Examensarbeit, 2004
99 Seiten, Note: 1,5
1. Einleitende Worte
2. Definitionen und Modelle der Hochbegabung
2.1 Die sechs Definitionsklassen der Hochbegabung von Lucito
2.1.1 Ex-post-facto Definitionen
2.1.2 I.Q.-Definitionen
2.1.3 Soziale Definitionen
2.1.4 Prozentsatzdefinitionen
2.1.5 Kreativitätsdefinitionen
2.1.6 Mehrfaktoren-Definitionen
2.2 Zusammenfassung
2.3 Modelle der Hochbegabung
2.3.1 Drei-Ringe-Modell der Begabung von Renzulli
2.3.2 Komponentenmodell der Talententwicklung von Wieczerkowski und Wagner
2.3.3 Triadisches Interdependenzmodell der Hochbegabung von Mönks
2.3.4. Mehrdimensionales Begabungskonzept von Urban
2.3.5 Differenziertes Begabungs- und Talentmodell von Gagne`
2.3.6 Münchener ( Hoch)Begabungsmodell von Heller, Perleth und Hany
2.3.7 Implizite pentagonale Theorie der Hochbegabung nach Sternberg
2.4 Zusammenfassung
3. Persönlichkeitsmerkmale von hoch begabten Kindern
3.1 Kognitive Persönlichkeitsmerkmale
3.2 Soziale Persönlichkeitsmerkmale
3.3 Emotionale Persönlichkeitsmerkmale
3.4 Andere Persönlichkeitsmerkmale
3.5 Persönlichkeitsmerkmale von Underachievern
4.Diagnose von hoch begabten Kindern
4.1 Notwendigkeit und Bedeutung einer Diagnose bei Hochbegabten
4.2 Diagnoseverfahren zur Identifizierung hoch begabter Kinder
4.3 Objektive (formelle) Diagnoseverfahren
4.3.1 Intelligenztests
4.3.2 Kreativitätstests
4.3.3 Zensuren
4.3.4 Wettbewerbe
4.4 Subjektive (informelle) Diagnoseverfahren
4.4.1 Lehrernomination und Lehrerurteil
4.4.2 Elternauskunft und Elternnomination
4.4.3 Selbstauskunft und Selbstnomination
4.4.4 Peernomination
4.5 Kombination mehrerer Verfahren
4.6 Checklisten
4.7 Risikogruppen
4.7.1 Risikogruppe: Mädchen
4.7.2 Risikogruppe: Kinder aus sozial schwachen oder ethnischen Minderheiten
4.7.3 Risikogruppe: Underachiever
4.7.4 Risikogruppe : Behinderte Kinder
4.7.5 Risikogruppe: Kinder mit Teilleistungsschwächen
5. Probleme von hoch begabten Kindern
5.1 Asynchronien in der Entwicklung
5.2 Schulische Unterforderung und ihre Folgen
5.3 Problem Underachievement: Minderleistung bei hoch begabten Kindern
5.4 Perfektionismus als Problem bei hoch begabten Kindern
5.5 Isolation und Ausgrenzung
5.6 Aggressivität bei hoch begabten Kindern
5.7 Familiäre Konflikte
5.8 Lehrer-Schüler Konflikte
6. Die Förderung hoch begabter Kinder und deren Bedeutung
6.1 Erwartungen an die Lehrerperson für die Förderung von hoch begabten Kindern
6.2 Zielsetzung und Prinzipien einer optimalen Förderung
6.3 Akzeleration
6.3.1 Akzeleration durch frühere Einschulung
6.3.2 Akzelerationsmaßnahme : Überspringen von Klassen
6.3.3 Flexible Eingangsstufe
6.3.4. Akzeleration durch nachträgliche und höhere Einschulung
6.3.5 Akzeleration durch Teilzeitunterricht in höheren Klassen
6.3.6 Akzeleration durch Parallelfachklassen
6.3.7 Weitere akzelerierende Maßnahmen
6.4 Enrichment
6.4.1 Individualisierung durch innere Differenzierung
6.4.2 Enrichment durch äußere Differenzierung
6.4.3 Arbeitsgemeinschaften
6.4.4 Ressourcenzimmer
6.4.5 Wettbewerbe als Möglichkeit des Enrichment
6.4.6 Samstagsschulen
6.5 Separation
7. Abschließende Worte
Literaturverzeichnis
Abb. 1 : Normalverteilungskurve des Intelligenzquotienten und Prozentsatz der Hochbegabten mit 2, 1% in der Gesamtbevölkerung
Abb.2 : Kategorie: „Hochbegabung als Leistung“
Abb.3 : Kategorie: „Hochbegabung als Disposition“
Abb.4 : Drei-Ringe Modell der Begabung von Renzulli (1979)
Abb.5 : Komponentenmodell der Talententwicklung von Wieczerkowski und Wagner (1985)
Abb.6 : Triadisches Interdependenzmodell der Hochbegabung von Mönks (1990)
Abb.7 : Mehrdimensionales Begabungskonzept von Urban (1990)
Abb.8 : Differenziertes Begabungs- und Talentmodell von Gagne` (1993)
Abb.9 : Das Münchener Hochbegabungsmodell von Heller, Perleth und Hany (1994)
Abb.10: Sternbergs implizite pentagonale Theorie der Hochbegabung
Tabelle 1: Lernbedürfnisse hoch begabter Kinder und ihnen entsprechende Unterrichtsverfahren
Hoch begabte fördern?
Das Zusammenbringen des Begriffs Hochbegabung und der Forderung nach besonderer Förderung klingt vielleicht für manche zunächst kontrovers, da vielfach angenommen wird, das Hochbegabte die Sonnenkinder der Gesellschaft sind, denen alles zufliegt. Sie haben gute Noten in der Schule, lernen schneller als die anderen Kinder und üben als Erwachsene verantwortungsvolle und hoch angesehene Berufe aus oder werden berühmte Leute. In den Medien wird über Wunderkinder berichtet, die außergewöhnliche Dinge vollbringen. Generell löst Hochbegabung ein Erstaunen, eine Bewunderung und eine Wertschätzung aus. Wenn jedoch besondere Förderung für diese Kinder verlangt wird, wird von Elitebildung und undemokratischen Absichten gesprochen, wodurch dieses Thema negativ belegt wird. Viele teilen auch die Ansicht, eine Förderung sollte ausschließlich den Schwächeren vorbehalten sein, zum Beispiel ausschließlich Kindern mit Lernschwierigkeiten. Dabei wird vergessen, dass jeder einen Anspruch auf die Entfaltung seiner Persönlichkeit und seiner Fähigkeiten hat.
