Bachelorarbeit, 2020
60 Seiten, Note: 1,0
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkurzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung und Vorgehensweise
2 Die grenzuberschreitende Finanzierung internationaler Konzerne
2.1 Begriff des internationalen Konzerns
2.2 Verrechnungspreise im Konzern
2.3 Der Fremdvergleichsgrundsatz
2.4 FinanzierungimKonzem
2.5 Rahmenbedingungen des nationalen Steuerrechts
2.5.1 Verdeckte Gewinnausschuttung
2.5.2 Verdeckte Einlage
2.5.3 Berichtigung nach § 1 Abs. 1 AStG
2.5.4 Abzugsverbot des § 8b Abs. 3S.4 ff. KStG
2.6 Rahmenbedingungen des internationalen Steuerrechts
2.6.1 Musterabkommen und Verrechnungspreisrichtlinien der OECD
2.6.2 Verhaltnis zu innerstaatlichen Vorschriften
2.6.3 Artikel 9Abs. 1 OECD-Musterabkommen
2.6.4 Deutsche Abkommenspraxis
3 Rechtslage vor Anderung der Rechtsprechung
3.1 Fremdvergleichsgrundsatz in Konzernsachverhalten
3.2 Sperrwirkung des Artikel 9 Abs. 1 OECD-Musterabkommen
3.3 Ruckhalt im Konzern
3.4 Darstellung eines Praxisbeispiels
4 Rechtsprechungsanderung des Bundesfinanzhofs
4.1 Urteile des Bundesfinanzhofs vom 27. Februar
4.2 Auswirkungen der Urteile auf die Konzemfinanzierung
4.2.1 Fremdvergleichsgrundsatz in Konzernsachverhalten
4.2.2 Sperrwirkung des Artikel 9 Abs. 1 OECD-Musterabkommen
4.2.3 RuckhaltimKonzern
4.2.4 Auswirkungen auf das Praxisbeispiel
4.3 Kritische Auseinandersetzung mit der geanderten Rechtsprechung
4.3.1 Ansichten aus der Fachliteratur zur Anderung der Rechtsprechung
4.3.2 Aspekt der Rechtssicherheit
4.3.3 DrohendeDoppelbesteuerung
4.3.4 Ungleichbehandlung von Outbound- und Inbound Sachverhalten
4.3.5 Mogliche Ausweitung der geanderten Rechtsprechung
4.4 Aktuelle Entwicklungen
4.5 Gestaltungsansatze in der Praxis
5 Fazit
Literaturverzeichnis
Verzeichnis der Rechtsquellen und sonstigen Quellen
Abbildung 1: Darstellung des Sachverhaltes zum Praxisbeispiel
Abbildung 2: Darstellung des Sachverhaltes zum Urteil I R 73/16
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Finanzierung ist grundsatzlich eine Kernaufgabe innerhalb eines Konzerns. Ziel dabei ist es, die finanzielle Stabilitat des Konzerns zu gewahrleisten und die Kapital- kosten des Konzerns effizient zu gestalten.1 Grenzuberschreitende Finanzierungsakti- vitaten haben im Konzern eine besonders hohe Bedeutung. Diese Transaktionen ge- horen zu der taglichen Unternehmensrealitat.2 Dadurch, dass Kapital sehr mobil ist, eignen sich Finanzierungsstrukturen fur Gewinnverlagerungsaktivitaten.3 In der Ver- gangenheit wurden diese zum Teil gezielt zur Steuerplanung eingesetzt. Dadurch sind diese Finanzierungsleistungen innerhalb von Konzernen in der naheren Vergangenheit immer weiter in das Blickfeld der Finanzbehorden geruckt.4 Steuerliche Fragestellun- gen in diesem Bereich sind fur Konzerne von besonders hoher Relevanz.5 Die Grun- dung von Tochtergesellschaften im Ausland hat zudem auch fur mittelstandische Un- ternehmen zunehmend an Bedeutung gewonnen. Damit verbunden sind Fragen im Zu- sammenhang mit der Bilanzierung und rechtlichen Ausgestaltung von Darlehen sowie Forderungen aus Lieferungen und Leistungen an die Tochtergesellschaften im Ausland. Besonders wichtig wird dies dann, wenn die Tochtergesellschaft die Verbind- lichkeiten nicht mehr bedienen kann und eine gewinnmindernde Teilwertabschreibung auf die Forderung bei der im Inland ansassigen Muttergesellschaft vorgenommen werden soil.6 Die ertragsteuerliche Anerkennung von Darlehen sowie die Behandlung von Abschreibungen auf diese Darlehen zwischen steuerlich nahestehenden Personen ist sehr haufig ein Thema in Steuerstreitigkeiten.7 Bei einer Korrektur der Verrechnungspreise durch die Finanzbehorden kann es zu einer hoheren Steuerbelastung des Konzerns und bei grenzuberschreitenden Finanzierungsaktivitaten zu Doppelbesteuerun- gen kommen. Durch diese hohe Bedeutung fur die Untemehmen besteht der Wunsch nach Rechtssicherheit.8
Der erste Senat des Bundesfinanzhofs („BFH“) hat in seinenjungsten Entscheidungen vom 27. Februar 2019 bisher gefestigte Rechtsprechung und geltende Grundsatze zur grenzuberschreitenden Konzemfinanzierung aufgegeben und eine Neuausrichtung der Rechtsprechung vorgenommen.9 Die Entscheidungen werden in der Literatur als Pau- kenschlag gewertet.10 Sie haben nicht nur Auswirkungen auf langfristige Darlehen im Konzern sondern auch auf Forderungen aus Lieferungen und Leistungen sowie auf Verpflichtungen aus Burgschaften. In der Praxis hat die geanderte Rechtsprechung eine nicht zu unterschatzende Tragweite und fuhrt zu dringendem Handlungsbedarf.11 Gerade fur international agierende Unternehmensgruppen hat die Anderung der Rechtsprechung des BFH besondere Bedeutung.12 Zudem sind weiterhin zahlreiche Verfah- ren zu dem Themenbereich beim BFH anhangig. Nach den Urteilen des BFH vom 27. Februar 2019 herrscht in der Untemehmenspraxis Rechtsunsicherheit.13 Die Unternehmen sollten die neuen Grundsatze zwingend kennen und ihre Finanzierungsaktivitaten uberprufen.14
Das Ziel der vorliegenden Ausarbeitung besteht darin, die geanderte Rechtsprechung des BFH zur grenzuberschreitenden Konzemfinanzierung darzustellen und die damit fur die Untemehmenspraxis relevanten Auswirkungen aufzuzeigen. Des Weiteren besteht das Ziel darin, die geanderte Rechtsprechung einer kritischen Wurdigung zu un- terziehen. Zuletzt soil die Arbeit erste Ansatze und Handlungsempfehlungen zur steu- erlichen Gestaltung der Finanzierungssachverhalte unter Beachtung der geanderten Rechtsprechung geben.
