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Diplomarbeit, 2007
82 Seiten, Note: 1,7
Vorwort
Einleitung
1. Verhaltensänderung durch Lernen
1.1. Neuropsychologische Voraussetzungen
1.1.1. Gehirnentwicklung
1.1.2. Gedächtnis
1.2. Wahrnehmung und Sinnessysteme
1.3. Lerntheorien
1.3.1. Lernen durch Einsicht
1.3.2. Konditionierung
1.3.3. Lernen am Modell
1.3.4. Lernen im Schlaf
1.4. Verschiedene Lernformen
2. Motivation als Verhaltensbereitschaft
2.1. Intrinische und extrinische Motivation
2.2. Aufmerksamkeit und Interesse
2.3. Die eigene Zielsetzung
2.4. Selbstwirksamkeit und eigener Antrieb
3. Wechselwirkung zwischen Emotion und Lernen
3.1. Die Wirkung von Emotionen auf den Körper
3.2. Zusammenhang von Emotion und Lernen
3.3. Emotion und Hirnentwicklung
4. Zusammenfassung der bisherigen Erkenntnisse
5. Beeinträchtigungen der Lernförderung
5.1. Neuro-(psycho-)logische Störungen
5.2. Motivationsstörungen
5.2.1. Ursachen für Motivationsstörungen
5.2.2. Folgen von Motivationsstörungen
6. Möglichkeiten der Lern- und Motivationsförderung
6.1. Das Lernverhalten einschätzen
6.2. Förderung der Motivation
6.3. Kritische Anmerkungen
Resümee
Literatur
Anhang
In der folgenden Arbeit möchte ich mich mit dem Zusammenhang von Motivation und Förderung, besonders im Hinblick auf Lernen, beschäftigen.
Zur besseren Lesbarkeit verzichtete ich im Folgenden darauf, weibliche und männliche Personen getrennt zu nennen. Die Verwendung der Begrifflichkeiten schließt immer beide Geschlechter ein. Zudem verwende ich den Begriff „Lehrende“ um sowohl Lehrer wie auch andere unterrichtende bzw. lehrende Pädagogen mit einzubeziehen.
Gegenstand dieser Arbeit ist die Erhaltung von Lernfreude und die Möglichkeit Lernfrust vermeiden zu können. Dies beinhaltet die zentrale Frage: Welchen Einfluss hat Förderung auf Motivation und umgekehrt?
Um möglichst systematisch an die Beantwortung dieser Frage heranzugehen, habe ich die vorliegende Arbeit wie folgt gegliedert:
Zu Beginn werden wissenswerte Informationen und Zusammenhänge von Gehirnentwicklung und Lernen aufgeführt, bevor dann verschiedene Theorien und Formen des Lernens dargestellt werden. Die Erkenntnisse aus den Grundlagen des menschlichen Lernens sind fundamental wichtig für die Zusammenhänge der anschließend aufgeführten Punkte.
Die Erläuterung der Wechselwirkungen zwischen Emotion und Lernen sowie das Zusammenspiel von Motivation und Lernen, werden anschließend beleuchten wie bestimmte Bedingungen und Situationen zu problematischen Entwicklungen in Bezug auf Lernen führen können, während andere Situationen und Bedingungen die Lernfreude positiv fördern. Dabei werden verschiedene Motivationen vorgestellt, die besonders im schulischen Kontext Bedeutsamkeit finden.
Die anschließende Zusammenfassung der ersten Erkenntnisse verdeutlicht zunächst die wichtigsten Grundlagen, die für weitere Maßnahmen einer Motivationsförderung notwendig sind.
Bevor auf konkrete Möglichkeiten der Lern- und Motivationsförderung eingegangen wird, werden Störungsbilder, die Lernförderung beeinträchtigen können, näher erläutert. Dadurch sollen zum einen Begrifflichkeiten, die diese Thematik betreffen, charakterisiert werden und zum anderen Ursachen und Folgen von Motivationsstörungen aufgezeigt werden.
