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Bachelorarbeit, 2017
44 Seiten, Note: 1,3
1. Einleitung
2. Zusammenspiel von Medien und Pädagogik
3. Die Neuen Medien
3.1 Begriffsdefinitionen
3.2 Medienalltag
3.3 Medieneinstellung und Mediennutzen von Schülern und Lehrern
4. Umgang mit Medien in der Schule
4.1 Medieneinsatz im Kunstunterricht
4.2 Digitale und Analoge Verfahren
4.3 Integration und Umsetzung
4.4 Risiken und Chancen
4.5 Anspruch der Kunstpädagogik
5. Unterrichtsmodelle mit den Neuen Medien
5.1 „Fundstücke“
5.2 „Pflanzen auf der Sommerwiese“
5.3 Kooperationsverfahren
6. Ergebnis und Ausblick
Abbildungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Es wird darauf hingewiesen, dass in dieser Arbeit aus stilistischen Gründen auf eine Unterscheidung in Kunstpädagoginnen und Kunstpädagogen, Lehrerinnen und Lehrern, Autoren und Autorinnen sowie Schülerinnen und Schüler verzichtet wird. Die Bezeichnungen Kunstpädagoge, Lehrer und Schüler sind als Oberbegriffe gemeint und subsumieren somit jeweils auch die feminine Form.
Das Zeitalter der Neuen Medien verwischt zunehmend die Grenzen von medialem und realem Leben. Die medial vermittelte Wirklichkeit nimmt großen Einfluss auf die Identitätsfindung und Entwicklung von Menschen (vgl. Kirschenmann, Peez 1998, 5). Ganz besonders ist diese Beeinflussung bei Kindern und Jugendlichen zu beobachten, da diese Gruppe die neue Realität oftmals stark passiv konsumiert. Die mediale Wirklichkeit verringert also im Alltag oft das eigene Handeln und Tun der Benutzer. Gleichzeitig entwickeln sich die Medien konstant weiter. Hierdurch entsteht eine Vielfalt an medialen Unterrichtsmöglichkeiten. Den Rezipienten und der Forschung bleiben jedoch oftmals zu wenig Zeit für deren Erforschung und Verarbeitung (vgl. Feierabend, Karg, Rathgeb 2014, 29ff). Neue technologische Entwicklungen und Innovationen verfolgen das Ziel, progressive Möglichkeiten und zukunftsorientierte Konzepte hervorzubringen, die dann in der Schule eingeführt und erprobt werden. Diese Entwicklungen haben historisch gesehen schon immer einen unmittelbaren Einfluss auf die Pädagogik und das Lernen genommen. Die Entwicklung synthetischer Farbpigmente und Bindemittel oder das Gestalten mit Foto und Film stehen beispielhaft für die Wechselbeziehung von technologischem Fortschritt und Kunstpädagogik. Es gibt kaum einen künstlerischen und kunstpädagogisch relevanten Bereich, der nicht von den Medien betroffen ist (vgl. Kirschenmann, Peez 1998, 5). Kunst setzt heute alle ihr zur Verfügung stehenden Materialien, Medien und Handlungsmöglichkeiten ein und bildet dadurch immer wieder neue Ausdrucksformen. Kunst verbleibt nicht im Atelier und Museum, sondern wirkt in vielen sozialen, gesellschaftlichen und alltäglichen Bereichen und diffundiert sogar häufig mit diesen (vgl. Peez 2016, 15). Auch im Kunstunterricht wird eine Vielzahl von Materialien verwendet. Besonders der gezielte Einsatz der Neuen Medien wird für den Kunstunterricht immer entscheidender, da die Neuen Medien alle Bereiche des weltanschaulichen, ästhetischen und ethischen Denkens und Handelns erfassen (vgl. ebd., 102).
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, wie sich in der Schule und vorwiegend im Kunstunterricht das kunstpädagogische Handeln mit und durch die Neuen Medien verändert hat. Hierbei liegt der Fokus besonders auf den aktuellen medienpädagogischen Wandel in der Schule. Welche Möglichkeiten und Gefahren das Schulfach Kunst im Umgang mit den Neuen Medien mit sich bringt, soll in dieser Arbeit untersucht werden. Ebenfalls Inhalt dieser Ausarbeitung ist die Frage, inwiefern die Neuen Medien im Unterricht integriert werden können und ob und in welchem Rahmen Unterricht aus der Kombination von analogen und digitalen Medien für die Schüler sinnvoll ist. Dazu wird im ersten Teil der Arbeit das Zusammenspiel von Medien und Pädagogik aufgezeigt. Hierbei wird deutlich, dass dieses Miteinander sich aufgrund von einer Vielzahl unterschiedlicher Positionen und aufgrund des simultanen technischen Fortschritts stetig veränderte. Der Begriff der ‚Neuen Medien‘ wird im folgenden Teil definiert und seine Verwendung im Kunstpädagogischen Diskurs beschrieben. Es wird gezeigt, dass die vielfältigen neuen medialen Einflüsse zu einer veränderten Alltäglichkeit führen. Deutlich wird, dass sich die Lehrer und damit gleichermaßen die Lehrer(aus) -bildung auf die rasante Entwicklung der Medialität einstellen müssen. Dann schließt sich die erforderliche Einbettung der Medien im Raum Schule an. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf dem Umgang mit dem Computer und seiner Peripheriegeräte im Kunstunterricht. Um einen Eindruck über die neuen Möglichkeiten zu vermitteln, wird zunächst auf die Kombination von digitalen und analogen Medien im Kunstunterricht eingegangen. Anschließend werden die Integration und Umsetzung der Neuen Medien im Kunstunterricht hinterfragt und die damit verbundenen Risiken und Chancen betrachtet.
Grundlage des zweiten Teils ist im Rahmen dieser Arbeit die Zeitschrift KUNST+UNTERRICHT. Diese fach-didaktische Kunstzeitschrift stellt ausgearbeitete und erprobte Unterrichtsideen vor. Zwei Unterrichtsprojekte, die im Zusammenhang mit digitalen und analogen Medien stehen, werden dafür exemplarisch vorgestellt. Beide Projekte zeigen beispielhaft, wie Kunstunterricht mit der Einbettung von Medienarbeit funktionieren kann. Nach der Bearbeitung dieser beiden zentralen Punkte erfolgt die angestrebte Klärung, der Frage, inwiefern sich das kunstpädagogische Handeln durch die Neuen Medien verändert hat. Anschließend folgen ein Ausblick sowie der Materialanhang.
