Magisterarbeit, 2006
81 Seiten, Note: 1,7
1. Hinführung
2. Menschenhandel
2.1 Viktimisierung "gehandelter Frauen"
2.2 Restriktive Migrationspolitik zum Schutz der Opfer
3. Sans Papiers
3.1 Viktimisierung der Sans Papiers
3.2 Reduktion der Realitäten
4. Diskurse und ihre Folgen für Wahrnehmung und Praxis – ein Fazit
5. Bibliographie
„Das Ende des Kalten Krieges und das zurückgehende Wirtschaftswachstum in den reichen Ländern haben die Ausgangssituation der Migrationsbewegungen verändert. Millionen Menschen sehen aus den unterschiedlichsten Notlagen keinen anderen Ausweg als das Exil. [...] Gleichzeitig wächst in den reichsten Nationen die Ausländerfeindlichkeit, und man ist weniger denn je bereit, das „Elend dieser Welt“ bei sich aufzunehmen. Angesichts dieser Situation [hat] die Europäische Union Massnahmen ergriffen, die sie vor der angeblichen Gefährdung durch die zu ihnen strebenden Menschen schützen sollen.“ (Morice 2006: 50)
Die Zeit der europäischen Integration ist zugleich eine Zeit der Abgrenzung nach aussen. Während die Binnengrenzen an Bedeutung verlieren, werden die Aussengrenzen durch technologische Aufrüstung und zwischenstaatliche Zusammenarbeit verstärkt, was der Union die streitbare Bezeichnung der „Festung Europa“ eingebracht hat. Eben diesen Prozess der Ein- und Ausgrenzung spricht Morice an. Er identifiziert die neuen Voraussetzungen, unter denen Migration heute stattfindet. Im Kern verweist seine Aussage auf die Dichotomie „Europa“ und „Nicht-Europa“: Auf der einen Seite stehen die Migrantinnen und Migranten (die scheinbar alle „auf der Flucht“ sind), auf der anderen Seite die Europäische Union, welche die Grenzen reguliert und damit den genannten MigrantInnen den Zugang verwehrt.
Wie dieses Zitat zeigt, sind Beschreibungen sozialer Phänomene immer auch Schöpfungen der AutorInnen, da durch die Verwendung bestimmter Begriffe und die Art, wie diese angeordnet werden, das vermeintlich objektiv beschriebene Phänomen erst konstruiert wird. In dieser Arbeit möchte ich der Frage nachgehen, wie sich Diskurse strukturieren, die ihrem Anspruch nach für die Migrantinnen und Migranten Partei ergreifen. Auf dieser Basis soll anschliessend danach gefragt werden, welche Konsequenzen sich aus diesen Repräsentationen im Kontext der heutigen Migrationspolitik und -praxis ergeben. Ich werde diese beiden Fragen – nach Inhalt und Folgen der Diskurse – an den Beispielen des "Menschenhandels" und der "Sans Papiers" zu beantworten suchen. Ich bezeichne die untersuchten Diskurse als Menschenrechtsdiskurse, was insofern sinnvoll ist, als die Menschenrechte jeweils als Kernargument funktionieren. Damit soll auch versucht werden, die Wirkungsweise "der Menschenrechte" anhand konkreter Beispiele anschaulich zu machen und so zu zeigen, in welcher Weise die positive Konnotation dieses Konstruktes im Widerspruch steht mit den eigentlichen Implikationen der genannten Diskurse.
Die Repräsentation der als Menschenhandel bezeichneten Migration gehört zu den interessantesten Beispielen der Verflechtung von Diskurs und Praxis. Dass es sich hier um ein äusserst sensibles, emotional aufgeladenes Thema handelt, erschwert eine kritische Distanz zu den gängigen Repräsentationsformen.
„Der Handel mit Menschen in seinen unterschiedlichsten Formen (Organhandel, Frauen- und Kinderhandel, Sextourismus, Entführungen, Schleuserei usw.) ist die kriminelle Aktivität, die derzeit am schnellsten zunimmt. [...] Die IOM (International Organization for Migration) schätzt die Anzahl illegaler Migranten auf zwischen 20 und 40 Millionen. Mafios organisierte Schleuserbanden verdienen an ihnen zwischen 3 und 10 Milliarden US-Dollar.“ (Conesa 2006: 48)
Der Begriff des Menschen-handels verweist bereits auf die dominante Wahrnehmung dieses Phänomens: Ein Subjekt (MenschenhändlerIn) nimmt gegenüber einem Menschen (dem oder der Gehandelten) eine dominante Position ein, die es ermöglicht, ihn/sie als Ware gegen z.B. ökonomische Entschädigung an einen Abnehmer weiter zu reichen. Dieser Handel zeichnet sich auf struktureller Ebene aus durch seinen Organisationsgrad („Schleuserbanden“) und seine extralegale Natur („kriminelle Aktivität“); auf individueller Ebene durch die Passivität der Gehandelten.
In gleicher Weise verstehen heute Akteure mit unterschiedlichsten Interessen den Menschenhandel als eine Täter-Opfer-Konstellation, die es entschieden zu bekämpfen gilt. Es scheint, als wären sich Nichtregierungsorganisationen, die EU, die Medien und zwischenstaatliche Organisationen wie die IOM in diesem Punkt für einmal einig. Diese klare Position wird in der Regel begründet durch Berufung auf die Menschenrechte, die durch den Handel mit Menschen verletzt werden.
Zwar kann diese Einmütigkeit als Hinweis auf den Machtgewinn des Menschenrechtsregimes (Sassen 1998) und den zunehmenden Einfluss der Zivilgesellschaft gedeutet werden. Andrijasevic (2006) zeigt jedoch auf, dass eine allzu optimistische Interpretation sich vor der Erkenntnis verschliesst, dass dieser beschützende Diskurs (zumindest) im Zusammenhang mit Menschenhandel als eine Ansammlung anti-emanzipatorischer Annahmen interpretiert werden kann.
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