Bachelorarbeit, 2013
42 Seiten, Note: 2,0
1. Einleitung
2. Qualitative Forschung
2.1. Thema und Fragestellung
2.2. Begriffe
2.2.1. Empowerment
2.2.2. Frauenempowerment in der Praxis
2.3. Forschungsablauf
2.4. Empirische Datenerhebung
2.5. Methoden
2.5.1. Teilnehmende Beobachtung
2.5.2. Qualitative Interviews
2.5.3. Datenauswertung
3. Ergebnisse
3.1. Verein „Frauen aus allen Ländern“
3.1.1. Ziele
3.1.2. Team
3.1.3. Haltungen und Werte
3.2. Zielgruppe
3.3. Angebot
3.3.1. Kinderbetreuung
3.3.2. Deutschkurse
3.3.3. Freies Lernen
3.3.4. Basisbildung
3.3.5. Beratung
3.4. Frauenempowerment
3.4.1. Raum
3.4.2. Ort der Begegnung
3.4.3. Zusammenfassung
4. Visionen
5. Literaturverzeichnis
Frauenempowerment ist beim Verein „Frauen aus allen Ländern“ in innsbruck wesentlicher Bestandteil des Leitbildes und zielt darauf ab, Frauen in ihrer Persönlichkeit zu bestärken, um ihren Alltag selbstbestimmt und unabhängig gestalten zu können. Der Titel meiner Arbeit „Frauen(t)räume“ verweist dabei auf zwei Aspekte, die zentral sind, um Empowerment von Frauen zu fördern. Besonders Migrantinnen erleben zu Beginn in Österreich eine große Einsamkeit, aufgrund der mangelnden Sprachkenntnisse kann man sich kaum verständigen, es fehlt an Kontakten und Begegnungsorten. Ein Frauenraum, in dem sich Frauen sicher und geschützt fühlen, ermöglicht Begegnung, Austausch und Kommunikation. Einen solchen Raum hat der Verein „Frauen aus allen Ländern“ geschaffen, durch Bildungs-, Beratungsund Freizeitangebote, versucht man dort, Empowerment zu fördern. Es ist ein „geschützter Raum“, in dem Frauen mit ihren Wünschen und Bedürfnissen ernst genommen und unterstützt werden. Dieser Aspekt verweist auf den zweiten Teil meines Titels. Träume sind Ausdruck von Bedürfnissen und Wünschen, sie bereichern das Leben und stärken die eigene Persönlichkeit. Auf die Bedürfnisse der Frauen einzugehen und die Angebote dahingehend zu gestalten, ist bei „Frauen aus allen Ländern“ oberste Priorität und wird immer wieder kritisch hinterfragt. Gleichzeitig stecken im Verein selbst viele Träume und Visionen, die ihn so lebendig machen. in meiner Bachelorarbeit möchte ich zeigen, mit welchen Angeboten und Maßnahmen versucht wird, Frauenempowerment zu fördern. im ersten Teil stelle ich meinen Forschungsprozess vor, beschreibe die Fragestellung, die Methoden, den Umfang meiner Arbeit und gehe auf den Begriff des „Empowerment“ näher ein. Der zweite Teil umfasst die Ergebnisse der Forschung. ich werde darin in einem ersten Schritt den Verein vorstellen und auf die wichtigsten Ziele eingehen. Weiters werde ich mich mit der Zielgruppe, den Frauen, die in den Verein kommen, auseinandersetzen. in einem nächsten Schritt stelle ich das Angebot des Vereins vor, greife dabei ein paar Bereiche heraus und erläutere, mit welchen Maßnahmen man versucht, Frauen zu stärken. Zuletzt stelle ich den Begriff des Frauenempowerment noch einmal in das Zentrum, erkläre, welche Rolle der Raum darin einnimmt und fasse die unterschiedlichen Ebenen zusammen, die wesentlich sind, um Empowerment zu fördern. in einem letzten Schritt gehe ich noch einmal auf den Aspekt der Träume ein, in dem ich die Visionen und Wünsche der Mitarbeiterinnen des Vereins vorstelle.
Meine empirische Bachelorforschung und die Mitarbeit im Verein habe ich als große Bereicherung erlebt. Ich möchte mich deshalb ganz herzlich bei allen meinen Interviewpartnerinnen bedanken, die sich die Zeit genommen haben und mir einen Einblick in ihre Arbeit und Gedanken gewährt haben. Auch möchte ich allen anderen Mitarbeiterinnen und besonders auch jenen Frauen danken, mit denen ich während meiner Forschung Gespräche führen konnte. Sie alle ließen mich dadurch ein Stück weit in ihren Alltag und ihr Leben eintauchen.