Dazu werden zunachst die Arten und die Bedeutung der Finanzierung innerhalb eines intemationalen Konzerns dargestellt. Zudem werden die Rahmenbedingungen des nationalen und intemationalen Steuerrechts aufgezeigt.
Im Anschluss daran wird die Rechtslage und die bisher geltenden Grundsatze zur grenzuberschreitenden Konzemfinanzierung dargestellt, um darauf aufbauend die er- heblichen Anderungen aufzuzeigen. Im weiteren Teil der Ausarbeitung wird das Lei- turteil der Urteile vom 27. Februar 2019 dargestellt und die wesentlichen Auswirkun- gen der geanderten Rechtsprechung auf die Finanzierungspraxis erlautert. Die Recht- sprechungsanderung wird daraufhin einer kritischen Wurdigung unterzogen. SchlieB- lich werden aktuelle Entwicklungen in einem weiteren Kapitel erlautert und anschlie- Bend daran erste Ansatze und Handlungsempfehlungen zur steuerlichen Gestaltung der grenzuberschreitenden Finanzierung gegeben. Den Schluss der Arbeit bilden ein abschlieBendes, zusammenfassenden Fazit sowie ein Ausblick in die Zukunft.
In dem folgenden Kapitel werden die Grundlagen und Rahmenbedingungen zu der im weiteren Verlauf untersuchten Rechtsprechungsanderung dargestellt. Dazu erfolgt zu- dem ein kurzer Uberblick uber die Arten und die Bedeutung der konzeminternen Finanzierung internationaler Konzerne.
Die in dieser Ausarbeitung dargestellte Anderung der Rechtsprechung und die damit verbundenen Auswirkungen betreffen vor allem internationale Konzerne.15
Im deutschen Steuerrecht findet sich eine Definition zur Zugehorigkeit eines Unter- nehmens zu einem Konzern unter anderem in den Vorschriften zur Konzemklausel in der Regelung zur Zinsschranke im § 4h Abs. 3 S. 5 und 6 EStG. Dort geht man von der Zugehorigkeit zu einem Konzern aus, wenn ein Betrieb mit einem oder mehreren anderen Betrieben konsolidiert wird oder werden konnte. Zudem gehort ein Betrieb auch dann zu einem Konzern, wenn seine Finanz- oder Geschaftspolitik mit einem oder mehreren Betrieben einheitlich bestimmt werden kann.16
Neben dieser Definition befindet sich im § 1 Abs. 2 AStG die Definition einer dem Steuerpflichtigen nahestehenden Person. Demnach ist eine Person dem Steuerpflichti- gen nahestehend, wenn zwischen ihr und dem Steuerpflichtigen ein Beherrschungs- verhaltnis, eine Einflussmoglichkeit auBerhalb der Geschaftsbeziehungen oder eine Interessensidentitat besteht.
Ein Beherrschungsverhaltnis liegt dann vor, wenn die Person an dem Steuerpflichtigen wesentlich beteiligt ist. Eine wesentliche Beteiligung liegt bei einer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung von mindestens 25 % vor.
Eine Zusammenrechnung von mehreren mittelbaren Beteiligungen wird in diesem Zu- sammenhang nicht vorgenommen.17
Im Rahmen des Artikel („Art.“) 9 OECD-Musterabkommen („OECD-MA“) liegt ein verbundenes Untemehmen dann vor, wenn ein Untemehmen unmittelbar oder mittel- bar an der Geschaftsleitung, der Kontrolle oder dem Kapital eines anderen Unterneh- mens beteiligt ist. AuBerdem liegt ein verbundenes Untemehmen dann vor, wenn die- selben Personen unmittelbar oder mittelbar an der Geschaftsleitung, der Kontrolle oder dem Kapital zweier Untemehmen beteiligt sind.18
Fur diese Ausarbeitung wird der Begriff des internationalen Konzerns definiert als ein Verbund von mindestens zwei rechtlich selbstandigen Untemehmen, die in unter- schiedlichen Staaten ansassig sind und die Voraussetzungen zur Anwendung des Art. 9 OECD-MA sowie des § 1 Abs. 2 AStG erfullen.
Die einzelnen Gesellschaften eines Konzerns mussen ihren Gewinn selbstandig ermit- teln. Aus Grunden der rechtlichen Selbstandigkeit der einzelnen Konzerngesellschaf- ten sind dabei auch konzerninterne Lieferungen und Leistungen zu berucksichtigen. Fur die Bewertung dieser konzernintemen Leistungen werden Verrechnungspreise eingesetzt. Diese Preise stellen dabei einen Ersatz fur die fehlenden Marktpreise dar. In der Praxis ist die Bildung der Verrechnungspreisejedoch auBerst schwierig, da die Preise durch eine Vielzahl von unterschiedlichen Parametem beeinflusst werden und es an einer Verifizierung durch den Markt fehlt.19
Die Thematik der Verrechnungspreise hat eine immer hohere Bedeutung im internationalen Steuerrecht und ruckt zunehmend in den Fokus der Finanzverwaltungen. Bei diesem Feld handelt es sich um das bedeutendste Feld der Steuergestaltung und Steu- erpolitik fur international tatige Untemehmen.20 Es wird geschatzt, dass der Austausch von Leistungen innerhalb von Konzernen fast 70 % des Welthandels ausmacht.
Es ist davon auszugehen, dass die Bedeutung der Verrechnungspreisthematik durch die wachsende Internationalisierung der Unternehmen weiter zunehmen wird. Da mit Hilfe der Verrechnungspreise Gewinne von Landern mit hohen Steuersatzen in Lander mit niedrigeren Steuersatzen verlagert werden konnen, wurden die Vorschriften zur Verrechnungspreisbestimmung und Dokumentation in der naheren Vergangenheit deutlich verscharft.21
Bei den in dieser Ausarbeitung untersuchten Finanztransaktionen innerhalb eines Kon- zerns bildet die Hohe des vereinbarten Zinssatzes den Verrechnungspreis.
