Diplomarbeit, 2019
49 Seiten, Note: 2,0
Jura - Zivilrecht / Handelsrecht, Gesellschaftsrecht, Kartellrecht, Wirtschaftsrecht
1. Einleitung
2. Technische und rechtliche Einordnung von Bitcoins
2.1 Technische Darstellung
2.1.1 Bitcoins und die Blockchain
2.1.2 Die Blockchain als Transaktionsregister
2.1.3 Möglichkeiten des Erwerbs
2.1.4 Die Wallet - virtueller Lagerort der Bitcoins
2.2 Rechtliche Einordnung von Bitcoins
2.2.1 Bitcoins und der Geldbegriff
2.2.2 Bitcoins als elektronisches Geld
2.2.3 Bitcoins als Sache
2.2.4 Bitcoins als sonstiger Vermögenswert
3. Vollstreckungsvoraussetzungen
3.1 Allgemeine Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung
3.1.1 Vorliegen eines zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titels
3.1.2 Vollstreckungsklausel
3.1.3 Zustellung
3.2 Besondere Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung
4. Vollstreckung in Bitcoins wegen einer Geldforderung
4.1 Bitcoins und Immobiliarvollstreckung
4.2 Mobiliarvollstreckung in Bitcoins
4.2.1 Vermögensauskunft gem. § 802c ff. ZPO
4.2.1.1 Verfahrensgrundsätze
4.2.1.2 Inhalt des Vermögensverzeichnisses
4.2.2 Forderungspfändung und Pfändung von sonstigen Vermögensrechten
4.2.2.1 Der Pfändungsvorgang
4.2.2.2 Pfändung einer Geldforderung gem. § 829 ff. ZPO
4.2.2.3 Pfändung als sonstiges Vermögensrecht gem. § 857 ZPO
4.2.3 Zwangsvollstreckung in körperliche Sachen
4.2.3.1 Der Pfändungsvorgang
4.2.3.2 Pfändung von Bitcoins im Rahmen der Sachpfändung
5. Vollstreckung wegen anderer Ansprüche als Geldforderungen
5.1 Herausgabevollstreckung einer Sache gem. § 883 ZPO
5.2 Erwirkung vertretbarer und unvertretbarer Handlungen gem. §§ 887 f. ZPO
6. Fazit und Ausblick
In den letzten Jahren konnte der Kurs von Bitcoins rasant zulegen. Stand der Kurs Anfang 2015 noch bei 267 US-Dollar, so konnte er sich innerhalb von 2 Jahren bis Anfang 2017 mehr als verdreifachen (915 US-Dollar). Den vorläufigen Höchststand erreichte der Bitcoinkurs im Dezember 2017, als man für einen Bitcoin an die 20.000 US-Dollar bezahlen musste1.
Seit diesen Höchstständen hat sich der Kurs wieder etwas beruhigt und der übertriebene Kursanstieg wurde etwas korrigiert. Aber nach wie vor sind Bitcoins noch immer stattlich bewertet. Der aktuelle Preis beträgt 5.250 US-Dollar pro Bitcoin2. Vor allem jüngere Menschen scheinen sich für alternative Bezahlungsmethoden und "Währungen" abseits des bekannten Geldes zu interessieren. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im November und Dezember 2017 besaB fast jeder Zehnte Deutsche unter 30 Jahren selbst Bitcoins. Immerhin 27,3 Prozent hatten zu diesem Zeitpunkt einen zukünftigen Kauf von Bitcoins geplant3. Allein an diesen Zahlen zeigt sich, dass mitunter durchaus erhebliche Geldbeträge in Bitcoins stecken können. Damit stellt sich zum einen natürlich die Frage, um was es sich bei Bitcoins rein rechtlich gesehen handelt und zum anderen, wie man als Gläubiger gegebenenfalls auf diese Vermögenswerte im Rahmen der Zwangsvollstreckung zugreifen kann.
Dass die Beantwortung dieser Fragen im Moment noch ganz am Anfang steht, zeigt bereits der Umstand, dass auch in den groBen gängigen ZPO-Kommentaren Bitcoins noch keine Erwähnung finden4. Musilack/Voit beschränken sich in der aktuellen 16. Auflage (2019) ihres ZPO-Kommentars lediglich auf einen Satz zu Bitcoins5.