Der Verein „Frauen aus allen Ländern“ in innsbruck ist eine Bildungs-, Beratungs- und Kulturinitiative für Frauen unterschiedlicher Herkunft. Er wurde 2003 gegründet und feierte in diesem Jahr sein 10-jähriges Bestehen. in den letzten zehn Jahren haben sich die Angebote und die Vereinsstruktur laufend weiter entwickelt, die wesentlichen Ziele sind jedoch die gleichen geblieben. Frauenempowerment ist eines dieser Ziele, was darin besteht, Frauen die nötigen Ressourcen mit in die Hand zu geben, um ihre Handlungsmöglichkeiten zu erweitern und selbstbewusst den Alltag gestalten zu können. ich möchte mich in meiner empirischen Bachelorarbeit mit der Frage auseinander setzen, mit welchen Angeboten und Maßnahmen der Verein versucht, Frauenempowerment zu fördern. Meine Fragestellung beinhaltete zu Beginn der Forschung neben dem Empowerment auch den Begriff der integration, der ebenfalls im Leitbild erwähnt wird. Jedoch hat sich vor allem in den interviews gezeigt, dass die Mitarbeiterinnen nicht hinter dem Begriff stehen wollen und dessen Bedeutung sehr unterschiedlich auffassen. Somit schien es auch für mich nicht mehr wichtig zu sein, den Begriff in meiner Fragestellung zu behalten und ich konzentrierte mich auf das Frauenempowerment, das auch von den Mitarbeiterinnen als wichtigstes Ziel genannt wurde. ich möchte in meinen Ausführungen zeigen, in welchen Bereichen dezidiert darauf hingearbeitet wird, Frauen zu stärken. Dabei werde ich erstens die Angebote des Vereins vorstellen, zeigen mit welchen Methoden gearbeitet wird, welche Ziele dahinter stehen und wie die Angebote von den Frauen angenommen werden. Die Bedürfnisse der Frauen stehen dabei für den Verein an oberster Stelle, dahingehend versucht man laufend die Angebote zu entwickeln und zu erweitern. Es ist somit auch für mich wesentlich, mich mit den Bedürfnissen der Frauen, die in den Verein kommen, auseinanderzusetzen. Grundsätzlich war geplant, mit Frauen interviews zu führen, dies erwies sich jedoch aus mehreren Gründen als schwierig. Somit habe ich mich den Mitarbeiterinnen zugewandt, die viele Frauen seit Jahren kennen und deren Bedürfnisse und Anliegen tagtäglich mitbekommen. Viele arbeiten schon seit mehreren Jahren im Verein, haben Veränderungen und Entwicklungen miterlebt und haben dadurch einen besonderen Einblick in den Verein. ich möchte mich deshalb auch mit dem Verein in seiner Gesamtheit auseinanderzusetzen und die dahinter liegende Philosophie und Leitgedanken versuchen, heraus zu arbeiten.
In meiner Arbeit steht der Begriff „Frauenempowerment“ im Zentrum, somit werde ich mich im Folgenden damit näher auseinander setzen. Ich werde zunächst den Begriff „Empowerment“ definieren, in weiterer Folge werde ich gezielt auf das Empowerment von Frauen eingehen, indem ich mich auf einen Text von Maria Dabringer und Luise Gubitzer beziehe, die anhand des Frauennetzwerkes „Wide“ thematisieren, wie sich Frauenempowerment dort gestaltet.
