Examensarbeit, 2006
97 Seiten, Note: 1,5
1 EINLEITUNG
2 DIE GESCHICHTE DER DENKPSYCHOLOGIE
2.1 Leipziger Schule
2.2 Würzburger Schule
2.3 Gestaltpsychologie
2.4 Behaviorismus
2.5 Die so genannte kognitive Wende
2.6 Zusammenfassung
3 DIE DENKPSYCHOLOGIE UND ANDERE TEILDISZIPLINEN DER ALLGEMEINEN PSYCHOLOGIE
3.1 Die Pädagogische Psychologie und die Denkpsychologie
3.2 Wie ist Denken definiert?
3.2.1 Die Definition des Begriffs Denken
3.2.2 Abgrenzung von Denken und Problemlösen
3.2.3 Die Phänomenologie des Denkens
4 WIE DENKT DER MENSCH?
4.1 Das Mehr-Speicher-Modell des Gedächtnisses (nach Tarpy& Mayer 1978)
4.2 Zur Trennung von Kurz- und Langzeitgedächtnis
4.3 Ist die Theorie des Kurzzeitgedächtnisses richtig oder falsch?
4.4 Speicherung und Enkodierung von Informationen im Gedächtnis
4.4.1 Memorieren und das Arbeitsgedächtnis
4.4.2 Aktivation und das Langzeitgedächtnis
4.4.3 Die Tiefe der Verarbeitung im Gedächtnis
4.5 Speichern und Abrufen von Informationen im Gedächtnis
4.5.1 Die Interferenztheorie
a) Der Fächereffekt
b) Die Redundanz
c) Abruf und Interferenz
4.5.2 Der Abruf aus dem Gedächtnis
4.5.2.1 Der Enkodierkontext
4.5.3 Vergleich von impliziten und expliziten Gedächtnis
5 DIE UNTERSCHIEDLICHEN THEORIEN DES DENKENS
5.1 Die Assoziationstheorie oder Denken als Lernen durch Verstärkung
5.2 Regellernen: Denken als Testen von Hypothesen
5.3 Gestaltpsychologie: Denken als Problemumstrukturieren
5.4 Die Bedeutungstheorie: Denken als Assimilation an Schemata
5.5 Fragen und Antworten: Denken als Such- und Abrufprozess
5.6 Deduktives Schlussfolgern: Denken als kognitive Verarbeitung von Aussagen
6 DENKEN UND LERNEN
7 DENKEN UND WAHRNEHMUNG
8 DENKEN UND AUFMERKSAMKEIT
8.1 Die Informationsselektionsfunktion
8.1.1 Die Filtertheorie
8.1.2 Die Dämpfungstheorie und die Theorie der späten Auswahl
8.1.3 Zusammenfassung
8.2 Die Aufmerksamkeitskapazität
8.3 Aktivation und Aufmerksamkeit
9 DENKEN UND SPRACHE
9.1 Das Gebiet der Linguistik
9.2 Das Sprachverstehen
9.2.1 Das Parsing
9.2.2 Die Verwendung
9.3 Die Textverarbeitung
10 DENKEN UND ENTWICKLUNG
10.1 Denken unter dem Aspekt kognitiver Entwicklung
10.2 Jean Piaget
10.2.1 Stadienunabhängige Theorie
10.2.2 Die Entwicklungsstadien nach Piaget
11 DIE THOG-AUFGABE IM INTERESSE DER FORSCHUNG
11.1 Die THOG-Aufgabe
11.2 Fehlertypen und Theorien
11.3 Die Aufgabenschwierigkeit
11.4 Untersuchungen zur THOG-Aufgabe und die Ergebnisse
11.5 Vorwissenseinflüsse bei der THOG-Aufgabe
12 DIE UNTERSUCHUNG
12.1 Einleitung
12.2 Die Durchführung
12.2.1 Die Probanden
12.2.2 Das Material und die Vorgehensweise
12.2.3 Das Ziel der Untersuchung
12.3 Das Ergebnis
12.3.1 Die gesamte Versuchsgruppe
a) Die klassische THOG-Aufgabe
b) Der Gefängniswärter-THOG
12.3.2 Klasse 5
a) Die klassische THOG-Aufgabe
b) Der Gefängniswärter-THOG
c) Zusammenfassung:
12.3.3 Klasse 7
a) Die klassische THOG-Aufgabe
b) Der Gefängniswärter-THOG
c) Zusammenfassung
12.3.4 Klasse 9
a) Die klassische THOG-Aufgabe
b) Der Gefängniswärter-THOG
c) Zusammenfassung
12.3.5 Erwachsene
a) Die klassische THOG-Aufgabe
b) Der Gefängniswärter-THOG
c) Zusammenfassung
12.3.6 Generelle Diskussion
13 FAZIT
14 LITERATURVERZEICHNIS
15 ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit einer hypothetico- deduktiven Denkaufgabe nach Peter Wason. Die klassische Variante wird sie als THOG-Aufgabe bezeichnet. In dieser Aufgabe sollen Versuchspersonen durch deduktives Schlussfolgern die richtige Lösung finden. Die Schwierigkeit dieser Aufgabe ist, dass viele verschiedene Informationen erfasst und behalten werden müssen um zu einer richtigen Lösung zu kommen. Man muss den gesamten Aufgabentext verstehen, Hypothesen bilden und diese miteinander vergleichen. Die Untersuchungen dazu kamen mehrheit- lich zu dem Ergebnis, dass dadurch eine Überlastung des Arbeitsgedächtnisses entsteht. Wenn keine Möglichkeit gefunden wird, die verschiedenen Informationen zu kanalisieren wie beispiels- weise durch externale Repräsentation, dass heißt durch Benutzung von Papier und Bleistift, kommt es zu einer Verwechslung der einzelnen Informationen. Dies kann demnach zu einer falschen Lö- sung der Aufgabe führen.
In der heutigen Zeit sind die komplexen Einflüsse auf den Menschen sehr groß. Bei dem Überfluss an Informationen kann eine Überlastung des Arbeitsgedächtnisses ebenfalls entstehen. Der Mensch ist mit seiner Umwelt in diesem Fall überfordert und sucht nach einer Möglichkeit dieser Überlastung entgegenzuwirken.
Untersuchungen wie diese der THOG-Aufgabe sind in diesem Fall ein gute Hilfe. Sie zeigen, welche Ursachen zu einer Überlastung führen könnten und versuchen diese durch Kanalisation der einzelnen Informationen zu vermeiden.
Um ein wissenschaftliches Verständnis für diese Aufgabe zu entwickeln, ist es wichtig, über gewisse Grundlagen im Bereich Denkpsychologie zu verfügen. Die folgenden Ausführungen erklären, wie es zu einer Überlastung des Arbeitsgedächtnisses kommen kann. Jedoch auch die Aufnahme, Speicherung und das Abrufen von Informationen spielen dabei eine wichtige Rolle.
Die Sprache und die Wahrnehmung sind ebenfalls wichtige Punkte beim Verstehen der THOGAufgabe, weshalb sie nicht außer Acht gelassen werden dürfen.
Letztendlich ist eine Betrachtung der Entwicklung des Denkens beim Menschen nicht zu vernach- lässigen. Denn in der Untersuchung werden verschiedene Altersgruppen miteinander verglichen.
Zunächst soll eine Definition vom Fachbereich Psychologie gegeben werden und dann die Geschichte der Denkpsychologie in groben Umrissen nachgezeichnet werden.
