Diplomarbeit, 2007
116 Seiten, Note: 1,0
1 EINLEITUNG
1.1 Motivation
1.2 Zielstellung
1.3 Aufbau der Arbeit
2 DAS WESEN DER KREATIVITÄT
2.1 Kreativität
2.1.1 Begriffsbestimmung
2.1.2 Der kreative Prozess
2.1.3 Die kreative Person
2.1.4 Das kreative Produkt
2.1.5 Die kreative Umgebung
2.1.6 Das kreative Problem
2.2 Kognitionswissenschaftlicher Hintergrund
2.2.1 Kognition und kognitive Denkprozesse
2.2.2 Gedächtnis
2.2.3 Dualität des Gehirns
2.2.4 Denken, Lernen und Problemlösen
2.3 Kreativitätstechniken
2.3.1 Grundlage von Kreativitätstechniken
2.3.2 Kategorisierungen von Kreativitätstechniken
2.3.3 Regeln für Kreativitätstechniken in kollaborativen Szenarien
2.4 Fazit
3 KREATIVITÄT UND KREATIVITÄTSTECHNIKEN IN LERNPROZESSEN
3.1 Lerntheoretische Einordnung und Zielbestimmung
3.1.1 Kreativität vor dem Hintergrund der Lerntheorien
3.1.2 Zieltaxonomie von Kreativitätstechniken
3.1.3 Ziele von Kreativitätstechniken in kollaborativen Lernszenarien
3.2 State of the Art
3.2.1 Einsatzszenarien und intendierte Zielstellungen
3.2.2 Ergebnisse der Kreativitätsunterstützung
3.2.3 Bewertung der Untersuchungen
3.3 Kreativitätstechniken in computerunterstützten Lernanwendungen
3.3.1 Übersicht
3.3.2 Konzepte der Lernanwendungen
3.3.3 Bewertung der Einbindung von Kreativitätstechniken
3.3.4 Beispiel: GroupSystems
3.4 Fazit
4 EINFLUSS VON ANONYMITÄT UND AWARENESS AUF DEN EINSATZ VON KREATIVITÄTSTECHNIKEN
4.1 Identifikation und Anonymität
4.1.1 Informationstheoretische Perspektive
4.1.2 Sozialwissenschaftliche Perspektive
4.2 Argumentation vor sozialpsychologischem Hintergrund
4.2.1 Deindividuationstheorie
4.2.2 Das SIDE-Modell
4.3 Empirische Studien zum Einfluss von Anonymität auf die kreative Leistung
4.3.1 Studie von Connolly, Jessup und Valacich
4.3.2 Studie von Jessup, Connolly und Galegher
4.3.3 Bewertung der Studien
4.4 Awareness
4.4.1 Begriffsbestimmung
4.4.2 Arten von Awareness
4.4.3 Einfluss von Awareness auf die Nutzung von Kreativitätstechniken
4.5 Fazit
5 ANFORDERUNGEN FÜR DIE METHODISCHE UNTERSTÜTZUNG VON KREATIVITÄT IN BLUES
5.1 BluES like universal eEducation System
5.1.1 Das Workspace - Konzept
5.1.2 Rollenkonzept
5.1.3 Template-Konzepte
5.1.4 Einordnung des BluES im Spannungsfeld von CSCW
5.2 Lern- und Arbeitsprozesse im Rahmen von BluES
5.2.1 Angeleitetes Lernen
5.2.2 Selbstbestimmtes Lernen
5.2.3 Erstellen von Inhalten
5.3 Fazit
6 KONZEPT ZUR INTEGRATION VON KREATIVITÄTSTECHNIKEN IN BLUES
6.1 Vorüberlegungen
6.1.1 Selektion von Kreativitätstechniken
6.1.2 Funktionsanalyse
6.1.3 Weitere Funktionalitäten und Annahmen
6.2 Aufbau eines Moduls für Kreativitätstechniken
6.2.1 Input
6.2.2 Inhalt
6.2.3 Akteure
6.2.4 Arbeitsbereich
6.2.5 Auswertung
6.2.6 Output
6.2.7 Schlussfolgerung
6.3 Creativity-Technique-Templates
6.3.1 Template der 6-Hut Methode
6.3.2 Template der Methode Mindmap
6.3.3 Weitere Templates
6.4 Fazit
7 DISKUSSION UND BEWERTUNG
7.1 Validierung
7.1.1 Angeleitetes Lernen
7.1.2 Erstellen von Inhalten
7.2 Bewertung und Ausblick
7.2.1 Pluspunkte des Konzepts
7.2.2 Kompromisse und offene Punkte
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
TABELLENVERZEICHNIS
ANHANG
A Beschreibung ausgewählter Kreativitätstechniken
B Anforderungen an BluES
LITERATURVERZEICHNIS
Kreativitätstechniken als ein Weg zur Ideengenerierung und Problemlösung werden einerseits in Unternehmen für die Entwicklung neuer Produkte oder für die Optimierung von Arbeitsprozessen eingesetzt. Zusätzlich bieten die kreativi- tätsfördernden Methoden ein Potenzial für den Einsatz in Lehre und Bildung.
Lernprozesse in Gruppen profitieren durch die aktive Teilnahme und die Beiträge der einzelnen Mitglieder. Wissen wird in solchen Szenarien nicht passiv dargeboten, sondern von den Lernenden selbst konstruiert. Dennoch kann nicht davon ausgegangen werden, dass das bloße Zusammentreffen von Personen zu einer effektiven Kollaboration und somit zu einem Lernprozess führt. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll untersucht werden, inwiefern Kreativität und Kreativitätstechniken die kollaborative Konstruktion von Wissen unterstützen und fördern können. Zu untersuchende Fragestellungen in diesem Zusammenhang sind:
- Was sind Kreativität und Kreativitätstechniken?
- Wie können diese Konzepte Lernprozesse positiv beeinflussen und unter- stützen?
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, ein Konzept für die Integration von Kreativitätstechniken in die kollaborative Lernumgebung BluES (BluES like universal eEducation System) zu entwickeln.
Dabei gilt es, die Rolle von Kreativität und Kreativitätstechniken in Lernprozessen generell zu untersuchen sowie die Vereinbarkeit dieser mit den Konzepten von BluES zu überprüfen und herauszuarbeiten. Berücksichtigt werden sollen zusätzlich die Auswirkungen von Anonymität auf die kreative Leistung und die Bedeutung von Informationen zur Awareness. Fragestellungen, die sich in diesem Kontext stellen und welche im Verlauf der Arbeit beantwortet werden sollen, sind:
- Welche Konzepte für den Einsatz von Kreativitätstechniken in Lernszena- rien sind existent?
- Wie wirkt sich Anonymität auf die kreative Leistung einer Gruppe aus und welche Anforderungen leiten sich daraus ab?
- Welche Rolle spielen Awareness-Informationen für die Nutzung von Kreativitätstechniken?
- Welche Anforderungen ergeben sich vor dem Hintergrund typischer Lern- und Arbeitsprozesse in BluES für die Kreativitätsförderung?
- Wie können Kreativitätstechniken allgemein in die bestehende Lernumge- bung integriert werden?
Im zweiten Kapitel der Arbeit werden die Grundlagen von Kreativität und Kreativitätstechniken erläutert, sowie auf deren Zusammenhang mit menschlichen Denkprozessen aus Sicht der Kognitionswissenschaft eingegangen.