Ziel dieser Arbeit ist daher eine Bestandsaufnahme, was nach rechtlichen Gesichtspunkten unter Bitcoins zu verstehen ist und wie Gläubiger im Rahmen der Einzelzwangsvollstreckung Zugriff auf diese nehmen können.
Bevor die Vollstreckungsmöglichkeiten in Bitcoins betrachtet werden, ist eine Einordnung notwendig, um was es sich bei Bitcoins zum einen im technischen und zum anderen vor allem auch im rechtlichen Sinne handelt.
Um die technische Funktionsweise von Bitcoins zu verstehen, muss man sich von der Vorstellung lösen, dass es sich bei Bitcoins um eine Art digitale Münze handelt. So werden Bitcoins weder durch eine konkrete Datenmenge repräsentiert noch gibt es Dateien, die die Bitcoins gewissermaBen enthalten6. Es werden also auf den jeweiligen Datenträgern keine "Bitcoins" als Daten oder Datensätze gespeichert.
Bei Bitcoins handelt es sich vielmehr um reine Recheneinheiten, die im gesamten dezentral organisierten Netzwerk repräsentiert werden. Sämtliche Transaktionen, die jemals durchgeführt wurden und auch zukünftig durchgeführt werden, sind in einer Art Transaktionshistorie dokumentiert. Diese Transaktionshistorie ist die sogenannte "Blockchain". Aus der Blockchain lassen sich also alle Überweisungen, die jemals zwischen Bitcoin-Konten getätigt wurden, herauslesen.
Will man Bitcoins im technischen Sinne verstehen, so ist es unumgänglich das Konzept und die Idee der Blockchain zu verstehen. Bitcoins sind letztendlich nur eine Möglichkeit, die Blockchain praktisch zu nutzen.
Bitcoins basieren auf dem Konzept, dass eine Transaktionshistorie dokumentiert, wem welche Werte innerhalb dieses Systems zugeordnet werden. Für die Richtigkeit dieser Zuordnung garantiert die Blockchain, in der sämtliche Transaktionen verzeichnet sind. Die einzelnen Blöcke innerhalb der Blockchain enthalten eine frei und öffentlich einsehbare Liste durchgeführter Transaktionen. Weil dadurch jede jemals durchgeführte Transaktion dokumentiert wird, ist sichtbar wer gerade "Inhaber" von welchen Bitcoinwerten ist.
Interessant ist in diesem Zusammenhang die Unterscheidung in zugangsbeschränkte Netzwerke und öffentliche Netzwerke. Folgt man Kaulartz, dann kann man unter zugangsbeschränkten Netzwerken beispielsweise Grundbuchämter verstehen7. In diesen Netzwerken garantieren staatliche Stellen für die Richtigkeit des Registers. Auch Ammann vergleicht die Blockchain mit dem Grundbuch und sieht Ähnlichkeiten, da wie im Grundbuch auch für die Eintragung in die Blockchain ein Validierungsverfahren und eine Eintragung notwendig sind8. Während jedoch im Grundbuchverfahren die Richtigkeit der Eintragung durch den Grundbuchbeamten gewährleistet wird, wird dies bei der Blockchain durch das angeschlossene peer-to-peer Netzwerk sichergestellt. Das Netzwerk prüft vor einer Transaktion, ob derjenige, der die Transaktion vornehmen möchte, tatsächlich "Inhaber" des Wertes ist. Zugrunde liegt dem Ganzen also ein Konsensprinzip, sodass die Transaktion dann frei gegeben wird, wenn die Mehrheit der im Netzwerk angeschlossenen Rechner bestätigt, dass der Nutzer, der die Transaktion auslöst, tatsächlich über den Wert verfügt9. Verfolgt man diesen Ansatz weiter, fällt es auch leichter Bitcoins zu verstehen. Das Grundbuch dokumentiert als Register, wer gerade Eigentümer eines Grundstücks ist. Die Blockchain dokumentiert, wer zu einer Transaktion berechtigt ist. Mit der Übertragung ändert sich die Befugnis die nächste Transaktion durchzuführen. Bitcoins als durch Daten repräsentierte Münze zu verstehen, geht an dem eigentlichen Wesen somit vorbei. Vielmehr werden Bitcoins „nämlich durch Transaktionen ausgedrückt, also gewissermafien durch Überweisungen“10. Das eigene Bitcoinkonto ist also eine Übersicht aller empfangenen Transaktionen, die an keinen anderen Empfänger weitergeleitet wurden11.