Es gibt hoch begabte Kinder, in denen Begabungen schlummern, die jedoch aus den unterschiedlichsten Gründen nicht bemerkt werden. Es gibt auch hoch begabte Kinder, die ihre Fähigkeiten nicht in schulische Leistungen umsetzen können und in der Schule versagen. Wenn Begabungen nicht entdeckt werden, enthalten wir diesen Kindern nicht etwas von ihrer Lebensfreude vor? Wenn sie doch bei einer Erkennung und Förderung mehr Erfolgserlebnisse verzeichnen könnten? Was ist mit denjenigen Kindern, bei denen eine hohe Begabung offensichtlich ist, die aber im Schulalltag oder in ihren Familien ständig in ihrem Wissensdurst gebremst werden? Deren viele und vielseitigen Fragen nicht erwünscht sind oder mit ungenügenden Antworten abgespeist werden? Die immer und überall auf andere warten müssen, bis diese ihren Stand erreicht haben? Es gibt Kinder, die komplexer denken und lernen als andere. Sie können mit einem Jahr in ganzen Sätzen sprechen, mit zwei Jahren interessieren sie sich für Zahlen und Buchstaben, mit drei Jahren können sie rechnen, mit vier bereits lesen, alles von sich aus und ohne eine treibende Kraft, mit sechs kommen sie in die Schule..Probleme bleiben nicht aus, die hohen Erwartungen enden meist in einer großen Enttäuschung. Es können sich vielfältigere Probleme bei diesen Kindern entwickeln, wenn ihre hohe Begabung nicht rechtzeitig erkannt und angemessen gefördert wird. Hoch begabte Kinder suchen die Herausforderung und werden selbst zu einer Herausforderung für ihre Umwelt, für ihre Eltern, für die Lehrer, für die Schulen. Aus diesen Überlegungen heraus habe ich das folgende Thema für meine Examensarbeit gewählt:
„Diagnose, Probleme und Förderungsmöglichkeiten hoch begabter Kinder“.
Aufmerksam wurde ich auf diese Thematik durch eine Fernsehsehdokumentation, die über eine Familie mit 8 Kindern berichtete, von denen 7 hoch begabt sind. Ihr Alltag wurde facettenreich dokumentiert, insbesondere wurden die Probleme dieser Kinder und die Vorurteile, mit denen die Familie konfrontiert worden ist, angesprochen. Dadurch wurde ich erstmalig darauf aufmerksam, dass auch diese Kinder besondere und sehr gravierende Probleme haben können. In dieser Familie wurden die Kinder als hoch begabt erkannt, worauf spezifische Förderungsmaßnahmen für diese Kinder in Kraft traten und sich die Situation „normalisierte“. Die Antwort des Vaters auf die Frage der „normal“ begabten Tochter, warum es denn anders sei als die Geschwister, lautete: „Sei froh, dass du ein normales Kind sein darfst“. In dieser Antwort erklingt bereits, dass hoch begabte Kinder es nicht immer leicht haben. Doch wie erkennt man eine hohe Begabung? Welche Probleme haben diese Kinder? Wie kann man sie am besten fördern und ihren Ansprüchen gerecht werden? Welche pädagogischen Einflussmöglichkeiten bestehen?
Bevor diese Fragen in der vorliegenden Arbeit beantwortet werden, soll zunächst der zentrale Begriff der Hochbegabung näher beleuchtet werden. Anhand von Definitionen und Modellen der Hochbegabung soll zunächst die Entwicklung in der Hochbegabtenforschung und der aktuelle Stand zu diesem Thema dargelegt werden. Anschließend wird auf die Persönlichkeitsmerkmale von hoch begabten Kindern näher eingegangen, bevor heute bekannten wichtigsten Diagnoseverfahren vorgestellt werden. Kinder, bei denen die Erkennung einigen erschwerten Bedingungen unterliegt, werden dabei berücksichtigt. Der anschließende Bereich wird die vielfältigen Probleme und deren Ursachen von hoch begabten Kindern näher behandeln. Der Schwerpunkt dieser Arbeit wird im Bereich der Förderungsmaßnahmen liegen, da diese in der Praxis von enormer Bedeutung sind und mich als angehende Lehramtsanwärterin in erster Linie direkt betreffen.
In der Literatur gibt es zur Hochbegabung eine Reihe von Definitionen, die unterschiedlicher nicht sein können. In diesem Kapitel werden einige Definitionen und Modelle, die auf bestimmten Hochbegabungsdefinitionen basieren, vorgestellt und näher untersucht. Zunächst werden ich die sechs Definitionsklassen, die 1964 von Lucito zwecks der Überschaubarkeit aufgestellt wurden (vgl. Feger 1988, S.57, vgl. Graumann 2000, S.55) als Klassifikationssystem und den ihnen zugrunde liegenden Kriterien vorgestellt, um einen Überblick in der Entwicklung der Hochbegabungsforschung zu geben.
Die Ex-post-facto Definitionen bilden die erste Definitionsklasse bei Lucito (vgl. Feger 1988,S.57). In diese Kategorie fallen alle Definitionen, die Hochbegabung mit hervorragenden Leistungen gleichsetzen. Das bedeutet jemand wird als hoch begabt bezeichnet, nachdem eine außerordentliche Leistung vollbracht wurde oder eine Berühmtheit erlangt worden ist und nachträglich die Genialität einer Person festgestellt wurde (vgl. Graumann 2000, S.58).
Holling und Kanning fügen dem hinzu, dass diese Definitionen somit vornehmlich Erwachsene oder Kinder eines höheren Alters in Betracht ziehen können (vgl. Holling & Kanning 1999, S.5).