Abschließend wird sich das Augenmerk auf die Diagnosemöglichkeit von den zuvor genannten Störungsbildern richten. Zudem werden Möglichkeiten der Förderung aufgezeigt die Lern- und Motivationsfreude, besonders bei entmutigten Kindern und Kindern mit wenig Initiative, positiv unterstützen. Einen optischen Überblick bieten zusätzlich einige Materialien im Anhang.
Letztendlich werden diese Möglichkeiten der Förderung noch einer kritischen Hinterfragung unterzogen.
Wenn Eltern oder Pädagogen von Förderung sprechen, dann ist in der Regel die Rede von der Aneignung neuer Fähigkeiten und Fertigkeiten oder der Erweiterung bereits bestehender Fähigkeiten und Fertigkeiten. Mit anderen Worten soll also etwas gelernt werden, etwas völlig neues oder etwas zum vorhandenen Wissen und Können hinzu.
Es heißt gelernt wird immer. Manfred Spitzer ein deutscher Psychiater (*1958) schrieb dazu in einer seiner Publikationen: „Wenn man irgendeine Aktivität nennen sollte, für die der Mensch optimiert ist […], dann ist es beim Menschen das Lernen“ (2003, S.10). Lernen ist ein aktiver Prozess der sich permanent vollzieht, denn unser Gehirn ist speziell für die Aufnahme und für die Verarbeitung von Informationen ausgerüstet und lässt in dessen Verlauf ständige Veränderungen im Gehirn abspielen. (vgl. Pfeffer 2005, S.11)
Um Jemanden jedoch überhaupt zum Lernen zu bewegen, oder ihn diesbezüglich zu stärken und zu motivieren, ist es notwendig zu verstehen, wie Lernen funktioniert oder funktionieren kann. Und da der Begriff „Lernen“ für einen ganzen Komplex von Theorien steht, werden im Folgenden zunächst verschiedene Ansätze spezifiziert.
Lerntheorien gehören zum klassischen Bestand der psychologischen Wissenschaften (vgl. Göschke 1999, S.203). In der Psychologie des Lernens werden Verhaltensänderungen, die aufgrund von Erfahrungen zustande kamen, verstanden. Deshalb beschäftigt sich die Psychologie des Lernens hauptsächlich mit Verhaltensbeobachtungen und Verhaltensänderungen. Lerntheorien sind dabei die Versuche, diese gewonnenen Kenntnisse über das Lernen, zu systematisieren und zusammenzufassen. (vgl. Lefrancois 2003, S.8)
Die ersten Lerntheorien im frühen 20. Jahrhundert führten zu der Entstehung des Behaviorismus. Dieser befasst sich beinahe ausschließlich mit Beziehungen zwischen Reizen und Reaktionen. Dem Behaviorismus gegenüber steht der Kognitivismus. In diese Richtung beschäftigen sich Psychologen mit Wahrnehmung, Entscheidungs-, Informationsprozessen und dem Verstehen. (vgl. Lefrancois 2003, S.9). Der Lernbegriff ist jedoch nicht nur ein Grundbegriff in der Psychologie, sondern auch in der Pädagogik (vgl. Gröschke1999, S.203).
Die folgenden Abschnitte beschränken sich überwiegend auf intentionales und funktionales Lernen. Der Begriff „Lernen“ wird somit weitestgehend im pädagogisch-psychologischem Sinne behandelt, da aus dieser Sicht der Grundbegriff Lernen als eine Verhaltensänderung anzusehen ist, die an Entwicklungszielen, Erziehungs- und Bildungsnormen gemessen werden kann, einen positiven Zugewinn für bereits bestehende Fähigkeiten bedeutet und somit einen wichtigen Aspekt in der „Förderung und Motivation im sozialpädagogischen Kontext“ darstellt.