Die Verbindung von Medien und Pädagogik hat sich in den letzten Jahren immer mehr verdichtet. Sie wirkt konzentrierter (vgl. Peez 1998, 5). Die Schulpädagogik wird dazu aufgefordert, auf die neuen Medienentwicklungen zu reagieren. Die Kompetenzfelder der Neuen Medien nehmen in unserer globalen Netzwerkgesellschaft eine immer zentralere Position ein. Zu den Kompetenzfeldern gehören Ausdrucksfähigkeiten mit Medien sowie Kommunikationskompetenzen im Umfeld interaktiver Medien (vgl. Volkmer, Wiedemann 2006, 8). Mit den Neuen Medien ist zum einen das Potential problematischer Aspekte gestiegen - dazu gehört die negative Medienauswirkung als ein klassisches Motiv für medienpädagogische Interventionen im 20. Jahrhundert - und zum anderen werden die Chancen und Potentiale der Medien zum Gegenstand des Interesses gemacht (vgl. Gross, Meister, Sander 2015, 7). Die Kommunikationsmedien begründeten kontinuierlich tiefgreifende Umbrüche und bedingten dadurch kulturelle Entwicklungen (vgl. Boeckmann 1994, 210). Seit dem Aufkommen der elektronischen Massenmedien Anfang des 20. Jahrhunderts wird über das Zusammenspiel von Medien und pädagogischen Fragen diskutiert. Zentral ist dabei die gesellschaftliche Bedeutung der Medien (vgl. Von Gross, Meister, Sander 2015, 7). Der kunstpädagogische Fachdiskurs im Feld digitaler Medien hat in Deutschland Mitte der 1980er Jahre begonnen. Die Gründung der Braunschweiger Arbeitsstelle für Computergrafik und Ästhetische Erziehung stellte zu Beginn der kunstpädagogischen Tagungen meist die Computergrafik in den Mittelpunkt. Erst mit der rapiden Zunahme von Publikationen traten technische Fragen in den Hintergrund, womit fachdidaktische Konzepte stärkere Beachtung fanden (Fritzsche 2016, 14). Die Reaktionen auf die neuen Herausforderungen durch die Verbreitung der Neuen Medien wurden von vielen Medienpädagogen analysiert. Dabei ist unter anderem ein immer wiederkehrendes Grundmuster zu beobachten. Der Medienpädagoge Merkert beschreibt das Muster in zwei Phasen. In der Anfangsphase traten die Menschen den Neuen Medien aus Angst vor negativen Auswirkungen reserviert und kritisch gegenüber, und zwar solange, bis sie die positiven Möglichkeiten erkannt haben und die gehemmte Haltung in Euphorie umgeschlagen ist (zweite Phase). Ab diesem Zeitpunkt wurde versucht, die Neuen Medien für pädagogische Zwecke zu verwenden. (Merkert 1992, 28) Demnach verlagerten sich Extrempositionen von vielen Pädagogen, Forschern und Lehrern von einer sehr negativen zu einer positiven Haltung, die abschließend in Akzeptanz mündete. Aus diesem Grund erhielten medienpädagogische Konzepte erst nach einem gewissen zeitlichen Abstand ihre begründete Wertschätzung und Ernsthaftigkeit (vgl. Spanhel, 71ff.). Die rasante Entwicklung der Massenmedien (Bildschirmmedien, Digitalisierung, multimediale Angebote) und der globalen Vernetzung der neuen Informations- und Kommunikationstechniken bedurfte ein aktuelleres Grundmuster als das von Merkert. Als Reaktion darauf entstand die Position der ‚Medienpädagogik’ als eigenständige Disziplin. Die Medienpädagogik wurde zum Oberbegriff für alle pädagogischen Konzepte im Zusammenhang mit Medien (vgl. ebd.).
Seit Mitte der 1980er Jahre und zum Teil bis heute werden öffentliche Diskussionen zur Reizüberflutung durch Medien geführt und die exzessiven Formen der Mediennutzung bemängelt. Die Gewalt von Videofilmen und die andauernde Beschäftigung mit dem Computer durch Kinder und Jugendliche werden kritisiert und bewirken somit auch die negative Auswirkung auf den Sozialisationsprozess derselben. Der Computereinsatz in Schulen wurde aber seinerzeit von einigen Pädagogen auch positiv bewertet. Denn er konnte als Lernmedium in Bildungseinrichtungen eingesetzt werden, was zu neuen Lernchancen führte (vgl. Spanhel 2015, 94). Eine allgemeine Akzeptanz des Computereinsatzes im Kunstunterricht wurde jedoch erst im Jahr 2004 erreicht. Im Jahr 2005 kam der Modellversuch ‚Kulturelle Bildung im Medienzeitalter‘, kurz KuBiM zum Abschluss und forderte „grundsätzlich einen unkonventionellen und kritischen Umgang mit Medien“ (Fritzsche 2016, 72). Das Programm untersuchte die Entwicklung innovativer Modelle für den kreativen und kompetenten Umgang mit den neuen Medientechnologien in der kulturellen Bildung. Dabei waren die Schnittstellen von Kunst, Kultur und Medien entscheidend (vgl. http://www.kubim.de).