In Kürze und Prägnanz beschreibt der Autor Selg, wie sich die Entwicklung der Psychologie im Laufe der Zeit vollzogen hat:
Die Psychologie sollte als Wissenschaft von Bewusstsein−analog zur Chemie−die Elemente bewusster „Verbindungen“ und die Möglichkeiten ihrer Synthese erfassen. Hauptarbeitsfeld war die Wahrnehmung mit ihren physiologischen Grundlagen. (Dörner,Selg 1996, S. 30)
Der Beginn der modernen Psychologie lässt sich auf das Jahr 1871 datieren. Das erste Psychologische Institut wurde an der Leipziger Schule durch Wundt gegründet. „Wenn die Begründung von psychologischen Schulen eigentlich die Angelegenheit einer einzelnen Person ist, so wird doch fast immer eine zentrale „Figur“ benannt: Freud für die Psychoanalyse, Watson für den Behaviorismus, Külpe für die Würzburger Schule, Wertheimer für die Gestaltpsychologie usw… ,es wird dabei leicht der simple Tatbestand vergessen, dass eine Schule ohne Schüler keine Schule mehr ist und dass bei wissenschaftlichen Schulen die Entwicklung von Ideen, Hypothesen, Modellen usw. sehr oft das Resultat gemeinsamer Arbeit ist.“(Lück 2002, S. 25)
Die Geschichte der Psychologie kann man entsprechend hierarchisch aufteilen:
Wenn man von der Leipziger Schule spricht, so meint man in erster Linie Wilhelm Wundts physio- logische und experimentelle Psychologie, der er etwa die erste Hälfte seines Lebens widmete.
Wundt nahm an, dass Erinnerungen, Gefühle, Stimmungen durch Introspektion, dass heißt durch eigenes Beobachten beim Denken, zugänglich sind. Ziel war die Beschreibung, welche bei ihm gleichbedeutend mit Zerlegung ist.
Bedeutend war die Leipziger Schule in der Geschichte der Psychologie aus mehreren Gründen: Sie hat zum einen eine Methodenlehre begünstigt; sie hat das Experiment, die Statistik und die Geschichte in die Psychologie zu integrieren versucht, sowie faktisch über zahlreiche Schüler den Aufstieg der empirischen Forschung in der Psychologie herbeigeführt. ( Lück 2002, S. 101)
1894 wurde der Psychologe Oswald Külpe an die Universität Würzburg berufen, womit man den Beginn denkpsychologischer Studien in der modernen (deutschen) Psychologie verzeichnet. Külpe, der bei Wundt gelernt hatte, stellte Beobachtungen bei Versuchspersonen an, die über ihre Einfälle und Erlebnisse berichteten. Außerdem ließ er Übersetzungen aus dem Lateinischen von qualifizierten Versuchspersonen, nur Doktoren und Professoren der Philosophie, anfertigen und sich im Nachhinein die dabei ablaufenden Vorgänge erläutern.
Die Würzburger Schule fand, dass viele Gedanken unanschauliche Charaktere besitzen. Die Bedeutung abstrakter und allgemeiner Ausdrücke ist nach Külpe also auch dann im Bewusstsein nachweisbar, wenn sich außer dem nachträglichen Bericht nichts Anschauliches (Worte, Zeichen usw.) entdecken lässt.(Lück 2002, S. 67) Ein Schüler Külpes nannte solche unanschaulichen Bewusstseinsinhalte „Gedanken“, sein Mitschüler bezeichnete es als „Bewusstheiten“.
Auch im Bereich Problemlösen trug Külpe zur Entwicklung bei. Er fand heraus, dass sich kurz vor oder bei einer Problemlösung manchmal ein Erlebnis des (echten oder vermeintlichen) unmittelba- ren Verstehens einstellt. Er bezeichnete diese Erlebnisse als „Aha- Erlebnis“. (Lück 2002, S. 54) Dem Leser wird es bekannt vorkommen, besonders beim Lösen von Denksportaufgaben oder Kreuzworträtseln.
Die Gestaltpsychologie hat ihre Wurzeln in der Ganzheitspsychologie des 19. Jahrhundert. Sie wird meist direkt mit den drei deutschen Psychologen Max Wertheimer, Wolfgang Köhler und Kurt Koffka, deren Zusammenarbeit 1910 begann, in Verbindung gebracht. Jedoch ist das gestaltpsychologische Gedankengut bereits in der Antike zu finden. (Lück 2002, S. 76)
Eine Hauptthese aller gestaltpsychologischen Richtungen ist, dass das Ganze mehr als die Summe seiner Teile sei, eine so genannte Ü bersummativität.
Als wichtigstes Arbeitsgebiet der Gestaltpsychologie erwies sich der Bereich der menschlichen Wahrnehmung, insbesondere der optischen. Die Forschung beschäftigte sich systematisch mit Fragen der Art, wie sich Figuren vom Grund abheben und wie sich bestimmte Reizmuster in der visuellen Wahrnehmung zu Gestalten formen.
Die Gestaltprinzipien wie beispielsweise das Prinzip der Nähe, die in der Wahrnehmungspsychologie erfolgreich zur Erklärung von Selbstorganisationsprozessen verwendet wurden, fanden auch in der Denkpsychologie ihre Anwendung. Problemlösen bedeutete die Umstrukturierung einer defekten in eine gute Gestalt aufgrund von Einsicht („ Aha- Effekt “).
Lück schreibt in seinem Buch „Die Geschichte der Psychologie“, dass der Behaviorismus viele Jahrzehnte lang dominierend in der Psychologie war. Jedoch stellt diese Richtung einen Bruch mit der traditionellen Psychologie dar, formuliert Joachim Funke in „Problemlösendes Denken“. Er zählt dazu die Schwerpunkte des Behaviorismus auf: Der Verzicht auf Bewusstsein, die Konzentra- tion auf Verhalten, die Gleichsetzung von Tier und Mensch, die Betrachtung von Psychologie als Naturwissenschaft mit dem Ziel der Vorhersage und Kontrolle und nicht dem des Verstehens. Ihren Triumph hat diese psychologische Richtung in der Lernpsychologie, dass heißt im Bereich der Lerntheorien und deren Anwendung. Jedoch weißt J. Funke darauf hin, dass der Großteil davon in der Tierpsychologie erforscht wurde. Darunter ist auch das klassische Hundeexperiment von Iwan Petrowitsch Pawlow, das die Entstehung des bedingten Reflexes belegt, anzusiedeln. (Funke, 2003)
1958 erfanden die Psychologen George A. Miller, Eugen Galanter und Karl H. Pribram in ihrem einjährigen Forschungsstipendium von der Ford Foundation ein kybernetisches Modell eines Re- gelkreises. Zunächst im Hinblick auf Computersysteme wandten sie dieses Modell konsequent auf den Menschen an. „Der Mensch reagiert nicht nur auf Reize (Behaviorismus), sondern er hat Plä- ne, die er verfolgt; während des Handelns wird in einer Rückkopplungsschleife geprüft, ob der an- gestrebte Endzustand erreicht ist“, fasst Lück die Theorien der Wissenschaftler zusammen. (Lück 2002, S. 166)
Diese Abkehr von der Modellvorstellung eines passiv reagierenden Menschen zu einem planen- den, selbsttätig handelnden und wahrnehmenden Individuum wurde als „Kognitive Wende“ be- zeichnet. Sie erfasst neben der Allgemeinen Psychologie auch die anderen Teilgebiete der Psy- chologie.
Die Kognitionspsychologie ist mit Beginn der siebziger Jahre zu einer dominierenden Richtung innerhalb der Psychologie geworden.