Die Definitionen, die den Intelligenzquotienten einer Person als ausschlaggebend für eine Hochbegabung betrachten, werden in dieser zweiten Definitionsklasse der I.Q.-Definitionen zusammengefasst. Der erreichte IQ-Wert in einem Intelligenztest gilt somit als Indikator für eine Hochbegabung. Der Grenzwert für eine Hochbegabung liegt bei den meisten Definitionen dieser Klasse bei einem IQ-Wert von 130. In einigen Definitionen variieren die Werte von 125 bis 172 (vgl. Feger 1988, S.58, vgl. Jost 1999, S.9).
Die dritte Definitionsklasse wird als die sozialen Definitionen bezeichnet. Hier erfolgt eine Erweiterung des Begabungskonzepts. Es werden nicht nur die intellektuellen Fähigkeiten betrachtet, sondern auch Sonderbegabungen in einer Vielzahl von anderen Bereichen miteinbezogen (vgl. Feger 1988,S.58). Die soziale Definition wird Leistung gleichgesetzt mit der Fähigkeit zu „wertvollen Handlungen“ (vgl. Graumann2000, S.55). Diese Definitionen implizieren somit eine Wertung der Bereiche, in denen eine hohe Leistung erbracht wird.
Die vierte Klasse der Definitionen betrachtet Hochbegabung aus einem statistischen Blickwinkel, die so genannten Prozentsatzdefinitionen. Laut dieser Definitionen wird eine bestimmte Anzahl der Bevölkerung als hoch begabt angenommen. Meist wird von 2% der Gesamtbevölkerung ausgegangen. Hier bilden als Indikatoren für eine Hochbegabung Zensuren, Schulleistungstests oder auch Intelligenztests die Grundlage für die verwendeten Prozentwerte in den Definitionen (vgl. Feger 1988, S.58). Ausgegangen wird bei diesen Definitionen meist von der Normalverteilungskurve des Intelligenzquotienten.
Abb.1: Normalverteilungskurve des Intelligenzquotienten und Prozentsatz der Hochbegabten mit 2,1% in der Gesamtbevölkerung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Quelle: Heinz Holling, Uwe Peter Kanning : Hochbegabung- Forschungsergebnisse und Fördermöglichkeiten, 1999, Seite 23)
Begabung wird in dieser Definitionsklasse ebenfalls mit Leistung gleichgesetzt, wobei Leistung sehr unterschiedlich definiert sein kann (vgl. Graumann 2000,S.55).
Die nächste Einteilung bilden die Kreativitätsdefinitionen. In diesen Definitionen wird eine ausschließliche Definition nach dem IQ strikt abgelehnt. Kreative und produktive Leistungen werden als Merkmale der Hochbegabung angenommen (vgl. Holling& Kanning 1999,S.6). Graumann fügt dem hinzu, dass jemand hoch begabt ist, wenn etwas Neues und Originelles geschaffen wird (vgl. Graumann 2000, S.56).
Die Mehrfaktoren-Definitionen versuchen ein viel weiteres Feld der Begabungen einzubringen. Einbezogen werden hier auch die Bedeutung der Umwelt und der Erziehung. Die von Lucito selbst entwickelte multifaktorielle Definition lautet: ,, Hochbegabt sind jene Schüler, deren potentielle intellektuelle Fähigkeiten sowohl im produktiven als auch im kritisch bewertendem Denken ein derartig hohes Niveau haben, dass begründet zu vermuten ist, dass sie diejenigen sind, die in der Zukunft Probleme lösen, Innovationen einführen und die Kultur kritisch bewerten, wenn sie adäquate Bedingungen der Erziehung erhalten“
(Lucito 1964, nach Feger&Prado 1998,S.31).Lucito (1964) spricht von
,potentiellen Fähigkeiten“, d.h. die Fähigkeiten müssen sich noch nicht in Leistungen manifestiert haben, sondern sind als Anlagen vorhanden, die entfaltet werden können bzw. sollten. Außerdem fordert er „adäquate Bedingungen der Erziehung“ und deutet auf die besondere Bedeutung einer erzieherischen Förderung hin. Als zweite Definition der Hochbegabung wird an dieser Stelle die Definition von Marland angebracht, die auch dieser Kategorie zugeordnet werden kann. Diese wurde 1972 in den USA von einer Kommission unter der Leitung des Abgeordneten Marland entwickelt und lautet folgendermaßen:
„Hoch begabte und talentierte Kinder sind jene, von berufsmäßig qualifizierten Personen identifizierten Kinder, die aufgrund außergewöhnlicher Fähigkeiten hohe Leistungen zu erbringen vermögen. Um ihren Beitrag für sich und für die Gesellschaft zu realisieren, benötigen diese Kinder die Bereitstellung
differenzierter pädagogischer Programme und Hilfestellungen, die über die normalen, regulären Schulprogramme hinausgehen. Kinder, die zu hohen Leistungen fähig sind, schließen solche mit gezeigten Leistungen und/oder mit potentiellen Fähigkeiten in irgendeinem der folgenden Bereiche mit ein:
1. Allgemeine intellektuelle Fähigkeit
2.Spezifische akademische (schulische ) Eignung
3.Kreatives und produktives Denken
4.Führungsfähigkeiten
5.Bildnerische und darstellende Künste
6. Psychomotorische Fähigkeiten
(Marland 1972, nach Feger 1988, S.72).
Dieser Definition versucht, mehrere Begabungsfelder einzubeziehen. Die Forschung hatte sich zuvor vermehrt in Richtung von Theorien bewegt, die eine Mehrfaktorialität der Hochbegabung annahmen und sich von der Vorstellung entfernt, Hochbegabung lediglich als hohe intellektuelle Fähigkeit zu verstehen.