Lernprozesse, die sich vorgeburtlich ereignen, werden an dieser Stelle nicht aufgegriffen, da es sich dabei nicht mehr direkt um das „bewusste“ Lernen und um bestehende Fähigkeiten, sondern um erste Instinkte handelt. Diese sind zwar lebenswichtig, aber aus dem Blickwinkel der Lernmotivation und somit der späteren Förderung im Kindes- und Jugendalter zunehmend unbedeutender.
Der pädagogische Begriff von Lernen basiert auf die erzieherische Unterstützungsbedürftigkeit der lernenden Person. Es wird darunter die von Förderung angewiesene Fähigkeit des Menschen, Vorstellungen, Gewohnheiten, Einstellungen und Verhaltensweisen aufzubauen beziehungsweise zu verändern, verstanden. Bringt lernen dann ein Ergebnis, so sind dies Inhalte des Wissens und Könnens. Nach Bower und Hilgard (1983, S.17) stehen Lernen und Wissen nahezu in derselben Beziehung zueinander, wie Prozess und Ergebnis zueinander stehen oder das Malen zum fertigen Bild. Lernen bedeutet Erfahrungen zu machen, um Wissen und Können zu erwerben und letztlich auch zu besitzen. Damit das Gedächtnis die gelernten Inhalte und gemachten Erfahrungen speichern und bei Bedarf auch wieder abrufen kann. (vgl. Gröschke 1999, S.204)
Lernen kann demzufolge ohne Gedächtnis nicht funktionieren und steht entsprechend auch immer mit dem Gehirn in Verbindung. Ohne funktionierende neurologische Voraussetzungen (dem Gehirn) wäre lernen nicht möglich. Obwohl das Gehirn eines Menschen nur ca. zwei Prozent des Körpergewichtes ausmacht und im Durchschnitt nur etwa 1,4 Kilogramm wiegt, verbraucht es mehr als 20 Prozent der gesamten Energie des Körpers. Ein Fünftel von allem was der Mensch an Nahrung zu sich nimmt geht an das Gehirn. Der Mensch ist lediglich aufgrund seines Gehirns so flexibel und kann sich nur deshalb auf nahezu jegliche Lebensumstände, Aufgaben und Probleme einstellen. (vgl. Spitzer 2003, S.13f)
Bei neurologischen Voraussetzungen, die Lernen und Verhalten überhaupt erst möglich machen, spricht man oft von geistiger, also kognitiver Entwicklung. Kognition ist ein Begriff aus der frühen Psychologie. Gegenwärtig gibt es vielerlei Theorien auf diesem Gebiet. Die meisten dieser Theorien leiten sich von dem Schweizer Entwicklungspsychologen Jean Piaget (*1896; †1980) ab. Kognition in der Psychologie beschäftigt sich mit Prozessen und Strukturen, die das Wahrnehmen, Denken und Erkennen beinhalten (vgl. Gröschke 1999, S.229). Dörner (1984) beschreibt Kognition mit den Worten: „Irgendwie innen und nicht direkt sichtbar“ (vgl. Gröschke 1999, S.227). In der Pädagogik wird der Begriff allgemein für Denkvorgänge genutzt (vgl. Milz 2002, S.201).
