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Diplomarbeit, 2006
89 Seiten, Note: 2,3
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Motivation und Problemstellung
1.2 Vorgehensweise
1.3 Klärung der Begrifflichkeiten
1.3.1 Mittelständische Unternehmen
1.3.2 IFRS-Umstellung
2. Aktueller Stand der Rechnungslegung des Deutschen Mittelstands
2.1 Charakteristika des Mittelstands
2.2 Rahmenbedingungen der Rechnungslegung
2.2.1 Gesetzliche Grundlagen
2.2.2 Funktionen der handelsrechtlichen Rechnungslegung
2.2.2.1 Informations- und Rechenschaftsfunktion
2.2.2.2 Ausschüttungsbemessungsfunktion
2.2.2.3 Steuerbemessungsfunktion
2.2.3 Möglichkeiten der Anwendung internationaler Standards
2.3 Empirische Untersuchungen zur Bedeutung der IFRS im Mittelstand
3. Analyse der Vorteilhaftigkeit einer frei-willigen IFRS-Umstellung aus Sicht eines mittelständischen Unternehmens
3.1 Auswirkungen auf die Informationsfunktion der handelsrechtlichen Rechnungslegungsbestandteile
3.1.1 Auswirkungen auf die unterjährige Buchführung
3.1.2 Auswirkungen auf den Einzelabschluss
3.1.3 Auswirkungen auf den Konzernabschluss
3.1.4 Zusammenfassende Beurteilung der Auswirkungen auf die Informationsfunktionen der handelsrechtlichen Rechnungslegungsbestandteile
3.2 Auswirkungen auf die Finanzierungsmöglichkeiten
3.2.1 Auswirkungen auf die Kreditfinanzierung
3.2.2 Auswirkungen auf die Beteiligungsfinanzierung
3.2.3 Zusammenfassende Beurteilung der Auswirkungen auf die Finanzierungsmöglichkeiten
3.3 Auswirkungen auf die Unternehmenssteuerung
3.3.1 Auswirkungen auf die Steuerung eines mittelständischen Unternehmens
3.3.2 Auswirkungen auf die Steuerung eines mittelständischen Konzerns
3.3.3 Zusammenfassende Beurteilung der Auswirkungen auf die Unternehmenssteuerung
3.4 Weitere Entscheidungskriterien aus Sicht des Mittelstands
3.4.1 Kosten einer IFRS-Umstellung
3.4.2 Volumen und Komplexität des IFRS-Regelwerks
3.4.3 Erleichterte Internationalisierung der Geschäftstätigkeit
3.4.4 Verbesserung des Unternehmensimages
3.5 Ergebnisse empirischer Studien
3.5.1 Vorteile einer Umstellung auf die IFRS
3.5.2 Nachteile einer Umstellung auf die IFRS
3.6 Zusammenfassende Beurteilung der Vorteilhaftigkeit einer IFRS-Umstellung und mögliche Handlungsempfehlungen
4. Zur Zukunft der Rechnungslegung in mittelständischen Unternehmen
4.1 Entwicklungen im Bilanzrecht
4.2 IASB-Projekt: Accounting Standards for Non-Publicly Accountable Entities
5. Fazit und Ausblick
Anhang
Literaturverzeichnis
Verzeichnis der verwendeten Rechtsquellen
Eidesstattliche Erklärung
Abb. 1: Höchstgrenzen der Unternehmensgröße für KMU nach unterschiedlichen Definitionen
Abb. 2: Anzahl Mittelständischer Unternehmen nach Rechts- formen
Abb. 3: Anwendung von IFRS nach der IAS-Verordnung
Abb. 4: Untersuchungen zum Kenntnisstand und zur Bedeutung der IFRS im Mittelstand
Abb. 5: Nutzenpotenziale einer IFRS-Anwendung und Handlungs-empfehlungen für mittelständische Unternehmen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die deutsche Rechnungslegung befindet sich seit Mitte der 90er Jahre in einem elementaren Umbruch.[1] Die wirtschaftliche Internationalisierung bringt für viele Unternehmen nicht nur neue Perspektiven hinsichtlich Beschaffung, Produktion und Absatz mit sich, sondern es ergeben sich auch neue Möglichkeiten zur Aufnahme von Fremdkapital oder Anlage von Finanzmitteln in Aktien und Beteiligungen.[2] Gestiegene Informations- und Transparenzanforderungen globaler Kapitalmärkte und deren Marktteilnehmer fordern die Vermittlung international vergleichbarer und entscheidungsrelevanter Informationen.[3] Der Globalisierung der Waren- und Kapitalmärkte ist die Internationalisierung der Rechnungslegung gefolgt.[4] Für deutsche Unternehmen und Investoren kam zu einer steigenden Bedeutung international akzeptierter Rechnungslegungsvorschriften, deren primäre Zielsetzung die Bereitstellung entscheidungsrelevanter Informationen für potenzielle Anleger ist.[5]