Der Bildungsbereich nahm großen Anteil an der multimedialen Evolution und stand vor der Aufgabe, Antworten für die neuen Herausforderungen zu finden. Medienpädagogische Ansätze in Theorie und Praxis wurden besonders von der Medienkompetenz geprägt und von Konzepten zur Förderung dieser beeinflusst. Die rasante Ausbreitung der Massenmedien führte zu deutlichen Veränderungen der Medienangebote. Der Gehalt der Angebote und die neuen Nutzungsmöglichkeiten veränderten das Alltagsleben der Menschen. Dies galt besonders für die Kinder und Jugendlichen. Der technische Fortschritt ermöglichte ihnen erstmals interaktive Nutzungsformen und orientierte sich so an den Bedürfnissen dieser Gruppen. Als viele Medienangebote unabhängig von Medienanstalten an jedem Ort und zu jeder Zeit genutzt werden konnten, wurde eine pädagogische Kontrolle des Medienhandelns immer schwieriger. Diese Veränderungen der Jugendkultur wurden von Experten der Sozialwissenschaften weitgehend negativ beurteilt und man sprach von einem Kulturbruch (vgl. Spanhel 2009, 94) und prophezeite die heranwachsende „Jugend ohne Orientierung“ (Hornstein 1982, 14). In Medienzentren konnten Kinder und Jugendliche nun eigene Videofilme produzieren und elektronische Bildschirmspiele austesten (vgl. Sander 1987, 102ff). Die Tendenz zur selbstverständlichen Nutzung in der Schule wird erkennbar, wodurch heute die mittlerweile alltägliche Mediennutzung der Kinder und Jugendlichen herrührt. Diese Altersgruppe verfügte auch bereits über sehr gute Kenntnisse im Umgang mit digitalen Geräten (vgl. Fritzsche 2016, 73). Politischer und wirtschaftlicher Druck auf das Bildungssystem beeinflussten die Konzepte der Medienkompetenz und manifestieren damit das Lernen mit dem Computer. Der Fokus veränderte sich auf die Medienkompetenzförderung und auf ein breiter angelegtes Verständnis der Medienbildung. Zeitgleich brachten neue Innovationen neue Herausforderungen für die Praxis mit sich. 2009 fanden die digitalen Medien schließlich Einzug in Kunst- und Bildungspläne und wurden spätestens ab der 5. Klasse integriert (vgl. Fritzsche 2016, 72f.). Es liegen jedoch keine aktuellen empirischen Untersuchungen über den tatsächlichen Umfang der Nutzung digitaler Medien in der Kunstpädagogik vor (vgl. ebd.). Aus Sicht der bildenden Kunst wird deutlich, dass sich die Kunstpädagogik mit dem Phänomen der digitalen Medien beschäftigen muss. Die medialen Gestaltungsformen werden bereits vielfältig in der Gegenwartskunst genutzt. Interaktive Medieninstallationen sind in fast allen Ausstellungen und Sammlungen zeitgenössischer Kunst bedeutend vertreten (vgl. Peez 2016, 103).
Der geschichtliche Ursprung des Medienbegriffs, seine Entwicklung, die zahlreichen Definitionen und entsprechenden Auslegungen verschiedener Wissenschaftler und (Medien-) Pädagogen können hier nicht im Detail beschrieben werden. Die folgenden Begriffsdefinitionen werden nur in konzentrierter Form erläutert, da sie in diesem Sinn in der vorliegenden Untersuchung Verwendung finden. Der Begriff ‚neue Medien‘ beziehungsweise ‚Neue Medien‘ wird verwendet, um aktuelle Medientechniken zu beschreiben und um sich gezielt von ‚alten Medien‘ (zum Beispiel der Schreibmaschine oder dem Videogerät) abzugrenzen. Vor allem jene Geräte, die über das Instrument Computer vermittelt werden und die Möglichkeit hochgradiger Interaktivität eröffnen, werden gegenwärtig unter dem Begriff der Neuen Medien geführt. Die medial dargestellten Informationen des Computers spiegeln das, was ein Nutzer zuvor hergestellt hat und das Ergebnis der jeweiligen Nutzereingaben wider (vgl. Fromme 2006, 116). Ein weiterer Schritt in die Tiefenstruktur der Medien ist die Eingrenzung in ‚digitale Medien‘. Digitale Medien weisen unabhängig vom Zeitpunkt der Verwendung auf digitale Verarbeitungsmöglichkeiten hin, sind generell vernetzbar und repräsentieren andere Medien durch ihre ‚Digitalisierung‘ (vgl. Fritzsche 2016, 32).
Die Begriffe ‚Medien‘ und ‚Medium‘ werden heutzutage in verschiedenen Kontexten verwendet und nehmen dabei oft synonym Bezug auf die Massenmedien. Das Wort ‚Medium‘ wurde von dem lateinischen Wort ‚Medius‘ abgeleitet, welches übersetzt wird mit ‚in der Mitte‘ oder ‚vermittelnd‘ (vgl. http://www.albertmartin.de/latein/?q=medius&con=0). In der Mitte des 20. Jahrhunderts wurde die Bezeichnung ‚Medium‘ ausschließlich im Rahmen der Philosophie und des Spiritismus gebraucht und bezeichnete Personen, die als Mittler fungierten (vgl. Hoffmann 2002, 16). Der Medienpädagoge Faulstich versteht unter Medium (Singular) im Kontext der Kommunikation technische Übertragungskanäle, in denen Informationen von einem Sender zu einem Empfänger transportiert werden und unter Medien (Plural) die Massenmedien. Das Medium gehört für Faulstich zu den Funktions- und Beziehungsbegriffen und muss immer in Relation betrachtet werden (vgl. Faulstich 2004, 31). Der Begriff ‚Medien‘ wird in Deutschland erstmalig im Jahr 1950 in dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“ verwendet (vgl. Spiegel 18/1949). Auf den schulischen Kontext bezogen, stehen Sender und Empfänger einerseits für die Kommunikation zwischen Schülern und Lehrern und andererseits für die Kommunikation zwischen entsprechenden Medien und Schülern. Jede Kommunikation braucht ein Mittel, durch das oder mit dessen Hilfe kommuniziert werden kann. Das Medium steht im Allgemeinen für einen Gegenstand oder ein Objekt, mit dessen Hilfe beziehungsweise durch dessen Einsatz Kommunikation ermöglicht wird. Zu den Hilfsmitteln der Informationsvermittlung in der Schule gehören unter anderem Bücher, Zeitungen, Magazine, Informationstafeln, Fernseher, Projektoren und Computer. Die Entwicklung zeigt, dass einst getrennte Medien immer mehr miteinander fungieren und in einem Objekt verschmelzen (vgl. Kirschenmann & Peez, 6f).
