategorie näher eingegangen.
Der Globalisierungsprozess hat seine Auswirkungen auch im Bildungssektor. Bologna-Prozess sowie damit verbundene Veränderungen in den europäischen Hochschulsystemen sind die Reaktion auf die neuen Tendenzen im ökonomischen, politischen sowie gesellschaftlichen Raum. Internationalisierung der Hochschulen soll das Studium ohne Grenzen für Millionen Studierende ermöglichen bzw. den Zugang erleichtern und durch die Entwicklung eines Systems leicht verständlicher und vergleichbarer Abschlüsse auch räumliche Mobilität der hoch qualifizierten Arbeitskräfte unterstützen. Außerdem gewinnt interkulturelle Kompetenz in verschiedenen Lebensbereichen, einschließlich Arbeitssuche, immer mehr Bedeutung, deswegen sind das Studium in einem anderen Land oder Auslandssemester oft von Vorteil und erhöhen die Karrierechancen (vgl. Knothe 2009, 21-26, 43-46). Aus diesem Grund bevorzugen immer mehr junge Menschen das Studium im Ausland, vor allem um neue Erfahrungen in einem anderen Kulturkreis zu sammeln und um die Sprachkenntnisse zu vertiefen (s. Knothe 2009, 55-56).
Jedes Jahr gehen junge Menschen ins Ausland, um dort zu studieren. Für einige ist es vorübergehend, die anderen bleiben auch nach dem Abschluss im Aufnahmeland. In vielen Fällen legen sich die Studierenden von Anfang an nicht fest, ob der Auslandsaufenthalt auf die Dauer des Studiums beschränkt bleibt oder permanent sein wird. Obwohl internationale Studierende öfters nicht als Migranten betrachtet werden, ist das Studium im Ausland eine gute Gelegenheit, um das Aufnahmeland besser kennen zu lernen und unter Umständen in diesem Land auch dauerhaft zu bleiben (s. Keeley 2010, 79-82). So sind laut Statistiken von 30.000 Studierenden an der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn 3700 aus dem Ausland, was ca. 12.3% aller Studierenden an dieser Hochschule entspricht (s. Universität Bonn, abgerufen am 20.08.12).
Im Gegensatz zu den anderen MigrantInnen, deren Bekannten- bzw. Freundeskreis sich oft auf Personen aus dem Herkunftsland begrenzt, haben die Bildungsmigranten häufig ein internationales soziales Umfeld. Einerseits ist das sprachlich bedingt, weil die Studenten in der Regel die englische Sprache und/oder die Sprache des Aufnahmelandes gut beherrschen, was im Fall der „klassischen“ Migranten nicht immer zutrifft. Somit hat man, dank den vorhandenen Sprachkenntnissen, vom ersten Tag des Studiums an Kontakt zu deutschen Kommilitonen sowie auch zu Studenten aus vielen verschiedenen Ländern, was eine gute Grundlage für eine erfolgreiche Integration in das Bildungssystem und den Arbeitsmarkt bildet (vgl. Brock 2008, 160-164).
In Rahmen der Diskussionen zum Thema Globalisierung, Migration und Integration von Zuwanderern wird in den letzten Jahren immer öfter über die Bedeutung von Massenmedien für die Eingliederung von Menschen anderer Herkunft in Aufnahmegesellschaft gesprochen. Aber um auf die integrative Rolle der Medien für ethnische Minderheiten in Deutschland näher eingehen zu können, ist es sinnvoll, zuerst den Integrationsbegriff und die zusammenhängende Fachterminologie zu klären. Es handelt sich um eines der umstrittenen Gebiete der Soziologie und infolgedessen existiert eine wesentliche Vielfalt von Begriffsunterschieden und Blickwinkeln im Bezug auf diesen Forschungsgegenstand. Im Allgemeinen wird die Integration in den wissenschaftlichen Aufsätzen als Prozess, aber auch als Ziel bzw. Endzustand betrachtet. In der vorliegenden Arbeit wird der Fokus auf den Integrationsprozess gesetzt, „der die Teile einer Gesellschaft (Individuen, Institutionen, Gruppen) unter Mitwirkung ihres Bewusstseins mehr oder weniger stark zum Ganzen dieser Gesellschaft verbindet […]“ (Pöttker 2005, 40-41).