Lück schreibt in seinem Werk weiter dazu, dass man den revolutionären Charakter der Kognitionspsychologie nicht verharmlosen solle. Viele traditionelle Bereiche der Psychologie erhalten durch die Hinzunahme kognitionspsychologischer Konzepte eine neue Qualität. (Lück 2002, S. 167) Jedoch weist er auch mit Blick auf die Zukunft darauf hin, dass wir es vielleicht bald erleben werden, dass eine neue Wissenschaftsdisziplin mit interdisziplinären Charakter entsteht, die sich „Kognitive Wissenschaften“ (cognitive sciences) nennt, zu denen Informationsverarbeitung, künstliche Intelligenz, Psycholinguistik und einiges mehr zählt.“(Lück 2002, S. 168)
Der Autor Joachim Funke fasst die historische Entwicklung der Denkforschung in seinem Buch wie folgt zusammen:
Nach dem Aufleuchten erster Arbeiten zu Beginn des 20. Jahrhunderts und einer Blütezeit in den 1920er Jahren kam es durch den Zweiten Weltkrieg zu einem (vorläufigen) traurigen Ende der Forschungstätigkeit. Die besten deutschen Wissenschaftler mussten damals vorzeitig in den Ru- hestand treten bzw. emigrieren (Köhler, Wertheimer), wurden im KZ ermordet (Selz) oder begingen Selbstmord (Duncker). Das gleichzeitige Aufblühen des amerikanischen Behaviorismus tat sein Übriges: Watsons Konzeption vom Denken als subvokalem Sprechen (so auch Skinner später) schloss jede kognitive Betrachtung aus. Erst mit der kognitiven Wende in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde Denken wieder zum Thema, diesmal aber unter dem Blickwinkel der Informa- tionsverarbeitung…. Dass dabei zunächst das deduktive und induktive Schließen mehr, das Prob- lemlösen dagegen weniger Aufmerksamkeit erfuhr, hat sicher nicht nur mit den zufälligen Schwer- punktsetzungen einzelner Forscher zu tun. Wie das Problemfeld des komplexen Problemlösens zeigt, gibt es sowohl fachimmanente als auch gesellschaftliche Entwicklungen, die das Interesse an bestimmten Forschungsgegenständen wecken. (Funke 2003, S. 28 ff.)
Das Denken ist vor allem ein beschreibender Gegenstand der deskriptiven Denkpsychologie, die ein Teilgebiet der allgemeinen Psychologie ist. Darüber hinaus wird es aber auch von anderen Teildisziplinen der Psychologie betrachtet:
Der Strukturtheoretiker, zum Beispiel, erforscht die ontischen Grundlagen des Einsehens und Den- kens, der Charakterologe bemüht sich um eine Erkenntnis der individuellen Eigenart des Denkens, die Entwicklungspsychologie macht die „Entwicklung der Erkenntnisprozesse“ zum Gegenstand ihrer Untersuchungen, kann aber auch von einer „Entwicklung der Struktur“ sprechen. Psychodia- gnostik und Graphologie entwickeln Methoden, um die Strukturen des Verstandes der Kinder und der Erwachsenen möglichst adäquat zu erfassen. Die Pädagogische Psychologie wiederum fragt sich, wie dem sich Entwickelnden das, seiner Persönlichkeitsstruktur angepasste, Wissen vermit- telt werden kann. Weitere Disziplinen schließlich untersuchen, wie andere Faktoren der Um- und Mitwelt das Denken und seine Entwicklung beeinflussen können wie beispielsweise die Sozialpsy- chologie.
Es ist offensichtlich, dass diese Disziplinen nicht völlig homogen sind, dass vielmehr unterschiedliche Beziehungen zwischen ihnen bestehen. (Ebert 1993, S. 45)
Fragen wie „Was soll ich tun, wenn der Schüler durch rumblödeln stört?“ oder „Warum hat der Schüler keine Lust auf Goethes Faust?“ stellt sich jeder Lehrer im Laufe seiner Berufslaufbahn. Im Idealzustand müsste der Schulpsychologe zur Beantwortung dieser Fragen alle Theorien heran- ziehen, die die Entstehung von Verhalten, speziell von Normvorstellungen abweichendem Verhal- ten erklären.
Die Pädagogische Psychologie hält weder für den konkreten Einzelfall (in diesem Fall der Schüler) Problemlösungen bereit noch für konkrete Einzelprobleme (Herumblödeln bzw. Unlust), sondern sie ist lediglich eine Sammlung von Wissen, das durch systematisch gesammelte Erfahrungen, die auch gezielt durch Experimente herbeigeführt wurden, entstanden ist. Generell kann festgestellt werden, dass der Gegenstand der Pädagogischen Psychologie der Prozess der Weitergabe von Verhalten, insbesondere von Wissen, Fertigkeiten, Einstellungen und Werten, in der Gesellschaft ist. Berg bezeichnet diesen Vorgang als Erziehungsprozess. ( Berg, D. in Dörner, Selg 1996, S. 396)
Es spielen deshalb auch andere Bereiche der Allgemeinen Psychologie wie die Entwicklungspsy- chologie mit hinein. Sie ist u.a. an der Förderbarkeit psychischer Funktionen an sich interessiert, die Pädagogische Psychologie an der Entwicklung bzw. Beschreibung wirksamer Fördermöglich- keiten“, beschreibt Detlef Berg die Verbindung der beiden Teildisziplinen. (Dörner, Selg 1996, S. 398)
Eng verbunden mit der Pädagogischen Psychologie ist die Differentielle Psychologie (Persönlichkeitspsychologie). Berg definiert sie wie folgt: Sie unterscheidet Ausmaß und Ursachen interindividueller Differenzen in der Ausprägung psychologisch bedeutsamer Variablen. Für die Untersuchung ihrer Fragestellung, so D. Berg, benötigt sie Tests, mit denen das Ausmaß der Unterschiede zwischen Personen in definierten Variablen messbar wird. Im Rahmen der Pädagogischen Psychologie werden solche Messverfahren verwendet, um die Notwendigkeit von gezielten Fördermaßnahmen im Einzelfall festzustellen. Sprachentwicklungstests lassen sich beispielsweise in diesen Bereich einordnen. (Dörner, Selg 1996, S. 398)
Aber auch die Erkenntnisse und Theorien der Sozialpsychologie sind der Pädagogischen Psychologie nützlich. Sie tragen zum Verständnis von gegenseitiger wie auch gesellschaftlicher Beeinflussung bei Menschen bei.
Aus den bisherigen Ausführungen wird deutlich, dass die Pädagogische Psychologie dasjenige Teilgebiet der Psychologie ist, das sich mit den individuellen, sozialen und materiellen Voraussetzungen von Erziehungsprozessen, den Erziehungsprozessen selbst und den Rückwirkungen der Resultate von Erziehungsprozessen auf zu Erziehende beschäftigt.
Doch stellt sich nun die Frage, welchen Einfluss die Pädagogische Psychologie in der Schule im Bereich Denkpsychologie hat?
Der Begriff Lernen wird definiert als ein Prozess der Entwicklung von Verhaltensänderungen oder kognitiven Strukturen, der durch Erfahrung ermöglicht wird und sich nicht etwa nur als das Resultat, das fertige neue Verhalten, darstellt. (Dörner, Selg 1996, S. 404)
Dieser Prozesscharakter wird in der Schule bedauerlicherweise oft vernachlässigt. „Lernen benötigt Zeit, Denken und Verhalten sind direkt abhängig von der Art des bereits Gelernten.“(Dörner, Selg 1996, S. 405)
Vor allem die kognitiven Voraussetzungen des einzelnen Schülers stellen eine Bedingung für schulisches Lernen dar, weshalb es für die Lehrperson von Bedeutung sein sollte, die Psychologie des Denkens und Problemlösens in ihren Ansätzen zu kennen.
