Diplomarbeit, 2005
115 Seiten, Note: 1,6
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
TABELLENVERZEICHNIS
1 EINLEITUNG
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
1.2 Aufbau der Arbeit
2 AUSGEWÄHLTE GRUNDLAGEN DES MARKETING
2.1 Begrifflichkeiten
2.1.1 Marketingmix
2.1.2 Geschäftsbeziehungen
2.1.3 Relationship Marketing
2.1.4 Customer Relationship Management
2.2 Entwicklung vom transaktions- zum beziehungsorientierten Marketing
2.2.1 Kundenbindung als zentraler Bestandteil der neuen Marketingorientierung
2.2.2 Kundenzufriedenheit als Auslöser für Kundenbindung
2.2.3 Erscheinungsformen der Kundenbindung
2.2.4 Entwicklungen vom Produkt-Lebenszyklus zum Kundenbeziehungslebenszyklus
2.3 Theoretische Modelle des Kundenbeziehungslebenszyklus
2.3.1 Customer Buying Cycle
2.3.2 Relationship Development Process Model
2.3.3 Kundenbeziehungsprozess nach Wirtz
2.3.4 Kundenbeziehungslebenszyklus nach Stauss
3 DIENSTLEISTUNG WIRTSCHAFTSPRÜFUNG
3.1 Berufsbild des Wirtschaftsprüfers
3.1.1 Aufgaben und Leistungsangebot des Wirtschaftsprüfers
3.1.2 Wirtschaftsprüfung im Umbruch
3.2 Vorstellung der KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft AG
3.2.1 Firmengeschichte
3.2.2 Organisationsaufbau
3.2.3 Wettbewerb
4 ASPEKTE DER KUNDENBINDUNG BEI KPMG
4.1 Kundenbindung als Wettbewerbsvorteil
4.1.1 Besonderheiten für Wirtschaftprüfungsgesellschaften
4.1.2 Vier-Stufen-Plan zur verbesserten Orientierung am „neuen“ Kunden
4.1.3 Bisherige Kundenbindungsmaßnahmen bei KPMG
4.2 Kundenbeziehungsprozess als Basis für die Konzeptionalisierung des zukünftigen Customer Relationship Management bei KPMG
4.2.1 Idealtypischer vs. tatsächlicher Kundenlebenszyklus
4.2.2 Kontaktprozess
4.2.3 Auftragsgewinnungsmanagement
4.2.4 Kaufprozess
4.2.5 Nutzungsprozess
4.2.6 Neuauftragsgewinnungsprozess
5 ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSE
6 FAZIT UND AUSBLICK
GLOSSAR
LITERATURVERZEICHNIS
Bücher
Onlinequellen
Sonstige Veröffentlichungen
ANHANG
Anhang 1 - Schaubild des Marketingmix
Anhang 2 - Selected definitions which emphasize different aspects of Relationship Marketing and Customer Relationship Management
Anhang 3 - Relationship Development Process Model
Anhang 4 - Überblick über das Berufsrecht der Wirtschaftsprüfer
Anhang 5 - Ideensammlung am Customer Buying Cycle
Anhang 6 - Kunden- und Unternehmensbezogene Merkmale des Kundenbeziehungslebenszyklus
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1 - Basic Marketing Relationship vs. Network of Relationships
Abb. 2 - Strategie des Relationship Marketing
Abb. 3 - Konzeptualisierung des Konstruktes Kundenbindung
Abb. 4 - Psychologische und faktische Bindungen
Abb. 5 - Confirmation/Disconfirmation-Paradigma
Abb. 6 - Merkmale von Geschäftsbeziehungen
Abb. 7 - Generalized Product Life Cycle
Abb. 8 - Indikatoren für die Stärke einer Kundenbeziehung
Abb. 9 - Customer Buying Cycle
Abb. 10 - The Relationship Development Process
Abb. 11 - Staged approach to developing the business relationship
Abb. 12 - Kundenbeziehungsprozess
Abb. 13 - Der Kundenbeziehungslebenszyklus
Abb. 14 - Prüfungs- und Reviewaufträge
Abb. 15 - Fachliche Mitarbeiterkapazität
Abb. 16 - Geschäftsbereiche und Branchenspezialisierungen
Abb. 17 - Entwicklung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften von "Big 9" zu "Big 4"
Abb. 18 - Marktanteile DAX 30
Abb. 19 - Bedeutung von Kundenbindung für den Wirtschaftsprüfer
Abb. 20 - Vier-Stufen-Plan zur Umsetzung von Verhaltensänderungen von Wirtschaftsprüfern
Abb. 21 - Fünf Prinzipien für sinnvolle Kundenbindung
Abb. 22 - Funktionen der Interviewpartner
Abb. 23 - KPMG values
Abb. 24 - Darstellung der Kundenlebenszyklusmodellierung
Abb. 25 - Ideensammlung anhand des Kundenbeziehungsprozess nach Wirtz
Tab. 1 - Vorteile und Nachteile von Geschäftsbeziehungen
Tab. 2 - Unterschiede zwischen klassischem Marketing und CRM
Tab. 3 - Auswirkungen unterschiedlicher Kundenbindungsstrategien
„ Zufriedene Kunden sind unser gr öß tes Unternehmensvermögen “, so heißt es heutzutage vielfach in Unternehmensbroschüren und -präsentationen.