Daher steht der Ablauf aller für Integration relevanten Prozesse wie kommunikative Interaktionen, Bildung von sozialen Kontakten, Medienwahl und -konsum ethnischer Minderheiten im Mittelpunkt. Aus diesem Grund werden in den folgenden Kapiteln zwei für die Arbeit relevante, handlungsorientierte Integrationsansätze von Hartmut Esser und Rainer Geißler dargestellt.
Grundsätzlich wird zwischen Systemintegration, die sich mit der „Integration des Systems einer Gesellschaft als Ganzheit“ (Esser 2001, 3), und Sozialintegration, die sich auf die Einbeziehung von Individuen bzw. Gruppen von Individuen in das System bezieht, unterschieden (s. Esser 2001, 1-8). Der Prozess der Sozialintegration lässt sich durch einen hohen Grad von Komplexität und Vielschichtigkeit charakterisieren. Hier stehen im Mittelpunkt Mentalität, Einstellungen, Empfindungen und subjektive Motivationsfaktoren der Mitglieder einer Gesellschaft (s. Pöttker 2005, 30-31). In Bezug auf die Migrationsforschung ist für diese Arbeit die Eingliederung von Personen mit Migrationshintergrund in das gesellschaftliche sowie politische Leben des Aufnahmelandes, Bildung von internationalen Freundschaften, Erwerb bzw. Vertiefung von Sprachkenntnissen, Medienwahl usw. von besonderer Relevanz. Alle diese Aspekte umfasst Sozialintegration, die Esser in vier weitere Unterkategorien unterteilt: Kulturation, Platzierung, Interaktion und Identifikation; zwischen ihnen besteht eine kausale Dependenz.
Kulturation ist ein Teil der „kognitiven Sozialisation“ (Esser 2001,9) und setzt bestimmtes Basiswissen und Fertigkeiten, wie zum Beispiel Sprachkenntnisse und kulturelle Kompetenzen, voraus. Prozess der „natürlichen“ Kulturation (von Geburt an) nennt man Enkulturation und die neue Einbeziehung an ein fremdes sozio-kulturelles Umfeld wird als Akkulturation bezeichnet. Die Phase der Akkulturation wird von vielen Faktoren wie Anreisealter, Ausmaß der Kulturdifferenzen usw. beeinflusst, was man besonderes deutlich am Beispiel der sprachlichen Akkulturation beobachten kann.
Mit der Platzierung sind die Positionen, die Individuen in der Aufnahmegesellschaft besetzen, einschließlich Rechtsstatus und Karrierechancen, gemeint. Es ist eine zentrale Komponente einer erfolgreichen Sozialintegration. Es handelt sich vor allem um Humanressourcen, wo Bildung und universelle Kompetenzen eine wichtige Rolle spielen, bei deren Besetzung von relevanten Positionen, für Zuwanderer durch Vorurteile, Diskriminierungen und soziale Inakzeptanz Hindernisse entstehen können.
Ein weiterer Baustein der Sozialintegration nach Esser ist Interaktion. Es handelt sich um eine Art des sozialen Handels , dessen Zustandekommen durch soziale Beziehungen aus dem informellen alltäglichen Leben bedingt wird. Bei der Interaktion wird der Zusammenhang zwischen bereits vorhandenen interkulturellen Kompetenzen, sprachlichen Kenntnissen, gesellschaftlicher Position und durch die Enkulturation geprägte emotionale Beziehung zur Ausgangskultur und deren Einfluss auf Ablauf der kommunikativen interethnischen Interaktion deutlich erkennbar.
Identifikation einer Person, sich selbst als Teil einer Gesellschaft, in der man aktuell lebt, zu sehen, ist eine Individuum-System-Beziehung auf einer kognitiven sowie emotionalen Ebene, in der das „Wir-Gefühl“ (Esser 2001, 12) zu den anderen Mitgliedern des sozialen Systems signifikant ist (s. Esser 2001, 8-15).
