Masterarbeit, 2013
60 Seiten
1. Einleitu
2. Eingrenzung und Pramissen
2.1. Gewahrleistungsstaat
2.2. Transaktionstheoretische Method
2.3. Produktionskosten
2.4. Stufen der Privatisierung und Leistungstiefe
2.4.1. Vollstandige Eigenleistung
2.4.2. Formelle Privatisierung
2.4.3. Funktionelle Privatisierung
2.4.4. Materielle Privatisierung
3. Erstellung der Wertschopfungskette des Bahnsektor
3.1. Netzdienstleistungen
3.2. Verkehrsdienstleistungen
3.3. Steuerungsdienstleistungen
4. Analyse der Wertschopfungskette anhand des Transaktionskostenansatze
4.1. Fahrweg: Neu- und Ausbau
4.2. Fahrweg: Instandhaltung & Betrieb
4.3. Energieversorgung
4.4. Serviceeinrichtungen: Neu- und Ausbau
4.5. Serviceeinrichtungen: Instandhaltung & Betrieb
4.6. Fahrzeugbeschaffung
4.7. Fahrzeugwartung & -instandhaltung
4.8. Operative Betriebsausfuhrung
4.9. Zulassung & Uberwachung
4.10. Trassenallokation und Fahrplanabstimmung
4.11. Allokation von Kapazitaten in Serviceeinrichtungen
4.12. Vertriebsorganisation
4.13. Ubersicht
5. Diskussion und Schlussfolgerung
5.1 Fahrweg: Neu- und Ausbau
5.2. Fahrweg: Instandhaltung & Betrieb
5.3. Energieversorgung
5.4. Serviceeinrichtungen: Neu- und Ausbau
5.5. Serviceeinrichtungen: Instandhaltung & Betrieb
5.6. Fahrzeugbeschaffung
5.7. Fahrzeugwartung & -instandhaltung
5.8. Operative Betriebsausfuhrung
5.9. Zulassung & Uberwachung
5.10. Trassenallokation und Fahrplanabstimmung
5.11. Allokation von Kapazitaten in Serviceeinrichtungen
5.12. Vertriebsorganisation
5.13. Ubersicht
6. Grenzen der Untersuchung
7. Fazit
8. Abkurzungsverzeichnis
9. Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
10. Literaturverzeichnis
Die Politik und die offentliche Diskussion der letzten Dekaden in der Bundesrepublik Deutschland sind maBgeblich gepragt von den Themen der Haushaltskonsolidierung und der dabei hervorgebrachten Losungsvorschlage. Besonders der unter dem Begriff der Privatisierung oftmals eingebrachte Losungsvorschlag ist Gegenstand hitziger Debatten und Untersuchungen. Allgemein wird darunter die Uberfuhrung von offentlichen Institutionen der Daseinsvorsorge, wie des Verkehrs- und Beforderungswesen, Bildungs- und Kulturwesens, der Gas-, Wasser-, Elektrizitatsversorgung, Mull-, Abwasserentsorgung, des Gesundheits- und Krankensystems, in private Vertrags- und Organisationsformen verstanden (Killian et al. 2006, S. 21). Diese Diskussion wird meist sehr ideologiegetrieben, pauschalisiert und einseitig gefuhrt, sodass objektive Argumente uber das Fur und Wider von Privatisierung kaum Gehor finden. Seitens der Privatisierungsbefurworter wird oftmals das Argument der wirtschaftlichen Vorteilhaftigkeit der Aufgabenerfullung der Daseinsfursorge in privaten Vertrags- und Organisationsformen angefuhrt. Dabei werden haufig ausschlieBlich Produktionskostenvergleiche zugrunde gelegt, wobei dies die Bevorzugung des Marktes mit der Reduzierung der Leistungstiefe impliziert (Schatzer 1999, S. 109, Jann 1996, S. 60). Jedoch konnen Aussagen uber die wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit erst unter Beruck- sichtigung der Gesamtkosten und somit unter Hinzuziehung von Transaktionskosten getroffen werden (Lenk & Rottmann 2007, S. 213, 222; Reichard 2004, S. 56; Scholl & Thone 1998, S. 79f.). Mit Hilfe des Transaktionskostenansatzes sollen Anhaltspunkte erarbeitet werden, wie einzelne Glieder der Wertschopfungskette in Ihrer Leistungstiefe gestaltet werden sollen. Diese Arbeit greift die Betrachtung von Transaktionskosten offentlicher Einrichtungen der Daseinsfursorge bei verschiedenen Vertrags- und Organisationsformen gemaB der Transaktionskostentheorie nach Coase (1937) und Oliver E. Williamson (1975, 1985) auf. Dabei stutzt sie sich vornehmlich auf zugangliches Sekundarmaterial. Die Deutsche Bahn AG (DB) wird als Modell einer Einrichtung der Daseinsfursorge zur Untersuchung der Hohe der Transaktionskosten in verschiedenen Vertrags- und Organisationsformen herangezogen. Sie eignet sich insbesondere dafur, weil sie eine 1994 aus den ehemaligen deutschen Staatsbahnen fusionierte und formell privatisierte Einrichtung in 100 % Staatsbesitz unter Einschluss der gesamten Wertschopfungskette reprasentiert (Albach 2002, S. 63). Sie verfugt immer noch uber einen Marktanteil von 74 % im Schienenguterverkehr, 76 % im Personennahverkehr und nahezu 100 % im Personenfernverkehr (Deutsche Bahn 2012a, S. 9, 11, 17). Uber ihre weitere Zukunft im Rahmen der Privatisierungsdiskussion bestimmt der Staat als Alleineigentumer und von daher liegt es in der Hand des staatlichen Eigentumers wie die Leistungstiefe von Bahndienstleistungen zu gestalten ist. Leistungstiefe beschreibt das AusmaB inwiefern Leistungen benachbarter Produktionsstufen innerhalb einer Organisation erbracht werden (Picot 1991, S. 337). Mit zunehmender bzw. abnehmender Anzahl, die eine Dienstleistung oder ein Produkt in der selben Organisation durchlauft, steigt bzw. sinkt die Leistungstiefe der Organisation (Picot 1991, S. 337). Demzufolge verringert sich die Leistungstiefe des Gewahrleistungsstaates, wenn benachbarte Leistungsstufen der Dienstleistung Bahn auBerhalb staatlicher Vertrags- und Organisationsformen erbracht werden. Das Besondere des staatlichen Alleineigentumers ist sein aus dem Art. 87e Grundgesetz (GG) abgeleitetes Selbstverstandnis als Gewahrleistungsstaat, welcher sich zur Gewahrleistung von Bahnverkehr in Deutschland verpflichtet (Gersdorf 2010, Art. 87e Rdnr. 1). Zur Aufgabenerfullung seiner Gewahrleistungspflicht kann sich der Staat von der vollkommenen Eigenerstellung uber hybride Formen bis hin zur totalen Nutzung des Marktes bedienen (Schmidt-Bleibtreu/Klein 2004, Art. 87e Rdnr. 5). Daraus kann sich ein abnehmender Grad der vertikalen Integration von vollstandiger Eigenleistung zu formeller Privatisierung, uber funktionale Privatisierung bis zur materiellen Privatisierung ergeben. Es wurde bewusst der Terminus der Leistungstiefe gewahlt, da sich abseits des bloBen „make or buy“, die Leistungserstellung im Kontinuum von Integrationsgraden auch auf andere nicht-offentliche Sachverhalte ubertragen lasst. Somit ist das in dieser Masterarbeit erarbeitete Konzept auf andere Sachverhalte transferierbar. Zudem bedeutet Privatisierung in der Eigentumer- eigenschaft als Staat letztendlich nichts anderes als den vertikalen Integrationsgrad zu modifizieren. Zudem gewahrleistet der Begriff Leistungstiefe eine unvoreingenommene Betrachtung in beide Richtungen, d. h. sowohl Richtung Privatisierung als auch Verstaatlichung. SchlieBlich besteht der Wunsch nicht per se darin zu privatisieren, sondern das der Gewahrleistungsstaat moglichst effizient seinen Aufgaben im Bahnsektor nachkommt.
Die Untersuchung erfolgt in funf Abschnitten. Der zweite Abschnitt grenzt das Untersuchungsmodell und die -methode entsprechend den Grundannahmen des Gewahrleistungsstaates und der Transaktionskostentheorie ein. Zudem werden im Abschnitt 2.4 ausgewahlte Formen der Privatisierung und die Implikationen auf die Leistungstiefe vorgestellt und typisiert. Im dritten Abschnitt erfolgt die Erstellung sowie Aufgliederung der dieser Arbeit zugrunde gelegten Wertschopfungskette des Bahnsektors, worauf im nachfolgenden vierten Abschnitt diese anhand des Transaktionskostenansatzes hinsichtlich der Untersuchungsfrage analysiert wird. Der funfte Abschnitt diskutiert auf Basis der Ergebnisse des vorherigen Abschnittes die geeignete Leistungstiefe und konkludiert Empfehlungen uber die geeignete Privatisierungsform. Im sechsten Abschnitt werden die Grenzen dieser Arbeit aufgezeigt. Der siebte Abschnitt beschlieBt die Arbeit mit einem Fazit.