Oftmals wird das Gehirn mit Computern verglichen, denn im Prinzip funktioniert es ähnlich wie solch ein Netzwerk. Das Gehirn besteht aus ca. 100 Milliarden Nervenzellen, die mit Nervenbahnen verbunden sind und durch die, bei allem was wir tun, beim Denken, Handeln oder beim Lernen, elektrische Impulse ausgetauscht werden. Die Nervenbahnen bei Neugeborenen sind noch sehr dünn. Mit zunehmendem Alter werden die Nervenbahnen durch die häufigen elektrischen Impulse weiter ausgebaut. Die Nervenfasern werden dicker und es bildet sich eine Art Isolierung aus Myelin. Dadurch können die elektrischen Impulse dann später um ein vielfaches schneller weitergeleitet werden. (vgl. Pfeffer 2005, S.12)
Bereits ab dem dritten Lebensjahr können sich Kontakte, die seit der Geburt angelegt sind, jedoch nicht genutzt wurden, wieder zurückbilden. Es bleiben auf Dauer nur Verbindungen bestehen, die durch Erfahrung und Lernen auch beansprucht wurden. Diesen Prozess beschreibt Pfeffer (2005, S.12) mit folgender, leicht verständlichen Metapher: Verschiedene Häuser sind in einem Landstrich durch Trampelpfade verbunden. Durch die häufige Nutzung verbreitern sich diese Pfade nach und nach. Möchte man auf diesen Pfaden nach gewisser Zeit schneller vorankommen, werden sie geteert und zu Straßen ausgebaut. Pfade die nicht benutzt werden wuchern mit der Zeit zu, es wachsen Gras und Gestrüpp darüber. Diese Pfade verschwinden irgendwann einfach, während auf den ausgebauten Straßen ein reger und schneller Verkehrsfluss herrscht.
Daraus lässt sich ableiten, das es in der Kindheit Zeitabschnitte gibt, in denen bestimmte Erfahrungen gemacht werden müssen, damit auch im späteren Alter noch bestimmte Fähigkeiten erlernt werden können. Bilden sich nämlich nicht genutzte Nervenbahnen zurück, können sie zeitlebens nicht mehr rekonstruiert werden und Fähigkeiten lassen sich nur noch sehr schwer erlernen.
Verdeutlichen lässt sich dies an folgenden zwei Beispielen: Zum einen am Spracherwerb von Wolfskindern, so genannte Kinder, die isoliert von der Menschheit gelebt haben. Wolfskinder können, trotz professioneller Förderung, eine Sprache nicht mehr vollständig erlernen. Gewisse Abweichungen in der Lautbildung oder Grammatik werden bestehen bleiben.
Ein weiteres Beispiel ist die notwendige motorische Fähigkeit, die zum Fahrrad fahren gebraucht wird. Kinder lernen verhältnismäßig schnell und problemlos das Rad fahren. Als Erwachsener wird es zunehmend schwieriger die vielen komplizierten aber notwendigen Bewegungsabläufe zu koordinieren. Selbst dann, wenn der Verstand die Abläufe kennt und durchschaut hat. (vgl. Pfeffer 2005, S.14)
Bereits seit Jahrzehnten versuchen Forscher in der Psychologie den Regeln der Speicherung von Wissen auf den Grund zu kommen. Durch Wärmebildaufnahmen kann nachvollzogen werden, welche Hirnregionen bei bestimmten Handlungen beansprucht werden. Das Gehirn kann seit einigen Jahren in spezifische Regionen aufgeteilt werden, jedoch lassen sich einige Vorgänge im Hirn auch heute noch nicht mit festen Regeln umschreiben.
Die Thematik der neuronalen Wissenschaften ist sehr komplex und nicht direkter Gegenstand dieser Arbeit. Auf Erkenntnisse, die für das Thema Förderung und Lernen jedoch von Bedeutung sind, wird im Folgenden eingegangen.
Wesentliche Funktionen beim Lernen und beim Gedächtnis erfüllen die Großhirnrinde und der so genannte Hippocampus. Der Hippocampus spielt für die kurz- und mittelfristige Speicherung von Gedächtnisinhalten eine wesentliche Rolle. Beim Lernen von Fakten muss der Hippocampus mit dem Kortex zusammenarbeiten. Der Kortex verarbeitet die Reize im Vergleich zum Hippocampus jedoch wesentlich langsamer. Um Informationen, die über den Hippocampus aufgenommen werden, langfristig zu speichern, ist es notwendig, den Kortex zu trainieren. Das bedeutet, dass die aufgenommenen Informationen immer wieder wiederholt werden müssen. Beim Erlernen von Fähigkeiten, wie beispielsweise beim Ski fahren, bedarf es ebenfalls der oftmaligen Wiederholung (Übung), solange bis die Bewegungsabläufe beherrscht werden. Werden jedoch keine Fähigkeiten gelernt, sondern Tatsachen, dann wird die entsprechende Assoziation zunächst im Hippocampus abgespeichert und dieser fungiert dann als Trainer des Kortex und bietet die Informationen immer wieder erneut an. (vgl. Spitzer 2000, S.221f) Beim Erlernen von Tatsachen übernimmt der Hippocampus also die Funktion, die beim Lernen von Fähigkeiten wie Ski fahren, von uns selbst geleistet werden muss.