Von besonderem Interesse für diese Ausarbeitung ist der Computer und das vielseitigste und mächtigste Medium heutzutage: das Internet. Es transportiert statische und bewegte Videos, Bilder und Texte und kann auf vielseitige Weise interaktiv verwendet werden (vgl. Bromme 2012, 7f.). Der Computer ermöglicht die Integration von Interaktivität, welche in Begriffen wie ‚HyperText‘ oder ‚Hyper-Media‘ zum Ausdruck kommen. ‚Hyper-Medien’ führen demzufolge zu neuen Ordnungen (vgl. Meyer 1998, 26). Zwei pragmatische Schwerpunktsetzungen ergeben sich in diesem Zusammenhang mit dem ‚Werkzeug‘ und dem ‚Medium‘. Im Bereich des ‚Werkzeugs‘ wird die Nutzung des Computers (und seiner Peripheriegeräte) in den Mittelpunkt gestellt. Fragen der technischen Nutzung von zum Beispiel Druckern oder Beamern und ihrer unterrichtspraktischen Realisierung - von Projekten und Ideen - stehen dann im Vordergrund. Wird im Bereich des ‚Mediums‘ gearbeitet und der Computer beziehungsweise die digitalen Medien fokussiert, muss reflektiert über das Medium als solches geführt werden (vgl. Peez 2016, 105) Diese Annäherung „(steht) im Sinne des anerkannten Diktums, dass das Medium nicht nur die Botschaft verändert, sondern die Botschaft ist“ (Kirschenmann / Peez, 2004).
Ob im öffentlichen, beruflichen oder privaten Raum - Menschen der heutigen Generation werden von Bildschirmen unterschiedlichster Art und Größe angezogen (vgl. Fritzsche 2016, 19). In zahlreichen Forschungen wird versucht, Fragen der Mediennutzung und Medienwirkung zu klären. Es gilt, herauszufinden, wie Menschen im Allgemeinen und speziellen von Medien Gebrauch machen und wie sie diese in ihren Alltag integrieren. Der Forschungsstand in dem Bereich der Medienwelt entwickelt sich stetig weiter, wächst, wird ergänzt oder korrigiert. Da immer neue Plattformen entstehen, können viele Fragen (noch) nicht beantwortet werden. Heute sind die verschiedenen Medien in den Alltag vieler Erwachsener, Kinder und Jugendlicher so integriert, dass ein Leben ohne sie nicht mehr möglich scheint. Wir lassen uns von Filmen und Videoclips aus dem Internet unterhalten, streamen Musik und Radio über Onlinedienste, nutzen den Fernseher für Sendungen nach unserem Zeitmaß und kommunizieren medienvermittelt über E-Mail, Smartphone und sozialen Netzwerken. Der Zugriff auf das Internet hat sich in den letzten Jahren von Computer und Laptop fast ausschließlich auf das Smartphone konzentriert (Feierabend, Karg, Rathgeb 2014, 29ff.). „Das Internet ist eine wichtige nicht mehr wegzudenkende Informationsquelle, nicht nur im Geschäftsleben oder in Fragen der Meinungsbildung, sondern auch im privaten Bereich und in der Organisation des Alltags“ (ebd.). Die individuelle Mediennutzung, ihre Präferenzen und die Nutzungsmuster der Mediennutzung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen müssen jedoch getrennt voneinander betrachtet werden. Dabei wird nicht nur nach persönlichen Vorlieben oder milieuspezifischen Besonderheiten differenziert, sondern vordergründig unter dem Aspekt der unterschiedlichen Lebensphasen. Nutzungszeiten, Inhalte, Nutzungsmotive und Kontext sind hier entscheidend. Seit 1998 führt die repräsentative ‚Jugend, Information, (Mulit-) Media‘ – Studie, kurz JIM-Studie mit Jugendlichen im Alter von 12 bis 19 Jahren Umfragen zu ihrem Medienumgang durch. Dabei werden unter anderem Fragen zu Hausaufgaben, Lernen, Schule und Regelungen in Bezug auf Handy und WLAN gestellt (vgl. http://www.mpfs.de). Die folgenden Ergebnisse hinsichtlich der Medienausstattung und der Medientätigkeit sind Angaben aus der JIM-Studie.
Kinder und Jugendliche wachsen heute bereits mit einem großen Medienrepertoire auf. Unabhängig vom soziökonomischen Hintergrund von Familien findet man in annähernd allen Haushalten, in denen Kinder im Alter von 6 bis 13 Jahren leben, ein Handy, einen Fernseher und bei 99% der Familien einen Computer mit Internetzugang, 12 % haben zusätzlich ein Tablet-PC zu Hause. Viele Jugendliche besitzen darüber hinaus bereits selbst eine ausgeprägte Ansammlung an Mediengeräten. Der Besitz eines Handys ist seit einigen Jahren zum Standard geworden. 87% aller Jugendlichen haben dank der WLAN-Vernetzung außerdem die Möglichkeit, von ihrem Zimmer aus (beziehungsweise von öffentlichen Hotspots) auf das Internet zuzugreifen (vgl. JIM-Studie 2016 7), wodurch die Internetnutzung zunehmend privater wird. Sie entzieht sich mithin der Kenntnis und Kontrolle der Eltern (vgl. Von Gross 2015, 165f). Der Medienbesitz der jüngsten und der ältesten Befragten zeigt bei fast allen Geräten keine merklichen Unterschiede. Ausnahmen bilden nur der Computer beziehungsweise der Laptop sowie der Fernseher, die mit steigendem Alter häufiger in den Jugendzimmern zu finden sind. Obwohl einzelne Geräte wie das Handy oder Smartwatches mittlerweile diverse Funktionalitäten erfüllen, reduziert sich die Anzahl der genutzten Medienelektronik nicht. Die Nutzung der modernen Medien steht allerdings nicht unbedingt im Gegensatz zur Verwendung der klassischen Medien. Jeder vierte Jugendliche gibt an, neben der Nutzung der digitalen Medien auch die Zeitung oder Bücher zu lesen (vgl. JIM-Studie 2016, 10f.)