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie der deutsche Mittelstand zu diesen Entwicklungen steht.[6] Begründet durch die große Bedeutung des Mittelstands für die deutsche Wirtschaft ist bei einem möglichen Umbruch der Rechnungslegung eine Fokussierung auf dessen Belange berechtigt und geboten.[7] Für mittelständische Unternehmen stellt sich gegenwärtig die Frage, ob sie ihre Bilanzierung freiwillig auf die International Financial Reporting Standards (IFRS) umstellen sollen.[8] Der enorme Bedeutungsanstieg dieser internationalen Rechnungslegungsstandards führt dazu, dass sich mittelständische Unternehmen mit einem für sie fremdartigen und aufwendigen Bilanzierungsregelwerk auseinandersetzen müssen.[9]
Ziel dieser Arbeit ist eine Analyse der Auswirkungen einer freiwilligen Umstellung der Rechnungslegung auf IFRS in mittelständischen Unternehmen. Der Fokus liegt auf einer kritischen Betrachtung derjenigen Auswirkungen, die in der Praxis allgemein als wesentliche Umstellungsmotive bezeichnet werden. Es wird insbesondere herausgearbeitet, inwieweit diese - häufig aus der Sicht börsennotierter Publikumsgesellschaften betrachteten Motive - auch auf eine Umstellung der IFRS-Bilanzierung in mittelständischen Unternehmen zutreffen und ob eine solche Umstellung auch für den deutschen Mittelstand vorteilhaft ist.
Die vorliegende Arbeit ist in 5 Kapitel gegliedert. In Kapitel 1 werden neben der Erläuterung der Motivation und der Vorgehensweise die Begrifflichkeiten 'mittelständische Unternehmen' und 'IFRS-Umstellung' geklärt.
In Kapitel 2 wird der aktuelle Stand der Rechnungslegung im deutschen Mittelstand skizziert. Im Zuge dessen werden zunächst Charakteristika des Mittelstands aufgezeigt. Nachfolgend werden die Rahmenbedingungen der Rechnungslegung mittelständischer Unternehmen wie die gesetzlichen Grundlagen, die Funktionen der handelsrechtlichen Rechnungslegung und die Möglichkeiten der Anwendung der IFRS erläutert. Anhand empirischer Untersuchungsergebnisse wird anschließend die Bedeutung der IFRS im Mittelstand aufgezeigt.
Eine Analyse der Vorteilhaftigkeit einer freiwilligen Umstellung der Rechnungslegung auf IFRS aus Sicht eines mittelständischen Unternehmens erfolgt in Kapitel 3. Hierbei werden die Auswirkungen einer IFRS-Umstellung auf die Informationsfunktion der handelsrechtlichen Rechnungslegungsbestandteile, die Finanzierungsmöglichkeiten und die Unternehmenssteuerung mittelständischer Unternehmen dargestellt. Darüber hinaus werden weitere Entscheidungskriterien wie die Kosten einer IFRS-Umstellung, das Volumen und die Komplexität des IFRS-Regelwerks, die erleichterte Internationalisierung der Geschäftstätigkeit und die Verbesserung des Unternehmensimages betrachtet. Anhand empirischer Studien erfolgt anschließend eine Überprüfung der praktischen Relevanz der einzelnen Kriterien. Im Anschluss daran werden die Erkenntnisse der vorangegangenen Analyse zusammenfassend beurteilt und einige Handlungsempfehlungen für mittelständische Unternehmen gegeben.