Eine Vielfalt an Literatur für den Bereich Denkpsychologie verfügt über weit ausführliche Definitio- nen des Begriffs „Denken“. Hinzu kommt das nicht- wissenschaftliche Verständnis des Begriffs, das sich mit dem gewöhnlichen Gebrauch des Wortes „Denken“ verbindet und dabei so Unter- schiedliches wie beispielsweise Urteilen, Meinen, Vergegenwärtigen, Schlussfolgern oder Antizi- pieren meint.
Um einen Überblick zu bekommen, werden einige Definitionen herausgegriffen, die erstens den Versuch unternehmen, den Begriff „Denken“ zu definieren und zweitens sich mit dem Problem beschäftigen, dass sich „Denken“ von „Lernen“ und „Problemlösen“ schwer unterscheiden lassen.
Der Brockhaus beschreibt Denken wie folgt:
Die Fähigkeit des Verstandes, Gegenstände und Beziehungen zwischen ihnen aufzufassen, oft mit Hilfe sprachlicher oder anderer Symbole . (Brockhaus 1993, S. 164)
Der Schülerduden Pädagogik bezieht sich bei seiner Definition mehr auf den Mensch selber. Durch (Nach-) Denken bestimmt der Mensch sozusagen die Richtung seines Handelns:
Denken ist die Fähigkeit von Individuen, durch inneres Probehandeln Erfahrungen in der Realität vorwegzunehmen. Denken dient damit einer vor dem offenen Handeln sich vollziehenden Anpas- sung und Ausrichtung an bzw. auf eben diese realen Sachverhalte. (Meyer Lexikonredaktion 1989, S. 89)
Manfred Ebert betrachtet den Denkprozess ähnlich wie der Schülerduden Pädagogik als ichbezogen, dass heißt, dass es ein Prozess ist, der sich im Menschen selbst abspielt. Das Denken vollzieht sich in der Abfolge, dass das Objekt veranschaulicht wird, begrifflich wahrgenommen und verarbeitet wird. Eine wichtige Komponente beim Verarbeiten sind die Gefühle.
Am komplexen Denkgeschehen, das wir als ichhaften Informations- bzw. Erkenntnisprozess verstehen, wirken Vorgänge des Bereitstellens anschaulicher und begrifflicher Repräsentationen der Objektwelt bzw. - Beziehungen und verschiedene Akte des Einsehens und denkenden Bearbeitens dieser Inhalte in jeweils spezifischer Weise zwecks Erkenntnisgewinn zusammen.
Die Vorgänge des Bereitstellens der anschaulichen und begrifflichen Repräsentation identifizieren wir unschwer als Vorgänge des Wahrnehmens und Reproduzierens bzw. Vorstellens, denen das Einsehen korrespondiert. Das denkende Bearbeiten sind die Akte der Analyse und Synthese, also Abstrahieren, Urteilen, Vergleichen, Folgern etc.
Darüber hinaus sind aber auch andere Vorgänge am Denken beteiligt… die kognitiven Vorgänge und Akte sind in andere Vorgänge eingebettet… man muss deshalb auch die Antriebs-, Gefühlsund Willenskomponenten beachten. (Ebert 1993, S. 45 ff.)
Auf die verschiedenen Teilbereichen des Denkens wird in Kapitel 4 eingegangen.
Die Bereiche „Denken“ und „Problemlösen“ werden in der Psychologie, aber auch im Alltagsleben gerne gemeinsam, wenn nicht sogar als Synonyme verwendet. Anderson schreibt dazu: Alle kognitiven Aktivitäten sind ihrer Beschaffenheit nach im Grunde genommen Problemlöseprozesse. Das Hauptargument für diese These ist, dass die menschliche Kognition immer zweckgerichtet ist: Sie ist darauf gerichtet, Ziele zu erreichen und Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die diesen Zielen entgegenstehen. (Anderson 1996, S. 233)
Joachim Funke findet diese Sichtweise jedoch zu radikal. Seiner Meinung nach müsse man nach Andersons Verständnis von Kognition als Problemlösen, auch die Prozesse der Wahrnehmung, des Lernens oder des Gedächtnisses darunter subsumieren. (Funke 1993)
Anmerkung der Verfasserin:
Jedoch ist dagegen einzuwenden, dass Anderson sein Buch „Kognitive Psychologie“ in mehrere Kapitel geteilt hat. Eines davon ist das Kapitel über das Problemlösen, welches er mit dem Satz beginnt: „Dieses Kapitel bildet einen Wendepunkt innerhalb dieses Buches.“ (Anderson 1996, S. 233) Dieser Satz macht ersichtlich, dass sich Anderson bewusst ist, dass das Problemlösen nicht mit dem Denken gleichzusetzen ist. Deshalb auch die Unterteilung in mehrere Kapitel, in denen er sich auch mit Lernen, Wahrnehmung und Gedächtnis als einzelne Disziplinen neben dem Problemlösen der Kognitiven Psychologie beschäftigt.
Joachim Funke grenzt deshalb das Problemlösen als eine Funktion des Denkens von der Tätigkeit des Schlussfolgerns oder des Erschaffens neuer Ideen ab. Dabei gibt er zu, dass diese Abgren- zung allenfalls als Akzentsetzung verstanden werden kann, da natürlich beim Problemlösen schlussfolgernde Urteile ebenso benötigt werden, wie einfallsreiche Ideen zur Problemlösung. (Funke 2003)
Der Titel seines Buches lautet hingegen „Problemlösendes Denken“, was er wie folgt begründet:
Die Auszeichnung des Denkens als „problemlösend“ weist auf die Möglichkeit hin, dass das Den- ken auch noch andere Schwerpunkte als das Lösen von Problemen haben kann (der schlussfol- gernde, urteilende, kreative Schwerpunkte). Damit verbunden ist die Annahme, dass der jeweilige Schwerpunkt die Funktion der denkerischen Tätigkeit beschreibt, die funktionale Sicht also davon ausgeht, dass das Denken keinen Selbstzweck darstellt, sondern im Dienste des Organismus steht und dessen Überleben sicherstellen soll. Damit wird problemlösendes Denken in den Dienst menschlicher Handlungsregulationen eingeordnet und ihm zugleich eine wichtige Schlüsselstellung eingeräumt: nämlich die Kontrolle eben dieses Handelns. (Funke 2003, S. 22)
Nachdem Joachim Funke in seinem Werk die Begriffe Denken und Problemlösen zunächst von- einander abgrenzt, aber dann wiederum aus den bereits genannten Gründen im Titel seines Bu- ches zu „problemlösendes Denken“ zusammensetzt, werden im Folgenden zwei weitere Autoren genannt, die sich auch mit dem Unterschied des Denkens und Problemlösens auseinandergesetzt haben. Sie sehen allerdings den Begriff des „Lernens“ als dazugehörig, jedoch möchten sie diesen auch wieder davon abgrenzen.
Heinz Mandl und Helmut F. Friedrich stellen in ihrem Buch „Lern- und Denkstrategien“ fest, dass die Begriffe „Lernen“, „Denken“ und „Problemlösen“ in Handbüchern der Psychologie oft gemeinsam verwendet werden, jedoch werden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede selten herausgearbeitet. Den Grund dafür sehen sie darin, dass die Lernpsychologie auf der einen Seite und die Denkpsychologie auf der anderen Seite in unterschiedlichen Forschungstraditionen mit je unterschiedlichen Begriffen entwickelt wurden. (Mandl, Friedrich 1992, S. 5 ff.)
Sie versuchen dennoch die Unterschiede zwischen den drei Begrifflichkeiten herauszufiltern:
Ist von „Lernen“ die Rede, so denkt man an Erwerb und Veränderung von Wissen und Fertigkeiten, in Interaktion einer externen Instanz (Lehrer, Medien, etc.) Diese Veränderung bezieht sich auf den kognitiven Apparat.