Die Aufnahmefähigkeit des Hippocampus ist gegenüber dem Kortex sehr begrenzt. Deshalb findet beim Lernen eine Art Wettlauf zwischen dem Zerfall von Informationen im Hippocampus und dem Lernprozess im Kortex statt. Und genau darum führen häufige kurze Übungsphasen schneller zum Erfolg, als seltenere lange Übungsphasen! (vgl. Spitzer 2000 und Spitzer 2003)
Damit Fähigkeiten und Tatsachen überhaupt erlernt werden und vom Gehirn verarbeitet werden können, ist es unabdingbar, erst einmal Reize wahrzunehmen.
Zur Reizaufnahme durch unsere Sinne sind Nervenzellen und Nervenfasern sowie das Gehirn von sehr großer Bedeutung. Die Nervenzellen nehmen die Energie von den Reizen auf und wandeln sie um. Die Nervenzellen und –fasern leiten die Impulse dann weiter und die Zentren der Hirnrinde nehmen die Impulse wieder auf und registrieren sie als Empfindung. (vgl. Hobmair 1997, S.146)
Unter Wahrnehmung wird zunächst die psychophysische Verarbeitung von Informationen unserer Sinnessysteme verstanden. Wahrnehmungsprozesse verschaffen dem Menschen Kenntnisse über Lebensräume, durch die sich orientiert werden kann und durch die es möglich ist, sinnvoll handeln zu können. Wahrnehmung ist zudem ein informationsverarbeitendes System, das sich durch Erfahrung und Lernen selbst organisiert. (vgl. Gröschke 1999, S.192f). „Wo Eindruck ist, da ist auch Ausdruck, so dass Wahrnehmung, Bewegung und Handeln (…) nur künstlich zu trennen sind.“ (Gröschke 1999, S.193)
Über Sinnessysteme nimmt der Mensch jegliche Eindrücke von außen auf, die dann im Gehirn weiterverarbeitet werden (vgl. Pfeffer 2005, S.15). Für die psychischen Funktionen und Fähigkeiten ist das Funktionieren bestimmter anatomischer und physiologischer Grundlagen allerdings Voraussetzung (vgl. Hobmair 1997, S.146).
Rega Schaefgen (*1943 in Berlin) ist Ergo- und Lehrtherapeutin. Sie teilt die Sinnessysteme in zwei Kategorien: Körpersinne und Fernsinne. Zu den Körpersinnen zählt sie das taktile System, welches die Haut umfasst und das viscerale System, welches die inneren Organe meint. Dann das kinästhetische System, dazu gehören die Muskeln, Sehnen und Gelenke und zuletzt das vestibuläre System, also der Gleichgewichtssinn, welcher sich im Innenohr befindet. Zu den Fernsinnen zählt sie das olfaktorische System, also den Geruchssinn und somit die Nase, dann das gustatorische System fürs Schmecken über die Zunge, das auditive System zum Hören über die Ohren, sowie das taktile epikritische System zum Fühlen und Ertasten (gemeint ist hier über die Hände) und das visuelle System zum Sehen. (vgl. Schaefgen 1994)
Sind alle Sinne intakt werden viele wichtige Reize aus der Umwelt für die Sprache, die Intelligenz, das Denken, die Kreativität, das Gedächtnis und das Lernen wahrgenommen. Ist nur ein Sinn nicht intakt, zieht dies bedeutende Konsequenzen mit sich, wie - um an dieser Stelle ein Beispiel zu nennen - bei einer auditiven Sinnesstörung: Es wird versucht einem gehörlosen Kind Sprechen beizubringen. Es soll die korrekte Lautbildung, die fürs Sprechen notwendig ist, lernen, obwohl es die Laute selbst nicht wahrnehmen (hören) kann.