In Kapitel 4 wird die mögliche Zukunft der Rechnungslegung in mittelständischen Unternehmen dargestellt. Es werden potentielle Entwicklungen im Bilanzrecht aufgezeigt. Ein Schwerpunkt liegt auf dem IASB-Projekt 'Accounting Standards for Non-Publicly Accountable Entities (NPAE)'.
Die Ergebnisse dieser Arbeit werden in Kapitel 5 zusammengefasst. Des Weiteren erfolgt ein kurzer Ausblick auf die zukünftige Entwicklung der Rechnungslegung mittelständischer Unternehmen.
Der Begriff des mittelständischen Unternehmens ist eine besonders im deutschen Sprachraum übliche Bezeichnung für ein Unternehmen von mittlerer oder kleiner Unternehmensgröße.[10] International ist die Bezeichnung KMU (kleine und mittlere Unternehmen)[11] gebräuchlich, welche sich an einer rein quantitativen, größenorientierten Begriffsabgrenzung orientiert.[12] Es gibt eine Vielzahl quantitativer KMU-Definitionen. Beispielsweise wurden durch die EU-Kommission, den deutschen Gesetzgeber und das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) definitorische Abgrenzungen entwickelt. Die KMU-Höchstgrenzen sind in der folgenden Übersicht dargestellt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Höchstgrenzen der Unternehmensgröße für KMU nach unterschiedlichen Definitionen
Quelle: Mandler (2004), S. 16.
Neben diesen quantitativen gibt es auch qualitative Abgrenzungskriterien, die auf einen spezifischen Betriebstyp abzielen.[15] Gemäß qualitativer Kriterien zeichnet sich ein mittelständisches Unternehmen beispielsweise durch die Einheit von Eigentum und Leitung, eine geringe Anzahl von Hierarchiestufen und durch limitierte Möglichkeiten der externen Kapitalbeschaffung aus.[16]
Im Rahmen dieser Arbeit wird die international gebräuchliche Definition der EU zugrunde gelegt. Demnach sind Mittelständler Unternehmen, die max. 249 Personen beschäftigen und bei denen entweder die Jahresbilanzsumme max. 43 Mio. Euro beträgt oder deren Jahresumsatz sich auf max. 50 Mio. Euro beläuft.
Die IFRS bestehen aktuell aus insgesamt 47 Standards, IAS 1-41 und IFRS 1-6.[17] Der Benennungsunterschied resultiert daraus, dass sich der seit 2001 im Amt befindliche neue Standardsetter (IASB) entschieden hat, die von ihm verabschiedeten Standards IFRS zu nennen.[18] Es gilt also Folgendes: IAS sind Standards, die vom IASC verabschiedet wurden und ohne Einschränkung weiter gültig sind. IFRS sind die neueren Standards, die vom IASB verabschiedet wurden.[19]
Mit dem Begriff IFRS-Umstellung wird die Anwendung der IFRS sowie die der SIC/IFRIC-Interpretationen bezeichnet. Diese Anwendung kann zum einen die Erstellung eines zusätzlichen IFRS-Einzelabschlusses[20] zu Informationszwecken und zum anderen die Erstellung eines befreienden IFRS-Konzernabschlusses umfassen. In der vorliegenden Arbeit werden die Auswirkungen einer IFRS-Umstellung für deutsche mittelständische Unternehmen analysiert, welche i. d. R. nach HGB bilanzieren. Daher wird im Folgenden die Umstellung der Rechnungslegung von HGB auf IFRS betrachtet.[21]
Mittelständische Unternehmen haben in der deutschen Wirtschaft eine große Bedeutung. Nach Angaben des IfM existierten in Deutschland im Jahr 2003 ca. 3,38 Mio. mittelständische Unternehmen[22] mit ca. 19,98 Mio. Beschäftigten.[23] Diese Unternehmen tätigten 41,2 % aller steuerpflichtigen Umsätze und stellten 70,2 % aller Arbeitsplätze sowie 81,9 % aller Ausbildungsplätze in Deutschland zur Verfügung.[24] Diesen Zahlen zu Folge wird der Mittelstand zu Recht als „Rückgrat der deutschen Wirtschaft“[25] bezeichnet.