Unter Denken stellt man sich eher eine Tätigkeit vor, bei der jemand- auf sich selbst gestellt- zwischen Informationen, die bereits in sein kognitives System eingespeist sind, Beziehungen herstellt. Dies kann relativ ziellos geschehen… und braucht sich auch nicht unbedingt in beobachtbarem Handeln niederzuschlagen.
Denken kann aber auch dazu dienen, ein konkretes Ziel zu erreichen, für das noch keine zielführenden Handlungsroutinen vorliegen, wie es … bei der Lösung von Physikaufgaben der Fall sein kann. In diesem Fall spricht man von Problemlösen. (Mandl/Friedrich 1992, S. 5 ff.)
Schließlich stellt man beim Lesen der unterschiedlichen Definitionen der einzelnen Autoren fest, dass Denken ein breites Spektrum unter den Fähigkeiten des Menschen einnimmt. Es ist nur schwer zu trennen von den Begriffen Lernen und Problemlösen und dieser Bereich lässt sich in viele kleiner Teildisziplinen unterteilen, die im weiteren Verlauf der Arbeit genauer betrachtet wer- den sollen.
Denken stellt eine psychische Funktion dar, mit der jeder Mensch seine eigenen Erfahrungen macht. Dies bringt Vor- und Nachteile für die Forschung mit sich.
Vorteil insofern, als zumindest die bewussten Prozesse dadurch direkt beobachtbar sind, Nachteil, dass ein objektives Bestimmen von Denkprozessen damit bestritten werden muss.
Joachim Funke bezieht sich in seinem Buch auf Graumann(1964, 1965a, S. 19 f.), welcher zu den wichtigsten Aspekten der psychischen Funktion des Denkens die Vergegenwärtigung, die Ord nungsleistung durch Begriffsbildung, die Innerlichkeit, die Selektivität, das Urteil und die Entschei dung, die Reflexivität, und die Personalität zählt.
Durch die Vergegenwärtigung kann der Mensch sich loslösen von sinnlichen Erfahrungen und damit Vergangenes wie Zukünftiges, aber auch das Mögliche bewusst machen.
Die Ordnungsleistung durch Begriffsbildung ist eine Art begrifflicher Klassenbildung und für einige Autoren sogar die zentrale Aufgabe des Denkens. Damit wird die besondere Rolle der Sprache beim Denken betont.
Die Innerlichkeit beschreibt die Wendung nach innen beim denkenden Menschen im Gegensatz zur Orientierung nach außen des handelnden Menschen.
Durch die Selektivität ist der denkende Mensch frei in der Wahl seines Objekts und kann beliebige Assoziationen stiften. Dazu zählt auch die Freiheit zum Denkfehler.
Das Urteil und die Entscheidung charakterisieren die funktionale Seite des Denkens. Ihre Aufgabe ist es, aus den verschiedenen Handlungsoptionen die für den Organismus zweckmäßigste auszu- wählen.
Mithilfe der Reflexivität kann sich der Mensch selbst zum Gegenstand des Denkens machen. Diese Fähigkeit wird auch als Metakognition bezeichnet. Der denkende Mensch ist in der Lage, das er- folglos um ein Thema kreisende Denken abzubrechen und auf einen neuen Gegenstand zu rich- ten, um später erneut zum ungelösten Problem zurückzukehren. Diese Fähigkeit unterscheidet uns auch von der künstlichen Intelligenz.
Jedes Denken ist Denken einer ganz bestimmten Person, die ihre Gedanken „besitzt“ und diesen fremden Zugriff verweigern kann. Dies vertritt die Personalität des Denkens. (Funke 2003, S. 23 ff.)
Diese Aufzählung gibt einen kurzen Überblick über die Phänomenologie des Denkens, jedoch weitestgehend als umfassende Beschreibung des Denkens. Es werden fast alle Teildisziplinen der kognitiven Psychologie aufgezählt. Im folgenden Kapitel werden diese von der psychologischen und für diese Arbeit wichtige Seite umfassend betrachtet.
Wie bereits gezeigt wurde, ist das Verständnis von Denken sehr unterschiedlich.
Jedoch ist es neben den Mengen an Definitionen des Begriffs „Denken“ viel spannender zu wissen, wie sich Denkprozesse vollziehen?
Denken setzen wir gleich mit der Aufnahme, Speicherung, Veränderung und Interpretation von internen und externen Informationen. Doch in welcher Weise und wo verlaufen diese Prozesse?
Das Gedächtnis spielt hierbei eine wichtige Rolle. Gedächtnissysteme sind Strukturen, in denen sich die Verarbeitungsprozesse abspielen. (Brander 1985, S. 22)
Um dieses System zu veranschaulichen, wird, wie das die Autoren S. Brander, A.Kompa und U. Peltzer in ihrem Buch „Denken und Problemlösen- Einführung in die kognitive Psychologie eben- falls aufgeführt haben, das Mehr-Speicher-Modell des Gedächtnisses (nach Tarpy& Mayer 1978, S. 272) verwendet.
In diesem Modell wird der kognitive Apparat in eine Serie von drei Gedächtnisspeicher aufgeteilt, die jeweils spezifische Eigenschaften aufweisen:
- Die Informationen von den Sinnesorganen werden zunächst in einem sensorischen Gedächtnis (SG) gespeichert. Das SG hat eine unbegrenzte Kapazität. Die Dauer der Speicherung ist kurz; nach einem Speicherungsintervall zerfallen die Informationen wieder.
- Der nächste Speicher ist das Kurzzeitgedächtnis (KZG). Es hat eine begrenzte Speicherkapazi- tät. Die dort gespeicherten Informationen sind keine vollständigen Abbilder der Ereignisse, die sensorisch zugetragen wurden. Man nimmt an, dass die Informationen aus dem SG überwie- gend in einem akustischen Format in das KZG übertragen werden. Wenn die Informationen nicht ständig wiederholt werden, zerfallen sie oder sie werden durch neue hinzutretende Infor- mationen verdrängt.
- Der letzte Speicher ist das Langzeitgedächtnis (LZG). Es unterscheidet sich von den anderen Speichern dahingehend, dass die Informationen in einer bedeutungsvollen und organisierten Weise gespeichert werden. Das Vergessen von Informationen erfolgt aufgrund von Interferenz oder der Unfähigkeit, vorhandene Informationen wieder zu finden.
Abbildung 4-1: Das Mehr-Speicher-Modell des Gedächtnisses (nach Tarpy& Mayer) (Quelle: Brander 1985, S. 26)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Neben diesen Speicher findet man in der Abbildung Kontrollprozesse, die den Informationsfluss zwischen den Speichern bestimmen. Aufmerksamkeit ist der Kontrollprozess, der determiniert, ob Informationen vom SG in das KZG übertragen werden. Ihre Funktion besteht darin, bestimmte Informationen zu behalten und andere zu ignorieren.
Wiederholung und Enkodierung sind weitere Kontrollprozesse. Durch Wiederholung wird die im KZG gespeicherte Information am Leben erhalten. Jedoch kann innerhalb eines bestimmten Zeitraums stets nur eine begrenzte Anzahl von Informationseinheiten wiederholt werden.
Das Enkodieren von Informationen des KZG bedeutet, diese in bestehende Strukturen des LZG zu integrieren, wodurch sie langfristig gespeichert werden. Enkodierung bezieht sich daher auf den Transfer von Informationen vom KZG ins LZG, während Wiederholung die Erhaltung von Information im KZG bedeutet. (Brander 1985, S. 26 ff.)