Eine „neuere“ Definition konzipierte Heller 1990, der später auch das Münchener Begabungsmodell entwickelt hat (siehe 2.3.6 Modelle).Heller definiert Hochbegabung folgendermaßen: „Hochbegabung definieren wir als individuelle kognitive, motivationale und soziale Möglichkeit, Höchstleistungen in einem oder mehreren Bereich/en zu erbringen, z.B. auf sprachlichem, mathematischem, naturwissenschaftlichem vs. technischem oder künstlerischem Gebiet, und zwar bezüglich theoretischer und/ oder praktischer Aufgabenstellung“
(Heller (1990), nach Tettenborn 1996, S.14). „Neu“ an dieser Definition im Vergleich zu den vorher erwähnten, ist der motivationale Aspekt. Ob eine Leistung erbracht wird, bei vorhandener Begabung, hängt auch von der Motivation ab.
In einigen Definitionen wird Hochbegabung allein als eine hohe intellektuelle Fähigkeit verstanden (vor allem in den älteren Definitionen), andere wiederum versuchen ein viel weiteres Feld der Begabungen einzubringen. Die sechs Definitionsklassen nach Lucito wurden anhand ihrer Kriterien vorgestellt. Anzumerken ist, dass diese sich nicht gegenseitig ausschließen müssen, es besteht die Möglichkeit, dass eine Definition mehreren Klassen zugeordnet werden kann (vgl. Holling & Kanning 1999, S.6). Die Frage ist nun, welche Definitionen am brauchbarsten sind, um eine Erkennung zu ermöglichen, da diese Arbeit sich in Richtung Diagnoseverfahren und Förderungsmöglichkeiten bewegen möchte. Deshalb müssen die Definitionen bestimmte Kriterien der Hochbegabung beinhalten, die eine Orientierung in diese Richtung ermöglichen. Auch erscheint es wichtig von einer Definition auszugehen, die Hochbegabung nicht ausschließlich als hervorgebrachte Höchstleistung betrachtet. Die Ex-post-facto Definitionen scheiden im Vorfeld aus, da diese wie erwähnt, von einer gezeigten hohen Leistung ausgehen, die ein Indiz einer hohen Begabung darstellt. Diese Definitionen können als „Rückschlussmodelle“ bezeichnet werden, die Vorhersage einer Entwicklung wird durch sie nicht gegeben.
Die I.Q.-Definitionen sind nach dem heutigen Verständnis von Intelligenz und Hochbegabung zu eng gefasst, da sie sich ausschließlich auf die intellektuellen Fähigkeiten beschränken, die anhand von Intelligenztests gemessen wurden. In den mehrfaktoriellen Definitionen ist bereits die kognitive Leistungsfähigkeit enthalten. Die sozialen Definitionen wiederum werfen die Schwierigkeit auf, welche Begabungen nun gemeint sind, da das Spektrum sehr weit ist. Die Förderung von speziellen Fähigkeiten ist für das Individuum, sowohl auch für die Gesellschaft von enormer Bedeutung, die Schwierigkeit liegt bei der Auswahl dieser speziellen Begabungen. Prozentsatzdefinitionen sind unter dem Gesichtspunkt der Diagnose ebenfalls nicht hilfreich. Definitionen, die lediglich die Kreativität umfassen, sind wiederum zu eng gefasst, da man das intellektuelle Potential vernachlässigt. Hier ergibt sich auch die Schwierigkeit, wie man Kreativität messen soll. Daher erscheinen die mehrfaktoriellen Definitionen angebracht. In der Definition von Lucito sind wichtige Bestandteile wie „potentielle intellektuelle Fähigkeiten“ und „produktives und kritisches-bewertendes Denken“, beides auf einem „hohen Niveau“, „Problemlösefähigkeit, Innovationen“ und „adäquate Bedingungen der Erziehung“ enthalten, die besonders wichtig erscheinen. Der Förderungs- und Identifizierungsaspekt klingt in der Marlanddefinition ebenfalls in einer ausgeprägten Weise an. Die Identifizierung soll durch „geschultes Personal“ erfolgen. Außergewöhnliche Fähigkeiten können, müssen aber nicht zwangsläufig in hohe Leistungen umgesetzt werden, die so genannten „Underachiever“(hochbegabte Kinder mit geringen schulischen Leistungen) werden in dieser Definition mit erfasst.
In der Definition von Heller ist dieser Aspekt ebenfalls enthalten. Weiterhin ist eine Differenzierung der Begabungsfelder, wie auch in der Marlanddefinition, enthalten.
Modelle werden in der Forschung konstruiert, um komplizierte Sachverhalte in einer einfacheren, symbolartigen Weise verständnisvoll darzustellen. Auch zur Hochbegabung existieren Modelle, die versuchen, dieses komplexe Gefüge schemenhaft darzustellen. Im Folgenden werden einige Modelle vorgestellt und näher erläutert. Diese Modelle sind in der zeitlichen Reihenfolge ihrer Entstehung angeordnet und spiegeln die Entwicklung in der Hochbegabungsforschung wider.
„Neu“ soll in diesem Zusammenhang nicht unbedingt ein „besser“ bedeuten. Es kommt auf den Blickwinkel an, aus der man die Sache betrachtet. Menschen zeichnen sich dadurch aus, dass sie über ein und dieselbe Sache verschiedene Ansichten haben können. Es gibt auch verschiedene Gründe und Ausgangssituationen für eine Modellkonstruktion, da unterschiedliche Ziele verfolgt werden. Einige möchten über Modelle Diagnoseverfahren entwickeln, andere wiederum so viele Begabungsaspekte wie möglich in ihr Modell einbringen, andere wiederum spezialisieren sich auf die Wirkung der Umwelt auf die Begabungsentwicklung. Wie bei den Definitionen gibt es auch bei den Modellen Klassifizierungen. Holling und Kanning (1999)unterscheiden die Modelle der Hochbegabung in zwei Kategorien. Die erste Kategorie wird als „Hochbegabung als Leistung“ bezeichnet. Hierzu zählen Modelle, die Hochbegabung für beobachtbar halten und somit nur die sichtbaren, weit überdurchschnittlichen Leistungen als Indizien einer Hochbegabung betrachten( vgl. Holling & Kanning 1999,S.6).