Eine Einordnung von Kreativität und Kreativitätstechniken im Rahmen der drei Hauptlerntheorien wird in Kapitel 3 vorgenommen. Zusätzlich werden die Ziele von Kreativitätstechniken in kollaborativen Lernszenarien hergeleitet sowie eine Analyse des „State of the Art“ durchgeführt. Dafür werden zum einen Untersu- chungen hinsichtlich des computerunterstützten Einsatzes von Kreativitätstechni- ken in Lernprozessen vorgestellt, als auch Lernanwendungen betrachtet, welche Kreativitätstechniken anbieten.
Das Kapitel 4 beschäftigt sich mit dem Einfluss von Anonymität auf die kreative Leistungsfähigkeit einer Gruppe, wobei zwischen einer technischen und einer sozialen Betrachtungsweise differenziert wird. Als weitere Einflussfaktor auf die effektive Nutzung von Kreativitätstechniken wird auf verschiedene Aspekte von Awareness eingegangen.
Die Vorstellung der kollaborativen Lernumgebung BluES und ihrer grundlegenden Konzepte erfolgt in Kapitel 5. An dieser Stelle werden außerdem ausgewählte Lern- und Arbeitsprozesse in BluES skizziert und hinsichtlich ihrer Anforderungen für die Kreativitätsunterstützung analysiert.
Die Beschreibung eines Konzepts zur Integration von Kreativitätstechniken ist Gegenstand des sechsten Kapitels. Es wird ein allgemeiner Aufbau und Ablauf der Kreativitätsmethoden auf Anwendungsebene vorgestellt, sowie auf Unterschiede zwischen den verschiedenen Techniken im Konkreten eingegangen. Daraus abgeleitet wird eine Lösung, welche sowohl die gemeinsame Funktion und Zielsetzung von Kreativitätstechniken in BluES berücksichtigt als auch die Unterschiede in der konkreten Umsetzung beachtet.
Abschließend wird in Kapitel 7 das Konzept auf theoretischer Ebene und bezugnehmend auf die zuvor beschriebenen Arbeitsprozesse in BluES validiert, sowie eine Diskussion und Bewertung vorgenommen. Ein Ausblick auf notwendige fortführende Untersuchungen rundet die Arbeit ab. Alle in der Diplomarbeit verwendeten Grafiken und Tabellen, welche keinen expliziten Quellenvermerk besitzen, sind eigene Abbildungen und Übersichten.
Im Folgenden soll eine Bestimmung des Begriffs „Kreativität“ vorgenommen werden, bevor auf den Prozesscharakter des Phänomens eingegangen wird, sowie eine Betrachtung von Elementen dieses Prozesses erfolgt.
Kreativität stammt von dem lateinischen Wort „creare“ (erschaffen, hervorbringen) ab und wird im Alltag zur Beschreibung von Personen, Produkten oder Prozessen verwendet.
Der in verschiedenen Definitionen am häufigsten genannte Aspekt von Kreativität, ist der des N e u e n . Urban erklärt Kreativität als „die Fähigkeit, ein neues, ungewöhnliches und überraschendes Produkt zu schaffen als Lösung eines sensitiv wahrgenommenen Problems […]“ (Urban 2004, S.11). Der Anstoß für Kreativität liegt demzufolge im Erkennen eines vorhandenen Problems. Nach Ulmann ist die Offenheit eines Individuums gegenüber seiner Umwelt eine Voraussetzung, um ein Problem überhaupt wahrzunehmen und g e d a n k l i c he F l e xi b il i tä t der Schlüssel zu kreativem Denken. Nur wer bereit ist, alte Denkstrukturen zu verlassen, kann etwas Neues entdecken oder erfinden (Ulmann 1968, S.14ff.). Im Sinn von Urban wird auch bei Brodbeck betont, dass Kreativität Erwartungen übertrifft und auf positive Weise überrascht. „Schlechte Neuerungen kann schließlich jeder erfinden“ (Brodbeck 1995, S.8). O r i g i n al ität ist demnach ein weiteres Merkmal von Kreativität. Brodbeck führt an, dass nicht nur Produkte kreativen Charakter haben können, sondern auch Wege zu bereits bekannten Resultaten.
In (Hewett et al. 2005) werden verschiedene Dimensionen von Kreativität gegenüber gestellt:
- Kreativität als Eigenschaft von Personen vs. Kreativität als Eigenschaft von Produkten vs. Kreativität als Menge kognitiver Prozesse,
-Kreativität auf individueller Ebene vs. Kreativität auf sozialer Ebene vs. Kreativität auf kultureller Ebene,
- Kreativität als etwas Alltägliches vs. Kreativität als etwas Besonderes,
- Kreativität auf einem spezifischen Wissensgebiet vs. generelle Kreativität, y Quantitative Kreativität vs. qualitative Kreativität.
Diese Übersicht zeigt, dass Kreativität ein sehr vielschichtiges Konzept ist und in unterschiedlichen Bedeutungszusammenhängen gesehen werden kann.
Im Hinblick auf die persönliche oder kulturelle Interpretationsebene von Kreativität erklärt Braun:
Kreativität und kreative Phänomene ereignen sich auf verschiedenen Ebenen menschlichen Lebens: auf der individuellen Ebene, auf der ein einzelner Mensch etwas subjektiv „Neues“ schafft; auf der sozialen Ebe- ne, auf der das „Neue“ im direkten sozialen und zwischenmenschlichen Umfeld deutlich wird, und auf der gesellschaftlichen Ebene, weil das „Neue“ kollektiv Beachtung und Wirkung findet (Braun 1992, S. 20).
In diesem Sinn wird auch in (Fischer 1999) argumentiert, dass kreative Handlungsweisen oder Produkte nicht notwendigerweise neu oder originell in einem sozial-kulturellen Rahmen sein müssen, sondern einfach neu und bedeutsam für das einzelne Individuum sein können.
Paul Torrance definiert den internen Vorgang des kreativen Denkens, welcher einer kreativen Leistung zugrunde liegt, wie folgt:
I tried to describe creative thinking as the process of sensing difficulties, problems, gabs in information, missing elements, something askew; making guesses and formulating hypothesis about these deficiencies; evaluating and testing these guesses and hypotheses; possibly revising them; and finally communicating the results (Torrance 1997, S.47).
Dem Verständnis von Torrance entsprechend, unterteilten bereits Dewey um 1910 bzw. Poincaré um 1913 den kreativen Prozess in einzelne Stufen (vgl. Dewey 1960, S. 107ff.; Poincaré 1913 nach Ulmann 1968, S.21). Beide Ansätze betonen, dass
Übergänge eher fließend sind und Iterationen stattfinden. Weitere Stufenmodelle werden bei (Wahren 1992) diskutiert. Der Autor kommt schließlich zu der Erkenntnis, dass sich der von Dewey beschriebene Denkakt in vielen Ansätzen „mit einigen Modifikationen aber für den Gesamtprozeß [sic] nicht wesentlichen Erweiterungen“ widerspiegelt (Wahren 1992, S. 211ff.). Als Modell eines vollständigen kreativen Denkprozess werden deshalb im weiteren Verlauf der Arbeit die fünf Stufen nach Dewey zugrunde gelegt. Diese sind in Abbildung 1 grafisch dargestellt und werden nachfolgend bezugnehmend auf (Dewey 1960 S. 107ff) und (Wahren 1992, S. 212ff) erläutert.
Problemwahrnehmung: Als Auslöser des kreativen Denkens werden in der ersten Phase Irritationen oder Schwierigkeiten wahrgenommen. Es entsteht der Wunsch nach einem Ausweg zu suchen.
Problemdefinition: Anschließend erfolgt eine Untersuchung des Problems.