Im Folgenden werden der transaktionskostentheoretische Bezugsrahmen und weitere zum Verstandnis dieser Untersuchung zugrunde gelegten Pramissen erlautert.
Die Idee, dass die offentliche Hand zu ihrer Aufgabenerfullung nicht alles selber leisten muss, erhalt vermehrt gesellschaftlichen Zuspruch. Nichtsdestotrotz wird erwartet, dass die Erfullung dieser Aufgaben gewahrleistet ist. Das Staatsverstandnis hat einen Paradigmen- wechsel vom Leistungsstaat zum Gewahrleistungsstaat vollzogen (Reichard 2012, S. 208; Gersdorf 2010, Art. 87e Rdnr. 3). Dieses Staatsverstandnis fand bei der Erganzung des Art. 87 GG mit Art. 87e GG im Zuge der Bahnreform mit Verabschiedung des Eisenbahnneuordnungsgesetzes 1994 Niederschlag (Gersdorf 2010, Art. 87e Rdnr. 1). Seither ist es dem Staat vorgeschrieben private Vertrags- und Organisationsformen in die Aufgabenerfullung einzubeziehen (Pieroth 2012, Art. 87e Rdnr. 4). Die offentliche Hand ist fur die Initiierung, Sicherstellung, Koordination und Steuerung sowie gegebenenfalls fur die Finanzierung offentlicher Aufgaben verantwortlich (Reichard 2012, S. 208). Die Aufgabenerfullung an sich soll durch die dafur am geeignetste Vertrags- und Organisationsform geleistet werden (Reichard 2012, S. 208). Der Paradigmenwechsel vom Leistungsstaat zum Gewahrleistungsstaat bringt auch eine Differenzierung der Verantwortungsstufung und -teilung mit sich (Schuppert 2000, S. 933f.). Wahrend im Leistungsstaat Gewahrleistungs-, Finanzierungs- und Vollzugsverantwortung nicht differenziert wurden, so werden im Gewahrleistungsstaat die Verantwortlichkeiten differenziert. Die Sicherstellung der Erfullung offentlicher Aufgaben zu bestimmten Standards wird als Gewahrleistungsverantwortung bezeichnet. Diese umfasst jedoch nicht die Verantwortung fur den Vollzug, sondern obliegt der in der Vollzugsverantwortung stehenden Institution, die die tatsachliche Leistung erbringt. Indessen verbleibt die Finanzierungsverantwortung meistens beim Staat, z. B. bei Public Private Partnership (Reichard 2004, S. 49). Es ist ersichtlich, dass sich dem Gewahrleistungsstaat damit neue Spielraume hinsichtlich der Leistungstiefengestaltung offentlicher Aufgaben eroffnen. Dies impliziert auch eine nach Art. 87e GG rechtmaBige vertikale Trennung von Bahn- dienstleistungen, d. h. Entflechtung der DB (Gersdorf 2010, Art. 87e Rdnr. 7 S. 333f.; Haucap 2008; Schmidt-Bleibtreu/Klein 2004, Art. 87e Rdnr. 5). Das skizzierte Staatsverstandnis des Gewahrleistungsstaates bildet den Rechts- und Entscheidungs- rahmen des staatlichen Akteurs, wonach sich alle Entscheidungen bemessen. Demnach erfolgt die Untersuchung und Ableitung der Kriterien unter dem Paradigma des Gewahrleistungsstaates. Im Konkreten wurden mit der Bahnstrukturreform 1994 folgende politisch-strategischen Ziele des Gewahrleistungsstaates im Eisenbahnsektor formuliert (Monopolkommission 2007, S. 21): Erstens „mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen“, zweitens den offentlichen Haushalt dauerhaft zu entlasten indem drittens Wettbewerb etabliert wird und viertens die Wirtschaftlichkeit der damaligen Staatsbahnen hergestellt wird. Die Ziele der Bahnreform gelten bis heute fort (Bundesverkehrsministerium 2013).
Die ursprunglich von Coase (1937) und maBgeblich von Williamson (1975, 1985) entwickelte Transaktionskostentheorie ist ein der Neuen Institutionenokonomik zugehoriger Ansatz zur Analyse verschiedener institutioneller Arrangements im Kontinuum von Markt und Hierarchie. Die Leistungstiefenanalyse ist das klassische Anwendungsfeld der Transaktionskosten- theorie wie Arbeiten von zahlreichen Autoren zeigen (Williamson 1971, 1975, 1985; Perry 1989; Joskow 1988; Anderson und Weitz 1986; Monteverde und Teece 1982; Klein/Crawford/Alchian 1978; Coase 1937). Die Transaktionskostentheorie wird in dieser Arbeit als theoretische Grundlage herangezogen, weil sie theoretisch wie empirisch gut erforscht ist (Shelanski/Klein 1995, S. 352; Balakrishnan/Wernerfelt 1986, S. 347ff.; Joskow 1988, S. 33ff.).
GemaB der Transaktionskostentheorie wahlt eine Unternehmung jene Leistungs- tiefengestaltung zur Ausnutzung eines Gewinn- und Rentenpotentials, die die geringsten Transaktionskosten verursacht. Dieser Ansatz ist insbesondere dazu geeignet, weil im Kontinuum von Markt und Hierarchie auch hybride Vertrags- und Organisationsformen bei der Leistungstiefengestaltung Berucksichtigung finden (Sydow 2001, S. 265). Obgleich der Grundanwendungsfall der Transaktionskostentheorie die privatwirtschaftliche Unternehmung bildet, ist eine Anwendung auf offentliche Institutionen mit Leistungserstellungscharakter moglich (Schanze 1996, S. 128).
Hierbei werden Kosten, die durch die Schaffung, Erhaltung, Nutzung, Veranderung einer Vertrags- und Organisationsform entstehen, allgemein als Transaktionskosten bezeichnet (Richter & Furubotn 2003, S. 54). Diese Kosten lassen sich als Koordinations- und Motivationskosten differenzieren und sich weiter wie in der von Erlei und Jost (2001, S. 39) ubernommenen Tabelle 1 klassifizieren. Picot, Dietl und Franck rechnen Anbahnungs-, Vereinbarungs-, Abwicklungs-, Kontroll- sowie Anpassungskosten den Transaktionskosten zu (2008, S. 57; 1991 S. 344). Derartige Kosten entstehen sowohl bei hierarchischer und hybrider als auch bei marktlicher Leistungserstellung.
Tabelle 1: Koordinations- und Motivationskosten
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Diese Transaktionskosten lassen sich sowohl ex-ante als auch ex-post kaum oder nur mit unverhaltnismaBig hohem Aufwand ermitteln und hangen im Wesentlichen von der gewahlten Vertrags- und Organisationsform ab (Jann 1996, S. 45; Picot 1991, S. 344). Daher schlagt Picot vor Transaktionskosten nicht direkt zu ermitteln, sondern die Transaktionscharakteristika der jeweiligen Leistung zu analysieren und auf dieser Grundlage Aussagen uber die geeignete Vertrags- und Organisationsform zu treffen (1991, S. 345, Jann 1996, S. 45f.). Diesem Vorschlag wird in dieser Arbeit gefolgt und es werden die Transaktionscharakteristika der Spezifitat, strategischen Bedeutung, Unsicherheit sowie Haufigkeit analysiert (Picot/Dietl/Franck 2008, S. 59ff.; Picot/Reichwald/Wigand 2003, S. 501ff.; Williamson 1975, S. 40). Die Spezifitat lasst sich weiter in Standort-, Sachkapital-, Humankapitalspezifitat sowie zweckgebundene Sachwerte unterteilen (Williamson 1985, S. 95f.).
Im transaktionskostentheoretischen Bezugsrahmen ist gemaB Williamson (1990, S. 51) und Simon (1997, S. XXIV) von begrenzter Rationalitat und Opportunismus aller Akteure auszugehen. Auf Grund der begrenzten Rationalitat, unvollkommenen Information und Komplexitat des Entscheidungsproblems (Reese 1994, S. 23f., 29) ist nicht die bestmogliche Optimierung im Sinne einer Marginalanalyse das Ziel, sondern die Satisfizierung zielsetzend (Richter & Furubotn 2003, S. 72, Simon 1956, S. 129, 136; Schatzer 1999, S. 96). Gestutzt auf Wolff (2000, S. 37), Williamson (1991, S. 270) und Simon (1978, S. 6f.) lasst sich sagen, dass die Analyse nicht auf Basis unmittelbarer Messung der Transaktionskosten erfolgt, sondern die Hohe der Transaktionskosten verschiedener Vertrags- und Organisationsformen soweit geschatzt werden kann, dass es fur einen Vergleich der Alternativen ausreicht.