Im alltäglichen Sprachgebrauch beschreibt der Begriff Zufriedenheit Zustände wie Wohlbefinden, Genugtuung, Freude oder Glück. In der wissenschaftlichen Forschung richtete sich das Augenmerk allerdings zuerst einmal auf die Zufriedenheit der Arbeitnehmer und nicht auf die der Kunden. Die Konsumentenforschung gewann erst in den 60er Jahren zunehmend an Bedeutung und mit ihr das Interesse an verhaltenswissenschaftlichen Konzepten wie auch dem der Kundenzufriedenheit. Seit Anfang der 70er Jahre konnte, zunächst nur auf den amerikanischen Raum beschränkt, eine Vielzahl von Forschungsarbeiten zum Thema Kundenzufriedenheit beobachtet werden. Zwischen 1975 und 1990 erschienen allein in den USA mehr als 700 Veröffentlichungen zum Thema Kundenzufriedenheit.1
Das Konstrukt Kundenzufriedenheit nimmt eine zentrale Stellung in der heutigen Marketingtheorie und -praxis ein, denn es ist vielfach nachgewiesen worden, dass Zufriedenheit eine wichtige Einflussgröße auf das Kundenverhalten darstellt.2 Eine verstärkte Orientierung am Kunden und seiner Zufriedenheit steht insbesondere auch deshalb im Mittelpunkt des modernen Marketingmanagements, weil ein Zusammenhang mit dem Unternehmenswert und seiner Steigerung vermutet wird.3
Insbesondere im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenbindung stellt sich jedoch die Frage, ob wirklich die Zufriedenheit mit einer einzelnen Transaktion die Treue eines Kunden bestimmt. „ Ist es nicht vielmehr wahrscheinlich, dass die Auswirkungen eines Zufriedenheitsurteils, welches auf wiederholter Erfahrung basiert und sich somit bei dem Kunden stabilisiert hat, auf die Kundentreue gr öß er sind, als die der Zufriedenheit mit einer singul ä ren Kauferfahrung? “ (Homburg, Giering, Hentschel, 2000, S. 85)
Dazu muss vorrangig eine hohe Zufriedenheit des Kunden mit der vom Unternehmen erbrachten Leistung, ob Produkt oder Service, gewährleistet sein. Ist der Kunde mit den verschiedenen Transaktionen immer wieder zufrieden, kann Kundenbindung erzeugt werden und schließlich zu Kundenloyalität führen.
Aus Unternehmenssicht lohnen sich Investitionen in die Gewinnung und anschließende Bindung von neuen Kunden nur dann, wenn dadurch langfristig profitable Geschäftsbeziehungen aufgebaut werden können. „ Anstrengungen zur Kundenbindung sto ß en aber an ihre Grenzen, wenn die Kunden auf Grund von fehlendem Engagement und Interesse nicht bereit sind, die Gesch ä ftsbeziehungen langfristig aufrechtzuerhalten. Infolge dessen h ä ngt der Erfolg von Marketing- Ma ß nahmen auch von der Bindungsbereitschaft der Kunden ab.“ (Vifian, 2004, S. 2)
Die langfristige Pflege von Geschäftsbeziehungen kann zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil avancieren, wenn sämtliche Potenziale in den bestehenden Anbieter-Kunden-Beziehungen ausgeschöpft werden. Darüber hinaus darf aber ein Unternehmen auch die Kundenakquisition nicht vernachlässigen , „ da auch beim besten Kundenbindungs-Management Abnehmer verloren gehen (z.B. durch Abwanderung zur Konkurrenz oder Ausscheiden aus dem Markt). “ (Vifian, 2004, S. 2).
Targets und Mandanten4 befinden sich jeweils in unterschiedlichen Phasen der Anbieter-Kunden-Beziehung, weshalb sie eine differenzierte Wahrnehmung hinsichtlich der, durch den Anbieter, initiierten Marketingmaßnahmen haben. Die Sicherstellung profitabler Kundenbeziehungen kann also nur durch die Orientierung an den individuellen Wünschen und Bedürfnissen der Kunden realisiert werden.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit soll es sein ausgewählte Marktbearbeitungsstrategien zu identifizieren und diese den einzelnen Phasen des Kundenbeziehungslebenszyklus zu zuordnen. Dies soll dem Anbieter, hier am Beispiel der KPMG, Perspektiven aufzeigen wie Geschäftsbeziehungen aktiv, effizient und erfolgreich gesteuert werden können. Der Kundenbeziehungslebenszyklus dient in der vorliegenden Arbeit also der Ableitung von kundenbezogenen Handlungsempfehlungen und dementsprechend der Systematisierung der Aufgaben des Customer Relationship Management.
Die vorliegende Arbeit hat hingegen nicht den Anspruch traditionelle und neuartige Marketingmaßnahmen miteinander zu vergleichen und entsprechende Vor- und Nachteile herauszuarbeiten.
Die vorliegende Arbeit wurde auf Basis intensiver Recherche in Fachliteratur und im Internet sowie anhand eigener Wahrnehmungen im Unternehmen der KPMG erstellt. Die Autorin war zudem darauf bedacht, auf Grund der Aktualität des Themas und den entsprechend dynamischen Änderungen, die aktuellsten und relevantesten Quellen zu verwenden.
In Kapitel 2 sollen zunächst die für die Erarbeitung des Themas relevanten Begrifflichkeiten erläutert (2.1) und die wichtigsten historischen Entwicklungen der Marketingtheorie (2.2) aufgezeigt werden. Danach entsteht durch die eingehende Auseinandersetzung mit verschiedenen theoretischen Modellen des Kundenbeziehungslebenszyklus (2.3) und die Entscheidung zugunsten eines der Zyklen eine Grundlage für spätere Ausführungen.
Kapitel 3 widmet sich der Vorstellung des Wirtschaftsprüferberufes (3.1). Nachdem auf die Kern- und Zusatzleistungen sowie aktuelle Veränderungen im Umfeld der Wirtschaftsprüferbranche eingegangen wurde, folgt die Vorstellung der KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft AG (3.2). In diesem Rahmen werden das Unternehmen, der Organisationsaufbau und die momentane Wettbewerbs- situation beschrieben.
Anschließend soll in Kapitel 4 auf die Aspekte der Kundenbindung bei KPMG eingegangen werden, wobei der Schwerpunkt auf den bisher durchgeführten Kundenbindungsmaßnahmen liegt (4.1.3). Darüber hinaus werden die Besonderheiten der Kundenbindung in Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (4.1.1) herausgearbeitet und erste Ansätze für eine Optimierung (4.1.2) identifiziert. Nachfolgend werden, auf Basis des ausgewählten Kundenbeziehungslebenszyklusmodells, Einsatzmöglichkeiten verschiedener Marketinginstrumente geprüft und den einzelnen Phasen zugeordnet (4.2).
Kapitel 5 dient der Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse und Ergebnisse, bevor in Kapitel 6 ein Fazit gezogen und Empfehlungen für KPMG DTG ausgesprochen werden.
In diesem Kapitel werden dem Leser zunächst einige Begrifflichkeiten näher gebracht, bevor anschließend auf die historischen Entwicklungen in der Marketingtheorie und -praxis eingegangen wird. Danach werden das Konstrukt der Kundenbindung und deren verschiedene Charakterisierungsmerkmale eingehend erläutert.