Lernen ist ein ebenso nichtbeobachtbarer Prozess, wie die Wahrnehmung über Sinnessysteme und stellt einen innerpsychischen Vorgang dar. Durch Erfahrungen und Übung wird das Verhalten dauerhaft geändert. Dies kann intentional mit Bewusstsein und Absicht geschehen, zum Beispiel wenn das Spielen eines Musikinstrumentes erlernt wird. Lernen kann aber auch funktional und somit unbewusst geschehen, wenn beispielsweise Verhaltensweisen der Eltern kopiert und unbewusst übernommen werden. (vgl. Hobmair 1996, S.79)
Im Alltag begegnen einem viele Formen des Lernens. Die Wissenschaft beschäftigt sich schon lange mit der Frage wie Lernen funktioniert, und daraus sind auch immer wieder viele verschiedene Lerntheorien entstanden (vgl. Pfeffer 2005, S.18).
Es sei noch einmal kurz erwähnt, das Behavioristen sich lange mit verhaltensbezogenen Forschungen wie Konditionierung beschäftigten, während sich andere Psychologen mehr auf eigenes Erleben und Einstellungen bei Lernvorgängen konzentrierten. (vgl. Pfeffer 2005, S.18) In der heutigen Zeit wird jedoch nicht mehr versucht eine einzige Lerntheorie zu entwickeln, da erkannt wurde, dass alle nachfolgenden Ansätze wertvolle Aspekte beinhalten:
Der US-amerikanische Psychologe Edward Lee Thorndike (*1874; †1949) studierte zunächst das Verhalten und speziell die Lernvorgänge von Tieren. Diese führten ihn später dazu, die Gesetzmäßigkeiten des Lernens durch Versuch und Irrtum zu formulieren. Lernen durch Einsicht ist ein kognitiver Prozess, der sich durch mehrere Phasen zieht: Der Mensch steht vor einem Problem, wenn er ein Ziel hat, aber den Weg dorthin noch nicht kennt. So probiert er ihm bereits bekannte Verhaltensweisen aus, um sein Ziel zu erreichen. Gelangt er jedoch nicht zum Ziel, strukturiert der Mensch seine Verhaltensweisen denkend um und kommt so zu einem plötzlichen „Aha-Erlebnis“, welches ihm die Lösung zu sein scheint. Er setzt seine Gedanken in die Praxis um. Führt diese Handlung nun zum gewünschten Erfolg, wird er in Zukunft diese gefundene Lösung auf ähnliche Probleme übertragen. (vgl. Hobmair 1996, S.172f) Versuch und Irrtum führen am Ende zum Lernen durch Einsicht.
Durch diesen Prozess ist es beispielsweise möglich, ein Regal auf Anhieb in der korrekten Reihenfolge aufzubauen, indem die einzelnen und notwendigen Handlungsschritte zuvor bereits im Geiste überlegt und durchgespielt werden, um so eventuell auftretende Fehler vorwegzunehmen. (vgl. Pfeffer 2005, S.22)
Es gibt zwei Formen der Konditionierung. Iwan Pawlow gilt als Entdecker der klassischen Konditionierung und Burrus Skinner beschrieb die operante Konditionierung (vgl. Pfeffer 2005, S.19).