Abb.2 : Kategorie „Hochbegabung als Leistung“
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Quelle: Heinz Holling, Uwe Peter Kanning : Hochbegabung- Forschungsergebnisse und Fördermöglichkeiten, 1999, Seite 6)
Die zweite Kategorie wird bei Holling und Kanning als „Hochbegabung als Disposition“ bezeichnet. Bei diesen Modellen wird Hochbegabung als Voraussetzung verstanden, aus der hohe intellektuelle, musikalische, künstlerische, sportliche Fähigkeiten entspringen können. Diese müssen sich nicht immer in einer vollbrachten Höchstleistung manifestieren
(vgl. Holling & Kanning 1999, S.7).
Abb.3: Kategorie: „Hochbegabung als Disposition“
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Quelle: Heinz Holling, Uwe Peter Kanning : Hochbegabung- Forschungsergebnisse und Fördermöglichkeiten, 1999, Seite 7)
Bei beiden Modellformen wird deutlich, dass zu den Anlagen eine zweite Instanz ins Spiel kommt, die Umwelt- und Persönlichkeitsfaktoren, durch deren Einfluss es zu sichtbaren Leistungen kommen kann, oder auch nicht. Hier ist der Spielraum, indem pädagogische Maßnahmen ihren Einfluss finden.
Auch Mönks und Ypenburg (2000) haben eine Kategorisierung der Hochbegabungsmodelle vorgenommen. Sie unterscheiden Hochbegabungsmodelle in vier Kategorien. Die erste Gruppe bilden die Fähigkeitsmodelle. Zu dieser Gruppe zählen Modelle, die davon ausgehen, dass geistige Fähigkeiten im frühen Alter festgestellt werden können, sich im Laufe des Lebens nicht verändern und im Erwachsenenalter in besonderer Leistung zum Ausdruck kommen. Diese Vorstellung ist in der aktuellen Forschung widerlegt worden (vgl. Mönks & Ypenburg 2000, S. 15). Die zweite Gruppe bilden die kognitiven Komponentenmodelle. Bei diesen Modellen bilden die Prozesse der Informationsverarbeitung den zentralen Gegenstand der Untersuchung. Nicht das Endprodukt, sondern der Weg dorthin und die wirkenden Einflüsse werden untersucht (vgl. Mönks& Ypenburg 2000, S.17). Als dritte Kategorie führen sie die leistungsorientierten Modelle an. Diese Modelle unterscheiden zwischen Anlagen und verwirklichten Anlagen. Nicht alle Anlagen werden automatisch umgesetzt oder entwickelt. Die Ursachen, die sich auf diese Entwicklung, sei es fördernder oder hemmender Art, werden in der Umwelt des Kindes vermutet. Diese Modelle sind zielorientiert und an der optimalen Förderung durch die Umwelt interessiert, da durch eine geeignete Förderung vorhandene Anlagen entfaltet werden können
(vgl. Mönks& Ypenburg 2000, S.18). Die vierte Kategorie bilden die soziokulturell orientierten Modelle. Diese gehen davon aus, dass sich Hochbegabung nur bei einem günstigen Zusammenwirken von individuellen und sozialen Faktoren verwirklichen kann. Hier kommen zusätzlich individuelle Faktoren hinzu, die sich von Person zu Person unterscheiden (vgl. Mönks& Ypenburg 2000, S.19).
Renzulli hat 1979 sein Drei-Ringe-Modell der (Hoch)Begabung entwickelt. Dieses Modell hat am meisten Beachtung in der pädagogisch orientierten Hochbegabungsliteratur, weniger aber in der Identifikationspraxis, gefunden
(vgl. Freund- Braier 2000, S.26). Vor Renzulli wurde in der Begabungsforschung versucht, das Geheimnis der Intelligenz zu lüften und ist zu dem Ergebnis gelangt: Intelligenz ist das, was der Intelligenztest misst. Renzullis Modell führte aus dieser Sackgasse heraus, indem er das Begabungskonzept für die pädagogische Intervention öffnete (vgl. Oswald 2002, S.35). Außerdem beginnt hier die Entwicklung von Modellen, die mehrfaktoriell angelegt sind.
Abb.4: Drei-Ringe-Modell der Begabung von Renzulli ( 1979)
Begabung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Quelle: Heinz Holling, Uwe Peter Kanning : Hochbegabung- Forschungsergebnisse und Fördermöglichkeiten, 1999, Seite 9)
Durch den Miteinbezug von „Kreativität“ und „Aufgabenverpflichtung“ integriert Renzulli erstmalig soziale und personale Faktoren als gesonderte, auf die Leistungen wirkende Größen in einem Begabungsmodell. Kreativität wird in der Forschung als die Fähigkeit angesehen, divergent denken zu können, d.h. möglichst viele Wege und Ideen zu entwickeln, um ein Problem zu lösen. Dabei spielt eine gewisse Flexibilität eine Rolle, die gefundenen Lösungsstrategien sollten vielfältig und verschieden sein und werden als originell bezeichnet, wenn sie selten sind (vgl. Holling& Kanning 1999, S.8). Indirekt fordert Renzulli mit seinem Modell eine Umwelt, die Kreativität zulässt und ein Interesse bei der Person an der Sache selbst voraussetzt. Nach Oswald (2002) vermitteln MehrFaktoren-Konzepte die Erkenntnis, dass „Begabung“ grundsätzlich aus dem Zusammenwirken von besonderen, überdurchschnittlichen(allgemeinen und speziellen) Fähigkeiten mit Kreativität und Motivation bzw. Einsatzbereitschaft der Einwirkung von förderlichen Umweltbegebenheiten erklärbar ist, bzw. das sie nur in diesem Zusammenspiel entstehen kann (vgl. Oswald 2002, S.37).