Dabei ist es entscheidend, den Sachverhalt unvoreingenommen zu betrachten und voreilige Schlussfolgerungen zu vermeiden. Das Problem soll nicht eingeschränkt, sondern möglichst umfassend betrachtet und verstanden werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[Abb. 1] Kreativer Denkakt nach (Dewey 1910)
Entwicklung von Lösungsideen: In dieser Phase des kreativen Prozesses entstehen spontane Einfälle und Lösungsideen. Diese werden nicht sofort bewertet, sondern dienen als Anregung zur Formulierung weiterer Vermutungen und Hypothesen.
Schlussfolgerung: Erst in dieser Phase findet eine kritische Prüfung der gefundenen Lösungsideen statt. Die verschiedenen Ansätze werden unter Einbeziehung vorhandenen Wissens theoretisch auf das Ausgangsproblem angewendet. In gedanklicher Argumentation werden einige Ansätze verworfen und andere, viel versprechende zu einer konkreten Lösungsmöglichkeit weiterentwi- ckelt.
Annahme/Ablehung der Lösung: Die Überprüfung der zur Lösungsentwicklung unterstellten, theoretischen Annahmen führt abschließend entweder zu einer Bestätigung der gefundenen Lösung oder zur Ablehnung.
Die Darlegung dieses Prozesses zeigt, dass ein kreativer Denkakt nicht nur spontan und fantasievoll ist, sondern zielgerichtet und problemorientiert erfolgt.
y Festlegung 1: Kreativität ist ein problemorientierter und zielgerichteter Prozess.
Wie sowohl in (Urban 2004, S. 32ff.) als auch bei (Taylor 1997, S. 101ff.) dargelegt wird, ist ein kreativer Prozess im übertragenen Sinn durch folgende Elemente eingerahmt:
- Kreative Person,
- Kreatives Produkt, y Kreative Umgebung.
Abbildung 2 verdeutlicht den Zusammenhang dieser Elemente.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[Abb. 2] Elemente der Kreativität
Die kreative Person ist der Akteur des kreativen Prozesses und kann sowohl ein einzelnes Individuum als auch eine Gruppe sein. Dementsprechend ist eine Differenzierung zwischen individueller bzw. kollaborativer Kreativität möglich.
y Individuelle Kreativität bezeichnet die im Folgenden noch näher zu bestimmende Fähigkeit eines Individuums zu kreativem Denken unter Einbeziehung seines Wissens und seiner Erfahrungen.
Wie in (Fischer 2005a) erläutert wird, ist individuelle Kreativität auf eine einzelne Person selbst beschränkt, auf ihre spezifische Problemwahrnehmung sowie die individuelle Bedeutsamkeit des Ergebnisses.
Individual creativity comes from the unique perspective that the individual brings to bear in the current problem or situation. It is the result of the life experience, culture, education, and background knowledge that the individual has, as well as the personal meaningfulness that the individual finds in the current situation (Fischer 2005a, S.71).
- Kollaborative Kreativität, auch soziale Kreativität genannt, betont den sozialen Aspekt des kreativen Denkens und findet durch Austauschbezie- hungen in formellen oder informellen Gruppen statt (vgl. Mamykina et al. 2002).
(Fischer 2005a) stellt heraus, dass die beiden Formen nicht konkurrierend sondern ergänzend zu betrachten sind. Kollaborative Kreativität basiert auf der individuel- len Kreativität von verschiedenen Personen, welche durch gegenseitige Beeinflus- sung einen kreativen Mehrwert schaffen. Die Formulierung „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“ trifft deshalb auf die Idee der kollaborativen Kreativität zu.
Zum Teil werden in der Literatur spezielle Eigenschaften kreativer Personen diskutiert, so beispielsweise bei (Csikszentmihályi 1988, S.166ff.), (Sternberg 1997, S143ff.) oder (Ulmann 1968, S.42ff). Zu solchen Eigenschaften zählen beispielswei- se:
- Intrinsische Motivation,
-Außergewöhnliches Interesse an einem Thema, y Ausdauer während der Lösungssuche, y Unzufriedenheit mit traditionellen Wegen.
Davon ausgehend, dass eine kreative Leistung lediglich persönlich bedeutsam sein muss, soll in Übereinstimmung mit Warr und O’Neill im weiteren Verlauf der Arbeit jeder Person ein gewisses kreatives Potenzial unterstellt werden. “Each individual, or member of a group, has certain creative abilities” (Warr, O’Neill 2006, S.123).
- Festlegung 2: Jede Person besitzt ein kreatives Potenzial.
Das kreative Produkt ist nach (Taylor 1997, S. 104) ein Gegenstand, eine Idee, eine Lösung oder ein bestimmtes Verhalten, welches ein Ergebnis des kreativen Prozesses darstellt. Kreative Produkte werden also in materieller oder ideeller Form repräsentiert.
Wird in Design- und Entwicklungsprozessen eher die materielle Manifestation des kreativen Produkts, z. B. durch ein neues Möbelstück gesehen, so muss nach Dewey die ideelle Denkleistung betont werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob eine Lösung schließlich angenommen oder abgelehnt wurde.
The person who really thinks learns quite as much from his failures as from his successes. For a failure indicates to the person whose thinking has been involved in it, and who has not come to it by mere blind chance, what further observations should be made. It suggests to him what modifications should be introduced in the hypothesis upon which he has been operating (Dewey 1960, S. 114).
Der Wert eines kreativen Produktes ist demnach nicht abhängig von seiner Richtigkeit.
y Festlegung 3: Ein kreatives Produkt wird nicht nach Korrektheit bewer- tet.
Die kreative Umgebung beschreibt die komplexe Situation, in welcher der kreative Prozess stattfindet. Diese Situation kann natürlich entstanden oder künstlich forciert und durch spezielle Werkzeuge unterstützt sein. Außerdem ordnet (Taylor 1997, S.104) auch die Zugänglichkeit zu Wissen und Informationen sowie das Auftreten externer stimulierender Effekte ebenfalls der Umgebungskomponente zu.
Die Entwicklung eines vollständigen kreativen Prozesses beginnt mit einer Problemwahrnehmung, aus der heraus eine Problemstellung formuliert wird (vgl. Kapitel 2.1.2). Csikszenmihalyi weist der Problemfindung sogar einen höheren Stellenwert zu als der Problemlösung (Csikszenmihalyi 1988, S. 160).
Hinsichtlich der Einsatzmöglichkeiten von Kreativität lassen sich verschiedene Klassen von Problemen unterscheiden. Schlicksupp nimmt eine Zweiteilung in schlechtstrukturierte und wohlstrukturierte Problemstellungen vor und betont, dass die wohlstrukturierten nicht als Probleme im engeren Sinn gesehen werden können, sondern eher Aufgaben darstellen, welche eindeutig lösbar sind und damit potenziell weniger Kreativität erfordern (Schlicksupp 1992, S.33). Tabelle 1 stellt beide Problemklassen gegenüber.
Schlechtstrukturierte Probleme Wohlstrukturierte Probleme
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[Tab. 1] Problemklassen nach (Schlicksupp 1992)
Eine differenziertere Klassifizierung findet sich bei Wakefield, der verschiedene Problem-Lösungs-Kombinationen unterschiedlichen Denkarten zuordnet (vgl. Wakefield 1992, S.27ff.). Abbildung 3 zeigt eine Veranschaulichung dieser Zuordnung, welche nachfolgend erläutert wird.
