Bachelorarbeit, 2019
40 Seiten, Note: 1,3
TABELLEN- UND ABBILDUNGSVERZEICHNIS
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
ZUSAMMENFASSUNG
ABSTRACT
1 EINLEITUNG UND FRAGESTELLUNG
2 BESTIMMUNG DES ENERGIEBEDARFS
3 ALLGEMEINE EMPFEHLUNGEN BEI MUKOVISZIDOSE
3.1 Ernährungstherapie
3.2 Supplemente
4 ERMITTLUNG DES FINANZIELLEN MEHRBEDARFS BEI MUKOVISZIDOSE
4.1 Kosten von vollwertiger Ernährung
4.2 Der Verbraucherpreisindex
4.3 Berechnung des finanziellen Bedarfs angepasst an Mukoviszidose
4.4 Extrakosten bei Supplementen
5 AKTUALISIERUNG DER EMPFEHLUNG DES DEUTSCHEN VEREINS FÜR PRIVATE UND ÖFFENTLICHE FÜRSORGE
LITERATURVERZEICHNIS
ANHANG 1
ANHANG 2
Tabelle 1: Formeln zur Berechnung des Grundumsatzes
Tabelle 2: Formeln für die Berechnung des Ruheumsatzes
Tabelle 3: Gründe für eine negative Energiebilanz
Tabelle 4: Kosten der Vollwerternährung in Abhängigkeit vom Alter
Tabelle 5: monatliche Ernährungskosten bei Mukoviszidose, geordnet nach Altersgruppen und Energiebedarfsstufen
Tabelle 6: Übersicht der Sozialleistungen zur Deckung der Ernährungskosten bei Mukoviszidose
Tabelle 7: Aktualisierung der Krankenkostzulage zur Deckung der Ernährungsausgaben gestaffelt nach Alters- und Energiebedarfsstufe in Prozent des Regelsatzes
Abbildung 1: Ernährungspyramide der Vollwerternährung
Abbildung 2: Mukoviszidose-Ernährungswürfel zur Anpassung der ausgewogenen Kost an krankheitsspezifische Bedürfnisse
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In Deutschland sind über 6000 Kinder, Jugendliche und Erwachsene von der unheilbaren Multisystemerkrankung Mukoviszidose betroffen. Durch intensive Stoffwechselvorgänge und Nährstoffverlusten entsteht bei den meisten erkrankten Patienten ein Mehrbedarf an Energie. Dieser wird durch eine erhöhte Kalorienzufuhr mit der täglichen Nahrungsaufnahme gedeckt. Die dadurch kostenaufwändige Ernährung wird bei Sozialhilfeempfängern mithilfe eines festgelegten Betrags zusätzlich zur Regelleistung gefördert. Eine Empfehlung zu dieser sogenannten Krankenkostzulage wurde zuletzt im Jahr 2014 ausgesprochen, nun soll diese überarbeitet werden.
Damit diese Aktualisierung durchgeführt werden kann, ist das Ziel, herauszufinden woraus sich dieser Mehrbedarf zusammensetzt und welche zusätzlichen Kosten er verursacht. Dazu wird die folgende Leitfrage bezüglich der Krankenkostzulage in der Sozialhilfe gestellt: Wie hoch ist der Mehrbedarf bei Mukoviszidose? Diese Frage wird anhand aktueller ernährungsmedizinischer und -ökonomischer Erkenntnisse beantwortet. Die Untersuchung findet durch die Bestimmung des Energiebedarfs bei Mukoviszidose und der anschließenden Herleitung des finanziellen Bedarfs statt. Dabei wird jeweils auf die verschiedenen Altersgruppen und Krankheitsstadien der Patienten Rücksicht genommen.
Die Ergebnisse des Vergleichs der zurzeit zustehenden Beträge für die Ernährung bei Mukoviszidose mit den tatsächlich entstehenden Ausgaben zeigen eindeutig finanzielle Deckungslücken auf. Dies macht nicht nur eine grundsätzliche Erhöhung der Krankenkostzulage nötig, sondern auch eine Differenzierung nach Altersgruppen und den individuellen Krankheitsverläufen. Nach dieser ist das Ergebnis eine Erhöhung der Krankenkostzulage von 10% der Regelleistungen auf 15% - 40%, abhängig von der individuellen Situation. Abschließend werden weitere Faktoren genannt, welche zusätzlich bei der Beurteilung der Ernährungskosten einbezogen werden können.