Nach Renzulli bildet sich Begabung aus der Schnittmenge dreier Personenmerkmale. Diese Merkmale sind die „überdurchschnittlichen Fähigkeiten“, die „Kreativität“ und die „Aufgabenverpflichtung bzw. die Aufgabenorientierung“. Überdurchschnittliche Leistungen umfassen sowohl die allgemeinen kognitiven, als auch die speziellen Fähigkeiten. Diese Fähigkeiten sind bei einer Hochbegabung von einem hohen Niveau, für die kognitiven Fähigkeiten beispielsweise ein erhöhtes abstraktes Denkvermögen oder sprachliches Geschick, für die speziellen Fähigkeiten ein enormes Wissen in verschiedenen Bereichen. Kreativität wird auch bei Renzulli, wie vorhin erläutert, als Fähigkeit zum divergenten Denken verstanden (vgl. Holling & Kanning 1999, S.8). Unter Aufgabenverpflichtung versteht Renzulli die Fähigkeit, sich über einen längeren Zeitraum intensiv mit einer Aufgabe beschäftigen zu können. Die Aufgabenverpflichtung enthält kognitive, motivationale und emotionale Aspekte. Sie kann auch als Willensstärke bezeichnet werden, ein vorgenommenes Ziel zu erreichen und Pläne über einen längeren Zeitraum zu entwickeln, um diese Ziele zu erreichen
(vgl. Holling& Kanning 1999, S.9). Hochbegabung bildet sich nach Renzulli aus diesen drei Komponenten, wenn sie in einem hohen Ausmaß vorhanden sind und in einer optimalen Verbindung zueinander stehen. Nur in dieser optimalen Verbindung bewirken diese drei Komponenten die Herausbildung von Begabung, bzw. spiegeln sich in hoher Leistung wider. Begabung wird bei Renzulli gleichgesetzt mit Leistung und man wird nicht hoch begabt geboren, sondern entwickelt hoch begabtes Verhalten (vgl. Holling & Kanning 1999, S.8 f).
Renzullis Modell soll diese Aussage bekräftigen und lässt somit Freiraum für äußere Einflüsse in dieser Entwicklung, erwähnt diese jedoch nicht explizit in seinem Modell. Er vertritt die Ansicht, dass die wahren Hochbegabten durch einen Intelligenztest nicht erkannt werden und fordert eine alleinige Diagnose durch Eltern-, Lehrer-, und Peernomination (siehe 4.4.1 f) (vgl. Freund-Braier 2001, S.27). Nach diesem Modell ist auch ein Intelligenztest allein zur Feststellung von Hochbegabung gar nicht möglich, da Hochbegabung nicht nur als intellektuelle Fähigkeit verstanden wird. Es müssten weitere Verfahren angewandt werden, die die Kreativität und die Motivation einer Person bei der Diagnose mitberücksichtigen. An Renzullis Modell ist zu kritisieren, dass Begabung mit Leistung gleichgesetzt wird. Dass dies nicht immer der Fall ist, zeigt sich in der Gruppe der Underachiever.
Auch zeichnen sich nicht alle Hochbegabten durch eine außerordentliche Kreativität aus. Somit schließt Renzulli mit seinem Modell die Gruppe der von der Kreativität und Motivation her benachteiligten Hochbegabten aus. Außerdem erwähnt Renzulli nicht, welche Bereiche nun auf die „optimale“ Verbindung seiner Komponenten einwirken, diese werden seinem Modell nicht deutlich.
Aufgrund einiger Mängel in Renzullis Modell entwickelten Wieczerkowski und Wagner 1985 eine Erweiterung und nannten es das Komponentenmodell der Talententwicklung. In diesem Modell wird zwischen Begabung und Talent unterschieden. Begabung ist bei Wieczerkowski und Wagner der Bereich, den Renzulli mit „überdurchschnittliche Fähigkeiten“ bezeichnet. Begabung ist hier die Voraussetzung zur Entwicklung von Talent.
Abb.5: Komponentenmodell der Talententwicklung von Wieczerkowski und
Wagner (1985)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Quelle: Heinz Holling, Uwe Peter Kanning : Hochbegabung- Forschungsergebnisse und Fördermöglichkeiten, 1999, Seite 10)
Talent ersetzt hier den Bereich der Begabung von Renzulli, die mit Leistung gleichgesetzt wurde. Talent bedeutet also die tatsächlich realisierte Ausführung der Begabungen, wird also aus dem Potential Begabung heraus entwickelt. Der Bereich Aufgabenverpflichtung bei Renzulli wurde hier in Motivation und Umwelt umbenannt .Renzulli meinte bereits damit die Motivation und den Willen, sich intensiv mit einer Aufgabe zu beschäftigen. Ergänzt wird hier der Bereich der Umwelt und deren Einfluss und Bedeutung auf das Talent. Beide beinhalten wirkende Kräfte, die Motivation aus dem Kind heraus als intrinsische Kraft und die von außen wirkenden Einflüsse der Umwelt. Man kann dies, wenn man die Einflüsse der Umwelt als fördernd voraussetzt als Bekräftigung und Unterstützung im Vorhaben verstehen. Nach Wieczerkowski und Wagner bilden also die vorhandenen Begabungen, die positive Unterstützung der Umwelt, die motivierte Einstellung des Kindes und das Potenzial an Kreativität die Bedingungen, um Talent, gemeint ist Leistung, zu entwickeln. Diese Komponenten müssen in einer geeigneten Konstellation zueinander stehen. Durch die differenzierte Zuordnung bestimmter Eigenschaften und Fähigkeiten zu den Kreisen charakterisieren Wieczerkowski und Wagner diese drei Komponenten. Dem Kreis der Begabung werden die intellektuelle Begabung, die künstlerische Begabung, die psychomotorische Begabung und die soziale Begabung zugeordnet. Der Kreativität kommen die in der Forschung vielfach genannten Merkmale des divergenten Denkens, der Originalität, die Phantasie, die Flexibilität und die Einfallsfülle der Ideen hinzu. Im Bereich der Motivation und der Umwelt werden Persönlichkeitsmerkmale wie Fleiß und Ausdauer, Ehrgeiz und emotionale Stabilität, sowie äußere Einflüsse, wie Annerkennung durch die Umwelt und eine optimale Förderung, genannt.
Man stelle sich die äußeren Felder als nach innen drückende Kräfte vor und die inneren Kreise des Modells als nebeneinander stehend. Wenn die Kraft bzw. das Ausmaß der äußeren Felder sehr groß ist, werden die inneren Kreise zueinander und ineinander gedrückt so dass eine Schnittfläche entsteht. Deren Größe ist von der Kraft der äußeren Felder abhängig. Diese Schnittfläche ist das Talent. Inhaltlich betrachtet, benennen die äußeren Felder Merkmale der im Kreis benannten Bereiche. Richtigerweise müsste man sich die Kreise als zueinander bewegend vorstellen.