(1) Klare Problemstellungen, welche klare Lösungen erfordern, sind durch logisches Denken zu bewältigen und entsprechen den wohlstrukturierten
Problemen bei Schlicksupp. Nach Wakefield besteht die Herausforderung dabei weniger in der Validierung des Ergebnisses als vielmehr in der Entwicklung der Problemlösefähigkeiten. Ein Beispiel dieser Kategorie sind mathematische Berechnungen. Diese Art des Denkens verbindet Wakefield auch mit den Begriffen konvergentes oder kritisches Denken (vgl. Wakefield 1992, S.29). (Anderson 1989, S. 193) erklärt, dass solche Probleme in jedem Fall algorithmisch, also durch ein bestimmtes Verfahren richtig gelöst werden können.
[Abb. 3] Klassifikation von Denkarten in Anlehnung an (Wakefield 1992)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(2) Offene Problemstellungen mit klaren Lösungen erfordern nach Wakefield einen selektiven Prozess, bei dem passend zur Lösung Informationen ausgewählt werden, um eine klare Problemdefinition zu finden. In diesem Bereich spielen sowohl nicht streng logische, kreative Vorgänge zur Erschließung von Informatio- nen eine Rolle, als auch konvergentes Denken aufgrund der klar definierten Lösung. Diese Denkprozesse werden als einsichtiges Denken verstanden und Ergebnisse können auf Korrektheit geprüft werden (vgl. Wakefield 1992, S.31). Ein Beispiel sind Wissenschaftler, welche nach logischen Erklärungen für Phänomene suchen.
(3) Klare Problemstellungen mit offenen Lösungen gehören zu den von Schlick- supp als schlechtstrukturiert bezeichneten Problemen. Es gilt, zu einem vorgegebenen Problem eine oder mehrere mögliche Lösungen zu finden. Ein klassisches Beispiel dieser Kategorie ist das Redesign eines Produkts. Dafür ist nach Wakefield überwiegend d i v e r g e n t e s D e n k e n notwendig. Das Ergebnis divergenter Denkprozesse ist nicht durch Korrektheit oder Optimalität, sondern durch Sinnhaftigkeit („meaningfulness“) gekennzeichnet. Diese Sinnhaftigkeit kann auf diskursiver Ebene oder durch ein Punktebewertungsverfahren ermittelt sein (vgl. Wakefield 1992, S.34).
(4) Offene Problemstellungen, welche offene Lösungen haben, entsprechen nach Wakefield am besten realen Situationen und erfordern Kreativität und k r e a t i v e s Denken im eigentlichen Sinn. Dabei soll eine Problemdefinition gefunden sowie mögliche Lösungen erarbeitet werden, ohne dass deren Korrektheit oder Optimalität endgültig zu bestimmen sind. Im Vordergrund steht wiederum die Sinnhaftigkeit des Ergebnisses. Ein Beispiel dieser Kategorie ist das Schreiben einer Geschichte (vgl. Wakefield 1992, S.32).
In Bezug zu den verschiedenen Stufen des kreativen Prozess nach Dewey (vgl. Kapitel 2.1.2) ist festzustellen, dass nicht eine bestimmte Art des Denkens genügt, um einen kreativen Prozess zu durchlaufen, sondern dass erst eine Kombination aus verschiedenen Arten einen vollständigen kreativen Denkakt ermöglicht. Neben frei kreativem Denken besonders auf den ersten Stufen, ist später divergentes und auch logisches Denken zur Lösungsfindung, Schlussfolgerung und Annahme oder Ablehnung erforderlich.
- Festlegung 4: Ein vollständiger kreativer Denkprozess erfordert neben kreativem Denken, auch divergentes, einsichtiges oder logisches.
Wie bereits deutlich wurde, spielt das Finden und Lösen von Problemen im Zusammenhang mit Kreativität eine Rolle, weshalb in diesem Abschnitt der kognitive Hintergrund dieses Vorgangs betrachtet werden soll. Nach Anderson ist Problemlösen das Absuchen eines für die agierende Person erreichbaren Problemraumes, der durch Wissenszustände definiert ist. Zur Lösung eines Problems finden Operationen statt, welche die Überführung von einem Anfangs- in einen Zielzustand darstellen. Diese Operationen sind verschiedene kognitive Denkprozesse, welche in Abhängigkeit von der Problemstellung unterschiedliche Ansprüche an die Denkleistung stellen. Nachfolgend soll der Zusammenhang zwischen Kreativität und kognitiven Vorgängen aufgezeigt werden (Anderson 1989, S.187).
Unter Kognition sind Wahrnehmungs-, Erkenntnis- und Denkprozesse zu verstehen, welche es erlauben, Objekte, Inhalte und Zusammenhänge bewusst zu erfassen und daraus Schlussfolgerungen zu ziehen (Braun 1999, S.66). Kognitive Prozesse gehen demnach über einfaches Erkennen oder Erinnern von Sachverhal- ten hinaus und tragen zum aktiven Wissenserwerb bei. Die psychologische Kognitionsforschung geht nach (Anderson 1989) von einem Informationsverarbei- tungsansatz aus. Dabei ist menschliche Kognition mehr als die Informationsverar- beitungsleistung eines Computers, der nicht „annähernd menschliche Fähigkeiten beim Erinnern und Lernen von Tatsachen, beim Lösen von Problemen, Ziehen von
Schlussfolgerungen oder beim Umgehen mit Sprache“ erzielt (Anderson 1989, S.16). Als Hauptgrund, weshalb der Computer trotz künstlicher Intelligenzfor- schung dem menschlichen Gehirn unterlegen ist, nennt Anderson die unvollständige Kenntnis der Struktur menschlicher Intelligenz. Es soll deshalb nicht näher versucht werden, kognitive Denkprozesse des Menschen detailliert zu erörtern, sondern es wird zur Erklärung von Kreativität davon ausgegangen, dass kognitive Prozesse stattfinden, die über logisches Schlussfolgern hinausgehen.
Eine detaillierte Erläuterung des Konzeptes über den Aufbau des menschlichen Gedächtnisses bietet (Anderson 1989, S.131 ff.). An dieser Stelle soll nur ein Ausschnitt davon betrachtet werden.
Es wird angenommen, dass Informationen im Langzeitgedächtnis in bedeutungsvollen Einheiten, so genannten Chunks oder Frames abgespeichert sind (vgl. Anderson 1989, S.135; Santanen et al. 1999, S.490). Zur kognitiven Verarbeitung von Inhalten können immer nur eine begrenzte Anzahl Frames (7 +/- 2) aktiv im Kurzzeitgedächtnis gehalten werden.
Anderson beschreibt die Vermutung, dass durch bestimmte Reize die Aktivierung von Frames ausgelöst wird, d. h. ihre Überführung aus dem Langzeitgedächtnis in das Kurzzeitgedächtnis. Dort kann eine weitere Verarbeitung beispielsweise im Rahmen eines kreativen Denkprozesses stattfinden. Weiterhin gehen Santanen, Briggs und De Vreede davon aus, dass einzelne Frames im Gedächtnis bereits verbunden sind und somit ein kognitives Netzwerk bilden (Santanen et al. 1999, S. 490). Basierend auf ihrem Cognitive Network Model of Creativity beschreiben die Autoren Kreativität als eine Leistung des Gehirns, welches eine erstmalige Verknüpfung zwischen bisher nicht miteinander in Beziehung stehenden Frames herstellt.
[…] the creativity of a solution is a function of the degree to which frames that were previously distant from one another become saliently associ- ated in the context of problem solving (Santanen et al. 1999, S. 491).