Cystic fibrosis is an incurable systemic disease affecting over 6000 children, teenagers and adults in Germany. Most of the patients have higher energy requirements because of the increased caloric expenditure and nutritional deficiencies. It can be covered by increased caloric intake with daily nutritional intake. The more expensive diet is funded for welfare recipients by using a fixed amount in addition to the standard benefit. The amount granted for additional costs caused by this disease was last issued in 2014, now this is to be revised.
In order for this update to be implemented, the aim is to find out what this higher need is and what additional costs it causes. For this the following key question is asked: How high is the additional need for patients with cystic fibrosis? It will be answered on the basis of latest nutritional medicine and economic findings. The examination will be carried out by determining the energy requirements with cystic fibrosis first and then deriving the necessary financial needs. In each case the different age groups and disease stages of the patients are taken into account.
The results of the comparison between the currently available amounts for the cystic fibrosis diet and the actual incurred expenditures clearly show financial gaps in coverage. Because of that this not only demands a fundamental increase of the sickness allowance but also a differentiation according to age groups and the individual disease progression. According to that, the result is an increase in the sick costly allowance from 10% of the regular benefits to 15% - 40% depending on the individual situation. Finally, further factors are mentioned which can also be included in a wide assessment of the nutritional costs.
Mukoviszidose (lat. mucus = Schleim, viscidus = zäh), auch Cystische Fibrose genannt, ist die häufigste, letal verlaufende, erblich bedingte Stoffwechselerkrankung in der kaukasischen Bevölkerung (Naehrig et al., 2017; Rodeck und Zimmer, 2013, S.576). Mit einer Inzidenz zwischen 1:3300 und 1:4800 Neugeborenen in Deutschland werden jedes Jahr etwa 300 Kinder mit Mukoviszidose zur Welt gebracht (Merck und Schubert-Zsilavecz, 2011; Naehrig et al., 2017).
Die progressive Lungenerkrankung wird durch einen Gendefekt des sogenannten cystic fibrosis transmembrane conductance regulator- (CFTR-) Proteins verursacht (Merck und Schubert-Zsilavecz, 2011). Dieser führt zu einer Störung von Chloridkanälen in bestimmten Körperzellen. Die Folge ist, dass betroffene Zellen mittels Osmose zu wenig Wasser in das umliegende Gewebe abgeben können und sich zähflüssige Sekrete in allen exokrinen Drüsen bilden (Merck und Schubert-Zsilavecz, 2011). Die betroffenen Organe, insbesondere die Lunge, werden durch Gangobstruktionen, reaktive Entzündungen und weiteren Folgen in ihrer Funktion beeinträchtigt (Naehrig et al., 2017). Da die verzehrenden Reaktionen im Körper eine Auswirkung auf den Energieumsatz der Patienten haben und zudem häufig die Sekretion von Verdauungsenzymen eingeschränkt ist, haben Patienten mit Mukoviszidose einen Mehrbedarf an Energie. Zur Behandlung entstehender Nährstoffdefizite besteht eine Ernährungstherapie.
Die aktuell 6000-7000 an Mukoviszidose Erkrankten in Deutschland, von denen mehr als die Hälfte über 18 Jahre alt sind, haben mittlerweile eine Lebenserwartung von circa 40 Jahren (Naehrig et al., 2017). Die Behandlung von Mukoviszidose gilt als Paradebeispiel in der Medizin, denn noch vor 60 Jahren überlebte kaum ein Patient das Säuglingsalter. Durch diesen enormen Fortschritt, entstehen je nach Altersgruppe unterschiedliche Bedürfnisse in der Ernährungstherapie. Folglich unterscheiden sich auch die Kosten der Ernährung von Patient zu Patient (Hollander et al., 2017).