Nach dem oben genannten Modell gelangen Informationen über das SG zunächst in das KZG, wo sie nur kurze Zeit verbleiben und dann in das LZG übertragen werden.
Diese Zweiteilung in Kurz- und Langzeitgedächtnis nennt man Dichotomie.
Das Experiment, welches am häufigsten zur Überprüfung dieser Zweiteilung angewandt wird, ist die Analyse von „Wort-Positionskurven“. In diesen Untersuchungen wird eine größere Anzahl von Wörtern ohne jeglichen Zusammenhang entweder visuell oder akustisch dargeboten. Nach der Präsentation sollen so viele Wörter wie möglich wieder in beliebiger Reihenfolge wiedergegeben werden. Dabei überprüft man, wie viele Wörter pro deren Position in der Liste richtig wiedergegeben werden und stellt dann die Wahrscheinlichkeit für die Wiedergabe eines Wortes als Funktion der Wortposition in einer Kurve dar. (Brander 1985, S. 28)
Abbildung 4-2: Die Wort-Positionskurve (aus Lindsay&Norman 1981) ( Quelle: Brander 1985, S. 28)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Für jede Kurve, die man aus solchen Untersuchungen konstruiert, erhält man im Prinzip den glei- chen Verlauf: die zuletzt dargebotenen Wörter können am besten (Recency- Effekt), die ersten Wörter mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit (Primacy- Effekt) am schlechtesten wiedergegeben werden.
Der Recency- Effekt ist teilweise auf die Wirkung des KZG zurückzuführen: Zuletzt gezeigte Wörter werden im KZG durch Wiederholung präsent gehalten und können somit bei der Reproduktion mit hoher Wahrscheinlichkeit unmittelbar aus dem KZG abgerufen werden. Die übrigen Wörter müssen aus dem LZG abgerufen werden.
Der Primacy- Effekt wird damit erklärt, dass durch bloße Wiederholung eine überdauernde Abspei- cherung von Informationen möglich ist bzw. Informationen werden umso besser im LZG gespei- chert, je häufiger sie im KZG wiederholt werden. Dies widerspricht jedoch in einer gewissen Weise dem Mehr-Speicher-Modell. Deshalb führte man die Untersuchungen in weiteren Varianten durch.
Zunächst verlängerte man die Darbietungszeit pro Wort. Die mittleren Worte konnten besser reproduziert werden, da zur Wiederholung mehr Zeit war, wodurch mehr Informationen in das LZG gelangen konnten.
Bei einer weiteren Untersuchung in diesem Bereich hinderte man die Versuchspersonen daran, am Ende des Experiments die Wörter zu wiederholen. Dadurch wurde die Speicherfähigkeit des KZG beeinflusst und der Recency- Effekt hob sich auf, je nach dem wie lange die Zeit zwischen der Darbietung der Wörter und dem Reproduzieren dauerte.
Die Autoren des Buches „Denken und Problemlösen- Einführung in die kognitive Psychologie“ warnen jedoch davor, die Ergebnisse dieser Untersuchung als endgültigen Beweis für die Existenz eines KZG und LZG zu werten. Vielmehr sind diese Ergebnisse als Indizien einzustufen: es gibt keine Augenzeugen für den Tathergang, weshalb dieser durch Indizien rekonstruiert werden muss. (Brander 1985, S. 29 ff.)
Wie unter den Punkten 4.1 und 4.2 dargestellt, gehen die Autoren des Buches „Denken und Problemlösen- Einführung in die kognitive Psychologie“ davon aus, dass sich das Denken und damit die Speicherung und Verarbeitung von Informationen in einem Mehr-Speicher-Modell vollzieht. In diesem Modell ist zwischen dem sensorischen Gedächtnis und dem Langzeitgedächtnis noch das Kurzzeitgedächtnis dazwischen geschaltet.
John R. Anderson, der Autor des Buches „Kognitive Psychologie- Eine Einführung“ steht dieser Theorie kritisch gegenüber bzw. er schreibt, dass die Theorie zwar immer noch in vielen Lehrbüchern zu finden ist, jedoch von kaum einem Forscher auf diesem Gebiet als zutreffende Charakterisierung akzeptiert wird. (Anderson 1996, S. 169)
Im Folgenden wird nun dargestellt, welche Fakten für diese Theorie und welche gegen diese Theorie sprechen.
- Die Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses wurde eine Zeit lang mit der Gedächtnisspanne gleichgesetzt. Die Gedächtnisspanne bezeichnet die Elemente, die man unmittelbar nach der Darbietung wiedergeben kann. Es wurde angenommen, dass im Kurzzeitgedächtnis Platz für sieben Elemente sei, obwohl andere Theoretiker der Auffassung sind, dass die Kapazität geringer sei und dass die Gedächtnisspanne nicht nur vom Kurzeitgedächtnis, sondern auch von anderen Gedächtnissystemen abhänge.
- Wie unter 4.1 bereits erwähnt, wird von der Theorie ausgegangen, dass Items (Wörter, be- stimmte Buchstabenreihen) durch häufiges Memorieren in ein relativ dauerhaftes Langzeitge- dächtnis überführt werden. Verlässt das Item jedoch das Kurzzeitgedächtnis bevor es im Lang- zeitgedächtnis verankert wurde, so ist es für immer verloren. Es können im Kurzzeitgedächtnis keine Informationen auf ewig behalten werden, da ständig neue Informationen eintreffen, die die alten Informationen aus dem begrenzten Kurzzeitgedächtnis verdrängen. Das schnelle Vergessen, wie es Shepard und Teghtsoonian in einer Untersuchung nachwiesen, spricht für diese Theorie. Sie wiesen nach, das Probanden sich von 200 dreistelligen Zahlen, die ihnen dargeboten wurden, die letzten vorangegangenen Zahlen besser merken konnten, bzw. auch schneller wieder erkannten als die ersten präsentierten Zahlen. Das Vergessen des KZG er- folgt also sehr viel schneller als das Vergessen des Langzeitgedächtnisses. Diese Tatsache ist ein Grund für die unter 4.2 bereits genannte Annahme von zwei unterschiedlichen Gedächtnis- systemen.
- Ein weiterer Grund für die Theorie des Kurzzeitgedächtnisses sind die Belege dafür, dass das Ausmaß des Memorierens die Menge an Informationen bestimmt, die in das Langzeitgedächt- nis überführt werden. Der Forscher Rundus(1971) ließ Versuchspersonen Wörter laut wieder- holen und wies damit nach, dass ein Item mit wachsender Anzahl an Wiederholungen besser erinnert werden konnte. Dieses Experiment spiegelt die fundamentalen Eigenschaften des Kurzzeitgedächtnisses, eine notwendige Durchgangsstation zum Langzeitgedächtnis zu sein, wider. Informationen müssen eine gewisse Verweildauer im Kurzzeitgedächtnis haben, um ins Langzeitgedächtnis zu gelangen. Je länger diese Verweildauer ist, desto mehr kann erinnert werden. Die so genannte Theorie der Verarbeitungstiefe besagt, dass das Memorieren (aus- wendig lernen) die Gedächtnisleistung nur dann verbessert, wenn man das Material in einer tiefen und bedeutungshaltigen Art und Weise memoriert. Ein passives Memorieren führt nicht zu einer besseren Gedächtnisleistung. Dies zeigten Glenberg, Smith und Green (1977) in ei- nem Experiment. Sie baten Probanden sich eine vierstellige Zahl zwei Sekunden lang einzu- prägen. Dann sollten sie für zwei, sechs oder 18 Sekunden Wörter memorieren und anschlie- ßend die vier Ziffern wiedergeben. Ein Überraschungstest, der das Nennen Wörter verlangte, stand ihnen bevor. Ihre Wiedergabeleistung war schwach und wies kaum eine Beziehung zu dem Memorierungsumfang auf. Demzufolge sieht es so aus, als gäbe es keine Kurzzeitüber- gangsstation zum Langzeitgedächtnis. Entscheidend ist viel mehr, so Anderson, dass wir die Informationen in einer Art und Weise verarbeiten, die dem Aufbau einer Spur im Langzeitge- dächtnis förderlich sind. Informationen können direkt von den sensorischen Gedächtnissyste- men ins Langzeitgedächtnis gelangen. (Anderson 1996, S. 169 ff.)