Die Kreativität ist dabei umso höher, je weiter voneinander entfernt die Frames im Langzeitgedächntis waren, d. h. je mehr andere Frames theoretisch übersprungen werden mussten.
Santanen et al. gehen davon aus, das durch externe Stimuli die Aktivierung entfernter, unverknüpfter Frames angeregt und somit die Kreativität gefördert wird.
Das Gehirn ist in eine linke und eine rechte Hemisphäre unterteilt. Wie in (Kirckhoff 1994, Anderson 1989) dargestellt, sind beide Gehirnhälften auf bestimmte Funktionen spezialisiert. Der linken Gehirnhälfte werden abstrahie- rende und analytische Prozesse der Informationsverarbeitung zugeordnet. Logisches, strukturiertes Denken und Sprache sind hier verortet.
Die rechte Gehirnhälfte dagegen ist für auditive und visuelle Wahrnehmungsver- arbeitung zuständig. Sie ist in Bereichen dominant, in denen Emotionen, Kreativität und räumliches Vorstellungsvermögen eine Rolle spielen. In Abbildung 4 ist eine Zuordnung dieser Funktionen visualisiert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[Abb. 4] Hemisphären des Gehirns und ihre Funktionen (vereinfachte Darstellung nach Kirckhoff 1994, S.104)
Für komplexe Vorgänge wie beispielsweise kreatives Denken und Problemlösen werden folglich beide Seiten beansprucht.
Gemäß Dewey, der feststellt: „Learning is learning to think“ (Dewey 1960, S.78), wird angenommen, dass durch Denken und Problemlösen als kognitive Leistung, Lernprozesse beschrieben werden können. Sind die Begriffe jedoch wirklich synonym zu verwenden?
In (Friedrich, Mandl 1992) wird eine Akzentuierung der Begrifflichkeiten vorgenommen:
- Denken ist die Herstellung von Beziehungen zwischen Informationen, welche bereits im kognitiven System des Akteurs vorhanden sind. Dieser Vorgang muss nicht unbedingt zielgerichtet sein und auch die Veränderung von Wissen als Ergebnis kann optional betrachtet werden.
-Lernen erfordert die Interaktion mit externen Instanzen wie beispielswei- se Tutoren, Medien oder anderen Lernenden, und hat den Erwerb oder die Veränderung von Wissen und Fertigkeiten zum Ziel. Dieses Wissen kann sowohl durch Verhaltensänderungen als auch durch Veränderung kogniti- ver Strukturen repräsentiert sein.
- Problemlösen ist das zielgerichtete Denken, welches der Lösung einer speziellen Aufgabe dient.
Wie Friedrich und Mandl weiter ausführen, schließt Lernen Denkprozesse als das Verknüpfen von Informationen ein und beinhaltet häufig Problemlöseprozesse, wenn während des Lernvorgangs Aufgaben gestellt werden, für die eine Lösung gefunden werden muss (Friedrich, Mandl 1992, S.4ff.).
Zusammenfassend soll für kreative Lernprozesse gelten:
- Sie erfordern das Erkennen schlechtstrukturierter Probleme durch den Lernenden.
-Es findet darauf basierend ein zielgerichteter Denkprozess der kreativen Lösungssuche statt.
- Dieser Prozess wird durch die Interaktion mit verschiedenen Informations- quellen (Tutor, andere Lernende, Lernmaterial) unterstützt.
- Das Ziel ist die die Erschließung persönlich bedeutsamer Informationen und infolge dessen der Erwerb neuen Wissens.
In diesem Sinn betont auch Kaul den pädagogischen Wert von Kreativität und hebt zur Förderung eben dieser in Lernprozessen die Bedeutung der Motivation, Wertungsfreiheit und Selbstständigkeit hervor.
Zu den positiven Grundbedingungen gehören insbesondere hohe Motiva- tion und Freiheit des Arbeitens (keine vorschnelle Bewertung der Ar- beitsergebnisse durch Außenstehende). Selbstinitiiert sollten die Prozesse möglichst sein, das heißt, gerade die Freude am Selbstentdecken und Selbstorganisieren sollte Motor eines Arbeits- und Lernprozesses sein. Hemmend dagegen wirken autoritäre Strukturen sowie Aufgaben und Arbeitsaufträge mit bestimmten, vorher festgelegten Lösungen.(Kaul 2003, S.3)
Eine Möglichkeit, die Verwendung gewöhnlicher und damit potenziell unkreativer Verlinkungsmuster im Gehirn zu vermeiden und somit divergentes und kreatives Denken zu fördern (vgl. Kapitel 2.1.6), ist die Anwendung von Kreativitätstechni- ken.1 Sie können als Werkzeuge im Rahmen der kreativen Umgebung angesehen werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[Abb. 5] Funktion von Kreativitätstechniken für den kreativen Prozess
In Abbildung 5 ist die Funktion von Kreativitätstechniken als methodische Unterstützung des kreativen Prozesses veranschaulicht.
Nach (Garfield et al. 2001) stellen Kreativitätstechniken in Gruppen zusätzlich ein Mittel zur formalen Beschreibung des erwünschten Verhalten im Rahmen der Ideenproduktion dar.
Schlicksupp bezeichnet die Kreativitätsmethoden als „Verfahrensrahmen, in die bestimmte Heuristiken zur gezielten Anregung von Denkvorgängen eingearbeitet sind“ (Schlicksupp 1992, S.60). Heuristiken bieten im Gegensatz zu Algorithmen keine Garantie zur Lösungsfindung, sondern sind Faustregeln, die zu Lösungen führen können (Anderson 1989, S.193). Zu solchen Heuristiken zählt (Schlicksupp 1992, S.60):
- Wechselseitige Assoziation, y Übertragung von Analogien, y Kombination,
-Variation,
- Abstraktion eines Sachverhalts,
-Systematische Zerlegung von Strukturen.
Heuristiken bilden in Kombination mit Erkenntnissen über sozio- und individualpsycholgische Erkenntnisse sowie dem Wissen um kognitive Denkprozesse (vgl. Kapitel 2.2) die Grundlage für den Aufbau und Einsatz von Kreativitätstechniken (Schlicksupp 1992, S.62).
Zum Teil werden in der Literatur für Kreativitätstechniken auch die Bezeichnun- gen
- Moderationstechniken,
- Visualisierungstechniken,
- Mnemotechniken,
- Entscheidungsfindungsmethoden,
- Ideenfindungsmethoden oder
- Problemlösemethoden
benutzt. Diese Begriffsvielfalt weist auf die unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten und Zielsetzungen der Arbeit mit Kreativitätstechniken hin. Dabei fördern die Methoden nicht nur das kreative Denken, sondern regen auch zu divergentem und logischem Denken an.
Mit Hilfe von Kreativitätstechniken können keine wohlstrukturierten Probleme gelöst werden, welche eine eindeutig richtige Lösung haben, wie beispielsweise eine mathematische Gleichung. Es ist jedoch möglich, zur Lösung eines schlecht- strukturierten Problems aus einer generierten Auswahl durch logisch schlussfol- gerndes Denken zwischen gut geeigneten und unsinnigen Vorschläge zu selektieren.
Es existiert eine Vielzahl von kreativitätsfördernden Methoden. Nach (Schreiber, Trautvetter 1998) waren im Jahr 1998 etwa 200 verschiedene Kreativitätstechni- ken bekannt. (Mycoted 2007) listet über 180 verschiedene Techniken auf. Aufgrund dieser großen Anzahl existieren verschiedene Ansätze für eine Kategorisierung der Kreativitätsmethoden.