Der russische Mediziner und Physiologe Pawlow (*1849; †1936) untersuchte ursprünglich die Verdauung bei Tieren. Tiere (und auch Menschen) haben den natürlichen Reflex des Speichelflusses beim Anblick von Nahrung. Da Pawlow jedoch auffiel, dass seine Hunde bereits beim Anblick der futtergebenden Person Speichel absonderten, untersuchte er diese Reaktion genauer. Er ließ bei seinem Experiment vor jeder Futtergabe einen Glockenton erklingen. Nachdem die Hunde diese Koppelung von Glockenton und Fütterung mehrmals erlebt haben, reagierten sie später schon beim reinen Ertönen der Glocke mit Speichelfluss; auch wenn gar keine Futtergabe folgte. Deshalb spricht man bei klassischer Konditionierung auch vom Signallernen. (vgl. Hobmair 1996, S.137f)
Der amerikanische Psychologe Skinner (*1904; †1990) untersuchte das Effektgesetz von Thorndike genauer und versuchte es weiterzuentwickeln. Bei seinen Versuchen sperrte er je eine Ratte in einen Käfig (die so genannte Skinnerbox), in dem sich ein Hebel befand. Das Drücken dieses Hebels hatte jeweils eine Konsequenz zur Folge. Ratte 1 bekam als Konsequenz Futter, wenn sie den Hebel betätigte, Ratte 2 konnte den Strom des Käfigbodens abschalten und Ratte 3 bekam bei der Betätigung des Hebels einen Stromschlag. Nach mehreren Versuchen ließ sich beobachten, dass Ratte 1 und 2 den Hebel jeweils mehrmals betätigten, während Ratte 3 dies unterließ. Durch angenehme Konsequenzen lässt sich das Verhalten also ändern und Skinner nannte dies „Lernen durch Verstärkung“ oder operante Konditionierung. (vgl. Hobmair 1996, S.148f)
Nach Pfeffer (2005, S.19) ist die Konditionierung eine Art zu lernen, wie sie in vielen Formen auch im Alltag vorkommen kann. Sie sollte jedoch nicht absolut und mechanisch betrachtet werden, da Menschen komplexe Wesen sind, bei denen viele innere und äußere Prozesse zusammenwirken.
Der kanadische Lern- und Motivationsforscher Albert Bandura (*1925) befasste sich mit Beobachtung und Nachahmung als Lernprinzip bei Kindern. Kinder orientieren sich daran wie andere etwas machen, daran was andere ihnen vorleben und daran was allgemein üblich ist. Erwachsene sollten sich über ihre Vorbildfunktion also bewusst sein, da es richtungweisend auf Kinder wirken könnte. Bandura stellte zum aggressiven Verhalten von Kindern folgende Untersuchungen an: Er zeigte einigen Kindern Filmausschnitte, in denen aggressiv mit einem Stofftier umgegangen wurde. Anschließend ließ er Kinder unter anderem mit dem selbigen Stofftier spielen. Es ließ sich beobachten, dass die Kinder, die die Filmausschnitte vorher sahen, sich dem Stofftier gegenüber wesentlich häufiger aggressiv verhielten, als die anderen Kinder. (vgl. Pfeffer 2005, S.21)
Da Ursachen für aggressives Verhalten nach heutigem Wissensstand umfassender sind und von vielen Faktoren abhängig sein können, weißt Spitzer (2003, S.361ff) darauf hin, dass Kinder allein aufgrund von Filmausschnitten kein aggressives Verhalten an den Tag legen, wenn zudem auch ein respektvolles und friedliches Verhalten unterstützt und gefördert wird.
Der menschliche Schlaf durchläuft in einer Nacht mehrere Phasen: den Traumschlaf, den traumlosen Schlaf und den Tiefschlaf. Vor 350 Jahren, schrieb Friedrich Logau ein deutsches Sinngedicht, indem er auf folgendes hinwies: „Der Schlaf heißt rücklings falsch, denn er betreugt (betrügt) uns oft, gibt Gold im Traume, gibt, wann wir erwachen, Luft.“ (vgl. Schiller 2006, S.39).