Rainer Geißler nimmt dagegen als Ausgangspunkt eine dichotomische Aufteilung des Integrationsprozesses vor und konzentriert sich auf die folgenden Untersuchungsbereiche: Sozialstruktur, die der Platzierung nach Esser entspricht, und Sozialkultur, die die drei weiteren Kategorien nach Esser wie Kulturation, Interaktion und Identifikation zusammenfast. (s. Geißler 2005, 49-55). Außerdem wird der Begriff der Platzierung im Rahmen der sozialstrukturellen Integration erweitert und durch ethnische Gleichheit bzw. Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt, aber auch im Bezug auf Bildung, Einkommen, soziale Sicherheit und vor allem, was den Zugang zum Positionssystem bei wichtigen Institutionen wie Medien, Wissenschaft, Justiz usw. angeht, ergänzt. Der Ablauf der soziokulturellen Integration wird weiter in drei Ebenen aufgegliedert. Es wird grundsätzlich zwischen kognitiven, sozialen und identifikatorischen Integrationsdimensionen unterschieden. Hier kongruiert kognitive Phase mit Kulturation, soziale Phase dementsprechend mit Interaktion und die identifikatorische, wie bereits der Name verrät, mit der Identifikation in Kategorisierung von Hartmut Esser (vgl. Geißler 2005, 50-60).
In der Migrations- bzw. Integrationsforschung dominieren zwei konträre Standpunkte: das Assimilationskonzept und das Konzept der multikulturellen Gesellschaft. Viele sozialwissenschaftliche Analysen stützen auf die Integrationstheorie von Esser, in der deutlich eine generelle Tendenz zur Gleichsetzung von den Begriffen „Integration“ und „Assimilation“ zu erkennen ist. Die Gegenströmung wird von Vertretern der Pluralismusmodelle, die eine „natürliche“ Heterogenität einer Gesellschaft in das Integrationskonzept einbinden.
Sozialintegration kann laut Esser nach vier folgenden Szenarien verlaufen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Typen der (Sozial-)Integration von Migranten; Quelle: Esser (2001,19)
Marginalität soll am häufigsten in der ersten Migrantengeneration vertreten sein, indem eine der Integrationskategorien nicht vollständig vollzogen wird und deswegen die notwendigen Voraussetzungen, beispielsweise wegen der mangelhaften Sprachkenntnisse, fehlenden interethnischen sozialen Kontakte usw., nicht gegeben sind. Als Ergebnis wird die Bindung mit dem Herkunftsland mit der Zeit relativ schwach, aber das Zugehörigkeitsgefühl zur Gesellschaft des Aufnahmelandes ist auch nicht vorhanden. Im Fall der Segmentation spielen die ethnischen Gemeinden eine entscheidende Rolle, weil sie eine Alternativform der Lebensgestaltung, ein Stück der Heimat in einem fremden Land, bieten und somit den Bedarf bzw. die Motivation für die Integration in die Aufnahmegesellschaft vermindern.
Das komplette Gegenteil zur Marginalität ist die Mehrfachintegration. Es handelt sich hier jedoch um einen Idealfall, der laut Esser nur schwer realisierbar sei. Die multikulturelle oder die Mehrfachintegration erfordert die gleichzeitige Einbindung in verschiedene soziale und kulturelle Kontexte sowie die Identifikation mit den beiden Gesellschaften: des Herkunfts- und des Aufnahmelandes. Aufgrund dieser Analyse stellt Esser die These auf, dass „die Sozialintegration in die Aufnahmegesellschaft […] nur in Form der Assimilation möglich“ (Esser 2001, 21) ist und sie wird als „die ‚Angleichung‘ der verschiedenen Gruppen in bestimmten Eigenschaften“ definiert. Gleichzeitig soll die Assimilation die kulturelle Pluralität auf der Individuum-Ebene (anstatt einer Gruppe) nicht ausschließen. Wenn man aber die Anforderungen für die kulturelle und emotionale bzw. identifikatorische Assimilation betrachtet, wirkt diese Option eher unrealistisch, weil die Angleichung von Wissen, Fertigkeiten sowie Kompetenzen vorausgesetzt wird und sogar die Gefühls- und Emotionen-Ebene in den Anpassungsprozess einbezogen wird. (vgl. Esser 2001, 19-24).