In Deutschland bezogen im Jahr 2017 rund 9% der Bevölkerung die finanzielle Hilfe des Staates zur Sicherung des Lebensunterhalts, darunter ebenfalls erwachsene Mukoviszidosepatienten oder Kinder, die in einer solchen Familie aufwachsen (Proksch, 2019). Soziale Mindestsicherung umfasst nach den Sozialgesetzbüchern (SGB) II und XII die „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ und die „Hilfe zum Lebensunterhalt“. Entscheidend ist der Regelsatz der Sozialhilfe, welcher die Abdeckung der grundlegenden Bedürfnisse sichert, auch für die Ernährung (Proksch, 2019). Im Jahr 2019 beträgt er 424€ pro Monat für einen alleinstehenden Erwachsenen. Für Jugendliche und Kinder in Bedarfsgemeinschaften ist der Betrag je nach Alter entsprechend niedriger. Der Anteil für die Verpflegung macht knapp 35% aus, somit also für einen Erwachsenen pro Monat 148€ (“Hartz 4 Regelsatz,” 2019).
Da spezielle Diätmaßnahmen zu der Behandlung gehören, reicht der alleinige Regelbedarf nicht für eine angemessene Ernährung aus (Deutschen Verein für private und öffentliche Fürsorge, 2014). Gemäß dem SGB XII wird ein sogenannter „Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung“ gewährt. Dieser wird grundsätzlich bei Krankheiten angewendet, dessen Ernährungsempfehlungen von denen der allgemeinen „Vollkost“ abweichen.
Der Deutsche Verein für private und öffentliche Fürsorge (fortan: Deutscher Verein) sprach zuletzt im Jahr 2014 Empfehlungen aus, in denen festgelegt ist für welche Krankheiten ein Mehrbedarf in Anspruch genommen werden darf. Außerdem wird auch die Höhe der Krankenkostzulagen in Prozent des Regelbedarfs definiert. In Sonderfällen sind Abweichungen davon möglich. Die Beurteilungen traf eine Arbeitsgruppe, bestehend aus praxiserfahrenen Ärzten, einer Ernährungswissenschaftlerin, Juristen und Angestellten im sozialen Bereich. Seit der letzten Beurteilung wird auch bei Mukoviszidose für Kinder, Jugendliche und Erwachsene ein Mehrbedarf in Höhe von 10% des Regelbedarfs zugestanden. (Deutscher Verein, 2014)
Wird nun zu dem monatlichen finanziellen Anteil der Verpflegung von 147,38€ der Mehrbedarf in Höhe von 42,40€ addiert, stehen einem erwachsenen Patienten rund 190€ pro Monat für die Ernährung zur Verfügung. Da die Einschätzung des Mehrbedarfs vom Deutschen Verein bereits vor 5 Jahren formuliert wurde und sie zudem größtenteils auf Erfahrungswerten der eben genannten Gruppe basiert, stellt sich die Frage ob die Höhe der Krankenkostzulage heute noch den Bedürfnissen der Erkrankten gerecht wird.
Zurzeit wird ein ernährungsmedizinisches Gutachten erstellt, welches Grundlage für die Überarbeitung der Empfehlungen sein wird. Die folgende Arbeit soll aufzeigen, welche Empfehlungen bei der Einschätzung der Diätbedürfnisse zu beachten sind und wie sich aus diesem diätetischen Mehrbedarf die Höhe des finanziellen Mehrbedarfs bei Mukoviszidose ableiten lässt. Der Energiebedarf stellt eine Voraussetzung dar, um eine patientengerechte Ernährungsweise zu gewährleisten. Im Folgenden wird daher eine übliche Methode der Energiebedarfsbestimmung dargestellt.
Damit der Organismus mit seinen grundlegenden physiologischen Funktionen aufrechterhalten werden kann, benötigt er eine ständige Zufuhr an Energie (Elmadfa und Leitzmann, 2004, S.108). Die geringste Menge an Energie, die die Homöostase für 24 Stunden möglich macht, wird Grundumsatz (fortan: GU) genannt. Dieser gilt „bei völliger Ruhe und Entspannung (gleich nach dem Aufwachen), mindestens 12 Stunden nach der letzten Nahrungsaufnahme und bei der […] Umgebungstemperatur von 20-28°C“ (Elmadfa und Leitzmann, 2004, S.108). Bestimmt wird der Grundumsatz durch indirekte Kalorimetrie, also der Messung der Sauerstoff- und Kohlenstoffdioxidkonzenration beim Ausatmen (Elmadfa und Leitzmann, 2004, S.105). Ein alternativer, häufig benutzter Parameter zur Messung des Energieverbrauchs bei körperlicher und geistiger Ruhe stellt der sogenannte Ruheumsatz (fortan: RU) dar (Elmadfa und Leitzmann, 2004, S.108). Jener wird unter lockereren, weniger standardisierten Bedingungen gemessen. Der Umsatz liegt dabei etwa 6-10% höher als der GU.