AbschlieBend muss noch etwas zu den für die einzelnen Transaktionen genutzten Verschlüsselungssystemen gesagt werden. Die klassische und bekannte Verschlüsselung ist eine symmetrische Verschlüsselung. Das bedeutet, dass zum Verschlüsseln und Entschlüsseln der gleiche Schlüssel genutzt wird. Es ist also nur ein Schlüssel vorhanden. Transaktionen in der Blockchain sind jedoch asymmetrisch verschlüsselt. Es gibt einen öffentlichen und einen privaten Schlüssel. Der öffentliche Schlüssel kann gewissermaBen als Kontonummer des Empfängers der Transaktion verstanden werden. Derjenige der also eine Transaktion an einen Empfänger auslösen will, muss dessen öffentlichen Schlüssel kennen. Des weiteren gibt es einen privaten Schlüssel. Dieser wird durch den überweisenden Nutzer benötigt, um die Transaktion anzustoBen. Der private Schlüssel kann dabei (was der Regelfall sein wird) in einer sogenannten Wallet (digitale Brieftasche) gespeichert werden oder auch einfach nur auf einem Zettel aufgeschrieben sein.
Die Bitcoin-Nutzer haben drei Möglichkeiten, um selbst Bitcoins zu erwerben. Zunächst einmal haben die Nutzer die Möglichkeit, Bitcoins „über einen Börsenhandel durch Tausch gegen traditionelle Währungen"': zu erwerben. Der Preis bestimmt sich dabei über den aktuellen Bitcoin-Börsenpreis. Vereinfacht gesagt, erwirbt man für einen gewissen Betrag in konventioneller Währung einen gewissen Anteil an Bitcoins.
Darüber hinaus haben die Nutzer die Möglichkeit, sich die Bitcoins durch andere Nutzer im Rahmen einer Transaktion überweisen zu lassen. Dafür benötigt der überweisende Teil der Transaktion den öffentlichen Schlüssel der Bitcoinadresse, an die die Überweisung erfolgen soll. Der öffentliche Schlüssel identifiziert die Empfängeradresse und kann daher auch gewissermaBen als "Kontonummer" des Empfängers interpretiert werden12 13. Wie bereits oben dargestellt, wird diese Transaktion dann in der Blockchain gespeichert und ist für alle Nutzer öffentlich einsehbar.
AbschlieBend haben die Nutzer noch die Möglichkeit, Bitcoins selber zu generieren, man spricht in diesem Fall vom sogenannten "Mining". Dazu stellen die "Miner" ihre eigene Rechnerleistung zur Verfügung und zeichnen die getätigten Transaktionen in einem "Block" auf. Wenn der Block gelöst ist, wird dieser in die Blockchain transferiert und dort festgeschrieben. Als Belohnung für die Übernahme dieser Aufgabe erhalten die "Miner" als Bezahlung Bitcoins. Da die zugrunde liegenden Rechenoperationen jedoch mathematisch hochkomplex sind, verbinden sich in der Regel zahlreiche Nutzer zu einem Netzwerk. Der daraus resultierende Stromverbrauch ist extrem hoch. Angesichts des stark gestiegenen Bitcoinpreises ist es jedoch immer noch äuBerst lukrativ, Bitcoins zu "minen".
Wie bereits oben dargestellt, wird die „Verfügungsgewalt über die Bitcoins, die durch die Transaktionsliste (, Blockchain ‘) einem bestimmten öffentlichen Schlüssel zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesen sind “ 14 15, durch die Verfügungsgewalt über den privaten Schlüssel ermöglicht. Aus der Blockchain ergibt sich also, in welchem Umfang Bitcoins einem öffentlichen Schlüssel zugewiesen sind (dieser ist wie bereits angesprochen mit einer Kontonummer vergleichbar). Das AnstoBen von Transaktionen ist jedoch nur mittels des privaten Schlüssels möglich. Dieser private Schlüssel stellt damit „ die einzige in Byte ausdrückbare Datenmenge dar, die ein Bitcoin-Nutzer in ,Besitz‘ (im untechnischen Sinn[...]) haben kann' “ ". Nun ist es am Ende dem Nutzer überlassen, wie er diesen privaten Schlüssel verwahrt. Für gewöhnlich wird der Nutzer dafür eine virtuelle "Brieftasche" (Wallet) nutzen.