Im Rahmen dieser Arbeit wird angenommen, dass Wettbewerb auf den Markten wahrscheinlich ist und die Produktionskosten in der jeweiligen Vertrags- und Organisations- form gleich sind. Daher werden die Produktionskosten in dieser Arbeit konstant gehalten und somit nicht berucksichtigt. Dies entspricht der Anwendung der Transaktionskostentheorie nach Williamson (1985) und genugt dem Zweck die angemessene langfristige, strukturelle Gestaltung der Leistungstiefe zu bestimmen (Picot 1991, S. 349) Damit ist diese allein auf der Transaktionskostentheorie basierende Untersuchung eine Partialuntersuchung.
Ziel dieses Abschnitts ist es nicht eine exakte Definition des Privatisierungsbegriffes zu liefern, sondern vielmehr die Formen sowie den Zusammenhang zwischen Privatisierungsstufe und Leistungstiefe darzustellen. Zudem existiert in der wissenschaftlichen Literatur kein Paradigma des Privatisierungsbegriffes (Kuhnberg 2009, Engartner 2008, S. 89). Allgemein wird unter Privatisierung, der „Ubergang der Aufgabenwahrnehmung von offentlich-rechtlichen in privatrechtliche Gestaltungsformen“ verstanden (Killian et al. 2006, S. 21). Der aus dem transaktionskostentheoretischen Bezugsrahmen stammende und dieser Arbeit zugrunde liegende Privatisierungsbegriff bezeichnet die vertikale Desintegration des Staates. Im Rahmen der Transaktionskostentheorie reprasentiert die Hierarchie mit der vollkommenen Eigenerstellung den hochsten vertikalen Integrationsgrad. Dagegen reprasentiert der Markt auf der Stufe der materiellen Privatisierung mit dem Bezug der Leistungen uber dem Markt den niedrigsten vertikalen Integrationsgrad. Dazwischen liegen vielfaltige Formen mittlerer Leistungstiefe vor (Picot/Dietl/Franck 2008, S. 68). Sie werden im Bezugsrahmen der Transaktionskostentheorie als Hybride gekennzeichnet, zumeist jedoch nicht weiter spezifiziert. Die Vielzahl hybrider Vertrags- und Organisationsformen ist nahezu unuberschaubar. In dieser Arbeit geht es nicht um die konkrete Ausgestaltung der Vertrags- und Organisationsformen im Einzelnen, sondern exemplarisch um die verschiedenen Stufen der vertikalen Integration und den damit zusammenhangenden Privatisierungsstufen des deutschen Eisenbahnsektors. Zu den in dieser Arbeit zu Grunde gelegten hybriden Formen werden formelle - und funktionale Privatisierung gezahlt. Diese werden im Folgenden genauer erlautert.
Vollstandige Eigenleistung beschreibt die vertikale Integration aller Transaktionen (Picot/Dietl/Franck 2008, S. 68). Diese Vertrags- und Organisationsform entspricht der Hierarchie mit dem hochsten vertikalen Integrationsgrad. Hierbei ist zu betonen, dass diese
Form i. e. S. keine Privatisierung darstellt, weil die Leistungserstellung innerhalb offentlich- rechtlicher Vertrags- und Organisationsformen abgewickelt wird. Zu diesen Formen zahlen Behorden, Amter, Regiebetriebe, Anstalten, Stiftungen und Korperschaften offentlichen Rechts (Reichard 1996, S. 105). Private Vertrags- und Organisationsformen bleiben der offentlichen Hand weitestgehend rechtlich vorenthalten.
Formelle Privatisierung, auch Organisationsprivatisierung genannt, umschreibt die Ubertragung der Leistungserstellung auf formal private Rechtsformen, wobei das Eigentum und damit auch die finanziellen und organisatorischen Einflussmoglichkeiten de jure in staatlicher Hand verbleiben (Baumgartner 2006). Somit besteht die staatliche Verantwortung der Leistungserstellung weiter. Dazu zahlen Kapitalgesellschaften, welche sich vollstandig im Eigentum der offentlichen Hand befinden (Reichard 1996, S. 106). Dazu zahlt die 1994 gegrundete Deutsche Bahn AG. Die Leistungstiefe wird insofern reduziert, dass sich der offentliche Eigentumer nicht mehr seiner originaren offentlich-rechtlichen Vertrags- und Organisationsformen bedienen kann. Demzufolge gibt dieser seine originar hierarchischen Koordinationsmethoden wie offentliches Dienstrecht, Verordnungen etc. auf. Hingegen eroffnen sich ihm die Moglichkeiten private Vertrags- und Organisationsformen zur Leistungserstellung heranzuziehen. Es findet somit eine Annaherung an den Markt statt.
Die auf Veranlassung des Staates funktionelle Einbeziehung Privater als Beitrag zur Leistungserstellung beschreibt die funktionelle Privatisierung (Baumgartner 2006, S. 99; Killian et al. 2006, S. 21). Dabei wird lediglich die Aufgabenerfullung fur bestimmte Aufgaben an Private ubertragen, jedoch nicht die Aufgabenverantwortung (Reichard 2012, S. 226; Killian et al. 2006, S. 21). Im Zuge der funktionellen Privatisierung werden einstige selbstgeleistete Auftrage fur Guter und Dienstleistungen in privaten Vertrags- und Organisationsformen organisiert, wodurch es zur einer weitergehenden Reduzierung der Leistungstiefe kommt. Darunter lassen sich Lizenzvergabe, Franchising-, Leasing-, Konzessions-, Misch- sowie Betreibermodelle subsumieren (Kuhnberg 2009, S. 164ff.).
Bei der materiellen Privatisierung wird die Erfullung einer bestimmten Aufgabe mit der dazugehorigen Aufgabenverantwortung dauerhaft in private Vertrags- und Organisationsformen Dritter uberfuhrt (Kuhnberg 2009, S. 149). Dabei gibt der Staat sein Eigentum sowie seine damit einhergehenden Einwirkungsmoglichkeiten vollstandig auf (Reichard 2012, S. 226). Der Staat kann anschlieBend nur noch regulierend tatig werden und uberlasst die Erbringung von Bahndienstleistungen vollends dem Markt (Reichard 2012, S. 226). Die materielle Privatisierung stellt mit der ausnahmslosen Marktnutzung und einhergehenden volligen vertikalen Desintegration den extremen Gegenpol der Hierarchie dar. Sie ist fur den Bahnsektor grundsatzlich verfassungsrechtlich moglich und wird daher in diese Arbeit einbezogen (Schmidt-Bleibtreu/Klein 2004, Art. 87e Rdnr. 5).
In der Abbildung 1 ist der Zusammenhang zwischen Leistungstiefe und Privatisierung visualisiert.
Abbildung 1: Zusammenhang zwischen Leistungstiefe und Privatisierung.
Quelle: In Anlehnung an Picot (1991) S. 340
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Hier stellt sich daran anschlieBend die Frage, mit welcher der skizzierten Alternativen der Leistungstiefe bzw. in welcher Vertrags- und Organisationsform der Staat seiner Gewahrleistungspflicht mit bestmoglicher transaktionskostentheoretischer Effizienz nachkommt. Dabei erscheint eine differenzierte Analyse entlang der Wertschopfungskette zweckdienlicher, da eine Aussage nicht aus der gesamten Leistung herzuleiten ist.
Dazu wird im nachstfolgenden Abschnitt die Wertschopfungskette in ihre Glieder zerlegt, um im anschlieBenden Abschnitt die Glieder an Hand ihrer Transaktionscharakteristika zu analysieren. Im darauffolgenden Abschnitt werden hierauf Aussagen uber die geeignete Leistungstiefe einzelner Glieder getroffen.
Ausgangspunkt ist die gesamte Wertschopfungskette, die dem Bahnsektor zu Grunde liegt. Eine sinnvolle Aggregation der Wertschopfungskette ist eine wesentliche Voraussetzung fur eine erfolgreiche Leistungstiefenanalyse (Picot 1991, S. 353). Produktionstechnisch sind Glieder dort auszumachen wo der Output des einen der Input des anderen ist, jedoch sind sie nach dem Transaktionskostenansatz an Transaktionsschnittstellen von Aktivitaten auszumachen.