Charakteristisch für den Mittelstand ist, dass der Gesellschafterkreis häufig identisch ist mit der Geschäftsführung. Informationsasymmetrien zwischen einer großen Anzahl von Gesellschaftern und einem informationsmächtigen Vorstand, welche durch eine allgemeine Publizität und periodische Rechnungslegung ausgeglichen werden muss, liegt in mittelständischen Unternehmen nicht vor.[26]
Die Finanzierung des deutschen Mittelstands ist von der steuerlichen Begünstigung von Fremdkapital geprägt, was im internationalen Vergleich zu einer überdurchschnittlich hohen Fremdkapitalquote führt.[27] Mittelständische Unternehmen nehmen für Finanzierungszwecke den Kapitalmarkt i. d. R. nicht in Anspruch, so dass die Außenfinanzierung eher bankenbasiert als kapitalmarktorientiert ist.[28] Des Weiteren wird die Kreditfinanzierung regelmäßig über eine Hausbank abgewickelt (Relationship-Banking).[29]
Mittelständische Unternehmen treten in verschiedensten Rechtsformen auf. Für das Jahr 2002 ergab sich folgende Struktur:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Anzahl Mittelständischer Unternehmen nach Rechtsformen
Quelle: Statistisches Bundesamt, zitiert nach Günterberg / Kayser (2004), S. 12.
Es überwogen mit 70 % Einzelunternehmen, gefolgt von Kapitalgesellschaften mit 15 % (GmbHs) und Personengesellschaften mit 13 % (KG, OHG).[30]
Grundlage der handelsrechtlichen Bilanzierung mittelständischer Unterneh-men sind die Regelungen des deutschen HGB, ggf. weitere gesellschaftsrechtliche Regelungen[31] und die in § 243 Abs. 1 HGB kodifizierten Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoB).[32] Das deutsche HGB-Bilanz-recht ist rechtsformspezifisch aufgebaut. Die allgemeinen Grundlagen der §§ 238 bis 263 HGB richten sich an sämtliche Kaufleute, während in den §§ 264 bis 289 HGB ergänzende Regelungen für Kapitalgesellschaften zu finden sind.[33] Die handelsrechtliche Rechnungslegung umfasst für alle Unternehmen die allgemeine Buchführungspflicht (§ 238 Abs. 1 HGB) und die Verpflichtung zur jährlichen Aufstellung einer Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung (§ 242 HGB). Von mittelständischen Unternehmen, die ihre wirtschaftlichen Aktivitäten als Kapitalgesellschaft oder haftungsbeschränkte Personengesellschaft i. S. d. § 264a HGB (z. B. GmbH & Co KG) oder als ein dem PublG unterliegendes Unternehmen (§ 5 Abs. 1 PublG) führen, sind zudem ein Anhang und ein Lagebericht[34] zu erstellen (§ 264 HGB).[35]
Mittelständische Unternehmen mit Konzernstrukturen sind darüber hinaus zur Erstellung eines Konzernabschlusses und -lageberichts verpflichtet (§ 290 Abs. 1 HGB). Der Konzernabschluss besteht aus der Konzernbilanz, der Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung, dem Konzernanhang, der Kapitalflussrechnung und dem Eigenkapitalspiegel. Er kann wahlweise um eine Segmentberichterstattung erweitert werden (§ 297 Abs. 1 HGB). Im Mittelstand sind Konzernstrukturen nicht unüblich, da ein Konzern beispielsweise bereits bei einem Mutter-Tochterverhältnis vorliegen kann.[36]
Der Jahresabschluss mittelständischer Unternehmen dient nicht der Rechenschaftslegung und Publizität gegenüber anonymen Kapitalgebern, sondern der Information der Hausbanken und der 'Selbstinformation' der geschäftsführenden Gesellschafter.[37] Die Informationsfunktion wird allerdings nur soweit erfüllt, dass sie der Gläubigerschutz- und der Ausschüttungsbemessungsfunktion nicht entgegensteht.[38] In Deutschland dominiert das Vorsichtsprinzip mit seinen Folgeprinzipien alle Bilanzierungsgrundsätze und schränkt deren eigentliche Funktion, die Lieferung von Informationen für die Abschlussadressaten, zum Teil ein.[39] So wird in § 264 Abs. 2 HGB für Kapitalgesellschaften gefordert, dass der Jahresabschluss unter Beachtung der GoB ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermitteln soll. Nach h. M. bedeutet diese Dezimierung der Informationsfunktion, dass im Zweifel der Grundsatz der Vorsicht den Grundsatz der Darstellung der tatsächlichen Verhältnisse dominiert, so dass ein den 'realen' Verhältnissen entsprechender Gewinn im Konfliktfall nicht ausgewiesen werden soll.[40]