Der zentrale Grundsatz fur die Bestimmung der angemessenen Verrechnungspreise ist der Fremdvergleichsgrundsatz aus § 1 Abs. 1 S. 1 und 3 AStG. Dieser verlangt, dass der Verrechnungspreis zwischen einem Steuerpflichtigen und einer ihm nahestehen- den Person, genauso bemessen sein muss, wie auch unabhangige Dritte ihn vereinba- ren wurden. Daraus resultiert, dass der vereinbarte Verrechnungspreis dem Fremdvergleich standhalten muss. Dabei liegt der Fremdvergleichsgrundsatz samtlichen nationalen Vorschriften zur Verrechnungspreisbestimmung zu Grunde. Neben der Berichtigung der Einkunfte mit Auslandsbezug (§ 1 AStG) liegt er auch als Grundsatz fur die verdeckte Gewinnausschuttung (§ 8 Abs. 3 S. 2 KStG) und die verdeckte Einlage (§ 8 Abs. 3 S. 3 KStG) zugrunde.22 Im Bereich des internationalen Steuerrechts ist der Fremdvergleichsgrundsatz als „dealing-at-arm's-length-Prinzip“ im Art. 9 Abs. 1 OECD-MA verankert und wurde in nahezu alien deutschen Doppelbesteuerungsab- kommen ubemommen.23 Der Fremdvergleich kann durch einen betriebsinternen- und durch einen betriebsexternen Fremdvergleich durchgefuhrt werden.
Bei dem betriebsinternen Fremdvergleich wird eine konzerninteme Transaktion mit einer Transaktion verglichen, die die gleiche Konzerngesellschaft mit einem fremden Dritten tatigt. Hingegen wird bei dem betriebsexternen Fremdvergleich eine konzern- interne Transaktion mit einer Transaktion zwischen zwei externen, unabhangigen Dritten verglichen.
Der betriebsinterne Fremdvergleich findet bei der verdeckten Gewinnausschuttung und verdeckten Einlage Anwendung. Bei der Berichtigung der Einkunfte nach § 1 AStG findet hingegen der betriebsexterne Fremdvergleich Anwendung.24
Der Kapitalverkehr innerhalb eines Konzerns gehort zu den wichtigsten Positionen der grenzuberschreitenden Leistungsbeziehungen innerhalb eines Untemehmens.25 Die konzernintemen Finanzierungstransaktionen werden als einer der kritischsten Berei- che im Gebiet der Verrechnungspreise angesehen.26
Durch die wachsende Weltwirtschaft und die immer weiter zunehmenden Verflech- tungen der Wirtschaft ist auch die Anzahl der Konzerne mit weltweiten Wertschop- fungsketten gestiegen. Fur die Konzerne steht im Bereich der Finanzierung eine opti- male Nutzung der vorhandenen Liquiditat und eine ausreichende Kapitalversorgung der Gesellschaften im Vordergrund.27 Die Finanzierung einzelner Gesellschaften im Konzern durch intern vorhandene Finanzmittel des Konzerns wird als konzerninteme Finanzierung bezeichnet. Dabei steht es im Ermessen des Untemehmens, ob es zur Finanzierung der Tochtergesellschaften Eigen- oder Fremdkapital einsetzt. Diese Freiheit zur Wahl der Finanzierungsform wird als Finanzierungsfreiheit bezeichnet.28 In Konzernen treten verschiedene Formen der konzernintemen Finanzierung auf. Die wichtigsten Finanzierungsarten sind dabei die Darlehens- und Kreditbeziehungen, Burgschaften und Garantien, das Factoring sowie Darlehenszusagen.29
Die am haufigsten vorkommende Finanzierungsform im Konzern sind Darlehen. Durch Darlehen von der Muttergesellschaft oder auch von anderen Gesellschaften des Konzerns, wie reinen Finanzierungsgesellschaften, kann der Kapitalbedarf der Gesellschaften gedeckt werden.
Die Darlehen lassen sich anhand ihrer Laufzeit in klassische Darlehen, Waren- und Lieferantenkredite, kontokorrentahnliche Verrechnungskonten und das sogenannte Cash Pooling kategorisieren.30
Die klassische Form der langerfristigen Finanzierung bei verbundenen Untemehmen sind langfristige und mittelfristige Darlehen. In der Praxis werden durch eine Muttergesellschaft oder eine reine Finanzierungsgesellschaft finanzielle Mittel an eine Kon- zerngesellschaft zur Verfugung gestellt, die diese Gesellschaft dann fur eine verein- barte Dauer nutzen kann.31
Beim Warenumschlag im Konzern spielen die Waren- und Lieferantenkredite eine be- deutende Rolle. Diese Kredite werden durch einen Lieferanten an einen Kunden durch die Einraumung eines vereinbarten Zahlungsziels gegeben. Diese Form der Finanzierung wird zumeist mit einer Dauer von bis zu drei Monaten gewahrt. Damit hat diese Art des Kredits den Charakter eines kurzfristigen Darlehens. Hierbei ist zu beachten, dass es unter fremden Dritten ublich ist, innerhalb des vereinbarten Zahlungsziels keine Zinsen zu berechnen. Nur bei vorzeitiger Bezahlung durch den Kunden wird ein abzugsfahiges Skonto vereinbart. Damit stellt eigentlich nur die Skontofrist einen kurzfristigen, unentgeltlichen Lieferantenkredit dar.32
Eine weitere Art der Darlehens- und Kreditbeziehungen sind die kontokorrentahnli- chen Verrechnungskonten. Durch diese Konten haben Konzerngesellschaften die Moglichkeit, kurzfristig bei Mutter- oder Finanzierungsgesellschaften Liquiditat zu erhalten. Die berechneten Zinsen orientieren sich wie bei Kontokorrentkonten bei einer Bank meist an den tagesaktuellen Interbankenzinsen. Die kreditnehmende Gesellschaft kann die Verbindlichkeit taglich tilgen.33 Das sogenannte Cash Pooling bildet eine Weiterentwicklung dieser Verrechnungskonten. Unter dem Begriff Cash Pooling ist eine Zentralisierung der Kassenhaltung zu verstehen. Es werden kurzfristige Liqui- ditatsuberschusse der Konzerngesellschaften zentral disponiert. Durch diese Zentralisierung wird die Anzahl der benotigten Bankkonten des Konzerns verringert, da nur wenige von sogenannten Masterbankkonten existieren. Durch diese Vorgehensweise entstehen Synergieeffekte wodurch Verwaltungskosten eingespart und Zinsertrage er- wirtschaftet werden konnen.34
Fur den Fall, dass Konzemgesellschaften Finanzmittel von fremden Dritten aufneh- men mussen, werden durch finanzstarke Konzemgesellschaften Garantien bereitge- stellt. Sollte die Konzerngesellschaft selbst nicht mehr fur ihre Schuld aufkommen konnen, wird die Zahlungsverantwortung durch die andere Gesellschaft ubernommen. Diese Burgschaften oder Garantien werden zumeist eingesetzt, um eine Verbesserung der Zinskonditionen oder einen Zugang zu bestimmten Kapitalmarkten zu erreichen.35
Bei der Uberprufung der Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen finden sowohl Regelungen auf nationaler Ebene (unilaterales Recht) als auch Regelungen auf internationaler Ebene (bilaterales Recht), in Form von Doppel- besteuerungsabkommen, Anwendung.36 In diesem Kapitel sollen zunachst die nationalen Vorschriften zur Korrektur der Verrechnungspreise erlautert werden. Bei der Uberprufung der Verrechnungspreise unterscheidet man im nationalen Recht zwischen den materiell-rechtlichen Vorschriften und den formell-rechtlichen Vorschriften.37
Durch den Oberbegriff „Dokumentation von Verrechnungspreisen“ wird der formell- rechtliche Bereich der Uberprufung der Verrechnungspreise bezeichnet. Dieser befasst sich vor allem mit Fragen der Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen, der Amtser- mittlungspflicht der Finanzverwaltung sowie der Beweislast. Der § 90 Abs. 3 AO enthalt die Verpflichtung zur Erstellung von Aufzeichnungen uber Art und Inhalt von Geschaftsbeziehungen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG.