Der vertikale Aufbau des Bahnsektors ist wie folgt (Haucap 2008):
1. Netzdienstleistungen
2. Verkehrsdienstleistungen
3. Steuerungsleistungen
Unter Netzdienstleistungen werden die Erstellung, die Instandhaltung und der Betrieb der Bahninfrastruktur zusammengefasst. Der auf der Infrastruktur durchgefuhrte Personen- und Gutertransport wird den Verkehrsdienstleistungen zugeordnet. Die Trassenallokation und Fahrplanabstimmung ist bei den Steuerungsdienstleistungen angesiedelt. Diese Ubersicht uber den vertikalen Aufbau dient als eine erste Unterteilung der Bahndienstleistungen. Wenn der sehr komplexe und arbeitsteilige Wertschopfungsprozess der netz- und infrastrukturbasierten Leistung Schienenverkehr gedanklich nachvollzogen wird, ist erkennbar, dass der gesamte Leistungsprozess keine lineare Wertschopfungskette widerspiegelt. Zudem wird deutlich, dass die eigentliche Leistung, der Personen- und Gutertransport, in einem erheblichen Umfang auf Vorleistungen und Aktivitaten wechselseitiger Abhangigkeiten angewiesen ist. Der Guter- und Personentransport ist auf die passenden Fahrzeuge, die Bereitstellung geeigneter Schieneninfrastruktur, Serviceeinrichtungen, Trassenkapazitaten u. w. angewiesen. Dem Untersuchungsziel und dem Umfang der Arbeit entsprechend, beschrankt sich die untersuchte Wertschopfungskette auf die wesentlichen Primaraktivitaten, die erforderlich sind um den Eisenbahnbetrieb zu gewahrleisten. Daher sind Zuliefer- und Unterstutzungsaktivitaten wie Forschung und Entwicklung, Personalmanagement etc. hier nicht Teil der untersuchten Wertschopfungskette. Dies sind Sekundaraktivitaten, deren Vertrags- und Organisationsform weitestgehend den Primaraktivitaten nachfolgen und sich dementsprechend anpassen. Es werden die fur die Erbringung der Gesamtleistung erforderlichen Primaraktivitaten aufgefuhrt, die eine Transaktionsschnittstelle zu anderen Aktivitaten darstellen.
In Anbetracht des Untersuchungsziels, die Leistungstiefe nach moglichst transaktionskostentheoretischer Effizienz zu gestalten, ist die erste notwendige Bedingung bereits bei der Aufgliederung der Wertschopfungskette die Transaktionskosten im Austauschprozess der Aktivitaten untereinander moglichst gering ausfallen zu lassen. Bei der Zusammenfassung bzw. Aufgliederung von Aktivitaten empfehlen Picot, Dietl und Franck zur Minimierung der Transaktionskosten Aktivitaten, welche eine transferierbare Leistung hervorbringen dergestalt zu aggregieren, dass diese mit moglichst Wenigen, moglichst einfache Transaktionen eingehen (2008, S. 63). Dazu ist es erstens erforderlich bevorzugt Leistungen auszutauschen, die wissensokonomische Reife erlangt haben, d. h. das beim Leistungsaustausch zwischen Transaktionspartnern kein Know-how-Transfer der Erstellung notig ist (Dietl 1993, S. 174). Zweitens sind Interdependenzen nach Thompson sowie Van de Ven und Ferry in Form von Informationsbeziehungen zwischen den Aktivitaten weitestgehend zu minimieren (1967, S. 54f.; 1980 S. 166). Dergestalt kann der Aufgabentrager umso integrativer arbeiten, je interdependenter die Aktivitat ist (Picot/Dietl/Franck 2008, S. 63). Dem folgt, dass die Aktivitaten zusammenzufassen sind, die einen hohen Interdependenzgrad aufweisen. Gepoolte Interdependenz, in dem Aktivitaten nur indirekt voneinander abhangig sind, reprasentieren den geringsten Interdependenzgrad. Dieser steigt bei der sequenziellen Interdependenz, bei dem der Output des einen der Input des anderen ist, an. Weitergehender gegenseitiger Leistungsaustausch, reziproke Interdependenz genannt, erhoht den Interdependenzgrad. Dieser ist bei der teamorientierten Interdependenz am hochsten, bei dem der Leistungsaustausch interaktiv und gleichzeitig erfolgen muss (Van de Ven & Ferry 1980, S. 166ff.).
Die fur die Aufgabenstellung relevanten primaren Wertschopfungsaktivitaten des Bahnsektors werden auf Basis der Arbeiten der Monopolkommission (2013) und Brenck et al. (2006) nach den o. g. Aspekten nachfolgend identifiziert.
Der Fahrweg beinhaltet Schiene, Oberleitung, Licht-, Signal- und Sicherungstechnik. Dessen Neu- und Ausbau hat die Herstellung der Fahrweginfrastruktur zum Transaktions- gegenstand. Das Besondere an dieser Transaktion ist, dass die Herstellung der Potentialeigenschaft mit Fertigstellung der Fahrweginfrastruktur erbracht ist und so betrachtet aus Sicht des Fahrwegherstellers keine weitere Produktionsstufe folgt. Daher ist bei dieser Aktivitat die Investition inkludiert. Wissensokonomische Reife ist gegeben, weil die Nutzer des Fahrweges kein Know-how von dessen Erstellung benotigen. Da Informationen uber die Fahrweginfrastruktur der maBgebliche Input nachfolgender Aktivitaten darstellt herrscht eine sequenzielle Interdependenz vor.
Die Instandhaltung und der Betrieb des Fahrweges haben den Wert- und Leistungserhalt der vorhandenen Fahrweginfrastruktur zum Transaktionsgegenstand. Ebenfalls ist fur Transaktionspartner kein Wissen uber die Erstellung notig. Es liegt reziproke Interdependenz vor, da mit anderen Transaktionspartnern Informationen uber den Zustand, Verfugbarkeit, Fortschritt der Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten zum Werterhalt und Erhalt der Betriebsbereitschaft vonnoten sind.
Die Energieversorgung, die Bahnstromversorgung inkludiert, umfasst die Transaktionen des Sourcings, der Verteilung und des Managements der Energieversorgungsinfrastruktur mit Bahnstrom und Diesel. Wissenstransfer der Erstellung sind fur die Abnehmer irrelevant und dementsprechend liegt wissensokonomische Reife vor. Jedoch ist auf Grund der physikalischen Erfordernisse der simultanen Energieerzeugung und -abnahme ein interaktiver sowie gleichzeitiger Informationsaustausch zwischen den beteiligten Transaktionspartnern unumganglich und daher liegt teamorientierte Interdependenz vor.
Der Neu- und Ausbau von Serviceeinrichtungen umfasst die Herstellung von Personen-, Guter- und Rangierbahnhofen, Zugbildungsanlagen1, Abstellgleisen, Wartungseinrichtungen, Einrichtungen fur die Brennstoffaufnahme, einschlieBlich Einrichtungen von Personenbahnhofen, die der Anzeige von Reiseauskunften und dem Fahrscheinverkauf dienen, Abfertigungs- und Verladeeinrichtungen, andere technische Einrichtungen und Hafenbahnen. Nachfrager dieser Einrichtungen kommen ohne Informationen der Erstellung aus, sodass wissensokonomische Reife vorliegt. Ebenso verhalt es sich mit der Instandhaltung und dem Betrieb dieser. Dahingegen unterscheiden sich die Interdependenzen. Die Informationen uber den Output des Neu- und Ausbaus von Serviceeinrichtungen ist ein maBgeblicher Inputfaktor nachfolgender Aktivitaten und demzufolge liegt sequenzielle Interdependenz vor. Jedoch ruft deren Instandhaltung und Betrieb bei anderen Aktivitaten gegenseitige Informationsbeziehungen hervor. Es mussen zwischen verschieden Transaktionspartnern Informationen uber Verfugbarkeit, Zustand, Fortschritt von Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten u. a. ausgetauscht werden. Demzufolge liegt reziproke Interdependenz vor.
Zur Ubersicht sind in der nachstehenden Tabelle 2 die Aktivitaten mit ihren o. g. Charakteristika zusammengefasst.
Rangierbahnhofe und Zugbildungsanlagen sind Einrichtungen, in denen die Auflosung, Sortierung, Bildung und Behandlungen von Zugen erfolgt (Monopolkommission 2013, S. 74)
Tabelle 2: Netzdienstleistungen - Ubersicht nach transaktionskostentheoretischer Effizienz
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bei den nachfolgenden funf Aktivitaten im Bereich der Verkehrsdienstleistungen ist zu anderen Aktivitaten kein Transfer des Erstellungswissens notig und demzufolge haben alle Aktivitaten wissensokonomische Reife erlangt. Deren Interdependenz zu anderen Aktivitaten differenziert voneinander.
Die Fahrzeugbeschaffung zur Bereitstellung des Rollmaterials, wie Triebfahrzeuge und Wagons, bilden den Input zur Abwicklung von Bahnverkehrsauftragen. Informationen uber Art, Verfugbarkeit und Zustand mussen weitergegeben werden und sind daher sequenziell interdependent.
Der Transaktionsgegenstand des Werterhalts und Erhalts der Betriebsbereitschaft des Rollmaterials wird durch Wartungs- und Instandhaltungsaktivitaten gewahrleistet. Hierbei mussen zwischen verschieden Transaktionspartnern Informationen uber Verfugbarkeit, Zustand, Fortschritt von Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten u. a. ausgetauscht werden. Demzufolge liegt reziproke Interdependenz vor.