Bei der Betrachtung des Modells tat sich der Gedanke, dies wie vorhin beschrieben zu sehen, weil auch Wieczerkowski und Wagner von einer optimalen Verbindung der drei Bereiche sprechen. Diese Betrachtungsweise würde die Bedingungen der Talententwicklung und wie diese optimale Verbindung zustande kommen kann erklären. Positiv anzumerken ist bei diesem Modell die Annahme, dass Hochbegabung nicht gleichgesetzt wird mit Leistung und die äußeren Einflüsse der Umwelt miteinbezogen werden. Problematisch erweist sich der Begriff Talent. Dies wird auch von Holling und Kanning kritisiert.
„Kritisch anzumerken ist, dass der Begriff „Talent“ im Deutschen Sprachraum stark mit einer genetischen Disposition assoziiert ist“
(Holling& Kanning 1999, S.11) Der Begriff Talent wird in der Alltagssprache mehr im musikalischen und sportlichen Bereich verwendet. Außerdem wird als Talent oft keine Entwicklung verstanden.Wieczerkowski und Wagner verwenden jedoch diesen Begriff, um eine Entwicklung zu beschreiben. Hier existiert ein Problem der Begrifflichkeit. Dieser wäre leicht zu beheben wenn Talent mit außergewöhnlicher oder herausragender Leistung ersetzt werden würde.
Das triadische Interdependenzmodell der Hochbegabung wurde 1990 von Mönks entwickelt. Sie ist auch eine Erweiterung des Drei-Ringe-Modells von Renzulli. Die Erweiterung besteht in der Hinzunahme des sozialen Umfelds als fördernde im positiven,und hemmende Kraft im negativen Sinne, die sich auf die Entwicklung von Hochbegabung auswirkt. Holling und Kanning merken hierzu an: „Mönks geht in seinem Modell von der heute in der Entwicklungspsychologie vorherrschenden Auffassung aus, dass das richtige Zusammentreffen von individuellen Anlagen und Bedürfnissen mit einer verständnisvollen und förderlichen Umwelt für die Entwicklung von entscheidender Bedeutung ist. Das von einer Person gezeigte Verhalten und die in ihr aktualisierten und manifesten Motive sind Ergebnis der Interaktion zwischen individuellen Anlagen und sozialer Umgebung“( vgl. Holling& Kanning 1999, S.11).
Abb.6: Triadisches Interdependenzmodell der Hochbegabung von Mönks (1990)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Quelle: Franz J. Mönks und Irene Ypenburg: Unser Kind ist hochbegabt, 2000, S.23)
Hochbegabung kann nach Mönks erst dann erkannt werden, wenn sie sich in einer außergewöhnlichen Leistung oder Handlung ausgedrückt hat. Nach Mönks Theorie können Begabungen in motorischen, sozialen, künstlerischen oder hohen intellektuellen Fähigkeiten zum Ausdruck kommen
(vgl. Mönks &Ypenburg 2000, S.21). In seinem Modell beschränkt er sich jedoch auf die hohen intellektuellen Fähigkeiten. Nach Mönks reicht eine besondere Anlage auf einem oder mehreren Gebiet/en nicht aus. Eine Entwicklung dieser Anlagen wird gefordert, die durch eine angemessene Förderung und Begleitung erfolgen soll. Dieser Förderung, die unmittelbar aus der Umwelt des Kindes erfolgen soll, wird dieser Umwelt eine enorme Bedeutung zugemessen. Das Modell von Mönks umfasst drei Bereiche. Neben den hohen intellektuellen Fähigkeiten, gehören Kreativität und Motivation als weitere Hauptbereiche dazu, wie in dem Modell von Renzulli auch. Diese drei Bereiche sind erweiterungsfähig, da Mönks von mindestens drei Bereichen spricht. Diese Bereiche bilden bei Mönks die erste Triade (drei zusammengehörende Dinge). Zu der sozialen Umwelt werden, wie im Modell verdeutlicht wird, die Familie, die Freunde und die Schule gezählt.
Diese Bereiche der Sozialumgebung bilden die zweite Triade bei Mönks, die zur Verwirklichung der Anlagen enorm beiträgt (vgl. Mönks & Ypenburg 2000, S.21). Da beide Triaden in einer Wechselwirkung (Interdependenz) stehen, gab Mönks diesem Modell den Namen „Triadisches Interdependenzmodell“.
Der sozialen Kompetenz kommt eine hohe Bedeutung zu, da sie notwendig ist für eine gut verlaufende Interaktion zwischen dem Individuum und seiner Umwelt. Im Bereich der hohen, intellektuellen Fähigkeiten geht Mönks von der den I.Q.-Definitionen zugrunde liegenden Kriterium aus, dass ein IQ- Wert von mindestens 130 in einem Intelligenztest erzielt werden sollte. Motivation bedeutet bei ihm, wie bei Renzulli, der Wille eine angefangene Aufgabe zu Ende zu bringen und diese mit Freude und Interesse auszuführen. Motivation bedeutet auch, dass man sich Ziele setzen kann und Risiken und Unsicherheiten in Kauf nimmt (vgl. Mönks& Ypenburg 2000, S.22). Kreativität umfasst neben den bisher erwähnten Eigenschaften bei Renzulli und bei Wieczerkowski und Wagner, die Fähigkeit Probleme aufzuspüren. Diese Fähigkeit beinhaltet auch das selbständige und produktive Denken bei Mönks (vgl.Mönks& Ypenburg 2000, S.22).