Tabelle 1: Formeln zur Berechnung des Grundumsatzes (Quelle: Reinhardt et al. S.479)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der GU, welcher bei Erwachsenen bis 75% des Gesamtenergieumsatzes betragen kann, wird von unterschiedlichen Faktoren wie der Körperzusammensetzung, Alter, Geschlecht und des Gesundheitszustandes beeinflusst (Elmadfa und Leitzmann, 2004, S.108f). Die Weltgesundheitsorganisation beschreibt in Tab. 1 Formeln zur Berechnung des Grundumsatzes in kcal pro Tag, eingeteilt nach Geschlecht und der Altersgruppe mithilfe des Körpergewichts (kg) (Reinhardt et al., 2001, S.479). Für die Ruheumsatzberechnung in kcal pro Tag schlägt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (fortan: DGE) in Tab. 2 eine Formel vor, die nach Mann und Frau unterschieden wird. Das Ergebnis der Formeln ergibt eine Annäherung an den tatsächlichen, durch Kalorimetrie ermittelten Wert (DGE, 2015).
Tabelle 2: Formeln f ü r die Berechnung des Ruheumsatzes (Quelle: DGE, 2015).
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Der tägliche Gesamtenergieverbrauch setzt sich aus dem individuellen, aber festgesetzten Grundumsatz und einer variablen Steigerung, dem Leistungsumsatz zusammen (DGE, 2015; Elmadfa/Leitzmann, 2004, S. 113). Zuletzt genannter ist bei Körperarbeit, Thermogenese nach Nahrungszufuhr und im Wachstum von Säuglingen, Kindern und Jugendlichen erhöht. Um diesen Leistungsumsatz einzubeziehen, wurde der physical activity level ( fortan: PAL), also das Maß für körperliche Aktivität gebildet. Dieser Faktor wird mit dem Grundumsatz multipliziert. Er reicht von 1,2-1,3 bei Bettlägerigen, 1,5 bei eingeschränkter körperlicher Aktivität und 1,7 bei normal aktiven Kindern und Erwachsenen (Reinhardt et al., 2001, S.479). Durch sehr intensive körperliche Arbeit kann sich der Energieumsatz sogar mehr als verdoppeln (Elmadfa und Leitzmann, 2004, S. 112). Zusammenfassend teilt sich der Gesamtenergiebedarf meist folgendermaßen auf: etwa 60-70% werden durch den Ruheumsatz bestimmt, 10-25% durch die körperliche Aktivität und 10% durch Thermogenese nach Nahrungszufuhr (Sinaasappel et al., 2002).
Wenn täglich eine ausreichende Energiemenge mit der Nahrung aufgenommen wird, wird der Energiebedarf gedeckt (Elmadfa/Leitzmann, 2004, S.118f). Zum Ausgleich dieser Bilanz wurden von den Fachgesellschaften der Länder Deutschland (D), Österreich (A) und der Schweiz (CH) sogenannte D-A-CH Referenzwerte erstellt, die als Richtwerte für die tägliche durchschnittliche Energiezufuhr dienen. Sie bieten eine Orientierung in einem normalen Bereich des body mass index und steigern sich entsprechend der PAL- Werte. Ebenfalls sind sie vom Alter und Geschlecht abhängig (DGE, 2015). Für Erwachsene mit niedriger körperlicher Aktivität beträgt dieser für Männer 2300 kcal und für Frauen 1800 kcal. Bei Kindern und Jugendlichen rangieren die Werte je nach Alter bei normaler körperlicher Aktivität zwischen 1200 kcal und 3000 kcal.
Wie bereits erwähnt, ist der Gesamtenergiebedarf ein individuell gebildeter Wert. Bei Mukoviszidose ist dieser erhöht. Zur Bestimmung des Energiebedarfs ist nötig, krankheitsbedingte Faktoren zu berücksichtigen und dann je nach der körperlichen Aktivität einen individuellen Bedarf im Rahmen der D-A-CH Referenzwerte für verschiedene Altersgruppen zu formulieren. Der nächsten Punkt wird zeigen, wie der Energiebedarf bei Patienten zu bestimmen ist. Dabei werden Gründe für eine Steigerung des Energieumsatzes betrachtet.