Eine in der Literatur häufig vorgenommene Unterscheidung ist die zwischen analytischen und intuitiven Techniken. In Varianten analytischer Methoden wird der Problemgegenstand in einzelne Teilaspekte zerlegt und analysiert, um darauf basierend nach Lösungen zu suchen. Dabei bleibt das mögliche Lösungsfeld jedoch auf Kombinationen und Adaptionen vorgegebener Elemente beschränkt und unterstützt in diesem Sinn den kreativen Prozess vorrangig durch Anleitung zu divergentem und logischem Denken. Intuitive Methoden dagegen regen die Intuition der Anwender durch Assoziationen und Vergleiche an, um neue, über das Bestehende hinausgehende Ideen zu generieren, Probleme zu entdecken und somit kreatives Denken im eigentlichen Sinn zu fördern (vgl. Garfield et al. 2001).
Weitere Kategorisierungen orientieren sich an speziellen Verfahrensmerkmalen, wie z. B. bei (Schlicksupp 1992). Tabelle 2 zeigt die von dem Autor vorgeschlagene Gruppierung.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[Tab. 2] Kategorisierung von Kreativitätstechniken nach Verfahrensmerkmalen nach (Schlicksupp 1992)
Davon ausgehend, dass die meisten Kreativitätstechniken besonders einzelne Phasen des kreativen Prozesses geeignet unterstützen können, wird bei (Mycoted 2007) ein anderer Ansatz gewählt und eine Kategorisierung der Methoden nach einzelnen Stufen präsentiert, wie in Tabelle 3 dargestellt ist.
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[Tab. 3] Kategorisierung von Kreativitätstechniken bei (Mycoted 2007)
Wie in Abschnitt 2.1.3 erläutert wurde, kann Kreativität durch die Zusammenar- beit und Interaktion verschiedener Akteure gefördert werden. Durch eine Kollaboration mehrer Personen entstehen jedoch auch Einflüsse, die kreatives Denken und Lernen behindern können. Um diese zu minimieren, werden bestimmte Verhaltensregeln für alle Teilnehmer einer Kreativitätstechnik festgelegt.
Regeln und Hinweise zur Dürchführung von Kreativitätstechniken finden sich u. a. in (Schlicksupp 1992, S. 156, McFadzean 2001, Scholles et al. 2006). Zusammenfassend lassen sich folgende Leitsätze formulieren:
- Alle Teilnehmer sind gleichrangig, es gibt keine Autoritäten oder Experten.
- Jeder bringt sein Wissen in die Gruppe ein.
- Während der Informationssammlung und Ideensuche erfolgt keine Bewer- tung.
- Die Gedanken anderer aufzugreifen, zu kombinieren und weiterzuentwi- ckeln, ist ausdrücklich erwünscht.
- Jeder lässt seinen Gedanken freien Lauf.
- Alle Gedanken sind erlaubt, auch ungewöhnliche oder unrealistische.
- Jeder drückt sich so einfach und verständlich wie möglich aus.
Ferner ist eine sozial homogene, jedoch fachlich eher heterogene Zusammensetzung der Gruppe erstrebenswert, um einerseits Spannungen zu vermeiden und andererseits unterschiedliche Informationsträger und Erfahrungshintergründe einzubeziehen (vgl. Schlicksupp 1992, Mamykina et al. 2004).
Kreativität ist ein sehr vielschichtiger und zum Teil widersprüchlich geprägter Begriff. Für die vorliegende Arbeit wurden folgende Festlegungen getroffen:
- Kreativität ist problemorientiert und zielgerichtet.
-Jede Person besitzt ein kreatives Potenzial.
-Ein kreatives Produkt wird nicht nach Korrektheit bewertet.
- Ein vollständiger kreativer Denkprozess erfordert neben kreativem Denken, auch divergentes, einsichtiges und logisches.
Kreativitätstechniken basieren auf heuristischen Strategien sowie Erkenntnissen über kognitive Vorgänge im menschlichen Gehirn. Sie dienen vorrangig als Methoden für die Ideenfindung und Problemlösung. Aus dem Zusammenspiel zwischen Denken, Lernen und Problemlösen, lassen sich darüber hinaus auch positive Auswirkungen des Einsatzes von Kreativitätstechniken auf Lernprozesse unterstellen. Diese Annahme wird im folgenden Kapitel konkretisiert werden.
Bevor im Folgenden die speziellen Möglichkeiten und Ziele von Kreativitätstechniken in kollaborativen Lernszenarien beschrieben werden, soll zunächst der Stellenwert von Kreativität bzw. kreativen Prozessen im Rahmen der drei wichtigsten Lerntheorien untersucht werden.
Der B e h a v i o r i s m us wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts von John B. Watson begründet und leitet ausschließlich auf Basis objektiv beobachtbaren Verhaltens allgemeine Gesetzmäßigkeiten des Lernens ab. Das Gehirn des Lernenden wird als „Black-Box“ betrachtet und der Lernprozess auf ein einfaches Reiz-Reaktions- Schema reduziert (Baumgartner, Payr 1994, S.110ff.). Kognitive Denkprozesse, welche eine Voraussetzung für Kreativität darstellen, spielen somit bei der Erklärung von Lernvorgängen keine Rolle.
Vertreter des K o g ni t iv i s t i sm u s verstehen Lernen als „Prozess der Aneignung von Wissen im Gedächtnis eines Individuums“ (Kerres 2001, S.75). Das menschli- che Denken wird als ein Prozess der Informationsverarbeitung, ähnlich einem Computer, wahrgenommen. Wie in (Baumgartner 2006) erläutert, werden damit zwar kognitive Vorgänge im Gehirn betont, jedoch dem Individuum weniger Bedeutung beigemessen, als es im Rahmen behavioristischer Ansätze der Fall ist. (Brodbeck 2006) vergleicht das kognitivistische Verständnis des menschlichen Denkens mit einem Computermodell, wonach sich kreative Prozesse nur als Zufall erklären lassen.
Baumgartner gibt folgende Umschreibung zu Lernmechanismen des Kognitivis- mus:
Die Art des Lernens, die im Kognitivismus im Mittelpunkt der Forschung steht, ist das Problemlösen: Es geht nicht mehr darum, auf gewisse Stimuli die (einzig) richtige Antwort zu produzieren, sondern weit allgemeiner darum, richtige Methoden und Verfahren zur Problemlösung zu lernen, deren Anwendung dann erst die (eine oder mehrere) richtigen Antworten generiert (Baumgartner 2006, S.3).
Als Ausgangspunkt eines problembasierten Lernprozesses gilt demnach eine vorgegebene Problemstellung, deren Lösung sich auf Korrektheit überprüfen lässt. Das Ziel ist weniger das Finden der richtigen Lösung als eher das Erlernen entsprechender Methoden, welche zur richtigen Problemlösung führen. In Anlehnung an den Vergleich des menschlichen Gehirns mit einem Computer- Modell spielt hier das Finden, Verstehen und Anwenden von Algorithmen zur Problemlösung eine Rolle. Obwohl die erstmalige Suche nach einer Problemlö- sungsmethode kreativen Charakter aufweisen kann, wird auch in solchen Szenarien das Potenzial von Kreativität und kreativen Denkprozessen nicht umfassend ausgeschöpft
Im K o ns t r u k t i v i s m us wird die Möglichkeit einer objektiven Repräsentation von Wirklichkeit verneint. In seiner radikalen Ausprägung versteht der Konstrukti- vismus das menschliche Gehirn als autopoietisches System, das seine eigene Vorstellung von Wirklichkeit hat. Die Konstruktion von Wirklichkeit in Bezug zu bestehenden Erfahrungen ist eine individuelle, kognitive Leistung und kann nicht extern gesteuert werden (vgl. Schüerhoff 2006, S.40). In diesem Sinn ist individuelles, selbstbestimmtes Lernen durch dieses Lernparadigma begründet.