Jo Rowlands beschreibt in ihrem Text „Empowerment examined“, dass der Begriff „Empowerment“ zwar sehr häufig verwendet wird, doch dessen Bedeutung und Definition sehr unterschiedlich ausfallen kann. Sie beschreibt diesen in seiner Ursprünglichkeit und greift das Konzept der „power“, „Macht“ daraus hervor. „Macht“ ist ein sehr umstrittener Begriff, der meist negativ behaftet ist, vor allem im Sinne von „Macht über jemanden“. (vgl. Rowlands 1995: 101). Macht wird häufig als Instrument von Unterdrückung, Herrschaft und Kontrolle missbraucht, um Schwächere oder marginalisierte Gruppen klein zu halten. In feministischen Theorien wird angeführt, dass diese Macht oft von Männern ausgeübt wird, besonders Frauen haben unter Unterdrückung zu leiden. (vgl. ebd. 101)
In vielen Fällen werden diese Unterdrückungsmechanismen von den Betroffenen so lange ertragen, dass sie sie als „wahr“ empfinden und diese Strukturen in sich aufnehmen, Rowlands spricht in diesem Zusammenhang von „internalised oppression“ (ebd. 101). Im „Empowerment Ansatz“ geht es somit vor allem darum, diese Strukturen und Dynamiken zu begreifen und die Internalisierung von Unterdrückung zu durchbrechen. Betroffene sollen dazu befähigt werden an Entscheidungsprozessen teilzunehmen, ihre eigenen Interessen und Möglichkeiten wahrzunehmen, auszudrücken und ohne Einschränkung frei zu gestalten. Dies erfordert in diesem Sinne auch die Bereitschaft, die Menschen in Entscheidungsprozesse hineinzuholen und ihnen Zugang zu Ressourcen zu verschaffen, woran es in der Realität sehr häufig scheitert. Besonders MigrantInnen wird der Zugang zu Ressourcen wie Arbeit, Bildung oder Partizipation verwehrt. Laut feministischen Theorien geht es jedoch nicht nur um den Zugang zu Ressourcen, sondern vor allem auch darum, die vorhandenen Machtstrukturen zu begreifen und sich als Handelnde wahrzunehmen, die Einfluss darauf nehmen können. (vgl. ebd. 102). Srilatha Batliwala geht sogar noch einen Schritt weiter und spricht davon „bestehende Machtverhältnisse zu hinterfragen und Kontrolle über Machtquellen zu erlangen“ (Dabringer/Gubitzer 2008: 3).
Rowlings beschreibt weiters drei Dimensionen, in denen Empowerment sichtbar werden kann. Sie nennt erstens die persönliche Ebene, in der die internalisierte Unterdrückung überwunden wird und das Individuum zu mehr Selbststärke und -Bewusstsein gelangt. Weiters nennt sie „close relationships“, wo man befähigt wird an Entscheidungsprozessen teilzunehmen und diese zu beeinflussen. An dritter Stelle steht das Kollektiv, in dem sich Individuen zu Gruppen und Netzwerken zusammenschließen und auf einer höheren, beispielsweise politischen Ebene handeln (Rowling 1995: 103).
Empowerment ist somit ein Prozess, der zunächst in einem selbst stattfinden muss, bevor er hinausgetragen wird und zum Handeln befähigt. „In this context there is broad agreement that empowerment is a process; that it involves some degree of personal development, but that this is not sufficient; and that it involves moving from insight to action” (ebd. 103).
Dabringer und Gubitzer stellen in ihrem Text “Bilden - Ermächtigen - Netzwerken“ das entwicklungspolitische Frauennetzwerk „WIDE“ vor, das in Wien Bildungsarbeit für Frauen betreibt. Anhand des Textes werden wichtige Mechanismen und Strukturen aufgezeigt, die Frauen in ihrer Selbststärkung und ihrem Empowerment unterstützen.
Die Autorinnen beschreiben Empowerment ebenfalls als einen Prozess, der in mehreren Schritten erfolgt, als erstes nennen sie „Macht von innen“, wobei es ihnen um die individuelle Selbststärkung der Frauen geht. Diese kann nur dann erfolgen, wenn sich Frauen „[...] akzeptieren, bestärken, sich gegenseitig ernst nehmen [.]“(Dabringer/Gubitzer 2008: 3). Um dies zu ermöglichen, braucht es in erster Linie einen Raum, wo Selbstermächtigung stattfinden kann. „Geschlechtersensible Bildungsprozesse haben vielfältige Ziele. Eines davon ist, dass sich Frauen einen Raum, eine Form, organisieren, in dem/der sie sich ermutigen und ermächtigen“ (ebd: 2). Ein Raum für Frauen, in dem sie sich treffen, austauschen, wohl fühlen, auftanken können und informieren, ist zentral für die Stärkung von Frauen, es muss ein Ort oder Rahmen sein, in dem man sich angenommen und akzeptiert fühlt. Weiters sprechen sie von „Macht zu handeln“, indem Frauen durch die Angebote ihre Kompetenzen erkennen und erweitern, um diese in weiterer Folge anzuwenden. Dabei scheint es zentral, dass die Maßnahmen und Angebote an die Bedürfnisse der Frauen angepasst sind (vgl. ebd: 4-5).