Rein biologisch gesehen, scheinen unterschiedliche Areale einer bestimmten Gehirnregion (frontaler Cortex) verantwortlich zu sein, unterschiedliche Arten von Informationen im Arbeitsgedächtnis aufrechtzuerhalten. (Anderson 1996, S. 177). Da dies jedoch eine Arbeit im Fach Psychologie ist, beschränken sich die weiteren Ausführungen auf diesen Bereich. Weitere Erklärungen zur biologischen Art und Weise des Speicherns und Enkodieren von Informationen im Gedächtnis sind nachzulesen u.a. in Anderson 1996, Kognitive Psychologie.
Trotz der Ausführungen, die gegen ein Kurzzeitgedächtnis sprechen, bleibt die Beobachtung, dass Menschen nur eine beschränkte Informationsmenge memorieren können.
Anhand der Kurzzeitgedächtnistheorie geht man davon aus, dass man nur eine bestimmte Anzahl an Elementen (beispielsweise 7) im Kurzzeitgedächtnis halten kann.
Andere Forschungen vertreten die Ansicht, dass die Geschwindigkeit, mit der wir das Material memorieren können, für den Umfang der Gedächtnisspanne von Bedeutung ist. Im Hinblick auf verbales Material wird die Theorie einer artikulatorischen Schleife (articulatory loop) vorgeschla- gen, in der wir so viele Informationen halten können, wie wir in einer bestimmten Zeitdauer memo- rieren können.
Anderson beschreibt dazu einen Vergleich: Will man Informationen im Arbeitsgedächtnis halten, so gleicht dies der Zirkusnummer, rotierende Teller auf Stäben zu balancieren. Der Zirkusartist wird einen Teller auf einem Stab zum Rotieren bringen, dann den nächsten Teller auf dem nächsten Stab und so weiter. Er muss zum ersten zurücklaufen, bevor dieser langsam wird und herunterfällt… Es bleiben nur so viele Teller oben, wie er am Rotieren halten kann.
Im Arbeitsgedächtnis geht es um den gleichen Sachverhalt, so der Erfinder der Theorie der artiku- latorischen Schleife. Wenn wir versuchen, zu viele Items im Arbeitsgedächtnis zu behalten, dann ist das erste Item, bis wir zu ihm zum Memorieren zurückkehren schon so weit zerfallen, dass es zu lange dauern würde, um es wieder zu finden und erneut zu memorieren. (Anderson 1996, S. 173)
Der Unterschied der artikulatorischen Schleife zum Kurzzeitgedächtnis ist zunächst nicht ersichtlich. Er besteht darin, dass die Informationen nicht in der artikulatorischen Schleife verweilen müssen, um ins Langzeitgedächtnis zu gelangen. Sie ist vielmehr ein Hilfssystem um Informationen verfügbar zu machen. (Anderson 1996, S. 174)
Baddeley hat neben dieser Theorie der artikulatorischen Schleife einen weiteren Mechanismus vorgeschlagen, den uns zum Memorieren zur Verfügung steht. Der räumlich- visuelle Notizblock (visuospatial sketchpad) dient zum Memorieren von Bildern. Die folgende Abbildung veranschaulicht Baddeleys Grundkonzeption:
Abbildung 4-3: Baddeleys Theorie des Arbeitsgedächtnisses. Ei- ne zentrale Exekutive koordiniert mehrere Hilfssysteme. (Anderson 1996, S. 174)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Eine zentrale Exekutive kontrolliert den Einsatz verschiedener Hilfsmittel, wie etwa des räumlichvisuellen Notizblock und der artikulatorischen Schleife. Diese zentrale Exekutive kann Informationen in jedes dieser Hilfssysteme einspeisen oder Informationen aus diesen Systemen abrufen. Sie kann weiterhin die Informationen eines Systems in ein anderes System übersetzen. Die zentrale Exekutive benötigt einen eigenen Übergangsspeicher für Informationen, um Entscheidungen über die Kontrolle der Hilfssysteme zu treffen. (Anderson 1996, S. 174)
Nachdem bereits geklärt wurde, in welcher Weise und an welchem Ort Informationen im Gedächt- nis gespeichert werden, widmen wir uns nun der Frage, wie viele Informationen aus dem Langzeit- gedächtnis beispielsweise bei der Ausführung einer Rechenaufgabe verfügbar gemacht werden, wie viele sind es genau und wodurch ist diese Größe bestimmt?
Der SAM- Theorie (search of associative memory) zufolge, sind Informationen, kurz nachdem wir sie benutzt haben, sehr gut verfügbar, jedoch sinkt diese Verfügbarkeit sehr schnell, wenn die Informationen nicht mehr gebraucht oder memoriert werden. (Anderson 1996, S. 178)
Dabei bestimmt die Aktivationshöhe die Wahrscheinlichkeit des Zugriffs auf das Gedächtnis wie auch die Häufigkeit des Zugriffs. In einer Untersuchung Loftus (1974) nach, ließ man die Proban- den gut gelernte Informationen wie z.B. die Vertreter der Kategorie „Obst“ mit dem Buchstaben P abrufen. Beim ersten Mal, so fand sie heraus, benötigten die Versuchspersonen 1,53 Sekunden zur Ausführung. Nach unterschiedlichen Zeitintervallen sollten die Probanden Exemplare der glei- chen Kategorie abrufen, jedoch dieses Mal mit anderem Anfangsbuchstaben. Außerdem variierte die Testleiterin das Verzögerungsintervall, indem sie eine zur Anfangskategorie unterschiedliche Wiederholungskategorie abfragte. Sie erhielt Abrufzeiten zwischen 1,28 und 1,33 Sekunden. Es ist also eine deutliche Erleichterung feststellen, wenn der erneute Abruf der Kategorie unmittelbar darauf folgt, wenn die Informationen über diese Kategorie noch im Arbeitsgedächtnis aktiviert ist. Mit steigender Verzögerung allerdings zerfällt die Aktivation, was zu zunehmend längeren Abruf- zeichen führt. (Anderson 1996, S. 178)
Zusammenfassend lässt sich somit sagen:
Die Geschwindigkeit und die Wahrscheinlichkeit des Zugriffs auf einen Gedächtnisinhalt werden durch dessen Aktivationshöhe bestimmt. Diese Aktivationshöhe wiederum hängt von der Häufigkeit und dem Zeitpunkt des letzten Abrufs dieses Gedächtnisinhalts ab. (Anderson 1996, S. 180)
Neben der Aktivationshöhe wurde auch eine Aktivationsbreite entwickelt. Die Aktivationsbreite bezeichnet die Annahme, dass sich die Aktivation von Informationen entlang der Pfade eines Netzwerks ausbreitet.
Die folgende Abbildung zeigt einen Teil eines solchen Netzwerks, das die Umgebung des Konzeptes HUND darstellt.
Abbildung 4-4: Die Gedächtnisrepräsentation von Hund und eini- ge damit verbundene Konzepte. (Quelle: Anderson 1996, S. 180)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Viele Experimente in der Kognitiven Psychologie haben diese unbewusste „Bahnung“ von Wissensstrukturen, die durch Aktivationsausbreitung erfolgt, nachgewiesen. Man nennt dies auch assoziatives Priming.