Das assimilative Integrationskonzept von Esser, das vorwiegend auf der Anpassung von MigrantInnen in die Leitkultur basiert und deswegen diskriminierend, befangen und einschränkend wirkt, wird durch das Konzept der interkulturellen Integration von Geißler erweitert. Er versucht die Interessen und die Bedürfnisse der ethnischen Minderheiten zu berücksichtigen und auf diesem Weg den Assimilationsdruck zu mindern sowie auf die potenziellen Vorteile der nicht monokulturellen Gesellschaft hinzuweisen. Die interkulturelle Integration wird somit zum Mittelpunkt einer Trichotomie:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Modelle sozialkultureller Integrationsverläufe; Quelle: Geißler (2005,64)
Wenn man die Integration aus einer anderen Perspektive betrachtet, wird der Einfluss der herrschenden Einstellungen in der Aufnahmegesellschaft offensichtlich. Vorurteilslosigkeit, Toleranz, Einfühlungsvermögen und Respekt sind von beiden Seiten, sowohl von Einwanderern als auch von der Aufnahmegesellschaft, erforderlich. Einerseits ist das Ausmaß der kulturellen Differenzen, wie Religion, Sprachfamilie, Etikette usw., von großer Bedeutung und dadurch wird auch der gesamte Integrationsablauf bzw. die Dauer dieses Prozesses bestimmt (vgl. Esser 2001, 24-25). Wenn die Gesellschaft des Aufnahmelandes aber nicht offen genug ist und die Ausgrenzung von Fremden zu den „normalen“ sozialen Praktiken gehört, kann es die erfolgreiche Sozialintegration von Migranten verlangsamen bzw. verhindern. Aus diesem Grund stellt Geißler das Modell der „ aktiven Akzeptanz “ in den Mittelpunkt seines Konzepts. So wird die Integration als komplexer Prozess betrachtet, dessen Zustandekommen nicht nur in Verbindung mit MigrantInnen bzw. deren Kompetenzen, Fertigkeiten, Motiviertheit und Integrationsbereitschaft allgemein gesetzt wird, sondern auch mit bestimmten Anforderungen an die einheimische Bevölkerung. Zu den primären Voraussetzungen der interkulturellen Integration gehören:
Die Akzeptanz
- „des Faktums der notwendigen Einwanderung„ (Geißler 2005, 65) und positive Einstellung demgegenüber;
- „der Notwendigkeit, die Migranten sozialstrukturell und interkulturell zu integrieren“ (Geißler 2005, 65), um die Chancengleichheit zu fördern und somit allen Arten von Diskriminierung von ethnischen Minderheiten vorzubeugen;
- der „Notwendigkeit kollektiver aktiver Förderung der Integration“ (Geißler 2005, 66), indem verstärkt auf die Wichtigkeit von politischem und gesellschaftlichem Engagement hingewiesen wird.
(s. Geißler 2005, 62-66).
Viele MigrantInnen leben in zwei kulturellen Dimensionen, die sich auf das Herkunfts- sowie Aufnahmeland beziehen. Allerdings sind sie trotz vieler Kontraste keine unabhängigen Einheiten, sondern stehen in Relation zueinander. Die kulturellen Eigenschaften beider Gesellschaften vermischen sich und als Ergebnis entstehen neue Formen von kulturellen Kontexten, die aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven betrachtet werden können und deswegen verschiedene Begrifflichkeiten bzw. Terminologien (z.B. interkulturelle Zwischenwelten, hybride Kulturen, Transkulturalität usw.) aufweisen (vgl. Munsch 2010, 55-63).
Die Situation des kulturellen Wandels, in der sich Einwanderer befinden, stellt immer neue Herausforderungen, die im Laufe des Integrationsprozesses bewältigt werden müssen. Anderes Land, andere Kultur und andere Sprache tragen zur Entstehung von vielschichtigen Identitätskonstruktionen bei, in deren Mittelpunkt solche Fragen wie Wer bin ich?, Was kann ich?, Was denken die Anderen über mich? und Was halte ich von mir? stehen. Die Antworten sollen einerseits erklären inwiefern eine Person sich von anderen Gesellschaftsteilnehmern unterscheidet (als Individuum) und andererseits, inwiefern sie sich zu einer Gesellschaft zugehörig fühlt. Folglich entstehen zwei Identitätsebenen: personale bzw. subjektbezogene Identität und kollektive bzw. gruppenbezogene Identität (s. Schramm, Hartmann 2007, 202-205). In Hinsicht auf den sozialpsychologischen Kontext, versteht man unter Identität kein statisches Phänomen, sondern eine lebenslangen Prozess, der durch kulturelle und soziale Umwelt bzw. deren Veränderungen bedingt wird und eine Art Reflexion der neuen Umstände ist (s. Wegener 2010, 55-57).