Als weitere Grundlagen für das Verständnis der Arbeit wird die Entwicklung vom Produkt- zum Kundenbeziehungslebenszyklus beschrieben. Abschließend soll, anhand verschiedener theoretischer Modelle, der Lebenszyklus der AnbieterKunden-Beziehung ausführlich dargestellt werden.
Um dem Leser ein einwandfreies Verständnis der Grundlagen dieser Arbeit zu ermöglichen, sollen an dieser Stelle die wesentlichen Begriffsabgrenzungen vorgenommen werden. Andere wichtige Begrifflichkeiten sind im Text durch eine Markierung hervorgehoben und werden im Glossar erläutert.
Der Begriff des Marketingmix lässt sich auf eine Veröffentlichung durch Neil Borden in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zurückführen.5 „ Er [der Marketingmix] umschreibt den Marketingprozess, indem Marketingziele bzw. Marktleistungen am Markt erst dann realisiert werden können, wenn eine Reihe von Marketinginstrumenten dafür koordiniert eingesetzt werden. “ (o.V. II, S. 3-4)
Der Marketingmix gibt laut Bruhn und Homburg „ Auskunftüber Auswahl, Gestaltung und Gewichtung sowie der zeitlichen Fixierung der Marketing instrumente im Hinblick auf die angestrebten Ziele eines Unternehmens oder einer Organisation “ (Bruhn & Homburg, 2004, S. 514).
Der Marketingmix ist die Kombination aus den Marketinginstrumentarien, die das Unternehmen zur Erreichung seiner Marketingziele auf dem Zielmarkt einsetzen kann. Borden bezeichnete denjenigen, der für die Erstellung und Realisation der Marketingkonzeption verantwortlich ist, auch als „Mixer of Ingredients“, was als Indikator dafür gewertet werden kann, dass nicht ein einzelnes, sondern nur die Kombination der verschiedenen Mittel eine erfolgreiche Ausrichtung des Unternehmens an den Bedürfnissen des Marktes ermöglicht.
Die Vielzahl der Marketinginstrumente werden im Allgemeinen in vier Bereiche eingeteilt6: Produkt-/Programmpolitik, Kontrahierungspolitik (Preis- und Konditionenpolitik), Distributions- bzw. Vertriebspolitik und Kommunikations- politik. Für eine Übersicht ausgewählter Marketinginstrumente siehe Anhang 1. Im angloamerikanischen werden die vier Elemente des Marketingmix die „4 Ps“ des Operativen Marketings genannt: Product, Price, Place und Promotion.7 Auch im deutschen Sprachraum haben sich diese Bezeichnungen weitgehend durchgesetzt.
Trotz intensiver Auseinandersetzung der Marketingwissenschaft mit dem Konstrukt einer Geschäftsbeziehung liegt bisher kein einheitliches Begriffsverständnis vor. Aus diesem Grund sollen zunächst ausgewählte Definitionen dargestellt werden, bevor eine für die vorliegende Arbeit relevante Begriffsabgrenzung vorgenommen wird.
Plinke definiert die Lieferanten-Kunden-Beziehung als eine weit gefasste Abfolge von Transaktionen zwischen einem Anbieter und einem Nachfrager, „ zwischen denen eine ‚ innere Verbindung ’ existiert “8 (Plinke, 1989, S. 308). Eine Geschäftsbeziehung ist laut Diller und Kusterer ein „ vonökonomischen Zielen zweier oder mehrerer Individuen oder Organisationen geleiteter Interaktionsprozess ab dem ersten Gesch ä ftsabschluss “.9 (Bruhn & Homburg, 2004, S. 275)
Gemünden versteht unter Geschäftsbeziehungen „ langfristig angelegte, vonökonomischen Zielen geleitete Interaktionsprozesse und Bindungen zwischen Mitgliedern verschiedener Organisationen, die auf eine Folge von Austausch prozessen gerichtet sind “ (Werp, 1998, S. 26).
Eine Geschäftsbeziehung kann sich nur „ nach einem erstmaligen Gesch ä ftsabschluss […] entwickeln, wenn die Vertragsparteien aufgrundökonomischer Ziele zur weiteren Zusammenarbeit bereit sind. Bei der ersten Transaktion […] ist noch keine Erfahrung hinsichtlich der Zuverl ä ssigkeit des Partners vorhanden “ (Reichert & Dülger, 2000, S. 7).
Eine dauerhafte Geschäftsbeziehung, die eine erfolgreiche Zusammenarbeit zweier Transaktionspartner voraussetzt und somit die Realisierung der ökonomischen Ziele beider Parteien erreicht, könnte wie folgt aussehen: Ein Abnehmer kassiert für wiederholte Einkäufe bei einem Zulieferer Mengenrabatte. Hierdurch kann dieser seine Einkaufskosten verringern und sich Hoffnung auf bevorzugte Belieferung bei eventueller Warenknappheit machen. Der Zulieferer hingegen gewinnt an Planungssicherheit bei seiner Absatzmenge und kann darüber hinaus seine Vertriebskosten senken.10
„ Die Aufgabe einer Unternehmung in einer bestehenden und intensiv ausgepr ä gten Gesch ä ftsbeziehung ist darin begründet, sich immer wieder als zuverl ä ssiger, kompetenter und fairer Partner zu erweisen, der das in ihn gesetzte Vertrauen nicht missbraucht, um somit die Bindung zum Kunden zu verst ä rken. Diese Bindungen gilt es zu fördern, zu erhalten und auszubauen. “ (Reichert & Dülger, 2000, S. 7)
Die Vor- und Nachteile einer Geschäftsbeziehung sowohl für den Anbieter als auch für den Kunden sind in Tabelle 1 dargestellt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 1 - Vorteile und Nachteile von Gesch ä ftsbeziehungen
Quelle: Belz et al., 1998, S. 24
In dieser Arbeit soll der Begriff der Geschäftsbeziehung verwendet werden, um sämtliche zwischen zwei Unternehmen ablaufende Transaktionen in einem übergeordneten Rahmen zusammenzufassen. Die Geschäftsbeziehung wird als die Gesamtheit aller zwischen zwei Unternehmen existierenden Kooperationen verstanden. Dies bedeutet, dass zwischen zwei Unternehmen immer nur eine Geschäftsbeziehung existiert, innerhalb derer keine, eine oder mehrere verschiedene Kooperationen durchgeführt werden können.11
„Relationship Marketing“ (RM) bedeutet übersetzt “Beziehungsmarketing“.12
Die in der Literatur gebräuchliche Marketingbeziehung, wie auch in Abbildung 1a dargestellt, ist die zwischen einem Anbieter und einem Kunden. Die Beziehung besteht hier aus mindestens zwei Parteien, die in Kontakt zueinander stehen.