In den folgenden Absätzen wird der Energiebedarf für junge und erwachsene Patienten mit Mukoviszidose bestimmt. Anschließend werden anhand aktueller Literatur Empfehlungen zu einer bedarfsgerechten Ernährungsweise aufgezeigt und begründet.
Verschiedene evidenz- und expertenbasierte Richtlinien betonen, dass eine adäquate Ernährung und ein guter Ernährungszustand für den Verlauf der Krankheit entscheidend seien (Hollander et al., 2017). Wenn schon im Säuglingsalter auf einen guten Ernährungszustand geachtet wird, werden die Überlebenschancen bis in das Erwachsenenalter hin verbessert, die Lungengesundheit erhöht und das Risiko für Folgekrankheiten vermindert. Ein milderer Krankheitsverlauf bedeutet sowohl eine höhere Lebensqualität als auch eine allgemeine Lebenserwartung (Hollander et al., 2017). Zunächst werden Richtlinien für den empfohlenen Ernährungszustand vorgestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Kinder ab dem Alter von zwei Jahren sowie Jugendliche sollten mindestens das 50. Perzentil des BMI gesunder Altersgenossen erreichen, was einen vergleichbaren Ernährungsstatus sicherstellt. Sobald eine Person bzgl. des BMI unter das 15. Perzentil fällt und ein Gewichtsstillstand oder sogar eine Gewichtsabnahme vorliegt, ist das Kriterium für eine Mangelernährung erfüllt (Stern et al., 2015). Dann werden intensive Ernährungsmaßnahmen eingesetzt, welche an späterer Stelle erläutert werden. Für Erwachsene ab 18 Jahren liegt der normale Bereich des BMI zwischen 18,5 und 24,9 kg/m . Untergewicht ist unter einem BMI von 18,5 kg/m definiert, Übergewicht ab einem BMI von 25 kg/m . Der Zielwert für Mukoviszidose Patienten liegt bei Frauen bei 22kg/m oder darüber, bei Männern bei 23kg/m oder darüber (Hollander et al., 2017; Stern et al., 2015). Außerdem werden auch Methoden zur genaueren Bestimmung des Körperfettanteils wie die bioelektrische Impedanz-Messung eingesetzt, um den Ernährungszustand zu erfassen. (Hollander et al., 2017; Stern et al., 2015)
In der Therapie von Mukoviszidose stellen eine unzureichende Energieaufnahme und Ernährungsdefizite die zentralen Probleme dar (Hollander et al., 2017). Besonders Kinder erreichen mit selbstgewählter Nahrung oft nur 60-90% des benötigten Energiebedarfs (Reinhardt et al., 2001, S.487). Die Ursachen dafür sind mannigfaltig. Einerseits ist der grundsätzliche ernährungsphysiologische Bedarf höher, andererseits sind die Energieverluste größer. Die Kombination aus ihnen verursacht eine negative Energiebilanz. In den nächsten Absätzen werden solche Faktoren erläutert, die den Energiebedarf beeinflussen.
Eine unzureichende Energiezufuhr entsteht hauptsächlich durch eine exokrine Pankreasinsuffizienz, also eine Unterfunktion der Bauchspeicheldrüse (Hollander et al., 2017). Die meisten Patienten, nach Naehrig et al. (2017) sind es 87%, werden mit dieser Störung geboren oder entwickeln sie während des ersten Lebensjahres. Die Störung hat zur Folge, dass die Fähigkeit der Bauchspeicheldrüse, Verdauungsenzyme zu produzieren, vermindert ist. Zusätzlich verringert ein Mangel an Hydrogencarbonat die Fähigkeit, den Mageninhalt beim Eingang in den Zwölffingerdarm zu puffern (Matel und Milla, 2009). Das wiederum fällt Gallensalze im Darm aus, wodurch die Fettresorption gestört wird. Infolge dieser Vorgänge manifestieren sich zahlreiche gastrointestinale Beschwerden. Dabei ist die Steatorrhoe charakteristisch, bei dem mindestens 7% des Nahrungsfettes mit dem Stuhl wieder ausgeschieden werden (Reinhardt et al., 2001, S.472f). Dies hat eine anhaltende Malabsorption von Nährstoffen zur Folge, besonders von Fetten und fettlöslichen Vitaminen. Als Konsequenz verliert der Organismus dauerhaft Energie, was bei Kindern zu einer Gedeihstörung führt (Hollander et al., 2017). Als Gegenmaßnahme werden therapeutisch Verdauungsenzyme eingesetzt (Stern et al., 2015). Bei falscher therapeutischer Einstellung besteht, trotz genügender Energiezufuhr, das Risiko einer Mangelernährung.