Die identifikatorische Dimension des Integrationsverlaufs nach Esser, die im Kapitel 2.2.1 bereits erwähnt wurde, bezieht sich im Allgemeinen auf ein Gefühl der Zugehörigkeit zur Aufnahmegesellschaft und dementsprechend auf das Übernehmen ihrer Werte, kulturellen Muster und Verhaltensweisen, die in direktem Zusammenhang mit ethnischer und kultureller Identität stehen. In Bezug auf Migration reihen sich diese zwei Identitätskategorien sehr stark aneinander und werden in den wissenschaftlichen Aufsätzen in wechselseitigem Verhältnis benutzt, deswegen werden sie in der vorliegenden Arbeit zur ethno-kulturellen Identität zusammengefasst.
Unter ethno-kulturellen Identität werden die Ethnie spezifischen Reaktionsmuster bezeichnet, die sich auf die Unterschiede in der alltäglichen Lebensführung, Sprache, Wertvorstellungen, Überzeugungen, Abstammung, Geschichte, Religion, Wohnweise, Ernährungsgewohnheiten, Kleidung, typische Rollenaufteilung zwischen den Geschlechtern und territoriale Zugehörigkeit, beziehen (vgl. Schnell, abgerufen am 20.09.12, 3-6).
Häufig werden Menschen, die sich für das Leben in einem anderen Land entschieden haben, mit wesentlichen kulturellen Differenzen konfrontiert, die sie zu bewältigen lernen müssen. Sie befinden sich in der Situation des ethno-kulturellen Wandels. Die „alten“, mit dem Heimatland verbundenen, Traditionen, Normen und Werte müssen wegen neuer Umstände neue definiert werden und Medien spielen in diesem Fall eine der zentralen Rollen. Hinsichtlich Migration können sie ihren Beitrag in zwei vollkommen unterschiedlichen Bereichen leisten:
- Bei dem Bewahren der Verbindung mit dem Herkunftsland sowie
- bei dem Herstellen einer Beziehung zu den neuen kulturellen Kontexten.
Daher geben sie den Auswanderern die Möglichkeit die Verbindung mit ihrer Heimat nicht vollständig abzubrechen, die Ereignisse in dem Herkunfts- und Aufnahmeland zu verfolgen und faktisch, auch wenn nicht direkt, an dem Geschehen in den beiden Ländern teilzunehmen. So können Medien einerseits eine Art Brücke zwischen den Kulturen sein: Von der Phase der Neuorientierung, des gegenseitigen Kennenlernens bis hin zum Entstehen vom Gefühl der Verbundenheit mit der Aufnahmegesellschaft (vgl. Rydin, Sjöberg 2007, 273-278).
Andererseits stehen MigrantInnen ständig unter dem Druck, weil sie zu einem permanenten Integrationsprozess herausgefordert sind. Hier sind primäre ethno-kulturelle Unterschiede zwischen Herkunfts- und Aufnahmeland von entscheidender Bedeutung, weil in erster Linie dadurch die Höhe des Aufwands bestimmt wird. So verstärken die großen Differenzen den Stressfaktor und dementsprechend wird die psychische Belastung mehrfach erhöht. Es kann dadurch zu Beginn des Auslandsaufenthalts sogar ein Kulturschock verursacht werden. Zu allen diesen Druck- bzw. Belastungsfaktoren kommt auch Heimweh und/oder Nostalgie (bei den ersten Generationen), die die Menschen dazu bewegen, die Medienangebote ihres Herkunftslandes zu präferieren, was für den Integrationsprozess nicht unbedingt förderlich ist (vgl. Löffler 2011, 61-62).