Aufgrund der beschriebenen Lebensweise von Kindern und Jugendlichen des 21. Jahrhunderts schlägt sich die Diskrepanz zur Mediensozialisation von Lehrenden häufig in der Annahme nieder, Schüler seien im Gebrauch mit technischen Geräten kompetenter. Diese Vermutung ist nur teilweise richtig (vgl. Fritzsche 2011, 240). Im Gegensatz zu Erwachsenen (Lehrern) starten Kinder und Jugendliche (Schüler) heutzutage mit vielen Medienerfahrungen in eine Lebensphase, die mit der Pubertät eine Ablösung vom Elternhaus, eine selbstbestimmtere Freizeitgestaltung und vor allem eine Phase der Persönlichkeitsentwicklung und Selbstdefinition bedeutet (Feierabend, Karg, Rathgeb 2015, 11). Dabei ist die Beeinflussung durch die medial vermittelte Wirklichkeit beachtlich. Sie betrifft besonders die Entwicklung der Sinneswahrnehmung. Einige Sinneswahrnehmungen, wie der Hör- und der Sehnerv, werden überstimuliert, während der Fühl- und Tastsinn unterfordert werden. Die Medienwelt ist kein Ersatz für authentisches Erleben. Daher kommt dem Kunstunterricht die Aufgabe zu, diese Erfahrungen zu ermöglichen und zu fördern (vgl. Schweighart-Wiesner 2012, 9). Im Vergleich zu ihren Lehrern haben viele Schüler trotz ihres geringen Alters bereits mehr Lebenszeit am Rechner verbracht als ihre Lehrkräfte und sie arbeiten mit dem Medium ohne Hemmungen. Somit sind die Medien in Gestalt von Wissen und Bewusstsein der Welt in den Köpfen der Schüler verankert (vgl. Fritzsche 2011, 241). Die grundlegende gesellschaftliche Teilhabe funktioniert für Schüler im großen Maßstab digital. „Die Medienwelten bestehen als eine vollkommene, dogmatische Selbstverständlichkeit und Realität“ (Ulbrich 2012, 8). Die Schulpraxis zeigt jedoch, dass das Expertentum der Schüler in vielen Bereichen weniger ausgeprägt ist, als angenommen. Ihnen sind unter anderem sinnvolle Suchstrategien im Netz wenig vertraut. Ihre Kenntnisse von Bild- und Textverarbeitung bleiben mittelmäßig. In der rezeptiven Mediennutzung weisen Schüler oft große Erfahrungen auf, die jedoch im produktiven Bereich nicht gegeben sind. Besonders bei kunstnahen Verfahren gibt es beträchtliche Defizite (vgl. Fritzsche 2016, 240ff.). Gerade jüngere Schüler brauchen Unterstützung dahingehend, wie sie mit dem Medium richtig umgehen können (vgl. Feierabend, Karg, Rathgeb 2014, 49). Es mangelt Kindern und Jugendlichen zudem unweigerlich an der Fähigkeit, sich vom Medium kritisch zu distanzieren. Den Lernenden werden in der Sozialisation durch Umwelterfahrungen nicht ausreichend viele Situationen geboten, die tiefgreifende und grundlegende ästhetische Erfahrungen für ihren Bildungsprozess ermöglichen (vgl. Kampf-Jansen 2001, 153ff.). Daher sind andere „Impulse, Gegenerfahrungen, Irritationen und Vergleichsmöglichkeiten (für die Entwicklung) kritischer, selbstkritischer und selbstbestimmter ästhetischer Entscheidungen erforderlich“ (Peez 2016, 29ff.). Der Kunstunterricht ist der Ort, in welchem die beschriebenen Impulse in arrangierten Situationen realisiert und fachdidaktisch begründet werden können (vgl. ebd.). Für Lehrkräfte ist es daher wichtig, sich der Bandbreite der Neuen Medien bewusst zu werden, um sie eigenverantwortlich und gezielt pädagogisch einsetzen zu können. Eine einheitliche Richtlinie für (Kunst-) Lehrer ist in diesem Zusammenhang nicht gegeben. Medien-Experten sind sich bei vielen Themen der Mediennutzung nicht einig und vertreten unterschiedliche Standpunkte. Daher müssen Lehrende einen autonomen Standpunkt beziehen (vgl. Thomm & Bromme, 96).
Aufgabe des Lehrers ist es, den Schülern Angebote im Unterricht zu zeigen, die ihre Interessen berücksichtigen und auf ihren Entwicklungsstand zugeschnitten sind (vgl. Feierabend, Karg, Rathgeb 2014, 49). Informationen zur Mediennutzung werden auf zahlreichen öffentlichen Plattformen und in Fachzeitschriften bereitgestellt. Viele Lehrkräfte machen sich dieses Wissen aber selten zu Nutze, um etwaige Fragen zur Mediennutzung besser zu verstehen. Grund hierfür können Verständnisschwierigkeiten sein oder die zeitaufwendige Suche (vgl. Stadler, 31). Einige (Kunst-) Lehrer empfinden den mutmaßlichen technischen Fortschritt der Schüler bedrohlich und ignorieren daher medienpädagogische Konzepte in ihrem Unterricht. Dabei blenden sie den inhaltlichen und erfahrungsbezogenen Vorsprung ihrerseits aus. Ohne die Einbindung von aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen bleiben die Denkweisen der wissenschaftlichen Laien weiterhin vage und sie behindern so die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Neuen Medien. Dabei sind in Bezug auf Medien alle Experten, denn wir alle kennen die Medien und nutzen sie (vgl. Ulbrich 2012, 7). Der Bund deutscher Kunsterzieher e.V. fordert, dass die Verankerung mit digitalen Medien in der Lehrerausbildung „durch entsprechende Ausbildungs- und Prüfungsordnungen gegeben sein müssen“ (BDK e.V. online). Weiterhin wird die „Verstärkung von Lehrerfortbildungen für Kunstpädagogen und „die Finanzierung von Entwicklungskosten für fachspezifische Lernsoftware (zu gewährleisten sein)“ (ebd.). Die digitalen Medien sollen verstärkt in den Lehrplänen für den Kunstunterricht aufgenommen werden, an deren Erstellung medienkompetente Kunstpädagogen mitwirken sollen, um „die Erhöhung der Anteile des Faches Bildende Kunst in den Stundentafeln aufgrund erweiterter Aufgaben“ zu ermöglichen (BDK e.V., online).