Vom Einzelabschluss zu unterscheiden ist der Konzernabschluss, der gemäß § 298 Abs. 1 HGB keine steuerlichen Wertansätze (mehr) beinhalten und im Rahmen des § 308 Abs. 1 Satz 2 HGB auf die Informationsfunktion ausgerichtet werden kann.[41] Konzernabschlüsse können demnach unabhängig von steuerpolitischen Überlegungen aufgestellt werden und sind außerdem nicht Basis für Gewinnverwendungsbeschlüsse.[42] Während der Einzelabschluss mehrere Funktionen (Informations-, Ausschüttungsbemessungs- und Steuerbemessungsfunktion) erfüllt, ist der Konzernabschluss hauptsächlich ein Informationsinstrument.[43]
Der Zweck der handelsrechtlichen Gewinnermittlung besteht u. a. in der Bemessung des potentiellen Ausschüttungsbetrages.[44] Bei der Ermittlung des Periodenergebnisses für Ausschüttungszwecke stehen die Interessen und der Schutz der Gläubiger im Vordergrund.[45] Das Vorsichtsprinzip dient der Begrenzung des Gewinns auf einen Betrag, der unbedenklich ausgeschüttet werden kann, damit zum Schutz der Gläubiger ausreichend Haftungsmasse im Unternehmen erhalten bleibt.[46] Aus Gründen des Gläubigerschutzes erfolgt durch die handelsrechtlichen GoB eine asymmetrische Abbildung der Chancen und Risiken.[47] Die bewusste Bildung stiller Reserven soll zur Kapitalerhaltung des Unternehmens beitragen und die Gläubiger vor Manipulationen der Eigenkapitalgeber, insbesondere im Zusammenhang mit einem Insolvenzfall, schützen.[48] Bei Kapitalgesellschaften unterliegt die Gewinnverwendung - im Gegensatz zu Einzelunternehmen und Personenhandelsgesellschaften – zusätzlich gesetzlichen Ausschüttungsrestriktionen.[49]
Mittelständische Unternehmen müssen - unabhängig von der Rechtsform - neben der Handelsbilanz eine Steuerbilanz unter Beachtung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes erstellen.[50] Der in § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG kodifizierte Maßgeblichkeitsgrundsatz besagt, dass die Bilanzierung und Bewertung in der Steuerbilanz nach den handelsrechtlichen GoB vorzunehmen ist, sofern keine abweichenden steuerlichen Spezialvorschriften zu beachten sind.[51] Mittelständler stellen ihren Jahresabschluss überwiegend im Hinblick auf die steuerlichen Folgen auf und streben i. d. R. eine Einheitsbilanz an.[52] Mit dem Ziel Steuerstundungseffekte zu erzielen, erfolgen daher Wertansätze häufig unter maximaler Ausnutzung des Vorsichtsprinzips, so dass die Darstellung der tatsächlichen Verhältnisse der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage im Zweifel zurücksteht.[53]
Unter internationalen Standards werden in dieser Arbeit lediglich die IFRS verstanden, obwohl teilweise in der Literatur unter internationaler Berichterstattung sowohl die IFRS als auch die US-GAAP subsumiert werden. Hier wird jedoch der Ansicht gefolgt, dass die US-GAAP keine 'echten' internationalen Vorschriften darstellen, da die Gültigkeit auf das amerikanische Rechtsgebiet beschränkt ist und das Ziel der weltweiten Anwendung nicht verfolgt wird.[54]
Der Rat der Europäischen Union hat am 6. Juni 2002 die Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 (im Folgenden auch als IAS-Verordnung bezeichnet)[55] verabschiedet, welche kapitalmarktorientierte Unternehmen[56] mit Sitz in der EU ab 2005 verpflichtet, ihren Konzernabschluss nach IFRS aufzustellen und offen zulegen.[57] Unternehmen, die den Kapitalmarkt ausschließlich durch die Ausgabe von Fremdkapital (Anleihen) in Anspruch nehmen, wird eine Übergangsfrist bis 2007 gewährt.[58] Von dieser Regelung sind auch einige große mittelständische Unternehmen betroffen.[59] Artikel 5 der Verordnung gewährt den Mitgliedstaaten der EU ein Wahlrecht zur verpflichtenden oder freiwilligen Anwendung der IFRS sowohl für die Konzernabschlüsse nicht kapitalmarktorientierter als auch für die Einzelabschlüsse kapitalmarktorientierter und / oder nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen.[60] Die Ausgestaltungsrechte bezüglich der Anwendung der IFRS nach der IAS-Verordnung sind in folgender Abbildung dargestellt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Anwendung von IFRS nach der IAS-Verordnung
Quelle: Hinz (2005), S. 33.