Durch die Dokumentation soil es der Finanzverwaltung moglich gemacht werden, sich ein Verstandnis uber die wesentlichen Geschaftsvorfalle sowie uber Art und Weise der Festsetzung der Verrechnungspreise zu gewinnen. Die Anforderungen an Art, Inhalt und Umfang der Verrechnungspreisdokumentationen werden durch die Gewinnab- grenzungsaufzeichnungsverordnung vorgegeben.38 Die Vorschriften zur Dokumentation der Verrechnungspreise wurden stark durch die Base Erosion and Profit Shifting („BEPS“) MaBnahme 13 der Organisation for Economic Co-operation and Development („OECD“) gepragt. Im Rahmen dieser MaBnahme wurde das Kapitel 5 der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien veroffentlicht.39
Im Rahmen dieser Ausarbeitung wird nicht weiter auf die formell-rechtlichen Vor- schriften zu den Verrechnungspreisen eingegangen. Von hoherer Bedeutung fur diese Ausarbeitung sind die materiell-rechtlichen nationalen Vorschriften im Bereich der Verrechnungspreise. Diese materiell-rechtlichen Vorschriften bilden die innerstaatli- che Berichtigungsgrundlage fur eine Korrektur der Verrechnungspreise.40 Die Erlau- terungen im Rahmen dieser Ausarbeitung beschranken sich dabei auf die Vorschriften, welche fur Kapitalgesellschaften gelten.
Neben verdeckten Gewinnausschuttungen bei reinen Inlandssachverhalten konnen auch grenzuberschreitende verdeckte Gewinnausschuttungen auftreten. Diese konnen sowohl vom Inland ins Ausland, vom Ausland ins Inland oder auch ausschlieBlich im Ausland auftreten. Dabei entspricht die verdeckte Gewinnausschuttung bei der Uber- prufung von Verrechnungspreisen bei grenzuberschreitenden Sachverhalten den glei- chen Tatbestandsvoraussetzungen wie bei rein inlandischen Sachverhalten.41
Eine verdeckte Gewinnausschuttung im Sinne des § 8 Abs. 3S.2 KStG wird verstan- den als eine Vermogensminderung oder eine verhinderte Vermogensmehrung, welche durch das Gesellschaftsverhaltnis veranlasst ist, sich auf die Hohe des Einkommens auswirkt und nicht auf einer offenen Ausschuttung beruht.42
Die Muttergesellschaft ist als Gesellschafter anzusehen und die Tochtergesellschaft als ausschuttende Gesellschaft. Eine verdeckte Gewinnausschuttung liegt vor, wenn eine Tochtergesellschaft ihrer Muttergesellschaft einen Vermogensvorteil auBerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung zuwendet und die Ursache der Zuwen- dung im Gesellschaftsverhaltnis liegt. Bei der Tochtergesellschaft tritt eine Vermo- gensminderung oder eine verhinderte Vermogensmehrung auf, die durch das Gesellschaftsverhaltnis veranlasst ist, in keinem Zusammenhang mit offenen Gewinnausschuttungen steht und sich auf die Hohe des Einkommens auswirkt. Die Prufung, ob die Zuwendung der Tochtergesellschaft durch das Gesellschaftsverhaltnis veranlasst ist, ist durch einen Fremdvergleich durchzufuhren.43 Im Faile der verdeckten Gewinnausschuttung handelt es sich um einen betriebsinternen Fremdvergleich.44
Es ist zu prufen, ob ein ordentlicher und gewissenhafter Geschaftsleiter, der nicht Ge- sellschafter ist, den Vermogensvorteil auch einem fremden Dritten, unter sonst glei- chen Umstanden, gewahrt hatte.45
Von einer Veranlassung durch das Gesellschaftsverhaltnis ist zudem auch auszugehen, wenn im Vornherein eine klare Vereinbarung fehlt, ob und in welcher Hohe ein Entgelt von der Gesellschaft zu zahlen ist (formeller Fremdvergleich).46
Bei Feststellung einer verdeckten Gewinnausschuttung wird die Rechtsfolge durch § 8 Abs. 3 S. 2 KStG geregelt. Demnach darf eine verdeckte Gewinnausschuttung das Einkommen nicht mindern. Wird das Einkommen der Tochtergesellschaft durch eine verdeckte Gewinnausschuttung gemindert, erfolgt eine auBerbilanzielle Hinzurech- nung in der Hohe des durch den Fremdvergleich ermittelten Minderungsbetrag. Die verdeckte Gewinnausschuttung wird auf der Ebene des Gesellschafters wie eine offene Ausschuttung versteuert. Durch die Regelung zur verdeckten Gewinnausschuttung soil die Abgrenzung der gesellschaftsrechtlichen Ebene von der schuldrechtlichen Ebene gesichert werden. Der Gewinn der Gesellschaft darf durch Zuwendungen an den Gesellschafter nicht gemindert werden, da es sich hierbei um die Einkommens- verwendung handelt.47 Die Regelung hat damit die Funktion einer bloBen Einkunfte- korrektur.48
Die verdeckte Einlage kann als Gegenstuck zur verdeckten Gewinnausschuttung an- gesehen werden.49 Eine verdeckte Einlage im Sinne des § 8 Abs. 3 S. 3 KStG liegt vor, wenn ein Gesellschafter oder eine ihm nahestehende Person der Korperschaft auBer- halb der gesellschaftsrechtlichen Einlagen einen einlagefahigen Vermogensvorteil zu- wendet und die Zuwendung durch das Gesellschaftsverhaltnis veranlasst ist.50
Fur eine verdeckte Einlage wird vorausgesetzt, dass es sich bei der Zuwendung um ein bilanzierungsfahiges Wirtschaftsgut handelt und die Zuwendung durch das Gesellschaftsverhaltnis begrundet wird.51
Wie bei der verdeckten Gewinnausschuttung ist durch einen betriebsintemen Fremd- vergleich zu prufen, ob ein Nichtgesellschafter unter Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschaftsleiters, unter sonst gleichen Umstanden, der Gesellschaft den Vermogensvorteil ebenfalls gewahrt hatte.52 Fur eine Einlage muss ein einlagefahiger Vermogensvorteil vorliegen.53 Demnach sind als Einlage nur Wirtschaftsguter geeignet, die das Vermogen der Gesellschaft durch Ansatz oder Er- hohung eines Aktivpostens oder durch Verminderung oder Wegfall eines Passivpos- tens erhohen.