Einen weiteren Hauptgrund für eine negative Energiebilanz stellen akute und chronische Entzündungen oder Infektionen der Organe, besonders der Lunge, dar (Hollander et al., 2017). Diese erhöhen den Energieverbrauch. Ebenso führt die progressive Lungenerkrankung zu einem Funktionsverlust. Somit erhöht sich die Atemarbeit, welche wiederum den Ruheumsatz steigert (Matel und Milla, 2009). Sogar Therapiemaßnahmen wie Inhalation steigern den Umsatz an Energie (Reinhardt et al., 2001, S.474). Auch Appetitlosigkeit bildet eine Gefahr für eine unzureichende Aufnahme von Energie (Matel and Milla, 2009). Mit abnehmendem Gesundheitsstatus der Lunge, welcher mit Husten, Übelkeit und Erbrechen verbunden ist, sinkt auch der Appetit (Reinhardt et al., 2001, S. 473). Weitere Ursachen können in Nebenwirkungen von Medikamenten, z.B. Antibiotika liegen (Stern et al., 2015).
Eine Gewichtsabnahme kann jedoch auch psychosoziale Ursachen haben, wenn beispielsweise bei Jugendlichen die Körperwahrnehmung gestört ist oder der Patient eine depressive Phase durchlebt (Hollander et al., 2017; Stern et al., 2015). Nicht außer Acht lassen darf man eine rein nutritive Mangelernährung durch falsches Verhalten. Diese wird jedoch durch spezielle Ernährungsberatung zu verhindern versucht (Stern et al., 2015). Zu einer negativen Energiebilanz beitragend sind auch zuletzt mit Mukoviszidose einhergehende Probleme wie eine Schädigung der Leber oder sekundärer Diabetes Mellitus (Hollander et al., 2017; Sinaasappel et al., 2002). Komorbitäten dieser Art erhöhen den Energieumsatz.
Tabelle 3: Gr ü nde f ü r eine negative Energiebilanz (eigene Darstellung)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Neben den in Kapitel 2 genannten krankheitsunabhängigen Faktoren, nehmen zahlreiche Umstände (in Tab. 3 zusammengefasst) Einfluss auf den täglichen Energiebedarf. Dies macht einerseits deutlich, dass das Krankheitsbild von Mukoviszidose äußerst komplex ist. Andererseits zeigt es, dass die Empfehlungen zur Nährstoffzufuhr sich von Patient zu Patient unterscheiden müssen, nachdem ihr individuelles Bedingungsmodell beurteilt wurde (Reinhardt et al., 2001, S.474).
Unter Berücksichtigung aller Aspekte lässt sich schlussfolgern, dass bei Mukoviszidosepatienten der tägliche Energieverbrauch, sowohl in Ruhe als auch bei körperlicher Aktivität erhöht ist. Je fortgeschrittener der Verlauf der Krankheit ist, umso höher ist er. An dieser Stelle sei erwähnt, dass verschiedene Autoren einen um 5-35% erhöhten RU messen (Sinaasappel et al., 2002; Stern et al., 2015) In einer Längsschnittstudie zeigten Magoffin et al. (2005) einen erhöhten RU bei Kindern, der bei Mädchen wiederum höher war als bei Jungen. Auch Lehmann et al. (2005) stellten im Vergleich mit einer gesunden Kontrollgruppe einen um 10% erhöhten GU bei erwachsenen Patienten fest, ebenso fanden sie den Geschlechterunterschied. Reinhardt et al. (2001, S. 473) berichten von einer Messung des GU bei Patienten ohne akute Infekte, dessen mittlere Erhöhung sogar 20% betrug. Viele Autoren sind sich einig, dass bei fortgeschrittener Lungenkrankheit der RU weiter ansteigt. Dies wird auch durch eine Studie des norwegischen Zentrums für Mukoviszidose von Dorlöchter et al. (2002) bestätigt. Der Europäische Konsensus Bericht von Sinaasappel et al. (2002) misst überdies eine Verdopplung des RU bei einer schweren Beeinträchtigung der Lungenfunktion.