Im Rahmen des Bilanzrechtsreformgesetzes (BilReG) wurde konkretisiert, wie die IAS-Verordnung in Deutschland umgesetzt werden soll. Gemäß § 315a Abs. 1 HGB sind kapitalmarktorientierte Unternehmen in Deutschland verpflichtet, einen Konzernabschluss nach IFRS aufzustellen. Für nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen hat der Gesetzgeber das Mitgliedsstaatenwahlrecht an die Unternehmen weitergeben.[61] So dürfen gemäß § 315a Abs. 3 Satz 1 HGB auch nicht börsennotierte Unternehmen einen befreienden Konzernabschluss nach IFRS aufstellen.[62] Darüber hinaus dürfen alle Unternehmen einen IFRS-Einzelabschluss zu Informationszwecken erstellen. Große Kapitalgesellschaften i. S. d. § 267 Abs. 3 HGB haben die Möglichkeit den IFRS-Einzelabschluss für Offenlegungszwecke zu nutzen. Allerdings ist die Offenlegung des IFRS-Einzelabschlusses gemäß § 325 Abs. 2a HGB auf die Bekanntgabe der Abschlüsse im Bundesanzeiger beschränkt.[63]
[...]
[1] Vgl. Mandler (2004), S. 29.
[2] Vgl. Schön / Kröninger (2005), S. 85.
[3] Vgl. Böttcher / Burkhardt (2005), S. 57.
[4] Vgl. Lüdenbach (2005), S. 36.
[5] Vgl. Zülch (2005), S. 1.
[6] Vgl. Mandler (2004), S. 2.
[7] Vgl. Benson / Pistorius (2003), S. 129.
[8] Vgl. Wulf / Klein / Azaiz (2005a), S. 261. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Anwendung der IFRS besteht derzeit i. d. R. nicht, vgl. auch Kapitel 2.2.3.
[9] Vgl. Mandler (2004), S. 2.
[10] Vgl. Mandler (2004), S. 13.
[11] Englisch: SME (Small and Medium-sized Entities). Die Begriffe KMU, SME und mittelständisches Unternehmen werden im Rahmen dieser Arbeit synonym verwendet.
[12] Vgl. Mandler (2004), S. 13.
[13] Vgl. EU-Kommission: Empfehlung 2003, AB1. L 124/38.
[14] Für mittelgroße Kapitalgesellschaften wurden die Werte im Rahmen des BilReG an die vierte EG-Richtlinie angepasst; vgl. EU-Kommission: Vierte EG-Richtlinie, 1978, AB1. L222; geändert durch Schwellenwertrichtlinie, 2003, AB1. L 120/22.
[15] Vgl. Oehler (2005), S. 6.
[16] Vgl. Oehler (2005), S. 6f.
[17] Von diesen sind jedoch nicht mehr alle Standards gültig. Für alle ab 2006 gültigen IAS/IFRS s. Anhang A.
[18] Im April 2001 wurde das International Accounting Standards Committee (IASC) vom International Accounting Standards Board (IASB) abgelöst (o. V. (o. J. b): http://www.IFRS-portal.com/Grundlagen/IASB_01.html, letzter Zugriff am 01.03.2006), zur Struktur des IASB s. Anhang B.
[19] Gleichzeitig wird der Begriff IFRS vom IASB auch als Oberbezeichnung verwendet. Dieses Vorgehen wird auch in dieser Arbeit gewählt. Zum Aufbau des IFRS-Regelwer-kes s. Anhang C.