Hier ist vor allem zwischen zwei Arten von Wallets zu differenzieren. Zum einen kann der Nutzer sogenannte Webwallets (auch als Online-Wallet bezeichnet) nutzen. Die notwendigen Daten werden hierbei durch einen Dritten (Dienstleistungsanbieter) auf einer Onlineplattform abgespeichert. Der Nutzer hat somit immer und von überall Zugriff auf seine Bitcoins. Der private Schlüssel liegt in diesem Fall jedoch auf den Servern des Webanbieters (also in der sogenannten Cloud)16. Der Nutzer einer solchen Lösung steht daher mit dem Anbieter der Dienstleistung in einer schuldrechtlichen Beziehung.
Zum anderen kann der Nutzer auch Wallets nutzen, die nicht auf Webdienstleistungen zurückgreifen und daher die privaten Schlüssel eben nicht in der Cloud abspeichern. Die Speicherung erfolgt in diesem Fall lokal beim Nutzer. Das Speichermedium ist dabei dem Nutzer selbst überlassen und reicht von Festplatten im Computer, über den Speicherplatz im Smartphone bis hin zum USB-Stick. Da Bitcoins grundsätzlich offen konstruiert wurden und auch die Quelltexte öffentlich einsehbar sind, haben sich mittlerweile eine Vielzahl von möglichen Wallets entwickelt13. Es würde an dieser Stelle zu weit gehen hier auf all diese einzugehen. Entscheidend ist letztendlich für den weiteren Verlauf der Arbeit nur, dass bei diesen Lösungen der private Schlüssel lokal abgespeichert wird.
Um die Frage zu beantworten, ob Bitcoins als Geld bezeichnet werden können, gilt es zunächst zu definieren, was unter Geld verstanden werden kann. Der Gesetzgeber hat dafür keine Definition oder gesetzliche Regelung, insbesondere auch nicht im Bürgerlichen Gesetzbuch, vorgesehen. Folgt man Grüneberg, so muss man Geld nach wirtschaftlichen und rechtlichen Gesichtspunkten unterscheiden17 18. Danach ist Geld wirtschaftlich gesehen ein allgemein anerkanntes Tauschmittel, eine Rechnungseinheit und Mittel um Werte zu übertragen oder auch zu bewahren. Rein wirtschaftlich betrachtet, könnten Bitcoins also durchaus als Geld verstanden werden, da sie grundsätzlich die gerade dargestellten Voraussetzungen erfüllen. Für die hier notwendige Betrachtung müssten jedoch Bitcoins auch rechtlich als Geld eingeordnet werden können.
Grüneberg unterscheidet dabei nach Geld im gegenständlichen Sinne und Buchgeld. Unter den gegenständlichen Geldbegriff kann verallgemeinert Bargeld subsummiert werden. Es handelt sich somit insbesondere um Münzen und Banknoten19. Einschränkend auf diesen sehr weiten Geldbegriff wirkt sich die Voraussetzung aus, dass nur dann von Geld im eigentlichen Sinne gesprochen werden kann, wenn es sich um ein gesetzliches Zahlungsmittel handelt, das heiBt, dass eine gesetzliche Annahmeverpflichtung besteht20. Dies gilt für Euro- Banknoten und Münzen21. Da Bitcoins als solche aber weder gegenständlich oder sonst irgendwie verkörpert sind, noch eine in irgendeiner Art und Weise gesetzlich geregelte Annahmeverpflichtung besteht, können Bitcoins nicht als Geld im gegenständlichen Sinne verstanden werden22.
Buch- oder auch Giralgeld, ist durch eine Forderung gegen ein Kreditinstitut gekennzeichnet23. Voraussetzung für eine Forderung ist, ein Schuldverhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger, vgl. § 241 Abs. 1 BGB. Auf Grund von diesem Schuldverhältnis kann der Gläubiger etwas von dem Schuldner verlangen. Kurzum hat der Gläubiger aufgrund der Forderung einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Schuldner24 25. Da Bitcoins, wie oben gezeigt, in einem dezentral organisiertem Netzwerk gehandelt werden, gibt es keine zentrale Stelle, gegen die der Gläubiger (der Inhaber der Bitcoins) hier einen eigenen schuldrechtlichen Anspruch haben könnte. Im Ergebnis kann man festhalten, dass das „ System Bitcoins [...] damit keinen Auszahlungsanspruch gleich einem Kreditinstitut“ 2 vorsieht. Somit können Bitcoins auch nicht als Buchgeld eingeordnet werden.
Da Bitcoins somit weder Geld im gegenständlich Sinne noch Buchgeld sind, ist der Geldbegriff nicht anwendbar.