Mit Freunden meint Mönks nicht unbedingt gleichaltrige Freunde, sondern eher Kinder, die gleich gesinnt, bzw. deren Entwicklungsstand dem des Kindes ähneln. Vom sozialen Umfeld hängt die Entfaltung der Begabung wesentlich ab (vgl. Oswald 2002, S.36). Mönks Forschungsanliegen war es herauszufinden, wie die Interaktion zu gestalten ist, damit eine optimale Entwicklung der hoch begabten Kinder erreicht wird. Holling und Kanning kritisieren an seinem Modell die Tatsache, dass die wichtige soziale Kompetenz für eine gelungene Interaktion nicht im Modell integriert ist. Zumal sehen sie in Mönks Modell nicht unbedingt, dass dies ein Modell der Hochbegabung sein soll, da sich ja jede Fähigkeit im sozialen Kontext entwickelt.
Urban unterteilt in seinem Modell Begabung in differenzierte Bereiche. Diese nennt er „abstrakte intellektuelle Begabung“, „praktisch instrumentelle Begabung“, „soziale Begabung“ und „künstlerische Begabung“. Somit begrenzt er sein Begabungsverständnis nicht allein auf die intellektuelle Fähigkeit. Diese verschiedenen Formen der Begabung bilden als Ganzes die Intelligenz und ihre Ausgeprägtheit ist abhängig von Faktoren der Persönlichkeit und der sozialen Umwelt.
Abb.7 Mehrdimensionales Begabungskonzept von Urban (1990)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Quelle: Heinz Holling, Uwe Peter Kanning : Hochbegabung -Forschungsergebnisse und Fördermöglichkeiten, 1999, Seite13 )
Bei Urban nimmt der Begriff der „dynamischen Lernfähigkeit“ eine bedeutende Rolle ein. Darunter wird die Fähigkeit verstanden, in effektiver Weise schnell, intensiv und selbständig zu lernen (vgl. Holling& Kanning 1999, S.12).
„Als hoch begabt gilt nicht nur , wer in der Lage ist, Informationen von hohem Niveau intensiv und effektiv aufzunehmen, zu verarbeiten und anzuwenden, sowie kritisch zu bewerten und daraus neue Informationen zu produzieren, sondern auch, wer hierzu in die Lage versetzt werden kann“ (Urban (1990) nach Holling und Kanning, 1999,S.12).
Urban geht stark davon aus, dass durch eine intensive und optimierte Förderung bei vorhandener Kreativität und Motivation des Kindes die dynamische Lernfähigkeit erzielt werden kann. In seinem mehrdimensionalen Begabungskonzept bilden die oben genannten Fähigkeiten die Begabungskomponenten, die bei Renzulli als überdurchschnittliche Fähigkeiten und bei Wieczerkowski und Wagner mit Begabung bezeichnet wurden. Hier ist lediglich eine Ausdifferenzierung vorgenommen worden, die nach Urban noch erweiterungsfähig ist. „Kreativität“ und „Anstrengungs- und Leistungsbereitschaft“
(bei Renzulli Aufgabenverpflichtung) wirken auf alle Begabungsfelder unmittelbar ein. Urban hat sein Begabungskonzept durch eine Doppelpyramide veranschaulicht, die sich in einer kugelförmigen Sphäre befindet, die wiederum umgeben ist von der Sphäre der Umwelt und der Gesellschaft. Je nachdem in welcher Gesellschaft man lebt, unterscheiden sich auch die Vorstellungen, welche Begabungen nun als wertvoll betrachtet werden. Zwischen den Faktoren der Persönlichkeit, die mit der Doppelpyramide dargestellt sind und dem äußeren Ring der Gesellschaft befindet sich die Umwelt, in der sich das Kind unmittelbar befindet. Diesen Bereich unterteilt Urban in vier Unterbereiche und unterscheidet zwischen einem kulturellen, einer sozialen, einer direkt-symbolischen und einer materiellen Umwelt. Damit ist wahrscheinlich das direkte Umfeld gemeint, in der das Kind aufwächst und die einen direkten Einfluss auf seine Entwicklung haben kann. Die verschiedenen Arten von besonderer Begabung können als unterschiedlich groß geformte und gelagerte Räume innerhalb der Doppelpyramide gedacht werden (vgl. Freund- Braier 2000, S.20). Holling und Kanning beschreiben noch drei weitere Fähigkeiten, die sich nach Urban bei einer gelungenen Interaktion zwischen dem Individuum und seiner Umwelt neben der dynamischen Lernfähigkeit entwickeln können. Das hoch begabte Kind zeichnet sich demnach noch durch emotional- affektive (das hoch begabte Individuum wird als sehr sensibel und empathisch charakterisiert), konative (das hoch begabte Individuum zeichnet sich durch starke, intellektuelle Neugier, ausdauernde Motivation und vielfältiges Interesse aus) und soziale Fähigkeiten aus (vgl. Holling& Kanning 1999, S.13). Holling und Kanning kritisieren an Urbans Begabungskonzept, dass diese Merkmalszuweisung eine zu ideale Vorstellung des hoch begabten Individuums beschreibt.
Demnach sind hoch begabte Personen imstande außergewöhnliche Leistungen zu vollbringen und zusätzlich enorm sozial eingestellt (vgl. Holling und Kanning, S.14). Urban geht jedoch von einer idealen Konstellation der Komponenten der Persönlichkeit, der Umwelt und der Intelligenz aus. Sein Konzept basiert auf einer Idealvorstellung, demnach wundert weniger, dass so positive Eigenschaften zusammengetragen werden. Zudem muss eine hohe intellektuelle Begabung eine hohe Begabung im sozialen Bereich nicht ausschließen.
Gagne` trennt in seinem differenziertem Begabungs- und Talentmodell, wie Wieczerkowski und Wagner es bereits unterschieden haben, Talent und Begabung. Unter Begabungen versteht er angeborene, nicht systematisch entwickelte Fähigkeiten in verschiedenen Bereichen. Er differenziert die Fähigkeitsbereiche der Begabung zunächst in allgemeine und schließlich in spezifische Fähigkeiten. Die allgemeinen Fähigkeitsbereiche werden wiederum unterteilt in intellektuelle, kreative, sozioaffektive, sensomotorische und andere Fähigkeiten, denen dann die spezifischen zugeordnet werden. Durch die Bezeichnung „andere“ möchte er ausdrücken, dass auch sein Modell erweiterungsfähig ist.
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