Auf dem Schulkörper beziehungsweise ihrem Zukunfts- und Wandlungspotential lastet ein außerschulischer Erwartungsdruck. „Schule müsse gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Erfordernisse stärker berücksichtigen und sich zielgerichtet an Kompetenzen und lernpsychologischen Aspekten orientieren“, lautet die Forderung vom Bundesbildungsministerium (vgl. https://www.bmbf.de/de/digitale-medien-in-der-bildung-1380.html). Den Schülern soll ein möglichst nahtloser Einstieg in die nationalen wie internationalen Arbeitsmärkte dieser Welt ermöglicht werden. Die Medienbildung ist eine zwingende Notwendigkeit für den Lern-Ort Schule. Aufgrund ihres Gegenstands bedingt sie eine Dynamik der Veränderung (vgl. Ulbrich 2012, 8ff). Das System Schule muss sich dieser Thematik öffnen und sich diesem Prozess offensiv stellen. Schulische Medienbildung kann den Wandel positiv begleiten, weil er mit „Lebensgewinn und mit Kreativität“ zu tun hat (Ulbrich 2012, 8ff.). Die Neuen Medien in die Schule zu bringen, veraltete Konzepte zu modernisieren und fortschrittlicher zu unterrichten, war im Jahr 2002 Ziel der Kampagne „Schule @ Zukunft“ des Hessischen Kultusministerium. Mit dieser Medieninitiative sollte konkret eine Verbesserung der IT-Ausstattung der Schulen, der Lehrerbildung im Medienkompetenzbereich und die Einführung von neuen Lehr- und Lernmethoden bewirkt werden (vgl. https:// kultusministerium.hessen.de/schule/weitere-themen/medienbildung/schulezukunft). Die landesweite Werbekampagne zeigte drei Motive: eine Diskette, eine Computer-Maus und einen Computermonitor. Die Diskette bekam die Überschrift: ‚das Schulheft‘, die Computermaus ‚der Füller‘ und der Computermonitor ‚die Schultafel‘. Die Motive waren demnach Synonyme für die zukünftigen zentralen Gerätschaften in Hessens Schulen (vgl. Fritzsche 2016, 17ff.). Eingerahmt wurden die Motive von einer holzähnlichen Struktur, die unter Umständen mit Schultafeln in Verbindung gesetzt werden könnten und sich vom monochromen dunklen Hintergrund absetzte. Leitsatz dieser Reihe war das angestrebte Motto: „Heute lernen, was man morgen braucht. In Hessens Schulen.“ Folglich sollten die Schultafel, das Schulheft und der Füller ausgetauscht und ersetzt werden. Die Verwendung des @-Zeichens im Logo ‚Schule @ Zukunft‘ (siehe Abbildung 1) war eine relativ neue Erscheinung, die Anfang der Jahrtausendwende bislang nur für E-Mail-Adressen verwendet wurde, in diesem Zusammenhang aber für eine Orientierung mit digitalen Medien stand (vgl. Fritzsche, 2016 18f.). Dass die viel zu kleine Kapazität einer Diskette bereits 2002 durch CD-ROMs und USB-Sticks ersetzt wurde, Computer mittlerweile ohne Diskettenlaufwerk verkauft wurden und das Computer-Mäuse bereits mit Scrollrädern sowie mehreren Tastoptionen hergestellt werden, wurde von der Kampagne und den Werbeplakaten ignoriert. Die Kampagne wirkte daher in der technischen wie modischen Handhabung antiquiert. Eine logische Ergänzung für Schule wäre vielmehr unter anderem die Einführung von Whiteboards beziehungsweise Beamern gewesen, die zwar noch wenig verbreitet aber inhaltlich deutlich passender gewesen wären (vgl. Fritzsche 2016, 19ff.). Dieses Beispiel steht für einen Versuch, die Medien in Schulen zu bringen, der „an den Schnittstellen zu kurz greift, weil sie obsolet werden können, ohne eine nennenswerte Wirkung zu erzielen“ (ebd.). Hier wird nochmal deutlich, wie schnell sich Medien verändern oder anders gesagt, wie schnell sich Medien verbessern. Der Einsatz von digitalen Medien in Schulen war 2002 eine Herausforderung für das Hessische Kultusministerium und ist es heute für das Bildungssystem immer mehr. Es gilt zu überprüfen, welche übergreifenden Prinzipien bei der Nutzung der digitalen Medien wirksam werden und welche Auswirkungen dies auf allgemeine Bildung hat beziehungsweise welche Auswirkungen fachspezifische Felder haben sollen (vgl. Fritzsche 2016, 21). Dass die digitalen Medien in der Schule eingesetzt werden, erwies sich nie als selbstverständlich. Erziehungswissenschaftler und Pädagogen traten den Neuen Medien regelmäßig verunsichert gegenüber und fühlten sich von den Möglichkeiten der Medientechnologien überfordert. Denn diese veränderten die pädagogische Praxis ihrer Zeit (vgl. Hüther,20f). Diskutiert wurde nicht nur über den Einsatz der digitalen Medien in den Schulen, sondern ob die Neuen Medien eine andere Art des Unterrichtens erfordern und wie das die Rolle der Lehrperson verändert (vgl. ebd., 183ff). Basierend auf 174 Fallstudien aus 28 Ländern konnte eine qualitative Studie (über eingesetzte Technologien in der Schule) eine Veränderung der Lehrer-Schüler-Beziehung beim Einsatz von Neuen Medien feststellen.
Bei 90 % der beteiligten Lehrer hat sich das Rollenverhältnis verändert und die Lehrpersonen haben eine stärker beratende und anleitende Tätigkeit eingenommen. Auffallend bei den Ergebnissen war auch das strukturierende Lehrerhandeln, das durch den Einsatz von Medienangeboten gefördert wird. Die Ergebnisse belegen so (durch die Unterstützung von Medien) einen Zugewinn an Aktivität von Schülern. Diese arbeiten unter anderem stärker projektbezogen zusammen, eher mehr selbstgesteuert und sie recherchieren und erwerben eigenverantwortlich Informationen. Mit den Ergebnissen der empirischen Fallstudie wurde ein didaktisches Prinzip für das Lehren und Lernen mit den Neuen Medien entwickelt. Das Modell verfolgt das Ziel, das „eigenaktiv-konstruierende und kooperative Lernen“ (Schulz-Zander 2001) fortzuführen und die Eigenaktivität und die Kommunikation beziehungsweise Kooperation der Lernenden zu stärken, indem die Lehrperson eine beratende und Lernfortschritt überwachende Rolle einnimmt (vgl. ebd.).