Gummesson hingegen definiert RM als „ marketing which is seen as relationships, networks and interaction” (Gummesson, 2002, S. 3). Abbildung 1b soll graphisch Gummessons Verständnis von Beziehungen verdeutlichen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1 - Basic Marketing Relationship vs. Network of Relationships
Quelle: Gummesson, 2002, S. 4
Nach einer Definition von Bruhn umfasst das RM „ s ä mtliche Ma ß nahmen der Analyse, Planung, Durchführung und Kontrolle, die der Initiierung, Stabilisierung, Intensivierung und Wiederaufnahme von Gesch ä ftsbeziehungen zu den Anspruchsgruppen […] des Unternehmens mit dem Ziel des gegenseitigen Nutzens dienen “ (Bruhn & Homburg, 2004, S. 729).
Aus dieser Definition leitet Bruhn folgende relevante Merkmale des RM ab:13
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Payne und Rapp sind der Ansicht, dass, an Stelle der Kundenakquisition, im RMAnsatz die Entwicklung und Verbesserung von bestehenden Kundenbeziehungen während des gesamten Kundenlebenszyklus im Vordergrund steht.14
„ Relationship Marketing ermöglicht Kontakte zu Kunden, zu anderen Marktteilnehmern und im eigenen Unternehmen nicht nur zuf ä llig entstehen zu lassen, sondern sie systematisch und zielgerecht zu steuern. “ (Baumgartner & Poininger, S. 60) Die Strategien, um dies zu erreichen, benennt Hildebrand mit Individualisierung, Interaktion und Integration.
In Abbildung 2 sind die wichtigsten Merkmale der einzelnen Aspekte zusammengefasst:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2 - Strategie des Relationship Marketing
Quelle: Hildebrand, 2000, S. 63
Wie die folgenden Ausführungen zeigen werden, ist das Customer Relationship Management eine Weiterentwicklung des RM. Das erste ist eine ganzheitliche Unternehmensstrategie, wohingegen das zweite ausschließlich ein Ansatz der Marketingabteilung eines Unternehmens ist.
Die Entstehung von „Customer Relationship Management“ (CRM) ist in der Literatur nicht eindeutig nachvollziehbar. Einerseits gilt CRM als Weiterentwicklung des klassischen Marketings und andererseits als eine Weiterentwicklung der 'Sales Force Automation' und damit als informationstechnologische Weiterentwicklung. CRM bedeutet das Management von Kundenbeziehungen bzw. Kundenbe- ziehungsmanagement. Häufig wird angenommen, dass CRM eine Art Soft- oder Hardware ist. In der vorliegenden Arbeit soll gezeigt werden, dass dies eine falsche Annahme und CRM vielmehr eine Strategie bzw. eine Marketingidee ist, die mit Hilfe von Informationstechnologie (IT) verwirklicht werden kann. „ Ein Blick in die Vergangenheit macht deutlich, dass CRM ein schon lange bekanntes und bew ä hrtes Konzept ist. Es handelt sich weder um ein Produkt noch um eine Erfindung der Softwareindustrie - auch wenn die Informationstechnologie die Möglichkeiten und die Art und Weise, Kundenbeziehungsmanagement praktisch umzusetzen, tiefgreifend ver ä ndert hat. “ (Buck-Emden & Böder, 2004, S. 17) Dementsprechend werden die Planung, Durchführung, Kontrolle und Anpassung sämtlicher Unternehmensaktivitäten, die unter Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien zu einer Steigerung von Geschäftsbeziehungen beitragen können, dieser Idee bzw. diesem Ziel untergeordnet.15 „ Dem CRM liegen dabei vor allem die Prinzipien Kundenorientierung, Wirtschaftlichkeits- orientierung, Individualmarketing und IT-Anwendung zugrunde. “ (Bruhn & Homburg, 2004, S. 141)
Neben dem „Königsziel“ des CRM, einen lukrativeren Kundenstamm als die Mitbewerber zu haben ist auch die Balance zwischen Kunden- und Kostenorientierung ein sehr wichtiger Faktor.16 Um dies erfolgreich umsetzen zu können, ist es zuerst einmal notwendig, dass Marketing, Vertrieb, Kommunikation und IT so zusammengeführt werden, dass die wirklich attraktiven Interessenten und Klienten herausgefiltert und geschäftsbringend betreut werden können.17
Ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist häufig schon getan, wenn sich ein Unternehmen von „Kundenbetreuung auf Zuruf“ zu einem systematischen Kontaktmanagement umorientiert.