Der soziale Konstruktivismus folgt dem radikalen insofern, dass Realität nicht erfasst, sondern nur vom Lernenden selbst konstruiert werden kann. Zusätzlich zu individueller Kognition spielen dabei auch soziale Austauschbeziehungen und verteilte Kognition eine Rolle, d. h. Wissen liegt „nicht mehrfach repliziert ‚in den Köpfen’ der einzelnen Lerner vor, sondern - mit mehr oder weniger Überlappung - über die Mitglieder der Gruppe verteilt“ (Wessner, Pfister 2001, S.255). Wissen wird in Interaktion mit der Umwelt konstruiert und somit bildet die sozial- konstruktivistische Theorie die Basis selbstbestimmten, kollaborativen Lernens.
Hinsichtlich der Frage, wie der Erfolg konstruktivistischer Wissenskonstruktionen bewertet werden kann, führt Werner Stangl aus, dass es entscheidend sei,
[…] inwieweit es dem Lernenden gelingt, eine eigene Perspektive auf sein Lernen einzunehmen, indem er sich motiviert, sein Lernen selbst organi- siert, sich seiner Muster und Schematisierungen bewusst wird und diese handlungsorientiert entwickelt. Auch eine fremde Perspektive einzuneh- men, sich "von außen" zu betrachten, um Lücken, Fehlstellen, Schwierig- keiten des eigenen Lernens zu beobachten und neue, kreative Wege zu erschließen, um das Lernverhalten zu verändern, wird dabei notwendig sein (Stangl 2006a).
Kreativitätstechniken fördern im Rahmen des konstruktivistischen Lernparadig- mas sowohl individuelle als auch kollaborative Kreativität. Sie erlauben das Einnehmen multipler Perspektiven und die selbstbestimmte Konstruktion neuen Wissens durch divergentes und kreatives Denken unter Einbeziehung des eigenen Erfahrungshintergrundes und in Interaktion mit anderen Lernenden. Die individuelle Wahrnehmung eines Problems ist im Konstruktivismus Vorausset- zung zur Veränderung von Wissen und kann gleichzeitig der Auslöser eines kreativen Denkprozesses sein.
Kreativitätstechniken sind keine speziell zur Unterstützung von Lernprozessen entwickelten Methoden. Ihre Einsatzmöglichkeiten reichen von unternehmeri- schen Innovations- und Designprozessen bis hin zu Lehre und Bildung. Grundsätzliche Unterscheidungen sind dabei hinsichtlich der Zielsetzungen zu treffen.
(Wang et al. 2006) nehmen eine Unterscheidung zwischen einem leistungsorientierten (performance-orientated) Einsatz und einem lernorientierten (learningorientated) Einsatz vor. Ein leistungsorientierter Einsatz zielt auf eine Produktion möglichst zahlreicher Ideen und Lösungen ab, während bei einem lernorientierten Einsatz der Wissenserwerb im Vordergrund steht.
Genügt es für Innovationsprozesse, eine Vielzahl von Ideen innerhalb einer Gruppe zu finden, besteht der Nutzen in Lernprozessen darin, die Vielzahl der kollaborativ gefundenen Ansätze mit individuellem Wissen zu vergleichen, auf metakognitiver Ebene Defizite festzustellen und neues Wissen zu erarbeiten. Die Generierung von Ideen und das Problemlösen stellen Teilziele auf dem Weg des Wissenserwerbs dar. Abbildung 6 veranschaulicht diese Relation. Somit gehen die Zielsetzungen für die Nutzung von Kreativitätstechniken in lernorientierten Szenarien über die eines leistungsorientierten Einsatzes hinaus.
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[Abb. 6] Zieltaxonomie von Kreativitätstechniken in Bezug auf einen lernorientierten Einsatz
Wie bei (Bruhn et al. 2000) dargestellt, soll kollaboratives Lernen den Erwerb von anwendbarem Wissen fördern. Die Autoren weisen darauf hin, dass diese Erwartungen in empirischen Untersuchungen nur zum Teil bestätigt wurden. Es ist demnach nicht ausreichend, Lernende zusammen zu bringen und automatisch eine effektive Kollaboration zu erwarten. Eine Förderung des gegenseitigen Gedankenaustauschs und der gemeinsame Wissenskonstruktion ist notwendig. In diesem Sinn argumentieren auch (Warr, O’Neill 2006), dass jeder Lernende Wissen und Kenntnisse in speziellen Bereichen besitzt, jedoch in individuellen Lernszena- rien nach konstruktivistischem Verständnis auf die Grenzen seiner eigenen Wirklichkeit beschränkt bleibt. Erst durch Kollaboration und den Austausch von individuellen Ideen und Vorstellungen ist der Einzelne in der Lage, seinen Wissenshorizont zu erweitern. Ein Ziel von Kreativitätstechniken in gemeinschaft- lichen Lernszenarien ist deshalb die Anregung zum Austausch von individuellen Gedanken zur gegenseitigen Inspiration und Stimulation von Ideen. Im Fall einer Kollaboration ist es dabei nicht entscheidend, dass der Empfänger exakt versteht, was der Sender aussagen wollte. Der Nutzen resultiert allein schon aus dem Impuls, den die externen Ideen dem einzelnen Lernenden geben können.
Zur kollaborativen Konstruktion von gemeinsamem Wissen ist es notwendig, dass die Lernenden ihr internes Wissen teilen, d. h. jeder muss seine Kenntnisse und Vorstellungen externalisieren. Das kann durch Sprache, aber auch durch Bildmetaphern oder strukturierte Visualisierungen geschehen. Kreativitätstechni- ken bieten dem Lernenden die Möglichkeit, seinem Wissen in verschiedener Form Ausdruck zu verleihen, es anderen zugänglich zu machen und somit die Generie- rung von shared Knowledge zu unterstützen. Der Begriff shared Knowledge soll in diesem Zusammenhang als geteiltes, d. h. verteiltes aber gemeinsames, Wissen verstanden werden (vgl. Thalemann 2003, S.16). Die Bedeutung der verteilten Wissenskonstruktion zur Herausbildung eines gemeinsamen Verständnisses in kollaborativen Gemeinschaften betont Gerhard Fischer:
Shared understanding that supports collaborative learning and working requires the active construction of a knowledge system in which the meanings of concepts and objects can be debated and resolved (Fischer 2005a, S.71).
Kreativitätsmethoden stellen eine Strategie zur Kommunikationsbewältigung innerhalb der Gruppe dar und können somit die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses bzw. die Generierung von shared Knowledge unterstützen.
Lernende können durch den Einsatz einer Kreativitätstechnik zu einer entspre- chend offenen Problemstellung kollaborativ zusammentragen, welche Lösungs- ideen sie haben und über welches Wissen sie bereits verfügen. Wie Wang et al. ausführen, sind die Lernenden somit besser in der Lage, auf metakognitiver Ebene zu erkennen, wo Wissensdefizite bestehen (Wang et al. 2006, S.77). Das Finden von Fragen fördert die Suche nach neuem Wissen. Nur wer weiß, was er nicht weiß, kann im Sinn des Konstruktivismus einen Anreiz zum Lernen erkennen.