„Im Kunstunterricht geht es um mehr als Kunst, es geht um die ästhetischen Erfahrungsprozesse der Kinder und Jugendlichen in ihrem Wahrnehmen, Handeln und Denken. Ihnen diese Prozesse zu eröffnen, sie darin zu begleiten und selbstständig werden zu lassen, ist Praxis und Konzept des Kunstunterrichts“ (Kirchner, Otto 1998, 1). Diese Beschreibung von Gunter Otto und Constanze Kirchner aus dem Jahr 1998 ist auch noch heute Hauptaufgabe der Kunstpädagogik. In der Schule stellt das Fach Kunst als einziges das Bild in den Mittelpunkt des Lehrplans. Es stärkt so die Potentiale zur Ausbildung von Bildkompetenz und ermöglicht ästhetisches Wahrnehmen (vgl. Schaper 2012, 16). Die ästhetischen Erfahrungen lassen sich mit künstlerischen beziehungsweise bildnerischen Mitteln produktiv wie rezeptiv hervorrufen, das heißt, im eigenen bildnerischen Gestalten sowie in der Betrachtung von Kunstwerken (vgl. Kirchner, Otto 1987, 8f.). Ästhetische Erfahrungen sind neben zahlreichen anderen Beschreibungen, „kulturelle Spielräume für Experimente und Innovationen“ (Küpper/Menke 2003, 140), führen zu „Offenheit und Neugier“ (Peez 2016, 27) sowie „Versunkensein und emotionales Involviertsein im Augenblick“ (ebd.). Ästhetische Erfahrungen treten aber auch außerhalb des Kunstunterrichts, im Alltag auf. Zum Beispiel in „Ereignissen und Szenen“ (ebd.), „die das aufmerksame Auge und Ohr des Menschen auf sich lenken, sein Interesse wecken und, während er schaut und hört, sein Gefallen hervorrufen“ (Dewey 1932 / 1980, 11). Wahrnehmungsprozesse bewusst zu initiieren und mit ästhetischen Mitteln prozessorientiert statt produktorientiert zu arbeiten, ist mit den digitalen Medien im Kunstunterricht realisierbar und erforderlich. Und damit ein Aufgaben- beziehungsweise ‚Gegenstandsbereich‘ für Kunstpädagogik heute und in Zukunft (Kirchner / Otto 1998, 8f). Die digitalen Medien werden in der Schule und besonders im Kunstunterricht thematisiert, da diese fast alle Bezugsfelder des Fachs verändert haben und weiter verändern werden. Durch den Einsatz der digitalen Medien wird die Realität des kindlichen Spiels und die Vorstellungskraft der Kinder und Jugendlichen massiv beeinflusst. Neue Erfahrungswelten entstehen und mit wenigen Mausklicks können Kinder und Jugendliche heute nahezu perfekte Bildwelten erzeugen und beliebig reproduzieren. Der digitale Einfluss verändert auch die kindliche Bildsprache und die Kinderzeichnung. Daher sollten Kinder und Jugendliche frühzeitig an den sinnvollen Umgang mit den digitalen Medien herangeführt werden. Die Herausforderung für Kunstlehrer besteht darin, den Schülern „einen Umgang mit digitalen Medien zu lehren, der eine aufklärerische Haltung mit einem abwägenden, verantwortungsvollen Handeln in Einklang zu bringen vermag“ (Albers, Magenheim, Meister 2011,11). Schülern ist die Bildgestaltung und -produktion mit dem Computer beziehungsweise Laptop und dem Handy vertraut (vgl. Fritzsche 2014, 240). Der Kunstunterricht kann diese Erfahrungen optimieren und allen Schülern zugänglich machen. Der Gestaltungsprozess vieler Verfahren wird durch die Nutzung von digitalen Medien, zum Beispiel in der Entwurfsarbeit oftmals vereinfacht. Entwürfe und Ideen können leicht verändert werden. Die Schüler verbinden Pixel und Pigmente wie auch technisches und natürliches Material miteinander. Bearbeiten, übermalen, montieren, verfremden oder animieren Bilder und verändern damit schrittweise das Aussehen und die Botschaft ihrer Arbeit (vgl. http://netzspannung.org). Werden im Kunstunterricht die digitalen Medien eingesetzt, werden nicht nur künstlerische Kenntnisse, sondern auch die Medienkompetenz gestärkt. Die Schüler lernen zu verstehen wie Bilder produziert werden und ihre Botschaften zu hinterfragen und lassen sich daher eher auf anspruchsvolle Projekte über einen längeren Zeitraum ein (vgl. Fritzsche 2011, 240ff). Werden im Kunstunterricht Computer eingesetzt, gehen viele Opponenten der digitalen Medien davon aus, dass die Schüler starr und isoliert arbeiten. „Das Gestalten am Computer, zum Beispiel bei der Erstellung multimedialer Präsentationen (von Arbeitsergebnissen oder ähnliches), erfordert (allerdings) teamorientiertes Arbeiten, da die Schüler meist arbeitsteilig vorgehen müssen. Die Erweiterung des Repertoires des Faches durch interaktive, fächerübergreifende Multimediaanwendungen und Animationen eröffnet neue Chancen, da sie den alltäglichen Bildgebrauch der Jugendlichen aufgreift und das Fach den aktuellen Stand der visuellen Kultur anschließt“ (BDK, e.V., online).