Die Transaktionsleistung der Durchfuhrung des Bahnverkehrsauftrages wird unter der Aktivitat „operative Betriebsausfuhrung“ subsummiert. Die hohe Anzahl Beteiligter an den operativen Tatigkeiten, die in einem direkten Zusammenhang mit der Abwicklung des Verkehrs stehen, wie Triebwagensteuerung, Fahrwegsteuerung, Zuguberwachung, Zugbildung und -bereitstellung, Verladung, Kundeninformation etc. und die starke Abhangigkeit von simultanen und interaktiven Informationsbeziehungen belegen die teamorientierte Interdependenz sehr deutlich.
Zur Ubersicht sind in der nachstehenden Tabelle 3 die Aktivitaten mit ihren o. g. Charakteristika zusammengefasst.
Tabelle 3: Verkehrsdienstleistungen - Ubersicht nach transaktionskostentheoretischer Effizienz
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Der hohe Sicherheitsstandard des Bahnsektors ist das Resultat hoher Sicherheitsanforderungen, insbesondere im Bereich der Steuerungsdienstleistungen. Zur Teilnahme am Eisenbahnverkehr sind eine Vielzahl von Sicherheitsbescheinigungen und Zulassungen fur Prozesse, Fahrzeuge, Technik etc. notwendig. Die Erteilung von Zulassungen und die Uberwachung derer setzt fachspezifisches Transfer von Know-how der Erstellung des zu begutachtenden Objektes bzw. Prozesses oder umkehrt Wissen unter welchen Bedingungen und Voraussetzungen Zulassungen erteilt werden voraus. Die dabei auftretenden Informationsbeziehungen verursachen starke Abhangigkeiten zwischen den beteiligten Akteuren. Der Hersteller oder Dienstleister muss seinerseits Informationen uber das zu genehmigende Objekt bzw. den Prozess sammeln und ubermitteln, ebenso wie die Zulassungs- und Uberwachungsstelle ihre Anforderungen kommunizieren musst. Ebenso ist diese auf die Informationen des Antragenden angewiesen, um Zulassungen und Genehmigungen erteilen zu konnen. GleichermaBen verhalt es sich mit der Uberwachung der Einhaltung der geltenden Standards und Normen. Wissenstransfer der Erstellung und gemeinsames Zusammenwirken sind dazu unabdingbar. Folglich liegt keine wissensokonomische Reife vor und sie sind reziprok interdependent.
Die Vergabe des Transaktionsgegenstandes Trassennutzungsrechte erfolgt durch Trassenallokation und Fahrplanabstimmung. Damit wird das Recht an ein Bahnverkehrsunternehmen vergeben einen raumlich definierten Abschnitt eines Fahrweges innerhalb eines bestimmten Zeitfensters fur eine Zugfahrt zu nutzen (Brenck et al. 2004, S. 89). Diese Rechte werden im Rahmen der Erstellung des Jahresfahrplans spatestens acht Monate im Voraus vom Bahnverkehrsunternehmen beantragt, abgestimmt sowie vergeben (Monopolkommission 2013, S. 67). Die Restkapazitaten werden in der unterjahrigen Trassenzuteilung beantragt, abgestimmt sowie vergeben. Das Bahnverkehrsunternehmen muss notwendige Daten uber fahrdynamische Daten des Zuges, Zuglaufes, Art der Trasse, z. B. Taktverkehr und Nutzungsdauer ubermitteln (Brenck et al. 2004, S. 93). Kein Transaktionspartner ist zwingend auf einen Wissenstransfer der Erstellung angewiesen. Nichtsdestotrotz ist ein transparentes und nachvollziehbares Verfahren seitens der Nachfrager gewunscht. Obgleich der Forderung nach Transparenz, liegt wissens- okonomische Reife vor. Im Rahmen der Jahresfahrplanerstellung und unterjahrigen Trassenvergabe sind die Beteiligten auf gegenseitige Informationsbeziehungen uber Art, Beschaffenheit, Angebot und Nachfrage von Trassen angewiesen und demnach reziprok interdependent. Nichtsdestotrotz kommt es regelmaBig im Rahmen von Storungen, Baustellen, Fahrplanabweichungen zu scheinbar gleichzeitigen Fahrplanabstimmungen sowie Trassenvergaben. Jedoch ist die Trassenvergabe und Fahrplanabstimmung stets dem operativen Betriebsablauf zeitlich vorgelagert und daher bleibt es reziprok interdependent (Brenck et al. 2004, S. 89).
Gleichfalls verhalt es sich weitestgehend mit der Allokation von Kapazitaten in Serviceeinrichtungen. Hierbei werden Nutzungsrechte an den o. g. Einrichtungen vergeben bzw. bereitgehalten. Da die Nachfrage im Wesentlichen vom Fahrplan und der operativen Betriebsdurchfuhrung abhangt, sind die Informationsbeziehungen ebenfalls auf gegen- seitigen Leistungsaustausch angewiesen, welcher aber der operativen Betriebsdurchfuhrung zeitlich vorgelagert ist.
Im Bahnsektor ist, wie in den meisten anderen Sektoren, eine Vertriebsorganisation unabdingbar. Sie verfolgt das Ziel, Bahnauftrage zu akquirieren und den damit einhergehenden Mittelruckfluss zu realisieren. Bahnauftrage werden hierbei von privaten wie offentlichen Auftraggebern freiwirtschaftlich oder in Ausschreibungen akquiriert. Eine Besonderheit hierbei ist die hohe Bedeutung von Verkehrsausschreibungen offentlicher Auftraggeber im Schienenpersonennahverkehr. Sie bilden einen Anteil von 60 % an den Einnahmen im Schienenpersonennahverkehr (Monopolkommission 2013, S. 92). Fur den Vertrieb ist es notwendig in den gegenseitigen Informationsaustausch mit der operativen Betriebsausfuhrung und Fahrplanabstimmung zur Erfassung des Angebots, der erbrachten Leistung und Kalkulation zu treten. Folglich liegt weitestgehend reziproke Interdependenz vor. Dahingehend ist ein Wissenstransfer uber die Erstellung entbehrlich und somit wissensokonomische Reife gegeben. Zur Ubersicht sind in der nachstehenden Tabelle 4 die Aktivitaten mit ihren o. g. Charakteristika aufgefuhrt.
Tabelle 4: Steuerungsdienstleistungen - Ubersicht nach transaktionskostentheoretischer Effizienz
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In diesem Abschnitt werden die Transaktionscharakteristika der jeweiligen oben hergeleiteten Aktivitaten identifiziert, woraufhin in Abschnitt Funf die Leistungstiefe mit dem zu erwartenden geringsten Transaktionskostenniveau diskutiert wird. Das Beurteilungs- kriterium wird demnach aus den Eigenschaften der untersuchten Transaktion gebildet (Gebhardt 2006, S. 94). Die Identifikation der Auspragung der jeweiligen Transaktionscharakteristika erfolgt gemaB folgender einheitlicher Ordinalskala:
Spezifitat: gering (0) - mittel (+) - hoch (++)
Strategische Bedeutung: gering (0) - mittel (+) - hoch (++)
Unsicherheit: gering (0) - mittel (+) - hoch (++)
Haufigkeit: selten (0) - laufend (+)
Das vorrangige Transaktionscharakteristikum „Spezifitat“ charakterisiert den Grad der Widmung von benotigten Ressourcen einer Transaktionen, die umso hoher ausfallt je groBer die Wertdifferenz zwischen der beabsichtigten Verwendung und ihrer nachstbesten Verwendung ist (Picot 1991, S. 346; Klein/Crawford/Alchian et al. 1978, S. 298). Ihre Bedeutung wird durch das ebenfalls vorrangige Transaktionscharakteristikum „strategische Bedeutung“ relativiert, die im jeweiligen konkreten Einzelfall bewertet werden muss (Picot/Dietl/Franck 2008, S. 60). Das nachrangige Transaktionscharakteristikum „Unsicherheit“ ist ein MaB fur Anzahl und AusmaB der notwendigen Aufgabenanderungen einer Transaktion (Picot/Dietl/Franck 2008, S. 59; Williamson 1975, S. 79). Das gegenuber den anderen nachrangige Transaktionscharakteristikum „Haufigkeit“ beschreibt die Frequenz der Wiederholungen einer Transaktion (Picot/Dietl/Franck 2008, S. 60; Williamson 1985, 5. 79).