Frauen entwickeln vor allem auch ihre Stärken, indem sie sich mit anderen zusammenschließen, “Macht mit anderen: Kräfte bündeln“ (ebd. 5) bedeutet miteinander zu arbeiten und nicht gegeneinander. Dabei sollten alle Frauen gleichermaßen in den Entscheidungsprozess miteinbezogen werden, die Heterogenität einer Gruppe sollte als Bereicherung gesehen werden. Der letzte Schritt bezieht sich auf das konkrete Handeln „Macht ausüben: Position beziehen und Konflikte gestalten“ (ebd. 6) und bedeutet, dass Frauen in den vorhandenen Macht- und Unterdrückungsstrukturen klar Position beziehen. Konflikte werden erkannt, offen angesprochen und versucht, konstruktive Lösungen zu finden (ebd. 6)
Dabringer und Gubitzer haben diese Dimensionen beim Netzwerk „WIDE“ aufgezeigt, ich glaube, dass dies wesentliche Entwicklungsschritte sind, die im Prozess des Empowerment von Frauen eine bedeutende Rolle spielen. In meinem empirischen Teil werde ich auf diese Dimensionen zurückkommen und zeigen, dass sie auch beim Verein „Frauen aus allen Ländern“ bedeutend sind für das Empowerment.
Über den Verein „Frauen aus allen Ländern“ erfuhr ich in meiner Arbeitsstelle, wo wir einige Flyer aufgelegt haben. Ich war schon zu Beginn sehr angetan von dem vielfältigen Angebot und war positiv überrascht, dass in Innsbruck, einer Stadt, die in punkto Migration und Integration nicht sehr fortschrittlich erscheint, eine solche Einrichtung zu finden ist.
Ich entschied mich somit anzufragen, ob es möglich ist, im Verein eine Forschung zu machen und gleichzeitig mitzuarbeiten. Eine Mitarbeit sah ich als wichtig und notwendig, um einen Einblick in die Arbeit zu bekommen, gleichzeitig erschien es mir als persönliche Bereicherung. Der erste Kontakt gestaltete sich als etwas schwierig, da ich mich innerhalb der Winterpause meldete, somit dauerte es einige Zeit bis es schließlich zu einem Treffen kam, bei dem ich mein Vorhaben vorstellen konnte. Die Mitarbeiterin, die mit mir das Gespräch führte, nahm mein Anliegen der Forschung sehr ernst und schien sich viele Gedanken darüber zu machen, wie ich diese am besten umsetzen konnte. Sie stimmte mir zu, dass es gut wäre, mitzuarbeiten, um einen Einblick zu bekommen, ideal wäre es über einen gesamten Tag dabei zu sein, um den Alltag im Verein kennen zu lernen. Sie vermutete, dass es schwierig werden könnte, Frauen für interviews zu gewinnen, wenn dann ginge es nur, indem ich einige besser kennen lernen würde. Sie hätten immer wieder Anfragen bezüglich interviews von Studentinnen und das hätte selten funktioniert, wenn kein Bezug zu den Frauen da war. ich wurde als Praktikantin eingestellt und wir einigten uns auf einen Tag in der Woche, an dem ich bei einigen Kursen dabei sein konnte.Die ersten paar Wochen half ich in einem Deutschkurs aus, da eine der Praktikantinnen gerade auf Urlaub war und die Deutschtrainerin sonst alleine gewesen wäre. ich befürchtete zunächst, dass mir der Besuch des Deutschkurses keine besonderen Daten liefern würde, doch das stellte sich als großer irrglaube heraus. Die Deutschkurse kann man nicht mit herkömmlichen Fremdsprachkursen vergleichen, ich bekam besonders auch dadurch einen Einblick in die Philosophie und Ziele des Vereins, vor allem aber machte ich erste Bekanntschaften mit ein paar Frauen und Mitarbeiterinnen. Weiters half ich bei einem Kurs am Nachmittag aus, dem „Freien Lernen“, ich konnte ebenfalls bei der „politischen Bildung“ und bei einem „Alphabetisierungskurs“ hospitieren. Diese Beobachtungen verschafften mir einen ersten Einblick in den Alltag, ich kam mit Mitarbeiterinnen und Frauen ins Gespräch und baute Kontakte zu interviewpartnerinnen auf. Besonderen Zugang zu einigen Mitarbeiterinnen erhielt ich durch den Besuch der 10 Jahres Feier, bei der wir anschließend zusammen ausgingen, dadurch lernte ich viele besser kennen und es entstanden engere Kontakte.