Das Aufkommen von neuen Medien hat es für MigrantInnen wesentlich vereinfacht, mit ihren Familienangehörigen und Freunden, die in ihrem Herkunftsland leben, weiter in Kontakt zu bleiben und somit die Beziehungen aufrechtzuerhalten. Man hat die Möglichkeit bekommen, deutlich kostengünstiger und dadurch intensiver mit den Menschen aus der Heimat zu kommunizieren, was ein „Gefühl der alltäglichen Nähe“ (Hepp et al. 2009, 187), unabhängig vom Ort, gibt. Mit dem Entstehen von translokalen Kommunikationsräumen verliert die geografische Zugehörigkeit, die ein Bestandteil der ethno-kulturellen Identität ist, ihre primäre Bedeutung, sowie allgemein das Identitätskonzept, da viele MigrantInnen sich in zwei kulturellen Kontexten bewegen und sich oft beiden Seiten zugehörig fühlen sowie sich mit beiden Ländern gleichermaßen identifizieren (vgl. Hepp et al. 2009, 180-189).
„Dass Medien auf Individuen, auf ihr Wissen, ihre Kognitionen, ihre Emotionen und ihr Handeln, auf soziale Gruppen […], auf ganze Gesellschaft wie auf „Welt“ insgesamt wirken, gilt dem alltäglichen Bewusstsein als selbstverständlich“ (Kübler 2010, 17). Massenmedien sind zum unverzichtbaren Teil des Alltags geworden. Sie informieren, verbinden und unterhalten.
Zu den weiteren zentralen Leistungen der Medien zählt auch die Sozialisationsfunktion, weil sie gesellschaftliche Werte, Normen und kulturelle Muster vermittelt und dadurch die Integration eines Individuums in einer Gesellschaft potenziell unterstützt wird. So können Rückschlüsse auf die Integration von MigrantInnen gezogen werden, indem der Sozialisationsaspekt auf verschiedene kulturelle Kontexte erweitert wird (vgl. Kübler 2010, 17-24).
Die Bedeutung von Massenmedien für den Integrationsprozess von MigrantInnen wird in Deutschland immer häufiger thematisiert. Dieser Forschungsbereich ist relativ neu und wird aus unterschiedlichen Untersuchungsperspektiven wie Cultural Studies, Kommunikations-, Sozial-, Medienwissenschaft usw. betrachtet. Die bereits vorhandenen Studien sind entweder auf das Mediennutzungsverhalten (abgesehen von Integration) von ethnischen Minderheiten begrenzt oder schließen den Integrationsprozess zwar ein, aber erläutern dabei nur bestimmte Aspekte. Infolgedessen werden in dem folgenden Abschnitt die aktuellen Medienwirkungstheorien als Ausgangspunkt für die Analyse von Einflussmechanismen, bzw. unter welchen Voraussetzungen Massenmedien integrativ sein können, betrachtet. Es wird der Fokus auf den Uses-and-Gratifications-Ansatz und auf die Agenda-Setting-Theorie gelegt, weil sie hinsichtlich des Schwerpunkts der vorliegenden Arbeit von besonderem Interesse sind, d.h., dass sie im Zusammenhang mit Medienwahl, -nutzung und -wahrnehmung von ethnischen Minderheiten für die Anwendung am besten geeignet sind.
Der Uses-and-Gratification-Ansatz basiert auf dem Prinzip der selektiven Mediennutzung, die von individuellen Bedürfnissen der Rezipienten abhängig ist. Daher stehen im Mittelpunkt dieses Ansatzes die Mediennutzungsmotive: Es wird versucht das Medienverhalten von einzelnen Personen bzw. die Zuwendung zu einem bestimmten Medienangebot zu erklären.
Die schematische Darstellung von Komponenten dieses Wirkungsmodels veranschaulicht die Grundgedanken des Uses-and-Gratification-Ansatzes:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Elemente des Nutzen- und Belohnungsansatzes; Quelle: Schenk (2007, 686)
Laut der Grundannahme des U&G-Ansatzes stehen die individuellen Bedürfnisse von Rezipienten bei der Medienwahl im Vordergrund, d.h., dass Menschen die Medien nutzen, um bestimmte Bedürfnisse zu befriedigen bzw. Probleme zu lösen. Wie mehrere Untersuchungen (Studie von Greenberg, Studie von McQuail, Israel-Studie usw.) ergaben, können viele Motivtypologien gebildet werden. Menschen nutzen die Medien, um sich zu informieren, zu orientieren, zu entspannen, aber auch aus Gewohnheit, aber auch als Zeitfüller usw. (vgl. Schenk 2007, 681-703).