Rein von der Begrifflichkeit her scheint es nahezuliegen, Bitcoins als elektronisches Geld einzuordnen, da wie oben dargestellt die Verortung von Bitcoins unter dem klassischen Geldbegriff scheitert. Elektronisches Geld ist im Gesetz über die Beaufsichtigung von Zahlungsdiensten (ZAG) folgendermaBen legal definiert: „ E-Geld ist jeder elektronisch, darunter auch magnetisch, gespeicherte monetäre Wert in Form einer Forderung an den Emittenten, der gegen Zahlung eines Geldbetrags ausgestellt wird, um damit Zahlungsvorgänge im Sinne des § 675f Absatz 4 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs durchzuführen, und der auch von anderen natürlichen oder juristischen Personen als dem Emittenten angenommen wird“ (§ 1 Abs. 1 ZAG). Die Einordnung von Bitcoins unter diese Definition scheitert bereits daran, dass, wie bereits beim Buchgeld gezeigt, eben keine Forderung gegen einen Emittenten besteht. Darüber hinaus besteht auch nicht die geforderte Annahmepflicht. Etwas vereinfacht könnte man sagen, dass elektronisches Geld eine besondere Form von Buchgeld ist26. Unter die oben genannte E-Geld-Definition fallen somit insbesondere Prepaid-Karten, Geldkarten oder auch Paypal, nicht jedoch Bitcoins26 27.
Gerade in dem Bereich des elektronischen Geldes ist in den letzten Jahren sehr viel in Bewegung geraten und zahlreiche Start-ups und neue Fintech- Unternehmen versuchen sich in diesem Segment des Zahlungsverkehrs zu etablieren. Der entscheidende Unterschied zu Bitcoins ist aber eben, dass bei EGeld die Gläubiger eine Forderung gegen den Emittenten haben und ein gesetzliches Zahlungsmittel dem Geschäft zugrunde liegt. Gutscheinkarten beispielsweise erfüllen diese Bedingung ebenso wenig. Zwar können auch auf einer Gutscheinkarte Werte elektronisch gespeichert werden und die Ausgabe ist auch durch einen Emittenten wie beispielsweise Thalia möglich, jedoch besteht keine Annahmeverpflichtung und damit ist ihr Einsatz in der Regel auf die Thalia- Filialen beschränkt.
Da die Entwicklung im E-Geldbereich momentan mit sehr hohem Tempo voranschreitet, ist bereits abzusehen, dass in Zukunft ein GroBteil sämtlicher Transaktionen auf diesem Wege ablaufen wird. Insofern ist es spannend, ob der Gesetzgeber zukünftig die E-Geld Definition weiter fassen wird, sodass gegebenenfalls auch Bitcoins darunter fallen. Eine Möglichkeit bestünde beispielweise darin, die Definition an der Übertragbarkeit anzuknüpfen und nicht an der Notwendigkeit eines Emittenten.
Bereits bei der Frage, ob es sich bei Bitcoins um Geld im gegenständlichen Sinne handelt, wurde festgestellt, dass eine Subsumption von Bitcoins unter den Sachbegriff mangels Körperlichkeit nicht gelingt. Unter Sachen können „nur körperliche Gegenstände in einem der drei möglichen Aggregatzustände (fest, flüssig, gasförmig)“2 verstanden werden. „Elektronische Daten dagegen bestehen [...] aus elektrischen Spannungen und unterfallen daher nicht dem (sachenrechtlichen) Sachbegrif“28 29. Der Anwendung des Sachenbegriffs auf Bitcoins steht somit die eindeutige gesetzliche Definition entgegen. Elektronische Daten als solche sind keine Sachen.
Es stellt sich jedoch die Frage, ob elektronische Daten (und damit auch Bitcoins) gegebenenfalls dadurch Sachqualität erlangen, dass sie durch einen Speichervorgang mit einem Datenträger verknüpft werden30. Hinsichtlich eines Computerprogramms hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass es allein entscheidend ist, dass „es sich [...] um ein auf einem Datenträger verkörpertes Programm und damit um eine körperliche Sache (§ 90 BGB) handelt“31. Insofern misst der BGH Computerprogrammen dann Sachqualität zu, wenn sie auf einem Datenträger gespeichert sind. Dies wurde mittlerweile durch den Bundesgerichtshof auch wiederholt so entschieden32.