Eine Nutzungsuberlassung gegen ein unangemessen niedriges Entgelt fuhrt zu keiner unmittelbaren Vermogensmehrung und demnach auch nicht zu einer verdeckten Einlage.54 Die verdeckte Einlage kommt bei grenzuberschreitenden Finanzierungssach- verhalten demnach zur Anwendung, wenn ein bilanzierungsfahiges Wirtschaftsgut von einer Muttergesellschaft auf eine Tochter- oder Enkelgesellschaft ubertragen wird. Ein reiner Nutzungsvorteil, wie zum Beispiel („z. B.“) die Zinslosigkeit eines Darle- hens, ist kein einlagefahiges Wirtschaftsgut. Ein einlagefahiges Wirtschaftsgut liegt z. B. in Form des Verzichts auf ein Darlehen vor.55
Die verdeckte Einlage darf gem. § 8 Abs. 3 S. 3 KStG das Einkommen nicht erhohen. Bei Vorliegen einer verdeckten Einlage von einer inlandischen Muttergesellschaft in die auslandische Tochtergesellschaft ist der Buchwert der Beteiligung in der Bilanz der Muttergesellschaft durch nachtragliche Anschaffungskosten zu erhohen. Bei einer verdeckten Einlage in eine inlandische Tochtergesellschaft von einer auslandischen Muttergesellschaft ist die Einlage bei der inlandischen Tochtergesellschaft erfolgs- neutral zu verbuchen und erhoht das Einkommen gem. § 8 Abs. 3 S. 3 KStG nicht. Dies wird durch den auBerbilanziellen Abzug der verdeckten Einlage erreicht.56
Der § 1 Abs. 1 AStG kommt bei grenzuberschreitenden Geschaftsbeziehungen zwi- schen einander nahestehenden Personen zur Anwendung.
Ahnlich wie die verdeckte Gewinnausschuttung und die verdeckte Einlage verfolgt auch der § 1 Abs. 1 AStG das Ziel, Einkunfte zu berichtigen, die aufgrund des Gesell- schaftsverhaltnisses zwischen Gesellschaften nicht in der richtigen Hohe ausgewiesen werden. Fur eine Korrektur der Einkunfte nach § 1 Abs. 1 AStG muss es zu einer Minderung des Gewinns eines im Inland ansassigen Steuerpflichtigen gekommen sein. Diese Gewinnminderung muss aus einer Geschaftsbeziehung mit dem Ausland resul- tieren. AuBerdem muss der Geschaftspartner im Ausland eine dem Steuerpflichtigen nahestehende Person sein (siehe Abschnitt 2.1). Zuletzt mussen zwischen beiden Par- teien unubliche Bedingungen vereinbart worden sein, die voneinander unabhangige Dritte, unter den gleichen oder ahnlichen Bedingungen, nicht vereinbart hatten.57
Anders als bei der verdeckten Gewinnausschuttung und der verdeckten Einlage han- delt es sich hierbei aber nicht um einen betriebsinternen Fremdvergleich, sondern um einen betriebsexternen Fremdvergleich. Dieser Unterschied kann in der Praxis zu einer unterschiedlichen Bewertung der Bedingungen des Fremdvergleichs fuhren.
Die Rechtsfolge besteht darin, dass eine Korrektur der vereinbarten Verrechnungs- preise vorgenommen wird. Die Verrechnungspreise werden daraufhin in der Hohe an- gesetzt, wie auch unabhangige Dritte sie miteinander vereinbart hatten.58 Der Korrek- turbetrag wird in Form einer auBerbilanziellen Hinzurechnung bei der Gewinnermitt- lung hinzugerechnet.59
Die Vorschriften des § 1 Abs. 1 AStG haben grundsatzlich einen subsidiaren Charak- ter. Durch eine Neuregelung des § 1 Abs. 1 Satz 4 AStG ab dem Veranlagungszeitraum 2008 wurde klargestellt, dass andere Regelungen, wie die verdeckte Gewinnausschuttung oder die verdeckte Einlage, grundsatzlich Vorrang vor einer Berichtigung nach § 1 AStG haben. Zu beachten istjedoch, dass eine Berichtigung nach § 1 Abs. 1 AStG nicht grundsatzlich dadurch verdrangt wird. Sobaid die Berichtigung nach § 1 Abs. 1 AStG uber die Korrekturen der anderen Vorschriften hinausgeht, ist eine Berichtigung nach § 1 Abs. 1 AStG daneben durchzufuhren.60
Bei der Rechtsnorm des § 1 Abs. 1 AStG kommt es anders als bei der verdeckten Einlage nicht darauf an, dass ein einlagefahiger Vermogensvorteil vorliegt.