Mit Unterstützung von Datenbanken, elektronischer Datenverarbeitung und Prozessintegration können dann die Ziele des Unternehmens praktisch umgesetzt werden, um so eine Vertriebsautomatisierung zu erreichen.18
Die Entwicklung von CRM zu einer umfassenden Geschäftsstrategie kann allerdings erst durch die Verbindung der innovativen technologischen Systeme mit der grundsätzlichen Orientierung an langfristigen Kundenbeziehungen gelingen. Die IT-Komponenten sind dementsprechend ein nicht zu unterschätzender Schlüsselfaktor, der es erst ermöglicht, eine unternehmensweite und vor allem durchgängige CRM-Unternehmensstrategie zu realisieren.19
Um ein Unternehmen bei der Umsetzung einer verstärkten Kundenorientierung zu unterstützen, wurden Softwareprogramme entwickelt, die bei der Realisierung der CRM-Strategie hilfreich sein sollen. Im Vordergrund steht hier die Integration aller Anwendungen und Funktionen der Bereiche Marketing, Vertrieb und Service.20 Dies soll gewährleisten, dass sämtliche Mitarbeiter des Unternehmens ständigen Zugriff auf die vollständigen und vor allen Dingen aktuellen Kundendaten haben. Die Softwarekomponente des CRM stellt dementsprechend eine Unterstützung über den gesamten Kundenbeziehungsprozess dar - vom ersten Kontakt bis hin zu einer langfristigen Beziehung. Durch den Aufbau von Wissen kann ein Unternehmen ab dem ersten Kundenkontakt die Befähigung erlangen, den Wünschen und Erwartungen seiner Targets und Mandanten entsprechend zu agieren.21
Zur besseren Darstellung der Vielfalt der Funktionen von CRM-Systemen bzw. Lösungen, können diese drei zentralen Aufgabenbereichen zugeordnet werden22:
- analytisches CRM
- operatives CRM
- kollaboratives bzw. kommunikatives CRM
Allerdings können sich diese Disziplinen nicht „ gegenseitig ersetzen, sondern stehen vielmehr in einem engen wechselseitigen Verh ä ltnis zueinander “ (Troxler, 2003, S. 50). Im Folgenden sollen die drei Bereiche kurz erläutert werden:
Analytisches Customer Relationship Management
Das analytische CRM (aCRM) umfasst die datentechnische Zusammenführung und Auswertung der Kundeninformationen der verschiedenen Front Office Bereiche - Marketing, Vertrieb und Service - eines Unternehmen. Dies geschieht durch den Aufbau einer gemeinsamen Kundendatenbank.23
Aus vielfältigen Gründen wurden in der Vergangenheit in den verschiedenen Bereichen des Front Office Einzellösungen für die Aufbereitung und Verwaltung von Kundendaten erarbeitet und gepflegt. Die Folge war, dass es nicht zu einer bereichsübergreifenden Zusammenführung der Informationen kam. Insbesondere dieser Aspekt gilt aber im CRM als große Chance.24
„ In einem zentralen Data Warehouse werden alle kundenspezifischen Informationen aus den unterschiedlichen operativen Systemen gesammelt, aufbereitet und verdichtet. Aus dieser Datenbasis lassen sich aussagekr ä ftige Reports und Statistiken generieren, die wichtige Entscheidungsgrundlagen für das Management in Bezug auf die künftige Kundenbetreuung liefern. “ (Troxler, 2003, S. 51) Die Kategorisierung in Zielgruppen und die Festlegung von Marktpotenzialen durch die so entstandenen umfangreichen und vor allem aussagekräftigen Kundenprofile können nun zur gezielteren Durchführung von Marketingkampagnen genutzt werden.
Der Aufbau eines Customer Data Warehouse, das „ alle Datenüber einen Kunden (Stammdaten, Aktions- und Reaktionsdaten, Kaufhistorie, Beschwerdedaten etc. “ (Biondo et al., 2001, S. 7) beinhaltet, ist allerdings nur die Basis für eine einheit- liche Kundenansprache. „ Zur gezielten Analyse und Auswertung dieser Daten- best ä nde werden spezielle Werkzeuge benötigt, wie beispielsweise das Data Mining . “ (Korell & Spath, 2003, S. 61) Aus den gewonnenen Ergebnissen kann eine spezifische Kundensegmentierung erfolgen sowie auch eine Prognose für das Kundenverhalten erstellt werden, wodurch eine proaktive und individuelle Kundenansprache durch gezielte Marketingaktivitäten ermöglicht wird.
Operatives Customer Relationship Management
Das operative CRM (oCRM) dient vorrangig der Unterstützung der Front Office- Bereiche, indem es neben der Datenerhebung, Datenverknüpfung sowie Datenpflege auch den schnellen Zugriff auf alle relevanten Kundeninformationen ermöglicht. So „ werden im Rahmen des operativen CRM Werkzeuge zur Verfügung gestellt, die eine ABC-Analyse, Kundenwertberechnungen, die Analyse der Kaufwahrscheinlichkeit, der Abwanderungsneigung oder der Kunden- zufriedenheit ermöglichen bzw. unterstützen “ (Korell & Spath, 2003, S. 61).
„ Die Vertriebsautomation nutzt detaillierte Informationen und Kontakthistorien von Kunden zur Steuerung des Vertriebs mit Hilfe von Priorit ä ten und Potentialen. “ (Troxler, 2003, S. 51) Hierdurch können mögliche Verkaufspotenziale früh erkannt und entsprechend aktiv bearbeitet werden - das so genannte Opportunity Management.
Die Marketingabteilung kann durch spezifische Systeme in ihrer Arbeit direkt unterstützt werden. Lösungen zur Unterstützung des Kampagnenmanagements25 sowie von Events26 - von der Planung über die Steuerung bis zur Erfolgskontrolle- durch unternehmensspezifische Planungs- und Analysetools sind hierbei denkbar. Die Planung und Steuerung von Aktivitäten des Servicebereiches wird mit Hilfe einer Serviceautomation optimiert. „ Sie umfasst neben der Aufteilung der Auftr ä ge auf den Kundendienst auch ein effizientes Problemmanagement zur Aufnahme, Verfolgung und Lösung der h ä ufigsten Kundenprobleme. “ (Troxler, 2003, S. 51)
Damit allerdings dem Kunden gegenüber verlässliche Aussagen über Liefertermine, Verfügbarkeit etc. gemacht werden können, sollte eine Verknüpfung zwischen dem oCRM sowie den Warenbewirtschaftungssystemen bestehen.27
Im Vertrieb sind Lösungen für den Vertriebsinnendienst denkbar. Dies kann mit Unterstützung eines Angebotmanagements und/oder einer Auftragsüberwachung geschehen.28
Im Rahmen des kommunikativen CRM (kCRM)29 werden die verschiedenen Kommunikationskanäle durch den Anschluss an das CRM-System verfügbar gemacht und die Schnittstelle zwischen Unternehmen und Kunden geschaffen. Die wohl bedeutendsten Kommunikationskanäle sind das Telefon, Internet, Mailings und natürlich der persönliche Kontakt selbst.30
Laut Scheidegger und Sieber muss das Unternehmen bedenken, dass der Kunde selbst bestimmen möchte, in welcher Phase des Lebenszyklus er welchen Kommunikationsweg nutzt. „ Dabei will er mehrere Optionen zur Auswahl haben. Das Schlagwort hei ß t Multioptionalit ä t. Experten gehen davon aus, dassüber 50% der Kunden (typischerweise eher profitablere Kunden) mehr als einen Kommunikationsweg nutzen, um ihre Bedürfnisse im Customer Buying Cycle zu befriedigen. “ (Scheidegger & Sieber, 2004, S. 1) Das Konzept des Customer Buying Cycle wird in Kapitel 2.3.1 dieser Arbeit ausführlich erläutert.