Bei Bitcoins handelt es sich jedoch nicht um Computerprogramme, da kein schöpferischer Prozess und keine intellektuelle Leistung bei der Erzeugung zugrunde liegt. Bitcoins werden lediglich durch reine Rechenleistung erzeugt, ohne ein kreatives Zutun. Letztendlich werden nur die privaten Schlüssel durch eine gewisse Datenmenge ausgedrückt33. Fraglich ist also, ob diese Datenmenge dadurch Sachqualität erlangt, dass sie auf einem Datenträger abgespeichert wird. Nach Ellenberger erlangen auch reine Datenmengen durch die Verkörperung auf einem Datenträger Sachqualität34.
Diese Ansicht ist in der Literatur jedoch nicht unumstritten und wird eher kritisch gesehen. Auch Programme als solche erlangen danach keine Sachqualität im Sinne des § 90 BGB, wenn sie auf einem Datenträger abgespeichert werden35. Dies soll auch für andere digitale Inhalte und damit letztendlich auch für Bitcoins, bei denen lediglich der private Schlüssel eine gewisse Datenmenge repräsentiert, gelten36. Die mitunter notwendige Verkörperung der Daten auf einem Datenträger führt nicht dazu, dass diese eigene Sachqualität erlangen - lediglich bei dem Datenträger als solches handelt es sich um eine Sache. Selbst wenn man der Ansicht folgt, dass Daten aufgrund der Speicherung auf einem Datenträger Sachqualität im Sinne von § 90 BGB erlangen, führt dies im Ergebnis zu keiner anderen sachenrechtlichen Zuordnung, da sie dann als wesentlicher Bestandteil des Datenträgers nach § 93 BGB nicht sonderrechtsfähig wären37. Es wird daher in dieser Arbeit der überwiegenden Literaturansicht gefolgt. Bitcoins sind somit keine Sachen im Sinne des § 90 BGB und zwar auch dann nicht, wenn sie auf einem Datenträger gespeichert sind.
Da jedoch zu erwarten ist, dass auch in Zukunft datenbasierte Erscheinungsformen im Rechtsverkehr auftauchen, die einen monetären Wert haben, wird mitunter gefordert, dass der Gesetzgeber an dieser Stelle tätig werden muss. Vorschläge reichen von der Überlegung, Daten mit eigenem monetären Wert an den Sachbegriff im BGB anzulehnen (ähnlich dem der Tiere), bis hin zur Einführung eines neuen § 90b BGB, der Immaterialgüter erfassen soll, denen ein monetärer Wert beigemessen wird38. Es bleibt daher abzuwarten, ob der Bundesgerichtshof auch hinsichtlich Bitcoins seine oben dargestellte Ansicht beibehalten wird. Dann würden gegebenenfalls auch Bitcoins dem Sachbegriff unterfallen, wenn sie auf einem Datenträger gespeichert sind. Eine diesbezügliche Entscheidung liegt derzeit noch nicht vor.
Da Bitcoins also weder Geld im eigentlichen Sinne, noch E-Geld oder Sachen sind, stellt sich die Frage, wie man Bitcoins nun also rechtlich einordnen soll.
Eine Verortung von Bitcoins unter den Begriff Forderungen scheidet ebenso aus, da diese zwingend eine schuldrechtliche Verbindung zwischen Schuldner und Gläubiger vorsieht39. Solch eine Forderung besteht aber eben gerade nicht. Weder gibt es einen Emittenten, der Bitcoins ausgibt, noch gibt es Ansprüche gegen die Teilnehmer im Peer-to-Peer-Netzwerk.