Dadurch kommt § 1 Abs. 1 AStG unter anderem als Auffangvorschrift zur Anwen- dung, wenn eine Gewinnberichtigung nicht im Rahmen einer verdeckten Einlage statt- finden kann.61
Vor Einfuhrung des Abzugsverbotes des § 8b Abs. 3 S. 4 ff. KStG ab dem Veranla- gungszeitraum 2008 wurden auBerbilanzielle Korrekturen von Teilwertabschreibun- gen auf Forderungen aus Gesellschafterdarlehen mit Auslandsbezug durch Anwen- dung des § 1 Abs. 1 AStG durchgefuhrt.62
Im Gegensatz zu der verdeckten Gewinnausschuttung und der verdeckten Einlage kommt es bei einer Korrektur nach § 1 Abs. 1 AStG nicht zwingend darauf an, dass ein Gesellschaftsverhaltnis zwischen den Gesellschaften besteht. Eine Korrektur nach § 1 Abs. 1 AStG ist auch unabhangig von einem Gesellschaftsverhaltnis anwendbar, unter andere im Faile einer tatsachlichen Beherrschung durch eine andere Gesellschaft.63 Ein solches Beherrschungsverhaltnis kann z. B. durch eine mit Mehrstimm- rechten ausgestattete, nicht wesentliche Beteiligung, vorliegen.64
Ab dem Veranlagungszeitraum 2008 gilt das Abzugsverbot des § 8b Abs. 3 S. 4 ff. KStG. Diese Regelung enthalt ein grundsatzliches Abzugsverbot fur Gewinnminde- rung im Zusammenhang mit Darlehensforderungen, wenn das Darlehen an eine Gesellschaft gewahrt wurde, an der das betroffene Untemehmen zu mehr als 25 % un- mittelbar oder mittelbar beteiligt ist. Das Abzugsverbot fuhrt zu einer auBerbilanziel- len Hinzurechnung in der Hohe der Gewinnminderung.65
Dieses Abzugsverbot entfalltjedoch nach § 8b Abs. 3 S. 6 KStG, wenn nachgewiesen werden kann, dass die Gewahrung des Darlehens einem Fremdvergleich standhalt und demnach auch ein fremder Dritter das Darlehen unter den gleichen Umstanden gewahrt hatte. Demnach hat diese Regelung neben den weiteren Normen zur Korrektur der Verrechnungspreise eine hohe Relevanz fur die konzerninterne Finanzierung.
Ab Inkrafttreten mit dem Veranlagungszeitrum 2008 gilt, dass der § 8b Abs. 3S.4 ff. KStGvorrangigvorderKorrekturnach § 1 Abs. 1 AStGanzuwendenist.66
Fur den Fall, dass die Rechtsfolgen des § 1 Abs. 1 AStGjedoch weiter greifen als die des § 8b Abs. 3 S. 4 ff. KStG, wendet die Finanzverwaltung § 1 Abs. 1 AStG zur Korrektur an.67 In dem BFH Urteil vom 14. Januar 200968 wurde entschieden, dass die auBerbilanzielle Korrektur nach § 8b Abs. 3 S. 4 ff. KStG nicht ruckwirkend fur Ver- anlagungszeitraume vor 2008 anzuwenden ist.69
Da das Abzugsverbot nach § 8b Abs. 3 S. 4 ff. KStG nur Gewinnminderungen in Zu- sammenhang mit Darlehensforderungen erfasst, bleiben Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, welche innerhalb eines Konzerns von groBer Bedeutung sind, auBer- halb der Reichweite dieser Vorschrift. Dies gilt jedoch nur solange die Forderungen mangels Geltendmachung nicht mit einer Darlehensforderung vergleichbar sind.70
Zu dem internationalen Steuerrecht im engeren Sinne gehoren die Doppelbesteue- rungsabkommen und Teile des Volkerrechts.71
Fur die Ausfuhrungen in dieser Ausarbeitung sind vor allem das OECD-MA und der darin enthaltene Artikel 9 von Bedeutung. Zudem ist das Verhaltnis der Doppelbesteu- erungsabkommen zu den innerstaatlichen Normen zur Korrektur der Einkunfte zu be- achten. Im Folgenden werden diese relevanten Aspekte dargestellt.
Das Musterabkommen zur Beseitigung der Doppelbesteuerung sowie der Steuerver- kurzung und Steuerumgehung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermogen der OECD ist kein geltendes Doppelbesteuerungsabkommen („DBA“) mit rechtlich bindender Wirkung fur die Mitgliedsstaaten der OECD. Das Musterabkommen dient lediglich als Empfehlung bzw. Muster der OECD fur die Mitgliedsstaaten. Bei AbschlieBen eines neuen DBA oder Revidieren eines bestehenden DBA sollen die Staaten die Regelungen des Musterabkommens berucksichtigen.
AuBerdem sollen die Mitgliedsstaaten, die im Musterkommentar zum OECD-MA dar- gelegte Auslegung und die im Kommentar enthaltenen Vorbehalte und Einschrankun- gen, berucksichtigen.72
Festzuhalten ist, dass das OECD-MA lediglich als eine Empfehlung oder Vorlage zu verstehen ist, welches von den Vertragsstaaten bei der Verhandlung eines neuen Dop- pelbesteuerungsabkommens verwendet werden kann.
Neben dem Musterabkommen hat die OECD zur Erlauterung und Klarung besonderer Aspekte von Verrechnungspreisproblematiken und zur Prazisierung des Fremdver- gleichsgrundsatzes besondere „Verrechnungspreisgrundsatze fur multinationale Un- ternehmen und Steuerverwaltungen“ veroffentlicht. Diese Verrechnungspreisrichtli- nien habenjedoch, wie das OECD-MA, keine rechtliche Bindung. Die Richtlinien sollen als ein amtliches, hochrangiges Rechtsgutachten und als eine Orientierungshilfe dienen.73 Da sich gerade Finanzierungsaktivitaten durch die hohe Mobilitat des Kapi- tals fur Gewinnverlagerungsaktivitaten eignen, hat sich die OECD zur Aufgabe ge- macht, ein neues Kapitel mit einem Fokus insbesondere auf den Fremdvergleichs- grundsatz in Bezug auf Finanztransaktionen in ihren OECD-Verrechnungspreisricht- linien aufzunehmen.74
Nach dem BMF-Schreiben vom 23. Februar 1983 zu den Grundsatzen der Einkunfte- abgrenzung bei international verbundenen Unternehmen75, ist die Einkunfteabgren- zung grundsatzlich nach den Rechtsnormen des nationalen Steuerrechts durchzufuh- ren. Dabei ist es unerheblich, ob mit dem auslandischen Staat ein entsprechendes Dop- pelbesteuerungsabkommen abgeschlossen ist oder nicht. Fur den Fall, dass ein DBA mit dem auslandischen Staat Anwendung findet, bilden die Abgrenzungsklauseln dieses DBAjedoch die Grenzen fur die nationalen Korrekturvorschriften.76
Zu beachten ist dabei, dass die DBA keine neuen Berichtigungsmoglichkeiten ermog- lichen, welche uber die nationalen Rechtsnormen hinausgehen.