[20] In den weiteren Ausführungen werden die Begriffe Einzelabschluss und Jahresabschluss synonym verwendet.
[21] Vgl. Oehler (2005), S. 5f.
[22] Für die Definition eine mittelständischen Unternehmens (gem. IfM) s. Kapitel 1.3.1.
[23] Vgl. Günterberg / Kayser (2004), S. 5.
[24] Vgl. Günterberg / Kayser (2004), S. 5.
[25] Obermeier (2001), S. 18.
[26] Vgl. Mandler (2003), S. 681.
[27] Vgl. Wulf / Klein / Azaiz (2005a), S. 262.
[28] Vgl. Obermeier (2001), S. 25; Oehler (2005), S. 14.
[29] Vgl. Mandler (2003), S. 681; Puck / Oldag (2003), S. 198.
[30] Vgl. Statistisches Bundesamt, zitiert nach Günterberg / Kayser (2004), S. 12.
[31] Neben dem HGB müssen je nach Rechtsform weitere Gesetze wie das GmbHG oder das AktG befolgt werden.
[32] Vgl. Wulf / Klein / Azaiz (2005b), S. 299. Die konkrete Ausgestaltung der Bilanzvorschriften, deren rechtlichen Rahmen der deutsche Gesetzgeber festlegt, ist in Deutschland zudem in den umfangreichen Bilanzkommentaren zu finden.
[33] Vgl. Buchholz (2003), S. 146.
[34] Auf den Lagebericht wird im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter eingegangen.
[35] Es gibt jedoch größenabhängige Erleichterungen.
[36] Vgl. Behringer (2003), S. 538.
[37] Vgl. Küffner / Hock (1998), S. 75; Mandler (2004), S. 39.
[38] Vgl. Janke / Mietke (2003), S. 753.
[39] Vgl. Janke / Mietke (2003), S. 754.
[40] Vgl. Mandler (2003), S. 680.
[41] Vgl. Mandler (2003), S. 680.
[42] Vgl. Wulf / Klein / Azaiz (2005a), S. 262.
[43] Vgl. Mandler (2003), S. 680.
[44] Vgl. Benson / Pistorius (2003), S. 133.
[45] Vgl. Ammann / Müller (2004), S. 31.
[46] Vgl. Janke / Mietke (2003), S. 753.
[47] Vgl. Kahle (2002), S. 141.
[48] Vgl. Mandler (2004), S. 87.
[49] Vgl. §§ 58 und 150 AktG sowie §§ 29 und 30 GmbHG.
[50] Vgl. Buchholz (2005), S. 31.
[51] Vgl. Oehler (2006a), S. 23.
[52] Vgl. Mandler (2003), S. 681.
[53] Vgl. Mandler (2004), S. 40f.
[54] Vgl. Buchholz (2005), S. 10.
[55] Vgl. Amtsblatt der Europäischen Union 2002 Nr. L 243 vom 11. September 2002, S. 1ff.
[56] Gemäß Art. 4 der IAS-Verordnung gelten solche Gesellschaften als kapitalmarktorientiert, deren Eigenkapital und/oder Fremdkapital am jeweiligen Bilanzstichtag in einem beliebigen Mitgliedstaat an einem geregelten Markt gehandelt wird.
[57] Bis zum 31.12.2004 gab es für bestimmte Konzernunternehmen die Möglichkeit, durch den über das KapAEG eingeführten § 292a HGB, einen befreienden internationalen Konzernabschluss aufzustellen.
[58] Vgl. Art. 9 der IAS-Verordnung.
[59] Vgl. Leibfried / Weber (2003), S. 22.
[60] Vgl. Art. 5 der IAS-Verordnung.
[61] Vgl. Wulf / Klein / Azaiz (2005a), S. 260.
[62] Vgl. Herzig (2005b), S. 102. Befreiend bedeutet in diesem Fall, dass die Pflicht zur Erstellung eines HGB-Konzernabschlusses entfällt.
[63] Vgl. Wulf / Klein / Azaiz (2005a), S. 261. Ein IFRS-Einzelabschluss befreit demnach nicht von der Pflicht zur Aufstellung eines HGB-Einzelabschlusses.