Individuelle Kenntnisse, welche in einem speziellen Bereich erworben wurden, werden durch die kollaborativen Lösungssuche im Rahmen einer Kreativitätstechnik aktiviert, auf neue Situationen übertragen und können für andere Lernende einen Zugewinn an Wissen darstellen (vgl. Wang et al. 2006, S. 77).
Die in kollaborativer Arbeit entstandenen Artefakte dokumentieren den Lernprozess und repräsentieren das geteilte Wissen der Lernenden. In einem „Wissenspool“ können diese Artefakte anderen, nicht am Konstruktionsprozess beteiligten, Lernenden zugänglich gemacht werden. Es findet im Vergleich zur klassischen Informationsbereitstellung durch Lehrende oder andere Autoritäten eine „Dezentralisation der Informationsgewinnung“ (Wahren 1996, S. 112) statt. Dabei ist davon auszugehen, dass ein einzelner Lernender kaum die Komplexität oder Vielfältigkeit der im gemeinschaftlichen kreativen Prozess gewonnenen und durch die Kreativitätstechnik dokumentierten Erkenntnisse erreicht hätte.
Kollaboratives Lernen ist eng mit den in Kapitel 2.3.1 beschriebenen Grundsätzen des sozialen Konstruktivismus verknüpft. Wissen wird selbständig jedoch diskursiv im Austausch mit anderen Lernenden konstruiert, wobei die Unterstüt- zung zur Einnahme multipler Perspektiven als weiteres Ziel von Kreativitätstech- niken in kollaborativen Szenarien angesehen werden kann. Die Wichtigkeit veränderter Sichtweisen betont beispielsweise Johanna Meixner, die aus der sozial-konstruktivistischen Perspektive den individuellen Erkenntnisprozess wie folgt charakterisiert:
Der Mensch kann […] auf Perturbationen individuell und selbstbestimmt reagieren. Der dazu erforderliche Prozess der Selbstreflexion erfordert einen Perspektivenwechsel von einer zur anderen Person. Dadurch ge- lingt es ihm, die bestehenden Wirklichkeiten vor dem Hintergrund neu an ihn herantretender Informationen zu prüfen (Meixner 1997, S.21).
Der kollaborative Austausch durch Kommunikation und Interaktion mit anderen Lernenden und die bewusste Einnahme multipler Perspektiven z. B. im Rahmen einer Kreativitätstechnik begünstigt demnach die kritische Reflexion der eigenen bestehenden aber auch neu konstruierten Wirklichkeit. Kreativitätstechniken regen aber nicht nur die Überprüfung des eigenen Standpunktes an, sondern fördern durch das Nebeneinanderbestehen verschiedener Meinungen zu einem gewissen Grad auch die Konsensfähigkeit der Lernenden. Diese können erkennen, dass es nicht nur die eine Sichtweise auf einen Sachverhalt geben muss.
Darüber hinaus fördern Kreativitätstechniken die Aktivierung und Selbstbestimmung der Lernenden und tragen somit zu deren Motivation bei.
Zusammenfassend lassen sich die in Tabelle 4 aufgezeigten Möglichkeiten und Ziele des Einsatzes von Kreativitätstechniken in kollaborativen Lernszenarien konstatieren, wobei die Einordnung der Ziele in eine Kategorie der Orientierung dient und nicht als absolut trennscharf zu interpretieren ist.
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[Tab. 4] Ziele von Kreativitätstechniken in kollaborativen und kooperativen Lernszenarien
Obwohl eine Vielzahl von Kreativitätstechniken existieren, werden nur wenige davon computerunterstützt in realer Lehre und Bildung eingesetzt. Rechercheergebnisse zeigen, dass bisher wenige Studien vorhanden sind, die den Einsatz von computerunterstützten Kreativitätsmethoden in realen Lernszenarien dokumentieren. Es wurden Einsatzszenarien der Methoden
- Elektronisches Brainstorming,
-6-Hut-Methode,
- Concept Map und
- Mindmap
gefunden (vgl. De Vreede, Mgaya 2001; Belfer 2001; Schellens et al. 2006; Stoyanova, Kommers 2002; Willis, Miertschin 2005; Willis, Miertschin 2006).
Obwohl es ein übergeordnetes Ziel der betrachteten Studien ist, die kreative Denkfähigkeit der Lernenden durch den Einsatz verschiedener Kreativitätstechniken zu fördern, unterscheiden sich die konkreten Zielstellungen der einzelnen Szenarien deutlich.
(De Vreede, Mgaya 2001) setzen ein elektronisches Brainstorming in einem zuvor klassisch lehrerzentrierten Unterrichtsszenario ein, um die Motivation und aktive Beteiligung der Lernenden zu erhöhen. Weitere direkte Lernziele werden von den Autoren nicht benannt.
Den Nutzen des Einsatzes von Kreativitätstechniken zur verteilten Wissenskon- struktion betonen (Stoyanova, Kommers 2002). Die Forscher stellen die Bedeutung der Darstellung und des Austauschs von implizitem Wissen Einzelner für den Lernprozess einer kollaborativen Gruppe heraus. Dabei ist nach dem Verständnis der Autoren das kollaborativ generierte Wissen mehr als die Summe des Wissens der einzelnen Lernenden und das Lernziel die Integration neuer Konzepte in individuelle Wissensstrukturen. Die Untersuchung der theoretischen Überlegun- gen von (Stoyanova, Kommers 2002) erfolgte im Rahmen eines Hochschulkurses, in dem Studierende eine Multimediaanwendung zum einem mit einem elektronischen Brainstorming und zum anderen mit Hilfe von Concept Maps planen sollten.
In beiden Studien sind Brainstorming und Concept Maps zentrale Bestandteile des kollaborativen Lernens. Ein anderer Stellenwert wird der 6-Hut-Methode sowohl bei (Belfer 2001) als auch bei (Schellens et al. 2006) zu teil. In beiden Fällen wird die Kreativitätstechnik im Rahmen einer Diskussion eingesetzt, welche der vertiefenden Beschäftigung mit dem Lernstoff dienen soll. Während (Belfer 2001) durch den Einsatz der verschiedenen Denkhüte persönliche Angriffe unter den Lernenden minimieren möchte, sehen (Schellens et al. 2006) das Potenzial zu einer tiefgehenden und umfassenden Diskussion, welche durch die Betrachtung des Themas aus den verschiedenen Perspektiven möglich ist.
(Willis, Miertschin 2005) gehen davon aus, dass die bewusste Auseinandersetzung eines Lernenden mit eigenem, bestehendem Wissen in Bezug zu neuen Sachverhal- ten zu bedeutenden Einsichten im Rahmen eines konstruktivistischen Lernprozes- ses führt. Im Zentrum ihrer Untersuchungen stehen deshalb Mindmaps als Werkzeug zur Darstellung vorhandenen Wissens und zur Integration neuer Informationen. Erstellt und festgehalten werden die Mindmaps der Studierenden auf TabletPCs. Neben der individuellen Auseinandersetzung unterstellen auch die beiden Autoren einen Gewinn für den Lernprozess, welcher aus dem gegenseitigen Austausch von Mindmaps zwischen Lernenden resultiert. Der Einzelne soll weitere Gedankenkonzepte erkennen und anschließend seine eigene ursprüngliche Darstellung kritisch reflektieren.
Eine Zusammenfassung der verschiedenen Szenarien und Zielstellungen bietet Tabelle 5.
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1 Im weiteren Verlauf der Arbeit werden die Begriffe „Kreativitätstechnik“ und „Kreativitätsmethode“ synonym verwendet.
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