Damit letztendlich der Energiebedarf bei Patienten mit Mukoviszidose eingeschätzt werden kann, muss der individuelle Energieumsatz ermittelt werden. Reinhardt et al. (2001, S.479) stellen eine dafür geeignete Formel vor. Diese setzt den Energieumsatz aus dem GU und einem „krankheitsspezifischen Faktor“, der Summe aus dem Aktivitätsgrad und des Lungenfunktionsfaktors zusammen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der PAL wird größtenteils, wie schon in Punkt 2 erklärt, mit einem Wert zwischen 1,3 und 1,7 angenommen. Der zusätzliche Lungenfunktionsfaktor ist abhängig von der Schwere der Lungenerkrankung. Bei leichter Schädigung und einer fast normalen pulmonalen Funktionsfähigkeit von mindestens 80% beträgt der Faktor 0,1, bei einer mittleren Funktionsfähigkeit von 40-79% bereits 0,2. Bei schwerer Schädigung mit einer Funktionsleistung unter 40% beträgt der Faktor 0,3 (Reinhardt et al., 2001, S. 479). Beispielsweise bedeutet das, dass ein bettlägeriger Patient mit einem Aktivitätsgrad von 1,3 trotzdem genauso viele Kilokalorien (kcal) am Tag verbraucht wie ein Student, der den halben Tag sitzend und den restlichen Tag in Bewegung verbringt. Der tatsächliche Energiebedarf entspricht nicht zwingendermaßen auch dem Energieumsatz. Durch die Pankreasinsuffizienz kann die Resorption von Fett bedeutend geringer sein. In diesem Fall muss mehr Energie aufgenommen werden, damit die Verluste ausgeglichen werden können. Für die Messung, wie viel Energie bei bestehender Malabsorption verloren geht, wurde der Fettabsorptionsquotient eingeführt (Reinhardt et al., 2001, S.480). Wenn dieser mindestens 93 beträgt, besteht praktisch kein Energieverlust. Dementsprechend ist der Energiebedarf gleichbedeutend mit dem Energieumsatz. Falls die Fettabsorptionsrate weniger als 93% beträgt, gilt wieder eine Formel von Reinhardt et al. (2001, S.480):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
An dieser Stelle eine beispielhafte Berechnung des täglichen Energiebedarfs: ein 19-jähriger Erwachsener mit einem Gewicht von 60 kg hat nach der Formel der WHO (s.Tab.1) einen Grundumsatz von knapp 1600kcal. Hinzu kommt der Leistungsumsatz. Nach der Multiplikation mit dem in der Bevölkerung üblichen PAL von 1,5 betrüge der Energiebedarf bei einem gesunden Menschen gerundet insgesamt 2400kcal. Aufgrund leicht erhöhter Atemarbeit steigt der Energieumsatz mit dem krankheitsspezifischen Faktor von 0,2. Dieser besteht aus dem Lungenfunktionsfaktor von 0,1 und aus weiteren in Abb.2 genannten Faktoren, die - einmal angenommen - auch einem Aktivitätsgrad von 0,1 entsprechen. Das Ergebnis der Kalkulation ist ein Energieumsatz von circa 2700 kcal. Der schlussendliche Energiebedarf mit einer Fettabsorptionsrate von 85% beträgt ganze 2950kcal pro Tag. Das bedeutet eine Steigerung des Energiebedarfs um 550 kcal im Vergleich zu dem Bedarf, die die Person im gesunden Zustand hätte.