Es lassen sich die folgenden Bedürfnistypologien bilden:
- Der kognitive Bereich bezieht sich auf Informations- und Orientierungsbedürfnisse sowie auf den Wunsch eigenes Wissen zu erweitern und/oder auf die Suche nach einem Rat usw.
- Zum affektiven Bereich gehören Unterhaltung, Entspannung, Zeitvertrieb und Eskapismus.
- Der sozial-integrative Bereich stützt sich auf den Wunsch nach Geselligkeit, nach sozialen Interaktionen: den Kontakt zur Familie, zu Freunden und zur Gesellschaft finden, sich in die Lebensumstände anderer versetzen (soziale Empathie), nach Gefühl der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe bzw. Gesellschaft und Kultur.
- Der Identitätsbereich schließt die Bedürfnisse nach Werteverstärkung im Bezug auf die Familie, Freundeskreis usw., nach Verhaltensmodellen und nach Selbsterkenntnis, Suche nach Rollenvorbildern usw. ein (vgl. Bonfadelli, Friemel 2011, 82-83; Trebbe 2009, 64).
Dieser komprimierte Überblick über den U&G-Ansatz und dessen Bedürfniskonzept bietet eine theoretische Grundlage für die Erklärung der Medienpräferenz bei MigrantInnen. Er soll in Verbindung mit den weiteren Faktoren (z.B. Sprachkenntnisse, Auslandsaufenthaltsdauer, Alter usw.) verdeutlichen, aus welchem Grund die Einwanderer sich einem bestimmten Medienangebot bzw. Mehrheits- oder Ethnomedien zuwenden. In den folgenden Kapiteln und insbesondere bei der Analyse der Umfrageergebnisse wird darauf ausführlicher eingegangen.
Trotz vielen Vorzügen ist der U&G-Ansatz für eine tiefere bzw. vielseitige Untersuchung von möglichen Einflüssen von Massenmedien auf den Integrationsprozess von MigrantInnen unzureichend. Aus diesem Grund wird in die Analyse noch eine weitere Wirkungstheorie einbezogen, die die Medienwirkungen aus einer anderen Perspektive betrachtet und somit das Analysespektrum erweitert.
Die Agenda-Setting-Theorie beschäftigt sich mit den kognitiven Wirkungsphänomenen der Massenmedien und deren gesellschaftlichen Relevanz. Der Grundannahme dieser Theorie zufolge, wird das Bild von der Welt, in den Köpfen der Menschen, in hohem Maße durch Massenmedien bedingt bzw. durch die Themenselektion, Hervorhebung, Priorisierung und Gewichtung konstruiert. Somit bestimmen die Medien nicht nur worüber die Menschen nachdenken (First-Level-Agenda-Setting), sondern haben Einfluss darauf, wie das Publikum über ein Thema denkt (Second-Level-Agenda-Setting) (s. Bonfadelli, 2011, 181-183).
Diese Agenda-Setting-Funktion der Massenmedien liegt daran, dass Objekte und Themen durch die Medien eine bestimmte Relevanz erhalten bzw. gewinnen. Mit anderen Worten hält das Publikum ein Thema für umso wichtiger, je ausführlicher und/der häufiger in den Medien darüber berichtet wird. In diesem Fall spricht man über First-Level-Agenda-Setting. Wenn das Agenda-Setting nicht nur auf die Themen und/oder Personen beschränkt ist, sondern sich auch auf deren Attribute bezieht, handelt es sich um Second-Level-Agenda-Setting. Folglich werden durch „die Massenmedien z.B. ganz bestimmte Eigenschaften und Beurteilungskriterien von Objekten oder Personen […] in den Vordergrund [gestellt], so fließen diese Eigenschaften in die Vorstellungen der Rezipienten mit großem Gewicht ein, wenn sie sich Gedanken über diese Personen machen.“ (Schenk 2007, 437). Dabei ist die Stärke des Agenda-Setting-Effekts von Themenspezifika sowie von individuellen Vorwissen und Involvement abhängig ist. So ist z.B. bei den lokalen bzw. direkt erfahrbaren Themen der Effekt geringer als bei nationalen oder internationalen “Issues“, die nicht unmittelbar aus erster Hand erfahrbar sind und wo die Medien deswegen als eine Hauptinformationsquelle figurieren
Für die Untersuchung des Einflusspotenzials der Medien auf die Einstellungen von Rezipienten ist das Grundmodell Agenda-Setting nicht ausreichend, deswegen sind Priming - und Framing -Konzepte, auf die die Agenda-Setting-Theorie zugreift und oft als deren Erweiterung aufgefasst werden, für diese Arbeit von besonderem Interesse.