Auch wenn ein DBA Anwendung findet, sind die Gewinnberichtigungen nur nach den zuvor bereits erlauterten nationalen Rechtsnormen zur Korrektur der Einkunfte mog- lich. Die DBA geben lediglich einen fur beide Staaten verbindlichen Raum fur die Anwendung der innerstaatlichen Berichtigungsnormen.77 So bilden z. B. die Art. 9 Abs. 1 OECD-MA nachgebildeten Vorschriften in DBA zwar keine eigene Rechts- grundlage fur die Korrektur der Einkunfte, sie sperrenjedoch fur ihren Anwendungs- bereich weitergehende nationale Vorschriften zur Einkunftekorrektur.78
Der Artikel 9 OECD-MA beinhaltet den Fremdvergleichsgrundsatz. Wenn „...die bei- den Unternehmen in ihren kaufmannischen oder finanziellen Beziehungen an verein- barte oder auferlegte Bedingungen gebunden sind, die von denen abweichen, die un- abhangige Unternehmen miteinander vereinbaren wurden, so durfen die Gewinne, die eines der Unternehmen ohne diese Bedingungen erzielt hatte, wegen dieser Bedingungen aber nicht erzielt hat, den Gewinnen dieses Unternehmens zugerechnet und ent- sprechend besteuert werden.“79 Diejeweiligen Unternehmensgewinne sollen dort be- steuert werden, wo sie wirtschaftlich entstehen. Dies soil durch Artikel 9 auch fur ver- bundene Unternehmen sichergestellt werden. Der Zweck dieses Artikels liegt dem- nach in der intemationalen Abgrenzung der Einkunfte. Er erlaubt Korrekturen von Gewinnen eines Unternehmens in einem Vertragsstaat, wenn dieses Unternehmen mit einem anderen Unternehmen in dem anderen Vertragsstaat verbunden ist und der Ge- winn des Unternehmens durch fremdunubliche Bedingungen gemindert wurde.80 Durch Artikel 9 sollen die Besteuerungsrechte nach einem einheitlichen MaBstab, nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten, aufgeteilt werden. Voraussetzung fur die Anwendung des Artikel 9 ist, dass die Besteuerungsrechte bereits nach Artikel 7 des OECD- MA zugeordnet wurden. Der Artikel regelt dabei jedoch im Gegensatz zu Artikel 7 nur die Hohe der Einkunfte, keine generelle Zuordnung der Einkunfte. Zudem unter- scheidet sich der Artikel 9 von Artikel 7 dadurch, dass in Artikel 7 eine Aufteilung des Gewinns zwischen dem Stammhaus und dessen Betriebsstatten geregelt ist. Im Gegensatz dazu regelt Artikel 9 die Verteilung zwischen mindestens zwei selbstandigen Unternehmen, die miteinander verbunden sind.
[...]
1 Vgl. Greil, S./Wargowske, L., IStR 2018, S. 535.
2 Vgl. Rein, R., IWB 2019, S. 877.
3 Vgl. Greil, S./Wargowske, L., IStR 2018, S. 535.
4 Vgl. Adrian, G./Heinsen, O., WPg 2019, S. 854; Borstell, T./Engler, G./Vogele, A. (Hrsg.), Verrechnungspreise, 2015, Kapitel P, Rn. 1; Kohler, H./Scholz, C., DStR 2018, S. 17; Nientimp, A./Stein, S./Worm, S., IStR 2016, S. 781; Roglmeier, B., IStR 2018, S. 675; Tenbusch, H.-J., IStR 2017, S. 824.
5 Vgl. Rein, R., IWB 2019, S. 877.
6 Vgl. Kuhn, H.-U., BBK 2019, S. 783.
7 Vgl. Adrian, G./Heinsen, O., WPg 2019, S. 854; Frase, H., BeSt 2019, S. 25.
8 Vgl. Rein, R., IWB 2019, S. 877.
9 Vgl. Rein, R., IWB 2019, S. 877; Wacker, R., DStR 2019, S. 1038.
10 Vgl. Kahlenberg, C./Kempelmann, G./Rieck, J., DB 2019, S. 1752; Numberg, P., NWB 2019, S. 1648.
11 Vgl. Busch, O., DB 2019, S. 1236; Frase, H., BeSt 2019, S. 25; Hagemann, T., BB 2019, S. 2800; Hagemann, T./Luhmann, I./Meger, M., StuB 2019, S. 621; Maetz, P., IStR 2019, S. 490; Schulz- Trieglaff, K., IWB 2019, S. 667; Schumann, T., FR 2019, S. 848.
12 Vgl. Frase, H., BeSt 2019, S. 25.
13 Vgl. Rein, R., IWB 2019, S. 877.
14 Vgl. Numberg, P., NWB 2019, S. 1648.
15 Vgl. Frase, H„ BeSt2019, S. 25.
16 Vgl. Brahler, G., Internationales Steuerrecht, 2014, S. 298.
17 Vgl. Schaumburg, H., Internationales Steuerrecht, 2017, S. 1190-1191.
18 Vgl. Brahler, G., Internationales Steuerrecht, 2014, S. 428; Faust, T./Hull, M./Knies, J.-T., u.a., In ternationales Steuerrecht, 2018, S. 609.
19 Vgl. Brahler, G., Internationales Steuerrecht, 2014, S. 399.
20 Vgl. Faust, T./Hull, M./Knies, J.-T., u.a., Internationales Steuerrecht, 2018, S. 585.
21 Vgl. Hulster, T„ IStR 2016, S. 874; Roglmeier, B., IStR 2018, S. 676.
22 Vgl. Brahler, G., Internationales Steuerrecht, 2014, S. 406-407.
23 Vgl. Faust, T./Hull, M./Knies, J.-T., u.a., Internationales Steuerrecht, 2018, S. 610; Gebel, H.-J., DStR 2019, S. 1897; Lehner, M./Vogel, K.; DBA, 2015, Rn. 145; Schrall, C./Steiner, N./Ullmann, R., Ubg 2019, S. 212.