Bezuglich der Bewertung der strategischen Relevanz einzelner Aktivitaten helfen hier Wettbewerbsvorteils-, Industrie- und Marktansatze nicht weiter, da diese sich nicht auf offentliche strategische Sachverhalte sondern auf private strategische Sachverhalte auf Wettbewerbsmarkten beziehen. Im Kern geht es bei den betriebswirtschaftlichen Ansatzen darum, wie ein Unternehmen seine vorhandenen oder potentiellen Ressourcen, Kompetenzen, Starken und Schwachen zielgerecht in einer sich verandernden Umwelt einsetzen kann. Unternehmen mussen sich in ihrer Umwelt bewahren, wahrenddessen offentliche Institutionen ihre Umwelt gestalten sollen (Jann 1996, S. 48). Daher muss die strategische Relevanz aus Sicht offentlicher Akteure mit Ruckgriff auf politische Ziele bewertet werden. Politische Ziele sind nicht originar vorgegeben, sondern entwickeln sich im Rahmen kontinuierlicher politischer Prozesse und sind haufig vage und widerspruchlich (Jann 1996, S. 49). Daher gibt es keine naturlich gegebenen strategisch relevanten Ziele, sondern nur welche, die von der Politik dazu erklart werden. Diese Ziele sind, wie 19 beispielsweise in der Verkehrspolitik, fast nie auf interne Leistungsmerkmale des offentlichen Sektors beschrankt, sondern beziehen sich auf Veranderungen in Gesellschaft und Wirtschaft (Jann 1996, S. 55). Daher geht es im Kern um die Frage, mit welchem Umfang und welcher Qualitat offentliche Leistungen Veranderungen in der Gesellschaft und Wirtschaft herbeifuhren und inwiefern sie zur Zielerreichung beitragen konnen. Demnach liegt strategische Relevanz vor, wenn das politische Ziel des Staates seiner Gewahrleistungspflicht im Eisenbahnsektor nachzukommen, von der Qualitat der Leistung abhangt (Picot 1996, S. 75). Zur Erinnerung werden die politisch-strategischen Ziele nochmals aufgefuhrt. Erstens „mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen“, zweitens den offentlichen Haushalt dauerhaft zu entlasten indem drittens Wettbewerb etabliert wird und viertens die Wirtschaftlichkeit der Staatsbahnen hergestellt wird. Da bei einer Steigerung des Wettbewerbs und der Wirtschaftlichkeit eine Entlastung des offentlichen Haushaltes folgerichtig nahe liegt, wird in diesem Abschnitt die strategische Relevanz von Aktivitaten anhand der oben genannten Ziele ohne das Entlastungsziel bewertet.
Die Investition sowie der Neu- und Ausbau der Fahrweginfrastruktur ist hochst irreversibel (Monopolkommission 2013, S. 72) und stellen auf Grund ihrer Standortspezifitat, das naturliche Monopol eingeschlossen, groBes Potential fur versunkene Kosten bereit. Das investierte Kapital in die Fahrweginfrastruktur ist spezifisch gebunden, da sich diese nicht anderweitig nutzen lasst. Zudem sind Trassen sehr sachkapitalspezifisch bezuglich ihres Netzprofils in puncto Betriebsprogramm, baubetriebliche Anforderungen, Geschwindigkeits- und Sicherheitsklasse. Es gibt keine monolithische Fahrweginfrastruktur des 33.500 Kilometer langen differenzierten Streckennetzes der DB (Deutsche Bahn 2013). Dies macht schon die Reduzierung auf die vier Netztypen des Hochgeschwindigkeits-, mittelschnellen Mischverkehrs-, langsamen Guterverkehrs- und Regionalverkehrsnetz in der Arbeit von Brenck et al. deutlich (2004, S. 58). Fahrweginfrastrukturinvestitionen werden erheblich durch die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarungen des Bundes, die Bundesverkehrswegeplanung und die offentliche Finanzierung getatigt (Monopolkommission 2013, S. 53).
Die strategische Bedeutung fur den Staat ist immens, in Anbetracht der im Vergleich zu anderen Dienstleistungen hohen Kapitalintensitat sowie der hoch risikobehafteten spaten Zahlungsruckflusse zur Refinanzierung der Fahrweginfrastruktur und Sicherung der Wirtschaftlichkeit. Zudem daneben die Grundlage fur hinreichenden Verkehr und Wettbewerb auf der Schiene fehlen wurde (Brenck et al. 2004, S. 55). Es gilt als gesichert, dass das Schienennetz zu einer Vollkostendeckung nicht in der Lage ist und sich lediglich ein marginales Kernnetz uber Erlose finanzieren konnte (Brenck et al. 2004, S. 55). AuBerdem stellt die Herstellung der Fahrweginfrastruktur eine zwingende Voraussetzung 20 zum Eisenbahnverkehr dar, weil sie die nachgelagerten Bahndienstleistungen erst ermoglicht und somit die Voraussetzungen fur mehr Verkehr und Wettbewerb auf der Schiene schafft. Der Ausbaugrad der Fahrweginfrastruktur bestimmt wie viel Kapazitat fur Verkehr und Wettbewerb bereitgestellt wird. Die einhellige Einsicht, dass eine Vollkostendeckung verzweigter Fahrweginfrastruktur nicht moglich ist, fuhrt dazu, dass der Gewahrleistungsstaat als Finanzierer unentbehrlich bleibt und die strategische Bedeutung zur Erreichung der politisch-strategischen Ziele folglich hoch einzustufen ist (Brenck et al. 2004, S. 55, 340).
Der Transaktionskostenfaktor „Unsicherheit“ ist als hoch einzustufen, da auf Grund der hohen technischen Lebensdauer ein bedarfsgerechtes Nutzungspotential schwer abzuschatzen ist. Ahnliche Erfahrungen werden beispielsweise bei der Abschatzung des demographischen Wandels beobachtet.
Die Haufigkeit als laufend einzustufen, obwohl sich Investitionen in den Neu- und Ausbau der Fahrweginfrastruktur sich durch eine enorme technische Lebensdauer auszeichnen und dementsprechend in groBen Zeitabstanden bzw. selten anfallen. Jedoch liegt ihre Potentialeigenschaft, also Bereitstellung und Ubertragung ihrer Netzleistung stets vor und von daher ist ihre Haufigkeit laufend (Brenck et al. 2004, S. 70).
Die zum Wert- und Leistungserhalt benotigten Ressourcen, wie Schienenschleif-, Mess- und Pruffahrzeuge, Maschinen und Werkzeuge sowie ausgebildete Fachkrafte, weisen aufgrund ihrer speziellen Zweckorientierung an sich eine gewisse Sach- und Humankapitalspezifitat auf. Jedoch weisen sie keine Standortspezifitat auf. Sie lassen sich demnach, wenn auch teilweise eingeschrankt, in anderen Umgebungen und zu anderen Zwecken einsetzen, z. B. fur auslandische Fahrweginfrastruktur, Hafenbahnen, StraBenbahnen. Trotzdem ist der Wert- und Leistungserhalt zweckgemaB an die Standorte der vorhandenen Fahrweg- infrastruktur gebunden. Es liegt mittlere Spezifitat vor.
Zur strategischen Relevanz ist zu sagen, dass es im Interesse des Infrastruktureigentumers liegt seine Investitionen im Wert und in ihrer Leistungsfahigkeit zur Ausschopfung der Potentialeigenschaft zu erhalten sowie zu betreiben. Ansonsten waren die getatigten Investitionen bis zum Substanzverzehr wirtschaftlich wenig sinnvoll. Ohne angemessene Instandhaltung und Betrieb der Fahrweginfrastruktur reduzieren sich nutzbare Netz- kapazitaten und damit kann der Eisenbahnverkehr auch nur eingeschrankt wirtschaftlich durchgefuhrt werden. Ebenso gewahrleisten nur verfugbare Netzkapazitaten mehr Schienenverkehr zu etablieren. AuBerdem ist nur ein qualitativ hochwertiges Netz auch fur Wettbewerber wirtschaftlich attraktiv. Einzig so konnten die Potentiale der
Fahrweginfrastruktur ausgeschopft und damit wirtschaftlich ausgenutzt werden. Demzufolge ist die Instandhaltung und der Betrieb des Fahrweges von hoher strategischer Relevanz.
Die Unsicherheit ist gering, da die Aufgabenanderungen zum Wert- und Leistungserhalt technisch und wirtschaftlich bezuglich Anzahl und AusmaB weitestgehend vorhersehbar sind. Die Haufigkeit der Aktivitat zur Erhaltung der Potentialeigenschaft ist wie bei dem Fahrwegneu- und -ausbau laufend.
Die Bereitstellung der Energie im Bahnverkehr wird uber 90 % durch Bahnstrom bewerkstelligt (Deutsche Bahn 2011, S. 34). Davon ausgehend, dass 88 % des Primarenergieverbrauchs in den Schienenverkehr und der ubrige Anteil in die Versorgung von Bahnhofen und Betriebsanlagen flieBt, wird hier der Fokus auf die Bahnstromversorgung fur den gesamten Bahnverkehr gelegt (Deutsche Bahn 2009, S. 153).
Strom an sich ist nicht spezifisch, jedoch ist aufgrund ihrer technischen Besonderheit die Bahnstromversorgung im Vergleich zur Stromversorgung von Haushalten, Gewerbe und Industrie gewissermaBen spezifisch (Monopolkommission 2013, S. 10, 63). Bahnstrom mit seiner spezifischen Frequenz und Spannung kann mittels Umformer- bzw. Umrichterwerken in das offentliche Stromnetz mit 50 Hertz und einer Spannung von 220 kV oder 380 kV eingespeist werden und auch umgekehrt bezogen werden. Die Stromerzeugung erfolgt wie ublich durch verschiedene Kraftwerke und der Bahnstromenergiemix entspricht dem des deutschen offentlichen Energiemixes (Deutsche Bahn 2011, S. 28). Somit lage es nah, die Bahnstromversorgung der nachstbesten Verwendung des Energietransportes zuzufuhren. Deutlich wird dies durch die Idee, das Bahnstromnetz zukunftig zum Transport des offentlichen Stromes zu nutzen (Handelsblatt 2011).