Bezüglich den interviews musste ich mit der Zeit feststellen, dass es tatsächlich nicht so einfach war, diese mit Klientinnen durch zu führen. Die Frauen, die ich durch die Kurse kennen lernte, konnten nicht so gut Deutsch und hätten in interviews Schwierigkeiten gehabt, sich auszudrücken. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass es gar nicht so leicht gewesen wäre, die Frauen dazu zu bewegen, viele hatten einfach kaum Zeit oder erschienen zu scheu für interviews. Somit entschied ich mich, die interviews mit Mitarbeiterinnen durchzuführen, was ich im Nachhinein als eine sehr positive Entscheidung empfinde. Durch den persönlichen Zugang zu einigen Mitarbeiterinnen und deren langjährige Erfahrung bekam ich einen Einblick, den ich allein durch Beobachtungen nie gehabt hätte.
ich sehe die Mitarbeit bei „Frauen aus allen Ländern“ als große Bereicherung und werde auch nach meiner Forschung weiterhin dort tätig sein. ich habe selten einen Arbeitsplatz erlebt, an dem die Atmosphäre so angenehm und entspannt ist und gleichzeitig so viele ideen und Umsetzungen stattfinden. Jeder Tag bietet neue Überraschungen.
Meine empirische Datenerhebung umfasst insgesamt zehn Beobachtungen, woraus acht Beobachtungs- und fünf Gedächtnisprotokolle entstanden sind. Weiters wurden sechs Interviews mit Mitarbeiterinnen durchgeführt, zwei davon mit Expertinnen.
Während meiner Forschung hatte ich vor allem mit einer Problematik zu kämpfen - dem Faktor Zeit. Da ich selbst berufstätig bin, ergab sich genau ein Tag in der Woche an dem ich forschen konnte, glücklicherweise passte dieser auch für die Mitarbeit im Verein sehr gut. Doch besonders auch in der ersten Zeit spürte man innerhalb des Teams einen großen Stress bezüglich der 10 Jahres Feier. Es schien sich alles auf diese Feier zu konzentrieren, die Mitarbeiterinnen hatten kaum Zeit für Gespräche und gaben mir auch zu verstehen, dass Interviews erst nach der Feier möglich wären. Das brachte mich wiederum in Zeitnot, jedoch musste ich in diesem Fall darüber hinweg sehen. Somit bekam ich besonders in der ersten Zeit kaum einen Zugang zu gewissen Mitarbeiterinnen, ich fühlte mich zu Beginn der Forschung etwas alleine und kaum beachtet. Die Mitarbeiterin, die mit mir das Vorstellungsgespräch geführt hatte, war selten in der Einrichtung und hatte auch dann wenig Zeit. Umso verblüffter war ich, als sie sich nach einem Kurs mit mir zusammen setzte und wir ein sehr intensives Gespräch führten, was mir sehr gut tat.
Diese anfängliche Unsicherheit verflüchtigte sich sehr schnell und besonders nach der 10 Jahres Feier hatte ich einen sehr guten Zugang zu einigen Mitarbeiterinnen gewonnen. Trotzdem stelle ich fest, dass es als Neuling in der Einrichtung viel Eigeninitiative braucht, um Kontakt aufzubauen. Ich vermute, dadurch dass laufend neue Praktikantinnen kommen und man kaum noch einen Überblick hat, viele Mitarbeiterinnen schon eine gewisse Resignation gegenüber Neuen entwickelt haben. Die Mitarbeiterinnen sind zwar immer sehr freundlich und aufgeschlossen, aber sie bleiben in ihrem Kernteam, das schon über Jahre besteht. Sucht man allerdings offensiv Kontakt zu ihnen, findet man diesen sehr schnell und wird bei ihnen herzlich aufgenommen. So entwickelte es sich, dass ich jedes Mal gerne wieder dorthin komme und mich freue sie zu sehen.