24 Vgl. Brahler, G., Internationales Steuerrecht, 2014, S. 406-407.
25 Vgl. Brahler, G., Internationales Steuerrecht, 2014, S. 399.
26 Vgl. EY, 2019 Transfer Pricing and International Tax Survey, S. 5; Kohler, H./Neumann, M./Scholz, C.,DStR 2019, S. 704.
27 Vgl. Regli, F./Stocker, R., TPI2019, S. 263.
28 Vgl. Borstell, T./Engler, G./Vogele, A. (Hrsg.), Verrechnungspreise, 2015, Kapitel P, Rn. 14.
29 Vgl. Borstell, T./Engler, G./Vogele, A. (Hrsg.), Verrechnungspreise, 2015, Kapitel P, Rn. 3.
30 Vgl. Borstell, T./Engler, G./Vogele, A. (Hrsg.), Verrechnungspreise, 2015, Kapitel P, Rn. 4-6.
31 Vgl. Borstell, T./Engler, G./Vogele, A. (Hrsg.), Verrechnungspreise, 2015, Kapitel P, Rn. 4-6.
32 Vgl. Borstell, T./Engler, G./Vogele, A. (Hrsg.), Verrechnungspreise, 2015, Kapitel P, Rn. 4-6.
33 Vgl. Borstell, T./Engler, G./Vogele, A. (Hrsg.), Verrechnungspreise, 2015, Kapitel P, Rn. 7-8.
34 Vgl. Ludicke, J./Sistermann, C. (Hrsg.), Untemehmenssteuerrecht, 2018, Rn. 33-36.
35 Vgl. Borstell, T./Engler, G./Vogele, A. (Hrsg.), Verrechnungspreise, 2015, Kapitel P, Rn. 11.
36 Vgl. Brahler, G., Internationales Steuerrecht, 2014, S. 418.
37 Vgl. Faust, T./Hull, M./Knies, J.-T., u.a., Internationales Steuerrecht, 2018, S. 587.
38 Vgl. Faust, T./Hull, M./Knies, J.-T., u.a., Internationales Steuerrecht, 2018, S. 634-636.
39 Vgl. Dawid, R. (Hrsg.), Verrechnungspreise, 2019, S. 43.
40 Vgl. Schaumburg, H., Internationales Steuerrecht, 2017, S. 1173-1175.
41 Vgl. Faust, T./Hull, M./Knies, J.-T., u.a., Internationales Steuerrecht, 2018, S. 591-592.
42 Vgl. R 8.5 Abs. 1 S. 1 KStR.
43 Vgl. Faust, T./Hull, M./Knies, J.-T., u.a., Internationales Steuerrecht, 2018, S. 591-592.
44 Vgl. Brahler, G., Internationales Steuerrecht, 2014, S. 420.
45 Vgl. Faust, T./Hull, M./Knies, J.-T., u.a., Internationales Steuerrecht, 2018, S. 591-592.
46 Vgl. Schaumburg, H., Internationales Steuerrecht, 2017, S. 1177-1178.
47 Vgl. Brahler, G., Internationales Steuerrecht, 2014, S. 422.
48 Vgl. Schaumburg, H., Internationales Steuerrecht, 2017, S. 1180.
49 Vgl. Brahler, G., Internationales Steuerrecht, 2014, S. 423.
50 Vgl. R 8.9 Abs. 1 KStR.
51 Vgl. Faust, T./Hull, M./Knies, J.-T., u.a., Internationales Steuerrecht, 2018, S. 601.
52 Vgl. Brahler, G., Internationales Steuerrecht, 2014, S. 423.
53 Vgl. R 8.9 Abs. 1 KStR.
54 Vgl. Schaumburg, H., Internationales Steuerrecht, 2017, S. 1182.
55 Vgl. Faust, T./Hull, M./Knies, J.-T., u.a., Internationales Steuerrecht, 2018, S. 601.
56 Vgl. Schaumburg, H., Internationales Steuerrecht, 2017, S. 1183.
57 Vgl. Brahler, G., Internationales Steuerrecht, 2014, S. 424-425.
58 Vgl. Brahler, G., Internationales Steuerrecht, 2014, S. 424-425.
59 Vgl. Schaumburg, H., Internationales Steuerrecht, 2017, S. 1194.
60 Vgl. Faust, T./Hull, M./Knies, J.-T., u.a., Internationales Steuerrecht, 2018, S. 607.
61 Vgl. Brahler, G., Internationales Steuerrecht, 2014, S. 424-425.
62 Vgl. Gebel, H.-J., DStR 2019, S. 1897; Schrall, C./Steiner, N./Ullmann, R., Ubg 2019, S. 213; Steiner, N./Ullmann, R., DStR 2019, S. 2387.
63 Vgl. Borstell, T./Engler, G./Vogele, A. (Hrsg.), Verrechnungspreise, 2015, Kapitel A, Rn. 358-360; Druen, K.-D./Frotscher, M., 2020, § 8 KStG, Rn. 29-31.
64 Vgl. Schaumburg, H., Internationales Steuerrecht, 2017, S. 1190-1191.
65 Vgl. Leidel, S., NZG 2019, S. 898.
66 Vgl. Schrall, C./Steiner, N./Ullmann, R., Ubg 2019, S. 212-213.
67 Vgl. Leidel, S„ NZG 2019, S. 900.
68 Vgl. BFH vom 14.1.2009,1R 52/08, BStBl. II 2009, S. 674.
69 Vgl. Schrall, C./Steiner, N./Ullmann, R., Ubg 2019, S. 212-213.
70 Vgl. Hagemann, T„ BB 2019, S. 2801.
71 Vgl. Brahler, G., Internationales Steuerrecht, 2014, S. 1.
72 Vgl. Faust, T./Hull, M./Knies, J.-T., u.a., Internationales Steuerrecht, 2018, S. 191.
73 Vgl. Faust, T./Hull, M./Knies, J.-T., u.a., Internationales Steuerrecht, 2018, S. 429-430.
74 Vgl. Greil, S./Wargowske, L„ IStR 2018, S. 534.
75 Vgl. BMF-Schreibenv. 23.02.1983, BStBlI 1983, S. 218.
76 Vgl. Faust, T./Hull, M./Knies, J.-T., u.a., Internationales Steuerrecht, 2018, S. 588.
77 Vgl. Dawid, R. (Hrsg.), Verrechnungspreise, 2019, S. 16.
78 Vgl. Gebel, H.-J., DStR 2019, S. 1897.
79 Artikel 9 Abs. 1 OECD-MA 2017.
80 Vgl. Faust, T./Hull, M./Knies, J.-T., u.a., Internationales Steuerrecht, 2018, S. 610.
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