Neben dem Ziel, den Kunden verschiedene Kanäle zu bieten, über die sie jederzeit das Unternehmen kontaktieren können, kann auch das Unternehmen selbst aktiv auf die Kunden zugehen und im Sinne des One-to-One-Marketing arbeiten. Das kCRM fokussiert sich also nicht nur auf die Optimierung der internen Unternehmensprozesse, sondern bezieht explizit den Kunden mit ein.31 „ Die kCRM-Komponente synchronisiert die unterschiedlichen Kan ä le zum Kunden. Denn ganz gleichüber welchen Zugang der Kontakt hergestellt wird - per Telefon, persönliches Treffen, Web, Fax etc. - die Informationen müssen immer schnell, vollst ä ndig und am richtigen Ort zur Verfügung stehen. “ (Biondo et al., 2001, S. 7)
Die verschiedenen Kommunikationskanäle haben ihre jeweiligen Vor- und Nachteile und sind dementsprechend für unterschiedliche Aufgaben mehr oder weniger gut geeignet. Ein Echtzeit-Dialog z.B. ist über das Telefon, einen persönlichen Kontakt, aber auch durch so genannte Chat-Rooms im Internet möglich. Hier kann direkt auf die Fragen und Wünsche der Kunden eingegangen werden. „ Allerdings ist zu beachten, dass die Qualit ä t derübermittelten Informationen - bzw. derübermittelten Botschaft - abh ä ngig ist vom gew ä hlten Kanal, und dass die Kontaktintensit ä t bei den verschiedenen Kan ä len unterschiedlich ist. “ (Korell & Spath, 2003, S. 62)
Natürlich ist die Intensität des Kontaktes bei einem persönlichen Gespräch am höchsten. Allerdings ist es auch am aufwändigsten und die damit verbundenen Kosten sind erheblich. Es ist also von Kunde zu Kunde abzuwägen, welcher Kommunikationskanal zu wählen ist. Das Unternehmen muss erkennen, in welcher Phase des Beziehungsprozesses sich der Kunde befindet.
Wie im folgenden Kapitel - bei der Betrachtung des Paradigmenwechsels im Marketing - verdeutlicht wird, besteht der größte Unterschied zwischen RM und CRM darin, dass sich RM mit der gesamten Vielfalt der Beziehungen, also neben der Kundenbeziehung auch mit den Beziehungen zu Lieferanten, Konkurrenten und weiteren Stakeholdern beschäftigt.32 Im CRM hingegen steht einzig die Anbieter-Kunden-Beziehung im Mittelpunkt des Unternehmensinteresses.
Über mehr als 40 Jahre bestimmte die transaktionsorientierte Marketingtheorie das Denken und Handeln der Marketingpraktiker und Marketingwissenschaftler. In den Lehrbüchern des Marketings war über Jahrzehnte der Marketingmix, bestehend aus den vier Instrumentalbereichen Produkt-, Preis-, Distributions- und Kommunikationspolitik, dominierend.33 In Kapitel 2.1.1 der vorliegenden Arbeit ist das Konzept des Marketingmix ausführlich erklärt.
Jedoch in einer Situation gesättigter Märkte und immer homogener werdender Produkte scheint es ertragreicher, sein Marketing am Aufbau und der Pflege individueller Kundenbeziehungen auszurichten als an einzelnen Transaktionen. Es konnte eine Verlagerung der Prioritäten beim Wandel vom transaktions- zum beziehungsorientierten Ansatz beobachtet werden.34
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 2 - Unterschiede zwischen klassischem Marketing und CRM
Quelle: Ergenzinger & Thommen, 2001, S. 40
Wie in Tabelle 2 deutlich wird, gibt es bemerkenswerte Wandlungen der benannten Eigenschaften. Besonders hervorzuheben ist die Verschiebung der Prioritäten von der Neukundengewinnung hin zur langfristigen Kundenbindung. Das Beziehungsmarketing misst der Betreuung des Kunden über den gesamten Kundenlebenszyklus eine entscheidende Bedeutung zu, wobei das Ziel verfolgt wird, diesen Zeitraum möglichst lang auszudehnen und dabei eine Maximierung des Kundenwertes zu erreichen.35 Also nicht der einzelne Austauschakt, sondern die Langlebigkeit der Geschäftsbeziehungen steht im Mittelpunkt des Marketinginteresses.
Viel zu häufig wird angenommen, dass Kundenbindung nur ein wiederholtes Kaufverhalten abbildet. Analysiert man das mehrdimensionale Konstrukt, wie in Abbildung 3 graphisch dargestellt, jedoch genauer, so zeigt sich ein sehr facettenreiches Begriffsverständnis.36
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3 - Konzeptualisierung des Konstruktes Kundenbindung
Quelle: Homburg & Faßnacht, 2001, S. 451
„ Mit der verst ä rkten Behandlung von Gesch ä ftsbeziehungen und der damit einhergehenden höheren Bedeutung der Stammkundenpflege gegenüber der Neukundengewinnung nimmt der Stellenwert der Kundenbindung zu. “ (Homburg & Faßnacht, 2001, S. 450)
In deutschen Wörterbüchern wird Bindung mit „Verpflichtung“, „Gebundensein“, aber auch mit einer „inneren Verbundenheit“ erklärt. Die englische Begriffsübersetzung der Kundenbindung ist „Customer Retention“, was das
„Festhalten“ von bereits bestehenden hochprofitablen Geschäftsbeziehungen beschreiben soll.
Allerdings ist diese Bedeutung nicht deckungsgleich mit der deutschen Bezeichnung, da im deutschen Sprachraum die Kundenbindung auch die Phasen vom potenziellen hin zum langfristig gebundenen Kunden umfasst.