Unter dem Priming versteht man einen Prozess, in dem durch die Fokussierung auf bestimmte Themen ihre kognitive Zugänglichkeit bei Rezipienten erhöht wird und somit die Wahrscheinlichkeit, mit welcher diese auf die spätere Urteilsbildung von Ereignissen und Personen herangezogen bzw. angewendet werden. Als Primes dienen in der Regel die Themen der aktuellen Berichterstattung wie z. B. Inflation, Arbeitslosigkeit, Verbrechen, Drogen usw.
Im Mittelpunkt des Framing-Konzepts steht die Annahme, „dass die Medien durch Selektion, Hervorhebung, Betonung, aber auch Exklusion, bestimmte Ausschnitte der Realität deutlich machen und dadurch bei Rezipienten eine bestimmte Sichtweise eines Problems, kausale Interpretation und Bewertung auszulösen vermögen“ (Schenk 2007, 314). Das heißt, dass die Massenmedien nicht nur die Themen, die im Vordergrund stehen, festlegen, sondern auch darüber bestimmen, aus welcher Perspektive sie behandelt werden. Durch Framing wird ein Thema in ein bestimmtes Bedeutungsumfeld eingebettet, wodurch die Bezugsrahmen bzw. Bünde von Attributen geschaffen werden, die vom Publikum als Grundlage für Interpretationsmöglichkeiten übernommen werden (vgl. Bonfadelli, Friemel 2011, 196; Schenk 2007, 314-315, 438).
Wenn man davon ausgeht, dass die Integration von Einwanderern ein gegenseitiger gesellschaftlicher Prozess ist und deswegen auch die herrschenden Einstellungen in der Aufnahmegesellschaft gegenüber MigrantInnen von Relevanz sind, gewinnen Priming- und Framing-Effekte in dieser Hinsicht an Bedeutung. Es handelt hier um zwei medial bedingte Prozesse mit unscharfer Trennlinie. Framing und Priming sind komplexe Phänomene, die einander nah stehen bzw. aufeinander zugreifen, deswegen ist es sinnvoll (im Integrationskontext), sie in Kombination statt einzeln zu betrachten.
Frames lassen sich generell als Interpretationsmuster bezeichnen, die (auch wie Primings) bei Urteils- und Einstellungsbildung zu bestimmten Ereignissen und Personen häufig einbezogen werden. Aus diesem Grunde können den Medien-Framings sowohl integrative als auch segregative Effekte im Bezug auf Wechselbeziehung zwischen ethnischen Minderheiten und Mehrheitsgesellschaft zugewiesen werden. Ob der eine oder der andere Effekt auftritt, hängt davon ab, wie bestimmte Probleme, Themen und Gesellschaftsteilnehmer in den Medien geschildert werden (vgl. Schenk 2007, 315-322, 332-333). Beispielsweise kann das Medien-Priming von verschiedenen (vor allem negativ geladenen) Stereotypen einen Einfluss auf die nachfolgende Beurteilung von Personen und sozialen oder ethnischen Gruppen nehmen und dadurch den Integrationsablauf erschweren (vgl. Schenk 2007, 305-314, 438). Wobei die Wirkung bzw. Effektintensität von Medien-Framing und -Priming auch auf solche individuellen Eigenschaften von Rezipienten wie Bildung, eigene Erfahrungen, Voreinstellungen gegenüber Migranten usw. angewiesen ist und stellt deswegen keine konstante Größe dar.
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