Ebenso zeigt der Bezug von RWE Innogy in Wasserkraftwerken erzeugter Energie, dass die verschiedenen Stromversorgungssysteme nicht wie Eingangs erwahnt sonderlich spezifisch zueinander sind (Deutsche Bahn 2011, S. 28). Jedoch stellen Investitionen in bahnspezifisches Sachkapital wie Kraftwerke mit speziellen Bahnstromturbinen, Bahnstromleitungen, Umformer, Umrichter und Oberleitungen, die nicht ohne Weiteres der o. g. nachstbesten Verwendung zugefuhrt werden konnen, spezifische Sachkapitalwerte dar. Zudem liegt ein gewisser Grad zweckgebundener Sachwerte vor. Bei einem Wegfall oder Reduzierung des ursprunglichen Verwendungszweckes zur Versorgung der Bahnverkehre mit Bahnstrom lagen Uberkapazitaten vor. Demzufolge liegt in der Gesamtbetrachtung mittlere Spezifitat vor.
Die strategische Relevanz muss daran gemessen werden, inwiefern die Energieversorgung zur Erreichung der politisch-strategischen Ziele beitragt. Im Rahmen dessen wird festgestellt, dass die Qualitat Energieversorgung nicht essentiell zu mehr Verkehr, Wettbewerb und 22 Wirtschaftlichkeit auf der Schiene beitragt. Zumal Energie aus dem europaischen Stromverbund bezogen, werden kann und somit die Energieversorgung sichergestellt ist. Folglich sinkt die strategische Relevanz aus Sicht des Gewahrleistungsstaates auf ein geringes Level.
Die Haufigkeit ist laufend, da der Eisenbahnbetrieb permanent mit Energie versorgt werden musst.
Die Unsicherheit ist als mittel einzustufen, bedingt durch haufige Anderungen im Energie- sektor aufgrund oftmaligen politischen Einflusses auf Energiemarkte und den technologisch begrundeten zeitlichen Zusammenfall zwischen Energieversorgung und -verbrauch. Jedoch ermoglicht der hohe Planungsgrad im Bahnverkehr Verbrauchsanderungen zu antizipieren und die Unsicherheit hinsichtlich des Auftretens von Aufgabenanderungen durch gezielte MaBnahmen zu begrenzen.
Die Investition sowie der Neu- und Ausbau von Serviceeinrichtungen dient im Bahnkontext einem jeweils konkreten Zweck und stellt elementare Vorleistungen zum Bahnverkehr da. Beispielsweise ist es ohne Rangier- und Zugbildungsanlagen nicht moglich fur den jeweiligen Verkehrsauftrag passende Zuge zusammenzustellen oder ohne Personen- und Guter- bahnhofe das Transportobjekt auf einen Zug aufzunehmen. Daraus lasst sich jedoch nicht unbedingt auf eine hohe Spezifitat der Gesamtheit aller Serviceeinrichtungen schlieBen, sondern vielmehr mussen die Elemente der Serviceeinrichtungen separiert werden und dann anhand ihrer Teilspezifitaten bewertet werden (Brenck et al. 2004, S. 79).
Hinsichtlich ihrer nachstbesten Verwendung sind Personenbahnhofe denkbar unspezifisch. Ihre Grundstucke sind reversibel, weil sie anderweitig bebau- und nutzbar sind. Die Gebaude sind fur anderweitige Verwendungszwecke bestens geeignet, wie bereits haufig die Fusion von Einkaufs-, Burozentrum und Bahnhof beweist, z. B. Hauptbahnhofe in Hannover, Berlin, Leipzig. Das Sachkapital, wie Gleis, Anzeigen und Leitungen, machen nur einen marginalen Anteil des Bahnhofes aus und konnen vergleichsweise gunstig abgebaut und anderenorts verwendet werden. Demnach ist die Sachkapitalspezifitat gering. Jedoch ist der Bahnhof als solches an seinen Standort raumlich sehr gebunden. Fur Passagiere sind Bahnhofe und damit die Bahn als Verkehrsmittel nur attraktiv, wenn diese sich an den richtigen Standorten der Verkehrsnachfrage befinden. Daher ist die Standortspezifitat von Personenbahnhofen als hoch einzustufen.
Guterbahnhofe sind bezuglich ihrer Spezifitat mit Personenbahnhofen vergleichbar. Ihre Grundstucke sind reversibel. Sie haben unter Einbeziehung von Hebebuhnen, Forder- fahrzeugen etc. einen hoheren Anteil an Sachkapital. Dieses ist mobil und kann ohne groBe Hemmnisse anderenorts sowie in anderen Wirtschaftszweigen genutzt werden, welches mit einer geringen Sachkapitalspezifitat einhergeht. Die Gebaude lassen sich als Gewerbe-, Lager- und eventuell Kulturraume ihrer nachstbesten Verwendung hinzufuhren. Besonders ausgepragt ist wieder ihre Standortspezifitat. Guterbahnhofe sind sehr an den Standorten der Verkehrsquellen und -zielen gebunden, ansonsten buBen sie an Attraktivitat und Auslastung ein.
Die Grundstucke von Rangier- und Zugbildungsanlagen sind ebenfalls reversibel, auch wenn deren Lage weniger attraktiv ist und die weitere Nutzbarkeit begrenzt ist. Der geringe Anteil an Gebauden fallt kaum ins Gewicht und ist somit in der Gesamtbetrachtung vernachlassigbar. Vielmehr ist eisenbahnspezifisches Sachkapital im groBen Umfang vorhanden. Dies umfasst neben der umfangreichen Bahninfrastruktur Rangierloks und Abstellanlagen. GewissermaBen bestehen Rangier- und Zugbildungsanlagen uberwiegend aus Fahrweginfrastruktur, welche wie bereits o. g. ausgefuhrt hochst irreversibel ist und stark zweckgebundenes Sachkapital darstellt. Bei einem Wegfall der in Rangier- und Zugbildungsanlagen getatigten Transaktionen stellen diese Anlagen Uberkapazitaten dar und bergen ein hohes Risiko fur versunkene Kosten. Dies geht einher mit ihrer hohen Standortspezifitat, da Zugbildung in ein ubergeordnetes Logistikkonzept nahe der Verkehrsquellen eingebettet ist. Es ware wirtschaftlich nicht sinnvoll Zuge weit fernab ihrer Startbahnhofe zusammenzustellen und anschlieBend unausgelastet zur Beladung dorthin zu transferieren.
Technische Einrichtungen und Betriebsbahnhofe mit Werkstatten, Zugvorheiz-, Reinigungsanlagen, Gleiswaagen, Brucken, Maschinen, Werkzeuge etc. befinden sich uberwiegend in der Nahe von Hauptschienenstrangen und innerhalb von Stadtgebieten. Daher lassen sich auf ihren Grundstucken schienenaffines Gewerbe oder auch bahnfremde Nutzungen etablieren (Brenck et al. 2004, S. 79). Ebenfalls lassen sich die groBraumigen Hallen weiteren Nutzungsmoglichkeiten zur Verfugung stellen, z. B. Produktion, Gewerbe, Kulturraume. Auch wenn ein bestimmter Teil der Baukosten aufgrund des entfallenden originaren Nutzungszweckes versunken ware. Fest mit der Infrastruktur verbundenes Sachkapital wie Zugvorheiz- und Reinigungsanlagen weist eine hohe Standort- und zweckgebundene Sachkapitalspezifitat auf. Jedoch lassen sich mobile Maschinen, Brucken, Werkzeuge etc. mit ggf. einmaligen Transport- und Umrustkosten ihrer nachstbesten Verwendung in anderen Branchen einsetzen (Brenck et al. 2004, S. 79). Demnach variiert die Standort- und Sachkapitalspezifitat erheblich. Der Standortspezifitat der technischen Einrichtungen und Betriebsbahnhofe an sich kann durch einen Wechsel auf andere Standorte ausgewichen werden und stellt nicht immer ein naturliches Monopol dar (Monopolkommission 2013, S. 8). Jedoch ist ein Standortwechsel mit der Anderung organisatorischer und logistischer Prozesse in Verbindung mit den Verkehrsquellen und - zielen verbunden. Daher sind technische Einrichtungen und Betriebsbahnhofe durch mittlere Standort- und Sachkapitalspezifitat gekennzeichnet.
Alles in allem weist die Spezifitat des Neu- und Ausbaus von Serviceeinrichtungen eine hohe Bandbreite auf und lasst sich in Anbetracht der unterschiedlichen Einrichtungsarten und ihrer Teilspezifitaten nur schwer zusammenfassend bewerten. In Anbetracht dessen wird die Spezifitat als mittel eingestuft.