Die Schlafphase, in der der Mensch wieder etwas wacher wird und heftige Augenbewegungen verursacht werden, nennt sich REM-Phase. Diese Schlafzustände wiederholen sich jede Nacht, ca. vier- bis fünfmal. (vgl. Schiller 2006, S.46)
Im Tiefschlaf finden die Verarbeitungsschritte von Eindrücken des Tages statt. Die Gehirnforschung stellte fest, dass die Aufnahme von jeglichen Eindrücken nicht nur im Gehirnareal des Hippocampus stattfindet, sondern der Hippocampus, als unser „flüchtiger Arbeitsspeicher“ und „Trainer des Kortex“ auch im Schlaf sein Wissen immer wieder an den Kortex weiter gibt, damit der Kortex, als unser „Langzeitspeicher“, das Wissen dann auch langfristig behalten kann. (vgl. Spitzer 2003, S.121)
So fungiert der Hippocampus auch im Schlaf als Trainer des Kortex und verhilft zum langzeitigen abspeichern von Informationen. Deshalb ist es wichtig, dass der Mensch ein angemessenes Pensum an Schlaf sicherstellt oder beispielsweise vor Prüfungen frühzeitig mit dem Lernstoff beginnt, um mehrmals darüber schlafen zu können. (vgl. Pfeffer 2005, S.24)
Edelmann (1996) unterschied vier Lernformen, in denen weitere zahlreiche lern-, kognitions- und handlungspsychologische Varianten vorkommen können. Die zwei Lernformen „Reiz-Reaktionslernen“ und „Instrumentelles Lernen“ lassen sich dabei dem Behaviorismus zuordnen und die anderen zwei Lernformen „Begriffsbildung und Wissenserwerb“ sowie „Handeln und Problemlösen“ gehören zum Kognitivismus.
In der pädagogischen Psychologie findet, nach Professor Dr. Dieter Gröschke (1999, S.207) und Lefrancois (2003, S.222) zu urteilen, die Typologie der Lernformen von Robert Mills Gagné (1973, S.37ff) mehr Anwendung. Gagné (*1916; †2002) war lange Zeit im pädagogisch psychologischen Bereich an der Universität Florida tätig und seine Ansätze sind bekannt in der Unterrichtsplanung und Lehrerbildung in den USA (vgl. Wikipedia² 2006). Er unterscheidet - die hier kurz zusammengefassten - acht aufeinander aufbauenden Lerntypen. In ihrer Hierarchie ist der jeweils vorige Lerntyp vorauszusetzen.
Das Signallernen, als Lerntyp I, ist das Lernergebnis einer konditionierten Reaktion nach dem Pawlowschen Modell. Ein weiterer Theoretiker dieses Modells war Watson.
Das Reiz-Reaktionslernen, als Lerntyp II, lehnt sich an das Konditionierungsmodell von Skinner an und beinhaltet die Bildung einer Verbindung zwischen Reiz und Reaktion. Weitere wichtige Theoretiker dieses Modells waren auch Thorndike, Hull und Spence.
Die Kettenbildung oder auch „chaining“, als Lerntyp III, fügt einzelne Reiz-Reaktionsverbindungen (aus Lerntyp II) zu komplexen Ketten zusammen. Es entsteht eine Verbindung von Abfolgen einzelner motorische Reiz-Reaktions-Verhaltensweisen. Theoretiker des Modells waren: Guthrie, Thorndike und Skinner.
Die sprachliche Assoziation, als Lerntyp IV, lässt ein Lernen sprachlicher Ketten stattfinden und ist besonders effizient, weil auf früher Gelerntes und Gespeichertes zurückgegriffen werden kann. Nach den Theoretikern Hebb und Bruner, werden Abfolgen verbaler Reiz-Reaktions-Verhaltensweisen verbunden.
Diskriminationslernen, als Lerntyp V, lässt den Menschen unterschiedliche Bestimmungsreaktionen auf unterschiedliche Reize lernen, die er sorgfältig auseinander halten muss. Neugelerntes tritt also mit früher Gelerntem in Konkurrenz und umgekehrt. Hauptsächlich Bruner, Skinner und Hebb vertraten Ansätze dieser Theorie.
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