„ Zum einen führen Bindungen dazu, dass der Kunde in der Beziehung bleiben 'muss'; er ist bzw. fühlt sich abh ä ngig. […] Zum anderen können Bindungen dazu führen, dass der Kunde in der Beziehung bleiben 'will'.“ (Tomczak et al., 2002, S. 123) Es existieren also zwei grundsätzliche Strategien zur Realisierung von Kundenbindung: die Verbundenheits- und die Gebundenheitsstrategie.37 Erstere wird als die nachfrageorientierte Perspektive bezeichnet, da der Anbieter hier versucht, die Beziehung für den Kunden positiv zu gestalten. Dazu zählt in erster Linie der Aufbau von Kundenvertrauen und Kundenzufriedenheit. Diese Strategie gilt als sehr vorteilhaft, da sie eine hohe Aussagekraft für die Verhaltensabsichten und das tatsächliche Verhalten des Kunden hat.38
Die Gebundenheitsstrategie hingegen hat einen eher instrumentellen Charakter. Diese anbieterbezogene Perspektive dient vorrangig der Bindung des Kunden an einen Anbieter. Hierfür wird beispielsweise durch das Unternehmen der Aufbau von Wechselbarrieren bzw. Wechselkosten initiiert. Es sollte jedoch bedacht werden, dass eine Strategie, die einzig auf Gebundenheit beruht, keinen langfristigen Kundenbindungserfolg erzielen kann.39
Aus diesem Grund ist es von Vorteil, zunächst im Rahmen einer Verbundenheitsstrategie Kundenloyalität zu erzeugen, bevor diese dann durch die zusätzliche Nutzung einer Gebundenheitsstrategie unterstützt wird. Die loyalen Kunden entscheiden sich dann, bei einem Anbieter zu bleiben, auch wenn sie dies nicht müssen. Grundlage ihrer Entscheidung ist häufig, dass sie dem Anbieter vertrauen und, im Idealfall, mit ihm sehr zufrieden sind.40
In Tabelle 3 sind die Auswirkungen der beiden Strategien aufgezeigt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 3 - Auswirkungen unterschiedlicher Kundenbindungsstrategien
Quelle: in Anlehnung an Kotler & Bliemel, 1999, S. 74
Laut Tomczak et al. ist Kundenbindung dann vorhanden, wenn Wechselkosten die Abwanderung des Kunden zur Konkurrenz erschweren oder - zumindest kurzfristig - verhindern. Zwischen Anbieter und Kunde sind, wie in Abbildung 4 dargestellt, zwei grundsätzliche Arten von Bindungen zu unterscheiden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4 - Psychologische und faktische Bindungen
Quelle: Tomczak et al., 2002, S. 125
Die verschiedenen Arten der Wechselkosten „direkte“, „künstliche“ oder „vertragliche Wechselkosten“ und die „Lernkosten“ verursachen so genannte faktische Bindungen, während die psychologischen Wechselkosten die psychologische Bindung herbeiführen.41 42 Die psychologische Bindung wird erzeugt durch die Verbundenheitsstrategie, weil der Abnehmer die Beziehung zum Unternehmen aufrechterhalten will.43 Die faktische Bindung hingegen wird durch die Gebundenheitstrategie hervorgerufen, denn diese führt dazu, dass der Kunde in der Beziehung bleiben muss. Eine so genannte ausgeglichene Position des Kunden wird erreicht, wenn sowohl Will- als auch Muss-Bindungen erzeugt werden können.44
Ziel vieler Unternehmen, insbesondere in konkurrenzintensiven Märkten, ist es daher, beständig einen ausgewogenen Mix sowohl aus psychologischen als auch aus faktischen Bindungen zu erzeugen. Um dies umsetzen zu können, sollte es für den Anbieter erklärtes Ziel sein, die Arten und Stärken der nachfragerseitigen Bindungen regelmäßig zu identifizieren.45 „ Je nach Situation muss er versuchen, diese zu erhöhen oder auch, im Falle von negativ wahrgenommener Bindungen, diese zu reduzieren bzw. entsprechenden Gegennutzen zu offerieren. “ (Tomczak et al., 2002, S. 124)
„ Kundenzufriedenheit wird im Allgemeinen als das Ergebnis eines komplexen psychischen Vergleichsprozesses verstanden. “ (Siebrecht, 2004, S. 4) Lange fehlte es in der Zufriedenheitsforschung an einer allgemein bekannten und anerkannten Basistheorie. Auf konzeptioneller Ebene hat der Erklärungsansatz des Confirmation/Disconfirmation (C/D)-Paradigma später die größte Verbreitung erfahren. „ Ausgangspunkt des C/D-Paradigmas ist der Vergleich der tats ä chlichen Erfahrung bei der Produktnutzung (Ist-Leistung) mit einem bestimmten Vergleichsstandard des Kunden (Soll-Leistung). Entspricht die wahrgenommene Produktleistung dem zugrunde liegenden Vergleichsma ß stab, so spricht man von Konfirmation (Best ä tigung), woraus dann Zufriedenheit des Kunden entsteht. Ü bertrifft die Ist-Leistung die Soll-Leistung (positive Diskonfirmation), resultiert ebenfalls Zufriedenheit. “ (Homburg, Giering, Hentschel, 2000, S. 84) Eine negative Diskonfirmation hingegen beschreibt den Zustand, in dem die Ist-Leistung schlechter ist als die erwartete Soll-Leistung. Dies führt zu Unzufriedenheit beim Kunden.
Abbildung 5 soll den Zusammenhang des C/D-Paradigmas verdeutlichen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 5 - Confirmation/Disconfirmation-Paradigma
Quelle: Siebrecht, 2004, S. 5
Mittlerweile herrscht in der Literatur nicht nur weitgehender Konsens bezüglich der Grundstruktur des C/D-Paradigmas, sondern es besteht auch Einigkeit darüber, dass die Ist-Komponente des Vergleichsprozesses nicht wie zunächst angenommen einen objektiven Charakter hat. Vielmehr handelt es sich um eine vom Kunden subjektiv wahrgenommene Leistung.46 Unterschiedliche Kunden können dementsprechend eine nach Qualitätskriterien identische Leistung durch eine jeweils andere Ausprägung der Ist-Komponente verschiedenartig wahrnehmen.
In der Literatur werden verschiedene Erscheinungsformen der Kundenbindung behandelt. Diese sollen in den nächsten Abschnitten systematisiert werden, was zugleich auch der Versuch einer Systematisierung der Erscheinungsformen von dauerhaften Geschäftsbeziehungen ist.
Zuerst einmal sollen für die Typisierung der zahlreichen Erscheinungsformen von Kundenbindung geeignete Kriterien definiert werden. Diese wurden hauptsächlich in Beiträgen zum Beziehungsmarketing und zur Charakterisierung von Geschäftsbeziehungen diskutiert.