Ein Problem, das ich vor allem jetzt beim Verfassen der Arbeit merke, ist die Tatsache, dass der Verein meine Bachelorarbeit haben will. Einerseits freut es mich, doch sieht es mich auch gezwungen, nicht zu sehr in Details bei meinen Ausführungen zu gehen, um die Anonymität der Frauen und Mitarbeiterinnen zu wahren. Es haben sich viele persönliche Begegnungen ergeben, besonders mit zwei Frauen hatte ich einen engeren Kontakt, ich werde aber darauf verzichten müssen, darüber genauer zu berichten. Diese Gespräche mit den Frauen waren sehr bereichernd, allerdings brachten sie mich innerlich auch an eine Grenze, da ich Angst davor hatte, mich zu sehr auf die Frauen einzulassen und ihnen dabei das Gefühl zu geben, ihre Freundin zu sein. Die Abwägung zwischen Distanz und Nähe war dabei sehr schwierig, insofern war ich sehr froh, als ich mit einer Mitarbeiterin darüber sprechen konnte. Weiters fiel mir in der Arbeit mit den Frauen gleich zu Beginn ein Machtverhältnis auf, das mich sehr verunsicherte. Wenn man selbst die „Wissende“ ist, fühlt man sich schnell erhaben und sieht die Anderen als „minderwertiger“. Diese Einsicht schockierte mich und ich getraute mich kaum darüber zu sprechen, da ich nicht glauben konnte, dass ich solche Gedanken haben könnte. Glücklicherweise gab es genau zu diesem Thema einen Workshop, wo wir uns mit diesen Machtstrukturen auseinander setzten, darauf werde ich bei den Ergebnissen noch einmal genauer eingehen.
Im Gesamten verlief meine Forschung sehr positiv, ich konnte viele neue Eindrücke gewinnen und vor allem ganz tolle Persönlichkeiten kennen lernen.
Eine Methode, die in meiner Forschung von großer Bedeutung war, ist die Teilnehmende Beobachtung. Es ist eine der wichtigsten Methoden der ethnographischen Feldforschung und geht zurück auf den Anthropologen Bonislaw Malinowski. Der/die ForscherIn nimmt dabei aktiv am Geschehen im Feld teil und wird als AkteurIn wahrgenommen. Er/sie ist in die dort stattfindenden Aktivitäten involviert, was den Unterschied zu einer nicht-teilnehmenden Beobachtung darstellt, bei der keinerlei Kontakt zum Feld besteht.
Bei einer teilnehmenden Beobachtung finden laut Jennifer Mason laufend soziale Interaktionen statt. Durch die Involviertheit in das Geschehen nehmen die Forschenden eine bestimmte Rolle ein, sie interagieren mit ihrem Umfeld, führen Gespräche, Diskussionen, sind Zuhörende und Handelnde zugleich. Sie beschreibt diesen Prozess als einen emotionalen und anstrengenden, der weder geordnet noch überschaubar sein kann, die eigene Rolle kann sehr verschwimmend sein und sich im Laufe der Forschung immer wieder verändern (vgl. Mason 2009: 87). „Fieldwork is personal, emotional and identity work“ (Mason 1999 zit. nach Mason 2009: 87).
Eine der größten Herausforderungen der teilnehmenden Beobachtung ist das Beobachtete in wissenschaftlich verwertbare Ergebnisse umzuwandeln. Das Verfassen von Feldnotizen und Protokollen spielt dabei eine zentrale Rolle. Das Beobachtete wird nach dem Besuch im Feld so schnell wie möglich niedergeschrieben, dabei sollten alle Eindrücke, wie Gerüche, Farben, Emotionen festgehalten werden. Zu Beginn der Forschung eignet es sich, alles aufzuschreiben, was man gesehen hat, im Laufe der Zeit kann man im Hinblick auf seine Forschungsfrage seine Beobachtung immer mehr selektieren.Wichtig ist, immer wieder zu reflektieren und sich gezielt damit auseinanderzusetzen, was man durch die Beobachtung herausfinden will. Dieser Schritt ist laut Mason nicht immer ganz einfach, doch ist es notwendig, sich vor Augen zu führen, wohin man will und was man bereits festgehalten hat, ansonsten kann die Beobachtung Zeitverschwendung sein (vgl. Mason 2009: 89-90). „This means that you have at least some sense that you are looking for in the setting, and some critical awareness of how that has informed what you have observed, and what you have found interesting and relevant“ (Mason 2009: 88).
Sinnvoll ist es, sich ein Forschungstagebuch anzulegen, indem die eigenen Emotionen, Gedanken und ideen festgehalten werden.
Um Objektivität gewährleisten zu können, ist es notwendig, das Beobachtete von der eigenen interpretation zu trennen. Natürlich kann man darüber streiten, inwieweit Beobachtung ein objektiver Prozess ist, schließlich nehmen Menschen subjektiv wahr und filtern ihre Eindrücke dementsprechend. Somit sollte man sehr genau mit seinem Datenmaterial umgehen, eigene interpretationen trennen und sich immer wieder reflexiv damit auseinander setzen.