Im Zuge der Visuellen Kommunikation zu Beginn der 1970iger Jahre wurden erstmals Videokameras und Videorekorder im Kunstunterricht verwendet. Die Videotechnik, Fotoapparate und die 8 mm-Schmalfilmkamera waren die Neuen Medien. Für das Fach Kunst, welches sich auf visuelle Phänomene bezieht, waren und sind diese Apparaturen zentral (vgl. Peez 2016, 102). „Der Ansatz für den heutigen Kunstunterricht (ist) zentral, da viele Neuerungen den Vertretern der Visuellen Kommunikation zugeschrieben werden können“ (Peez 2002, 78ff.). Auch wenn zu dieser Zeit viele Technologien wie das Internet noch nicht in ihrer heutigen Form bestanden, sind die Ansätze der Visuellen Kommunikation auf jene Technologien ebenso anwendbar. Dies bezieht sich nicht nur auf das Internet oder die analoge Fotografie, sondern auch auf „den analogen Zelluloid-Film und das digitale Video […], welches ohne die Visuelle Kommunikation nicht Bestandteil des heutigen Unterrichts wäre (vgl. Möller 1971, S.364). Die Spezifik der digitalen Medien macht deutlich, dass es weniger Mittel und Werkzeuge sind, die in den Kunstunterricht einziehen, sondern dass uns die digitale Welt von heute „völlig neue Kommunikations-, Gestaltungs-, und Wissensformen eröffnet“ (ebd.). Die digitalen Medien gehören in den Kunstunterricht, ersetzen jedoch nicht dessen traditionelle Aufgaben. Erfahrungen von Langsamkeit, Originalität und sinnlicher Materialität, die in der Schule nur im Kunstunterricht gegeben werden, bleiben unverzichtbar. Die Arbeit mit elementaren oder natürlichen wahrnehmbaren Stoffen und Materialen ermöglicht den Schülern ganz andere Sinn- und Sinnlichkeitserfahrungen als die Arbeit am Computer (vgl. BDK, e.V., online). Zu den neuen Medienerfahrungen können die ‚klassischen‘ medialen Praktiken bewusst aufgegriffen werden, um diverse Wahrnehmungsqualitäten sichtbar zu machen (vgl. Schweighart-Wiesner 2014, 9). Viele Kunstpädagogen arbeiten mit ‚Crossover-Verfahren‘, eine Kombination des Gestaltens mit analogen und digitalen Materialien beziehungsweise Medien (vgl. Freiberg 1998, 15). „Im Dialog beider Medial Bereiche wird das sich Bewusstsein ihrer jeweiligen Eigenart und damit ihrer Wertigkeit schärfen“ (Schierenbeck 1998, 46). Ob mit Digitalkameras oder 3D-Druckern gearbeitet wird oder im Werkraum mit Ton, begründet die jeweilige Unterrichtseinheit. Traditionelle und natürliche Materialien können mit technischen Medien wie Film, Foto und Drucktechniken kombiniert werden um einen ästhetisch-wertvollen Kunstunterricht zu gestalten, indem die Schüler ihre schöpferischen Kräfte entfalten können und lernen mit den Medien spielerisch umzugehen (vgl. BDK, e.V., online). Durch die kreative Kombination von analogen und digitalen Medien öffnet sich ein weites Feld neuer Möglichkeiten. „Durch Crossmedia entstehen oft neue, unerwartete Ereignisse und innovative, experimentelle Vermittlungsformen. In den Bereichen Printmedien, Animation/Video und Multimedia/Internet ist die produktive, gestalterische Arbeit mit digitalen Medien im Kunstunterricht sinnvoll.“ (ebd.) Die Möglichkeiten des Computers mit all seinen Komponenten sind für diese Gestaltungsaufgaben äußerst ergiebig. Diese Form des Kunstunterrichts, die neue Zugänge zur Welt offeriert, ist für viele Lehrer noch fremd. Der Computer als jugendspezifisches Medium von Kommunikation, muss jedoch begleitend verstärkt zum Gegenstand der Reflexion werden. Die Bildbetrachtung von Werken der Medienkunst und die zahlreichen digitalen Bilder unserer Alltagsästhetik müssen Erörterung finden. Dazu gehört auch die Betrachtung und Reflexion von Werbeanzeigen und -filmen (vgl. BDK, e.V., online). Es bietet sich an, dies in Kooperationsarbeit mit anderen Schulfächern zu tun. Zusammen mit dem Informatikunterricht kann der Kunstunterricht einen entscheidenden Beitrag zur allgemeinen „Informationstechnischen Bildung“ leisten. Fächerübergreifend zu arbeiten, die Schüler selbständig, arbeitsteilig sowie auch außerhalb des Stundenrhythmus an ihren Projekten arbeiten zu lassen, ist sinnvoll für die traditionelle Kultur des Schulfachs. Gegenstandsbereiche der Bildenden Kunst sowie der angewandten Kunst kommen damit zum Tragen. Das Crossmedia-Verfahren lässt verschiedene Bereiche ineinanderfließen, wie „(die) Architektur, (die) Produktgestaltung, (das) Grafik- und Medien-Design sowie der Fotografie und dem Film […]“ (BDK, e.V., online).
„Das bildnerische Gestalten im Kunstunterricht unterliegt keinen Anleitungen, sondern bleibt ein immer wieder neuartiger Prozess, indem künstlerische Problemstellungen eigenständig gelöst werden müssen“, so die Künstlerin und Wissenschaftlerin Birgit Eiglsperger (Eiglsperger 2008,4). Wie in vielen anderen Schulfächern sind die Unterrichtseinheiten im Kunstunterricht nicht anhand von Lehrplantraditionen durchzuführen. Vielmehr stellt der Kunstunterricht vor dem Hintergrund seiner gesellschaftlichen Bedeutung und kultureller Innovationen ein ständig neu zu erforschendes Feld dar (vgl. Meyer 1998, 17). Der Medieneinsatz ändert an dieser Begebenheit nichts. Die Integration der Medien im Kunstunterricht bedingt jedoch ein hohes Maß an Mehrarbeit, wie die Lehrerin Marianne Friedrich bestätigte. Friedrich nahm an dem bereits erwähnten BLK-Programm KuBiM teil (http://www.kubim.de). Während des Modellversuchs waren Störfaktoren wie Streit um bestimmte digitale Medien, der Raumwechsel vom Klassenzimmer zum Computerraum und wiederholt bedingte Neueinweisungen stetige Begleiter der Lehrerin (vgl. Friedrich 2015, 151). „Das Einzige, das uns doch immer wieder überzeugt, in dieser Richtung weiterzuarbeiten, ist die Frage der Kinder in den Pausen: „Wann haben wir wieder KuBiM?““ (ebd.). Der Lehrer Matthias Thimm aus Berlin machte ähnliche Erfahrungen, als er mit seiner Klasse zwei Spielfilme drehte. Die Schüler haben intensiv am Projekt gearbeitet, fungierten als Schauspieler, Kostüm- und Bühnenbildner und entwickelten das Drehbuch. Auch die Kameraführung wurde teilweise von den Schülern übernommen, letztendlich war jedoch der Filmemacher Stephan Samuel für die professionelle Durchführung des Films verantwortlich. Die Schüler waren im großen Maß beteiligt und ihre Ideen wurden im Film umgesetzt, ohne die Hilfestellung von Samuel wäre der Film in der begrenzten Zeit aber nicht entstanden (vgl. Thimm 2005, 61).
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