Eine Untersuchung von Meyer und Schvaneveldt wies dies ebenfalls nach. Sie ließen Versuchspersonen beurteilen, ob Paare von Items jeweils aus Wörtern der englischen Sprache bestehen. Die genauen Ergebnisse sind nachzulesen in Anderson 1996, Kognitive Psychologie.
In dieser Untersuchung gab es so genannte positive Paare. Darunter waren unverbundene Items wie Krankenschwester und Butter und Paare mit assoziativer Verbindung wie Brot und Butter. Die Probanden reagierten auf die Items mit assoziativer Beziehung 85 Millisekunden schneller. Deuten lässt sich dieses wie folgt: Wenn ein Proband das erste Wort eines verbundenen Paares liest, dann breitet sich Aktivation von diesem Wort zum zweiten Wort aus. Dies erleichtert dessen Beurteilung. Demzufolge erleichtert die assoziative Aktivationsausbreitung im Gedächtnis das Lesen von Wör- tern. (Anderson 1996, S. 182)
Eine passive Verarbeitung von Informationen bringt nur eine geringe Gedächtnisverbesserung mit sich. Das bloße Lernen von Informationsmaterial (ohne eigenes Interesse) führt somit nicht zu ei- nem besseren Abruf. Es kommt vielmehr darauf an, wie jemand das Material verarbeitet, während es angeeignet wird.
Die Informationen sollten also stark bedeutungshaltig, d.h. für den Lernenden von Bedeutung bzw. Interesse sein, um sie sich besser merken zu können. Es gibt allerdings auch Belege dafür, dass eine elaborative Verarbeitung zu besserem Behalten führt. Elaborative Verarbeitung besteht aus der Anreicherung des zu behaltenden Materials um zusätzliche Informationen. (Anderson 1996, S. 187 ff.)
In einem Experiment von Stein und Bransford (1979) zu diesem Thema sollten die Probanden zehn Sätze wie etwa „Der fette Mann las das Schild.“ erinnern. Es gab insgesamt vier Versuchsbe- dingungen:
a. Basisbedingung: Probanden lernten nur die Sätze.
b. Probanden lernten die Sätze und sollten eigene Elaborationen dazu generieren.
c. Unter der „unpräzisen“ Bedingung: Den Probanden wurde eine Eleboration wie Der fet- te Mann las das Schild, das 60cm großwar. dargeboten.
d. Unter der „präzisen“ Bedingung: Den Probanden wurde eine Fortführung wie bei- spielsweise Der fette Mann las das Schild, das vor Glatteis warnte. dargeboten.
Anschließend wurde den Probanden ein Satzrahmen wie beispielsweise Der ______ Mann las das Schild. Vorgegeben und sie sollten das fehlende Adjektiv finden.
Die Probanden erinnerten 4,2 der 10 Adjektive unter der Basisbedingung und 5,8, wenn sie eigene Elaborationen generiert hatten. Sie konnten außerdem nur 2,2 Adjektive der zehn unter der „unpräzisen“ Elaborationsbedingung (c.) erinnern. Allerdings erinnerten die Probanden die meisten Adjektive (7,8) unter der „präzisen“ Elaborationsbedingung (d.).
Dies lässt darauf schließen, dass es wichtig ist, dass die Elaborationen das zu erinnernde Material zwingend treffen müssen. Es kommt also nicht darauf an, ob das Material von den Probanden sel- ber oder von den Experimentatoren elaboriert wird, sondern wie präzise die Elaboration geschieht.
Es gab zur Elaboration von Materialien noch diverse Experimente in der kognitiven Psychologie, von denen Anderson in seinem Buch „Kognitive Psychologie“ einige aufzählt und beschreibt.
Zusammenfassend lässt sich sagen:
Inhalte müssen elaborativ verarbeitet werden, um sie besser zu behalten. Diese Elaboration muss sich nicht auf die Bedeutung des Materials beziehen und auch die Absicht diese Inhalte lernen zu wollen spielt keine Rolle. (Anderson 1996, S. 188 ff.)
Unter 4.4 wurde erörtert, wie Informationen im Gedächtnis gespeichert werden. Oft hat man jedoch keine Probleme mit dem Lernen und somit mit der Speicherung von Informationen, sondern damit, dass Informationen nach einiger Zeit vergessen werden.
Gründe dafür können das Verschwinden von Gedächtnisinhalten sein oder der Gedächtnisinhalt ist noch vorhanden, aber er ist nicht mehr abrufbar.
Einige Experimente, wie sie auch Anderson in seinem Buch „Kognitive Psychologie“ nennt, belegen, dass einige Gedächtnisinhalte, die vergessen schienen, noch erhalten sind.
Ein gutes Beispiel dafür bietet die Untersuchung von Nelson (1971). Er ließ Probanden so lange 20 Zahl-Nomen-Paare lernen, bis sie das Kriterium eines fehlerfreien Durchgangs erreichten. Zwei Wochen später erschienen die Probanden zu einem Nachtest; sie erinnerten 75% der Items in diesem Behaltenstest.
Die übrigen 25%, für die die Probanden das Nomen, wenn ihnen die dazugehörige Zahl vorgegeben wurde, nicht wiedergeben konnten, waren weitere Tests vorgesehen. Sie lernten in erneuten Durchgängen die 20 Itempaare noch einmal. Diejenigen Paare, die sie nicht erinnert hatten, wurden entweder so beibehalten oder abgeändert.
Wenn die Versuchsteilnehmer tatsächlich jeglichen Gedächtniseintrag bezüglich der vergessenen Paare verloren hätten, sollten sie keine Unterschiede zwischen den veränderten und unveränder- ten Paaren zeigen. Die Probanden konnten allerdings 78% der unveränderten Items, die zuvor nicht gewusst wurden, wiedergeben, aber nur 43% der veränderten Items. Diese bessere Wieder- gabeleistung für unveränderte Items lässt darauf schließen, dass diese Probanden etwas von den ursprünglichen Paaren behalten hatten, obwohl sie sie zuvor nicht hatten wiedergeben können. (Anderson 1996, S. 195/196)
Der Autor warnt aber davor, dieses Experiment wie auch weitere, die er in seinem Buch nennt, als Beweis dafür zu nehmen, dass alles erinnert wird. Sie zeigen nur, dass angemessen sensible Meßmethoden Belege für Reste einiges Gedächtnisinhalte erbringen können, die vergessen schienen. (Anderson 1996, S. 196)
Die Frage, warum bestimmte Gedächtnisinhalte verschwinden und andere abrufbar sind, ist damit jedoch nicht beantwortet.
Wie unter 4.1 und 4.2 bereits erwähnt, geht die Theorie des Lang- und Kurzzeitgedächtnisses davon aus, dass ein Kurzzeitgedächtnis vorhanden sein muss, in dem die Informationen kurzweilig gespeichert werden. Sie zerfallen jedoch nach einigen Sekunden, wenn sie nicht an das Langzeitgedächtnis weitergegeben werden.
In den darauf folgenden Abschnitten wurde jedoch ersichtlich, dass das Behalten von Informatio- nen damit zusammenhängt, wie stark die Gedächtnisspuren enkodiert werden. Diese Annahme, dass Gedächtnisspuren einfach im Laufe der Zeit in ihrer Stärke zerfallen, ist eine weit verbreitete Erklärung des Vergessens; sie wird auch als Zerfallstheorie des Vergessens bezeichnet.
Eine gegensätzliche Bewegung ist die Interferenztheorie des Vergessens, die im Folgenden veranschaulicht werden soll.
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