Etwas problematischer ist die Frage, ob es sich bei Bitcoins um ein sonstiges Recht handelt. Grundsätzlich ist das BGB bemüht darum, allen am Wirtschaftsleben partizipierenden Rechtssubjekten auch den notwendigen Schutz für ihre Güter bereitzustellen40. Absolute Rechte unterliegen dem Numerus- Clausus-Prinzip und müssen aufgrund ihrer Wirkung gegenüber jedermann daher eindeutig erkennbar und klar bestimmbar sein41. Es besteht insofern Typenzwang42. Da Bitcoins wie oben festgestellt, mangels Körperlichkeit keine Sache sind und auch nicht als Forderung gelten, handelt es sich um Immaterialgüter. Einem Schutz durch Rechtsnorm unterliegen Bitcoins allerdings nicht. Zwar stellt das Urheberrechtsgesetz auch gewisse Immaterialgüter unter den rechtlichen Schutz, jedoch ist nicht erkennbar, dass es sich bei Bitcoins um urheberrechtlich geschützte Werke handelt, da diese zwingend einen geistigen Schöpfungsprozess im Sinn des § 2 Abs. 2 UrhG voraussetzen. Bitcoins entstehen aber nicht durch geistige Schöpfung, sondern durch Einsatz von maschineller Rechenleistung. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird diese Problematik noch einmal diskutiert, insbesondere bei der Frage, ob Bitcoins gegebenenfalls als Immaterialgüterrechte einer Pfändung nach § 857 ZPO unterliegen. Da der Inhaber von Bitcoins aber weder von einem oder mehreren Individuen etwas verlangen kann, noch von allen, ist er über seine Bitcoininhaberschaft auch nicht Inhaber eines relativen oder absoluten Rechts43. Insofern kann zusammengefasst werden, dass Bitcoins auch nicht als sonstiges Recht zu qualifizieren sind.
Die Literatur scheint sich im Hinblick auf die Einordnung von Bitcoins als Immaterialgut, aus dem sich keine weiteren Rechte ableiten lassen, relativ einig zu sein44. Insofern wird auch im weiteren Verlauf der Arbeit dieser Ansicht gefolgt, dass Bitcoins keine eigene Rechtsposition innehaben. Bei der Übertragung von Bitcoins als Realakt ändert sich lediglich die Datenhoheit - die Übertragung als solche findet ausschlieBlich auf schuldrechtlicher Ebene statt. Der Empfänger der Bitcoins hat nach der Übertragung die vollumfängliche Einwirkungsmöglichkeit45. Die eigentlich entscheidende Position des Inhabers von Bitcoins ist daher die Verfügungsgewalt über den privaten Schlüssel, mittels dessen er Bitcoins tatsächlich an andere transferieren kann46. Entscheidend ist also, dass der Markt ebendieser Inhaberschaft des privaten Schlüssels einen Wert zumisst, jedoch kein Recht daraus begründet wird.
Nach dieser ersten Einordnung, wie Bitcoins rechtlich zu qualifizieren sind, stellt sich im Folgenden die Frage, wie Gläubiger nun im Rahmen der Einzelvollstreckung nach der Zivilprozessordnung auf diesen Vermögenswert Zugriff nehmen können.
Im Rahmen der Zwangsvollstreckung erhält der Gläubiger die Möglichkeit, durch staatlichen Zwang seine bestehenden Leistungs- und Haftungsansprüche durchzusetzen47. Dazu gilt es zunächst zu unterscheiden, auf welcher Titelgrundlage der Gläubiger die Vollstreckung betreibt, denn die Vollstreckungsart richtet sich nach der im Titel festgelegten Leistungsart. Vollstreckungstitel sind solche Entscheidungen oder auch beurkundete Erklärungen, aus denen der Gesetzgeber eine zwangsweise Vollstreckung zugelassen hat48. Letztendlich ist der Titel damit eine „öffentliche Urkunde, aus der sich ergibt, dass ein bestimmter materiell-rechtlicher Anspruch besteht und dieser Anspruch im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden kanri “ 49 . Dabei kann man die möglichen Titel unterteilen in Zahlungstitel, Herausgabe- und Leistungstitel, Titel zur Vornahme von vertretbaren und unvertretbaren Handlungen, Duldungs- und Unterlassungstitel und Titel, die auf die Abgabe von Willenserklärungen abzielen. Je nachdem was für ein Titel vorliegt, ergibt sich daraus die entsprechende Vollstreckungsart.
[...]
1 Vgl. Kling: Bitcoin knackt die 20.000-Dollar-Marke, abrufbar unter: https://www.zdnet.de/ 88321323/bitcoin-knackt-die-20-000-dollar-marke/, Stand: 26. März 2019.
2 Eine Übersicht der tagesaktuellen Bitcoinkurse kann über die Internetseite https://www.bitcoin.de/de/chart/btcusd abgerufen werden (für den hier verwendeten Kurs abgerufen am 29. April 2019).
3 Vgl. Spiegel Online: Je jünger, desto Bitcoin, abrufbar unter: http://www.spiegel.de/wirtschaft/service/bitcoin-umfrage-fuer-spiegel-online-zeigt-akzeptanz-bei- jungen-deutschen-a-1181265.html, Stand: 26. März 2019.