Damit dieser Punkt im Detail betrachtet werden kann, lässt sich die aktuelle Literatur auf Empfehlungen zur Höhe des Energiemehrbedarfs untersuchen. Die Grundlage dieser Arbeit, also die Empfehlungen des Deutschen Vereins zu Krankenkostzulagen bei Mukoviszidose gehen abgeleitet von dem finanziellen Mehrbedarf von einer Steigerung in Höhe von 10% aus (Deutscher Verein, 2014). Viele Autoren empfehlen jedoch eine hochkalorische Diät in einer breit gefächerten Spanne zwischen 110 – 200% des normalen Energiebedarfs (Hollander et al., 2017; Naehrig et al., 2017). Diese weite Streuung wird genau wie die Höhe des Ruheumsatz durch den individuellen Verlauf der Krankheit, inklusive der Entwicklung von Folgekrankheiten erklärt (Naehrig et al., 2017). Der eingetragene Verein für Mukoviszidose in Deutschland empfiehlt eine Energiezufuhr von 120-150%, was auch zu den Empfehlungen in Höhe von 130% für Kinder, beschrieben in den Leitlinien der Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung, passt (Schlüter, 2015; Stern et al., 2015). Auch Matel und Milla (2009) schätzen den Energiebedarf für den Großteil der Patienten ebenso hoch ein. Die Meinung des europäischen Konsensus (Sinaasappel et al., 2002) ist hier, dass üblicherweise 120% der D-A-CH Referenzwerte bei gleichem Geschlecht und Alter empfohlen werden.
Da im Laufe des Lebens die Lungenerkrankung voranschreitet und die Pankreasinsuffizienz zunimmt, ist dementsprechend anzunehmen, dass ältere Patienten häufiger eine höhere Kalorienzufuhr als die übliche Empfehlung benötigen. Bei Kindern und Jugendlichen gilt eine zusätzliche Erhöhung des Bedarfs während Wachstumsschüben und der Pubertät. Des Weiteren soll erwähnt werden, dass sich die Energiebedürfnisse sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen auch aufgrund zahlreicher Faktoren ständig ändern können und neu überprüft werden sollten, so z.B. bei einem akuten Infekt.
Entsprechend dieser weitreichenden Empfehlungen zur Höhe des Energiemehrbedarfs lässt sich schließen, dass keine pauschale Antwort für alle Patienten gegeben werden kann. Da jedoch eine extreme Steigerung der Energiezufuhr nur in Ausnahmefällen nötig ist, ist in der Regel von einer Empfehlung in Höhe von 120-130% der altersbezogenen Referenzwerte auszugehen.
Angesichts der Leitfrage dieser Arbeit, wie hoch der finanzielle Mehrbedarf bei Mukoviszidose ist, wurde nun geklärt wie hoch der ernährungsphysiologische Bedarf ist. Zugleich muss erläutert werden, was die richtige Kostform ist, damit die monatlichen Kosten für die zu verzehrenden Lebensmittel kalkuliert werden können. Im nächsten Unterpunkt wird die in der Ernährungstherapie geratene Kostform erklärt, Besonderheiten in den Altersgruppen herausgestellt, sowie Maßnahmen bei Malnutrition beleuchtet.
Die Grundlage der Ernährung bei Mukoviszidose bildet eine ausgewogene gemischte Kost (Stern et al., 2015). Die Vollwerternährung ist eine überwiegend pflanzliche (lacto-vegetabile) Ernährungsform, bei der frische und natürliche, also ernährungsphysiologisch wertvolle Lebensmittel im Fokus stehen (Elmadfa und Leitzmann, 2004, S.618f). Der Zweck ist dabei in erster Linie die Gesundheit zu bewahren, aber auch ökologische, wirtschaftliche und soziale Aspekte spielen eine Rolle. Sie basiert auf aktuellen ernährungswissenschaftlichen Erkenntnissen und wird von der DGE empfohlen (DGE, 2017). Die Richtwerte für den Anteil an der Gesamtenergiezufuhr von den Hauptnährstoffgruppen betragen bei Kindern mehr als 50% Kohlenhydrate, 30-35% Fett und bis 20% Proteine. Für Erwachsene ist der einzig relevante Unterschied eine Senkung der Fettzufuhr auf 30%.
An dieser Stelle sei die von der DGE empfohlene Menge von mindestens 30g Ballaststoffen am Tag zu erwähnen. Die Nationale Verzehrsstudie II (Max-Rubner-Institut, 2008) kam zu dem Ergebnis, dass der Großteil der Allgemeinbevölkerung diese Empfehlung nicht erreicht. Besonders Mukoviszidosepatienten sollten ausreichend Ballaststoffe in ihren Ernährungsplan einbauen, da diese vor Begleiterscheinungen wie Obstipationen und dem typischen Darmverschluss (Distales intestinales Obstruktionssyndrom) schützen können (Schlüter, 2015).
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