Das größte Problem besteht darin, dass sehr häufig gleiche oder ähnliche Kriterien mit unterschiedlichen Bezeichnungen belegt sind und es so zwangsläufig zu inhaltlichen Überschneidungen kommen kann.
Einerseits bringt es die Vielschichtigkeit von Geschäftsbeziehungen mit sich, dass verschiedene Ausprägungen eines Kriteriums gleichzeitig auftreten können, andererseits bedingen sich die Klassifizierungsmerkmale größtenteils auch gegenseitig.
Abbildung 6 zeigt die Merkmale einer Geschäftsbeziehung zwischen zwei Marktpartnern auf, die durch Peter identifiziert wurden. Im Folgenden soll die sinnvolle Aufteilung der Kriterien einzeln erläutert werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 6 - Merkmale von Gesch ä ftsbeziehungen
Quelle: Peter, 1997, S. 23
Bindungsebene
Zwischen Anbieter und Kunde existieren verschiedenartige Bindungsebenen, welche isoliert oder aber in Kombination auftreten können.47 Die Bindungsarten können unterschieden werden in eine ö konomische, soziale, technische, juristische und psychisch-emotionale Ebene.48 49 Im Folgenden sollen die fünf Ebenen, kurz beschrieben und mit einem Beispiel belegt werden.
Die ö konomische Bindungsebene ist die traditionelle und wohl bekannteste Form der Abnehmerbindung und basiert auf der Gewährung ökonomischer Vorteile.
[...]
1 Siebrecht, 2004, S. 3
2 Giering, 2000, S. 7
3 Vgl. Matzler & Stahl, 2000, S. 626ff.; Rapp & Decker, 2000, S. 2
4 In der vorliegenden Arbeit wird von Targets gesprochen, wenn es sich um potenzielle Kunden handelt und von Mandanten, wenn es bereits bestehende Kunden sind.
5 Erneut gedruckt in Borden, Neil: The Concept of the Marketing Mix, in: Journal of Advertising Research, Nr. 4/1964, S. 2-7.
6 Bruhn & Homburg, 2004, S. 514
7 Kotler & Bliemel, 1995, S. 141; Otte, 1996, S. 36; Bruhn & Homburg, 2004, S. 729
8 Hervorhebung im Original
9 Dieses Begriffsverständnis schließt auch Geschäftsbeziehungen eines Unternehmens mit Kooperationspartnern ein.
10 Reichert & Dülger, 2000, S. 7
11 Werp, 1998, S. 26
12 Da die neueste und aktuellste Literatur zum Thema Marketing zumeist aus dem angelsäch- sischen Raum stammt, wird jedoch fast ausschließlich, auch im deutschen Sprachraum, vom RM gesprochen. Auch in dieser Arbeit werden solche feststehende Begrifflichkeiten ausschließlich in der englischen Sprache verwendet.
13 Baumgartner & Poininger, S. 59
14 Payne & Rapp, 1999, S. 3
15 Bruhn & Homburg, 2004, S. 141
16 Bruhn & Homburg, 2004, S. 142
17 Rapp & Decker, 2000, S. 2
18 Bruhn & Homburg, 2004, S. 141f.
19 Bruhn & Homburg, 2004, S. 141
20 Korell & Spath, 2003, S. 58-59
21 Vgl. Bungard et al., 2003, S. 19ff.
22 Frielitz et al., 2000, S. 243
23 Korell & Spath, 2003, S. 61
24 Korell & Spath, 2003, S. 61
25 Versendung von Broschüren, Geschäftsberichten und Einladungen an Targets und Mandanten.
26 In dieser Arbeit soll der Begriff „Event“ sämtliche Veranstaltungen umfassen. Hierbei wird
nicht zwischen extern oder intern organisierten Events unterschieden. Beispiele sind Workshops, fachliche Seminare, Alumni-Veranstaltungen, Business Breakfasts und Executive Dinner
27 Biondo et al., 2001, S. 7
28 Korell & Spath, 2003, S. 61-62.
29 In der Fachliteratur werden die Begriffe kommunikatives und kollaboratives CRM synonym verwendet. Auf Grund der im Folgenden erläuterten Bedeutung wird in dieser Arbeit aus- schließlich der Begriff des kommunikativen CRM benutzt.
30 Korell & Spath, 2003, S. 62
31 Troxler, 2003, S. 52
32 Für eine Übersicht unterschiedlicher Definitionen für RM und CRM siehe Anhang 2.
33 Bruhn & Homburg, 2004, S. 494
34 Bruhn & Bunge, 1994, S. 42; Schulze, 2000, S. 12; Bruhn, 2001 b, S. 14-18; Dowling, 2003, S. 19; Lovric & Schaller, 2003, S. 5ff.; Flach, 2004, S. 18; Hippner, 2005, S. 121ff.
35 Payne & Rapp, 1999, S. 3ff.
36 Reinecke et al., 2001, S. 258
37 o.V. I, S. 14
38 Vifian, 2004, S. 10
39 o.V. I, S. 14-15
40 Vifian, 2004, S. 10
41 Die Arten der Wechselkosten unterscheidet Klemperer in „Markets with Consumer Switching Costs“ von 1987.
42 Tomczak et al., 2002, S. 122
43 Auch die „innere Verpflichtung“ einem Anbieter gegenüber, eine Sammlerleidenschaft oder
auch Nationalstolz, wie beispielsweise der Kauf nationaler Automarken, beschreiben verschiedene Phänomene der psychologischen Bindung. (Hinterhuber & Matzler, 2002, S. 124)
44 Ein Beispiel für die ausgeglichene Position sind zufriedene Kunden mit dem proprietären Apple-Betriebssystem. (Tomczak et al., 2002, S. 123)
45 Tomczak et al., 2002, S. 124
46 Giering, 2000, S. 8-9
47 Peter, 1997, S. 24f.
48 Bruhn und Bunge hingegen unterscheiden bei dynamischen Geschäftsbeziehungen nur in vier Interaktionsebenen: Sachproblemebene, Organisationsebene, Machtebene und die menschlich-emotionale Ebene. (Bruhn & Bunge, 1994, S. 57)
49 Plinke unterscheidet ebenfalls nur in vier Bindungsinstrumente: die institutionelle Beziehungen, sowie vertragliche, technologische und psychologische Bindungen. (Plinke, 1989, S. 318)
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