„One of the strengths of ethnographic enquiry is the real involvement of the fieldworker in the setting under study. A weakness is not the possibility of immersion, but a failure to acknowledge and critically (...) engage with the range of possibilities of position, place and identity.”( Mason 2009: 93)
Das „Eintauchen“ in ein Feld birgt unglaubliche Chancen in sich, die durch eine quantitative Untersuchung nur schwer zu Stande kommen könnten. Durch die involviertheit in das Feld haben die Forschenden die Möglichkeit, einen Zugang zu Vorgängen, Situationen und Menschen zu bekommen und somit einen „Blick nach innen“ zu werfen. in einer Feldforschung entstehen viele Kontakte, es können Bekanntschaften, Freundschaften, doch auch Konflikte und Abhängigkeiten entstehen.
Menschen lassen einen teilhaben an ihrem Leben, sie erzählen von sich und geben einem die Möglichkeit in ihr Leben ein Stück weit „einzutauchen“. Dies impliziert ein hohes Maß an Vertrauen, Anerkennung und Wertschätzung, wessen man sich immer bewusst sein und was mit größter Sorgfalt gehandhabt werden sollte. Ethisch zu handeln bedeutet in diesem Fall vor allem die Menschen, die man begleitete und zu denen man Beziehungen aufbaut, zu achten und zu schützen. (Mason 2009: 100-101). Auch bedeutet es, sich damit auseinanderzusetzen, was nach der Forschung mit den Kontakten und Beziehungen passiert - will oder kann man diese aufrechterhalten und wenn nicht, wie kann ich mich angemessen aus dem Feld verabschieden?
Als ForscherIn nimmt man eine bestimmte Rolle im Feld ein, diese ist abhängig vom Grad der Involviertheit und kann sich im Laufe des Forschungsprozesses und je nach Setting immer wieder verändern. Man kann innerhalb einer Forschung mehrere Rollen einnehmen, man unterscheidet zwischen völliger Teilnahme, teilnehmender Beobachtung, beobachteter Teilnahme und nicht-teilnehmender Beobachtung. Sinnvoll erscheint es, zwischen den Rollen zu wechseln, um nicht Gefahr zu laufen, zu viel oder zu wenig in das Geschehen involviert zu sein. Ein ausgeglichener Blick von verschiedenen Standpunkten aus, ist hier ratsam (vgl. http://www.univie.ac.at/ksa/elearning/cp/produktion//qualitative/qualitative-titel.html, vom 24.03.2013).
Die Rolle kann aber auch von den eigenen Vorstellungen insofern abweichen, dass man im Feld anders wahrgenommen wird. Man kann nie voraussagen, wie die eigene Person gesehen wird und sollte sich auch immer dessen bewusst sein, dass sich das Feld durch die eigene Anwesenheit verändern kann. „One view is, that you cannot fail to participate in some form, and the problem is that you cannot control how your participation is perceived by others“ (Mason 2009: 92).
Es ist gerade auch deshalb entscheidend sich im Vorfeld damit auseinanderzusetzen, wie man sich im Feld präsentieren und wie weit man in das Feld „eintauchen“ möchte (vgl. Mason 2009: 92-93).