Der fur den Gewahrleistungsstaat ausschlaggebende Aspekt ist der der strategischen Bedeutung. Inwiefern hangt von der Qualitat von Personen-, Guterbahnhofen, Rangier- und Zugbildungsanlagen sowie technischen Einrichtungen und Betriebsbahnhofen die Erfullung der aus den Zielen abgeleiteten Gewahrleistungspflicht, der Etablierung von mehr Schienen- verkehr, Wettbewerb und Wirtschaftlichkeit, ab?
Personen- und Guterbahnhofe sind die einzigen Zugangs- und Kontaktpunkte im Bahnverkehr. Dort erwarten Nachfrager Aufenthaltsqualitat, ubersichtliche und schnelle Transfermoglichkeiten sowie Informationsangebote. Damit kann das Verkehrsmittel Bahn Kunden gewinnen sowie diese halten. Jedoch ist die Bedeutung dem Bahntransport an sich untergeordnet, d. h. insofern Kunden mit dem Bahnverkehr i. e. S. zufrieden sind, ist die Qualitat der Bahnhofe nachrangig. Nichtsdestotrotz leisten Bahnhofe einen wesentlichen Beitrag zur Abwicklung des Bahnverkehrs. Sie tragen dazu bei mehr Schienenverkehr zu etablieren, indem Sie fur Nachfrager verkehrlich und baulich attraktiv sind sowie genugend Fahrgast-, Transport- und Zugkapazitaten aufweisen. Hohere Nachfrage nach Schienenverkehr bedeutet auch, dass der Bahnverkehr fur potentielle Wettbewerber interessanter wird. So tragt die Qualitat von Bahnhofen auch zur Wettbewerbsforderung bei. Mehr Schienenverkehr und Wettbewerb schaffen Voraussetzungen fur wirtschaftlichen Bahnverkehr. Jedoch tragen Bahnhofe dazu nur bei, wenn die Qualitat der Standort-, Ausstattungs- und Kapazitatsmerkmale stimmt. Deplatzierte, falsch ausgestattete, uber- oder unterdimensionierte Bahnhofe hemmen die Wirtschaftlichkeit. Dementsprechend ist den Bahnhofen mittlere strategische Relevanz zuzuordnen.
Bei der strategischen Relevanz von Rangier- und Zugbildungsanlagen ist mittelmaBig ausgepragt. Dabei ist Tendenz zu naturlichen Monopolen zu berucksichtigen, da deren Anzahl aufgrund des groBen Flachenverbrauchs und Standortanforderungen an den Verkehrsquellen und -zielen begrenzt ist. Ebenfalls mussen diese Anlagen an den Verkehrsquellen und -zielen platziert, angemessen ausgestattet und dimensioniert sein, ansonsten werden Potentiale mehr Verkehr, Wettbewerb und Wirtschaftlichkeit zu bewirken vergeben. Jedoch schlagen sich qualitative Einschrankungen nicht in dem MaBe durch, dass denen eine hohe strategische Bedeutung zugesprochen werden konne. Daher liegt mittlere strategische Relevanz vor.
Bei technischen Einrichtungen und Betriebsbahnhofen ist geringe strategische Bedeutung gegeben. Sicher stellt eine hohe Ausstattungsqualitat der Einrichtungen sicher, dass sie ihrer Funktion besser gerecht werden und fraglos sind es unabdingbare Einrichtungen fur Bahndienstleistungen. Jedoch hat deren Qualitat keinen relevanten Einfluss mehr Verkehr auf die Schiene zu verlagern sowie Wettbewerb und Wirtschaftlichkeit zu etablieren. Daher liegt geringe strategische Bedeutung vor.
Insgesamt ist dem Neu- und Ausbau von Serviceeinrichtungen eine mittlere strategische Bedeutung zuzusprechen.
Mittlere Unsicherheit liegt bei der Herstellung derer Potentialeigenschaft vor. Aufgrund einer hohen Lebensdauer steigt die Unsicherheit an, welche wiederum aufgrund ihrer essentiellen Vorleistungsfunktion im Bahnverkehr durch ausgepragte Nachfragesicherheit reduziert wird. Zudem die Auslastung der Rangier- und Zugbildungsanlagen, technischen Einrichtungen und Betriebsbahnhofe antizipiert werden kann. Es ist nicht erkennbar, dass ein GroBteil der Serviceeinrichtungen bezuglich der Inanspruchnahme seiner unabdingbaren Funktionen wesentlichen Aufgabenanderungen unterliegt. Nichtsdestotrotz lassen sich nicht alle Eventualitaten erfassen und absichern, womit folglich mittlere Unsicherheit vorliegt.
Die Haufigkeit hinsichtlich der Herstellung und Ubertragung der Potentialeigenschaft von Serviceeinrichtungen ist laufend.
Der Erhalt und die Bereitstellung der Potentialeigenschaft von Serviceeinrichtungen wird von sehr vielen Kraften erbracht, woran sich daher die Spezifitat uberwiegend an der Humankapitalspezifitat messen muss. Zum Humankapital zahlen Reinigungskrafte, Servicekrafte, Transportkrafte, Handwerker, Techniker, Disponenten als auch Bahnhofsmanager. Viele dieser Personengruppen werden fur ihre Aufgabe spezifisch ausgebildet und stellen somit Investitionen in spezifisches Humankapital dar. Allerdings sind viele Personengruppen in anderen nicht bahnspezifischen Bereichen einsetzbar bzw. erfullen eine nicht per se bahnspezifische Aufgabe, z. B. Reinigungskrafte, Transportkrafte, Bauhandwerker. Andere, wie Bahntechniker, Disponenten und Bahnhofsmanager, sind jedoch fur spezifische Aufgaben ausgebildet und einsetzbar und weisen demnach eine hohe Humankapitalspezifitat auf. Eine gesonderte Spezifitat von Sachkapital oder zweckgebundenen Anlagen liegt nicht vor. Beispielsweise lassen sich Werkzeuge, Forderfahrzeuge und Rangierlokomotiven anderweitig einsetzen. Insgesamt lasst sich eher von mittlerer als von geringer Spezifitat ausgehen.
Bezuglich der strategischen Bedeutung, liegt es, wie bei der Fahrweginfrastruktur, im Interesse des Eigentumers seine Investitionen im Wert und in ihrer Leistungsfahigkeit zur Ausschopfung der Potentialeigenschaft zu erhalten und zu betreiben. Ansonsten lassen sich die wirtschaftlichen und verkehrlichen Potentiale der jeweiligen Einrichtung nicht vollstandig heben und sich somit auch nicht Wirtschaftlichkeit garantieren. Da ist zum Beispiel an Kapazitatsengpassen in jeglicher Art von Einrichtungen zu denken, die dann eine Kapazitatsgrenze zur Abwicklung von mehr Verkehr auf der Schiene darstellen. Zur Forderung des Wettbewerbs auf der Schiene ist beispielsweise die Offnung der Bahnhofe fur Wettbewerber, als einzige Zugangspunkte zum Bahnverkehr, entscheidend. Daher ist eine hohe Qualitat des Bahnhofsmanagement hinsichtlich der Bewahrung des diskriminierungsfreien, zuverlassigen und leistungsfahigen Betriebes des Bahnhofs zur Sicherstellung von Wettbewerb und Wirtschaftlichkeit essentiell. Rangier- und Zugbildungsanlagen mussen fur Wettbewerber ebenfalls frei zuganglich sein, denn angesichts des naturlichen Monopols konnen sie nur aufwandig und unter erhohten Kosten ausweichen (Monopolkommission 2013, S. 74f.). Anders verhalt es sich damit bei technischen Einrichtungen und Betriebsbahnhofen. Dort kann auf alternative technische Einrichtungen und Betriebsbahnhofe ausgewichen werden und dementsprechend nimmt hinsichtlich des Wettbewerbsziels aus Gewahrleistungsstaatssicht die strategische Bedeutung dieser ab, da sie nicht wesentlich zur Steigerung des Wettbewerbs beitragen (Monopolkommission 2013, S. 8). Trotz dessen ist insgesamt fur den Gewahrleistungsstaat die strategische Bedeutung als hoch einzustufen.
Der Betrieb von Serviceeinrichtungen ist durch hohe Unsicherheit gekennzeichnet, da dies vom schwer vorhersagbaren, schwankenden Verkehrsaufkommen, Witterungsverhaltnissen etc. stark abhangt. Dennoch geht dies nicht der Anzahl und dem AusmaB unvorhersehbarer Aufgabenanderungen innerhalb der Serviceeinrichtungen einher und wird zu einem gewissen Grade auch antizipiert. Der Aufwand fur den Wert- und Leistungserhalt ist technisch und wirtschaftlich bezuglich Umfang, Haufigkeit und Art weitestgehend vorhersehbar. Daher ist zusammengenommen von mittlerer Unsicherheit auszugehen. Bezuglich der Haufigkeit sind Instandhaltung und Betrieb laufende Aktivitaten.
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