4 Vgl. Prütting/Gehrlein; Thomas/Putzo; Zöller; MüKoZPO.
5 Vgl. Musielak/Voit/ Becker, § 815, Rn. 2.
6 Vgl. Rückert, MMR 2016, S. 295 f.
7 Vgl. Kaulartz, CR 2016, S. 475.
8 Vgl. Ammann, CR 2018, S. 382.
9 Vgl. Ammann, CR 2018, S. 379.
10 Vgl. Kaulartz, CR 2016, S. 475.
11 Vgl. Kaulartz, a. a. O.
12 Djazayeri, jurisPR-BKR 6/2014, Anm. 1.
13 Sorge/Krohn-Grimberghe, DuD 2012, S. 439.
14 Rückert, MMR 2016, S. 296.
15 Rückert, a. a. O.
16 vgl. Platzer, S. 30. 13
17 vgl. Platzer, S. 23 ff.
18 Vgl. Palandt/ Grüneberg, § 245, Rn. 2.
19 Vgl. Palandt/ Grüneberg, § 245, Rn. 3.
20 Vgl. Jauernig/ Berger, § 245, Rn. 2.
21 Vgl. Musielak/Voit/ Becker, § 815, Rn. 2.
22 Vgl. Kütük / Sorge, MMR 2014, S. 644; Engelhardt / Klein, MMR 2014, S. 356.
23 Vgl. Palandt/ Grüneberg, § 245, Rn. 4.
24 Vgl. MüKoBGB/ Bachmann, § 241, Rn. 6.
25 Engelhardt / Klein, MMR 2014, S. 356.
26 Vgl. Palandt/ Grüneberg, § 245, Rn. 5.
27 Vgl. Palandt/ Sprau, § 635f, Rn. 54; Kütük / Sorge, MMR 2014, S. 644; Sorge/Krohn- Grimberghe, DuD 2012, S. 483; Spindler / Bille, WM 2014, S. 1361;
28 LG Konstanz, Urteil vom 10. Mai 1996 - 1 S 292/95 -, Rn. 3, juris.
29 LG Konstanz, a. a. O.
30 Vgl. Engelhardt / Klein, MMR 2014, S. 357.
31 BGH, Urteil vom 14. Juli 1993 - VIII ZR 147/92 -, Rn. 23, juris.
32 BGH, Beschluss vom 02. Mai 1985 - I ZB 8/84 -, Rn. 19, juris; BGH, Urteil vom 04. November 1987 - VIII ZR 314/86 -, BGHZ 102, 135-152, Rn. 19; BGH, Urteil vom 18. Oktober 1989 - VIII ZR 325/88 -, BGHZ 109, 97-104, Rn. 21; BGH, Urteil vom 14. Juli 1993 - VIII ZR 147/92 -, Rn. 23, juris; BGH, Urteil vom 15. November 2006 - XII ZR 120/04 -, Rn. 15.
33 Vgl. Rückert, MMR 2016, S. 297.
34 Vgl. Palandt/ Ellenberger, § 90, Rn. 2.
35 Vgl. Staudinger/ Stieper, §90, Rn 12, m.w.N.
36 Vgl. Staudinger/ Stieper, §90, Rn 17, m.w.N.
37 Vgl. Bydlinski, AcP 198, S. 315, 321; PreuB, S. 56 f.
38 Vgl. Engelhardt / Klein, MMR 2014, S. 360.
39 Vgl. Rückert, MMR 2016, S. 296.
40 Vgl. MüKoBGB/ Säcker, Einl. BGB, Rn. 32ff., 38.
41 Vgl. Staudinger/ Peters/Jacoby, §194, Rn 19.
42 Vgl. Staudinger, Eckpfeiler des Zivilrechts/ Klinck, S. 1275, Rn. 10f.
43 Vgl. Rückert, MMR 2016, S. 296.
44 Vgl. Engelhardt / Klein, MMR 2014, S. 356; Kaulartz, CR 2016, S. 478; Kütük / Sorge, MMR 2014, 644.
45 Vgl. Engelhardt / Klein, MMR 2014, S. 357.
46 Vgl. Rückert, MMR 2016, S. 296.
47 Vgl. Thomas/Putzo/ Seiler, § 704, Vorbem I - III, Rn. 1.
48 Vgl. Thomas/Putzo/ Seiler, § 704, Vorbem I - III, Rn. 14.
49 Brox / Walker, S. 22, Rn. 29.
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