Die teilnehmende Beobachtung eröffnet viele Möglichkeiten, die man als AußenstehendeR in diesem Maße nie erfahren könnte, gerade deshalb habe ich mich für diese Methode entschieden. Eine Einrichtung oder ein Verein wie „Frauen aus allen Ländern“ hat seinen eigenen Ablauf, seine eigene Struktur, die nur von innen heraus verstanden werden kann. Man findet zwar einiges über die Angebote auf der Homepage, doch wie dies in der Praxis aussehen würde, konnte ich mir nicht vorstellen. Somit habe ich mich zu Beginn der Forschung dazu entschlossen, direkt in das Feld einzutauchen und bei dem Verein mitzuarbeiten. Ich wurde als Praktikantin angestellt, was mir die Möglichkeit gab, bei den Kursen anwesend zu sein, am Geschehen teilzuhaben, doch gleichzeitig auch einen Beobachterstatus einzunehmen. In den Deutschkursen war ich vor allem eine Hilfskraft für die Deutschlehrerin, ich konnte mir somit das Geschehen in Ruhe ansehen und wurde nur ab und zu direkt miteinbezogen, wenn ich den Frauen oder der Lehrerin helfen sollte. Auch in der „Politischen Bildung“ hatte ich vor allem einen Beobachterstatus, noch mehr als bei den Deutschkursen, da mir keine bestimmte Aufgabe zugesprochen wurde. In diesem Zusammenhang hatte ich das Gefühl, dass ich eine etwas störende Rolle einnahm, ich wurde den Frauen nicht vorgestellt, was nach meinem Empfinden die Frauen etwas irritiert hat. Anders sah meine Rolle im „freien Lernen“ aus, hier war ich aktiv am Geschehen beteiligt, habe den Frauen bei den Hausaufgaben geholfen und mit ihnen Konversationen geführt. Dies ermöglichte mir einen direkten Einblick in die Gedanken, Bedürfnisse und teilweise auch Gefühle der Frauen. Durch den Status einer „Praktikantin“ konnte ich mich in der Einrichtung frei bewegen, durfte an Treffen teilnehmen, wie z.B. einem Workshop für Mitarbeiterinnen und hatte Zugang zu allen Räumlichkeiten und Aktivitäten. Die Mitarbeiterinnen waren mir gegenüber sehr aufgeschlossen, sie sprachen zwanglos in meiner Gegenwart, berichteten von Vorkommnissen oder wir vertieften uns in Gespräche. Ich habe offen darüber gesprochen, dass ich eine Forschung im Verein mache, wenn mich Mitarbeiterinnen auf meine Tätigkeit angesprochen haben, doch im Grunde nahm ich den Status einer „Praktikantin“ ein. Die Frauen selbst habe ich nicht über meine Forschung informiert, ich dachte mir zunächst, dass dies die Leitung übernehmen würde, wenn sie es als wichtig erachteten und empfand es später auch nicht mehr als Notwendigkeit. Ich bin mir sicher, meine Anwesenheit als Forscherin hätte die Frauen eher verunsichert oder nervös gemacht. Es stellt sich für mich schon die Frage, ob dies ethisch vertretbar ist, schließlich haben einige Frauen viel von sich preisgegeben und hätten ein Anrecht darauf, zu erfahren, dass ich dies in meine Ergebnisse einbauen werde. Umso wichtiger erscheint es mir, mit dem Material vertrauenswürdig umzugehen und die Anonymität der Frauen zu wahren.
Meine unterschiedlichen Rollen erlaubten es mir, viele Situationen aus vielfältiger Perspektive wahrzunehmen, was ich sehr bereichernd finde für die Forschung. Ich konnte in den Alttag bei „Frauen aus allen Ländern“ eintauchen und habe erlebt, was es bedeutet, dort zu arbeiten.
Ich entschied mich als weitere Methode Interviews einzusetzen. Mein ursprünglicher Plan war, mit einigen der Frauen Interviews zu führen, doch im Laufe meiner Beobachtungen stellte sich schnell heraus, dass das eher schwierig werden würde. Jene Frauen, mit denen ich Kontakt geschlossen hatte, sprachen nicht so gut deutsch, außerdem hatte ich das Gefühl, dass die wenigsten sich dazu bereit erklärt hätten. Somit entschied ich mich, mit den Mitarbeiterinnen Interviews durchzuführen, was ich im Nachhinein als große Bereicherung sehe. Viele meiner Interviewpartnerinnen arbeiten schon seit längerer Zeit bei „Frauen aus allen Ländern“, haben Entwicklungen und Veränderungen erlebt und Frauen über längere Zeit begleitet. Sie konnten mir einen Einblick gewähren, den ich selbst durch bloße Beobachtungen in dieser kurzen Zeit nie gewonnen hätte.
„I want to understand the world from your point of view. I want to know what you know in the way you know it. I want to understand the meaning of your experience, to walk in your shoes, to feel things as you feel them, to explain things as you explain them. Will you become my teacher and help me understand?“ (Spradley 1979: 34)
Ich setzte leitfadengestützte Interviews als Methode ein und entschied mich für narrative Interviews und Expertinneninterviews. Beide Methoden zählen zu formellen Formen von Interviews, die im Vorfeld geplant sind und bei denen mit der Interviewpartnerin das Setting und der Termin vereinbart werden. (vgl. http://www.univie.ac.at/ksa/elearning/cp/qualitative/qualitative-full.html, vom 13.04.2013: 21)
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