Diplomarbeit, 2007
124 Seiten, Note: 1,0
I. EINLEITUNG
II. KONZEPTE UND GRUNDLEGENDE BEGRIFFE
1. Stress - ein populäres Konzept
2. Theoretische Konzeptionen zur Stressentstehung
2.1. Die reizbezogene Stresskonzeption - Stress als Reiz
2.2. Die reaktionsbezogene Stresskonzeption - Stress als Reaktion
2.3. Die transaktionale Stresskonzeption - Stress als transaktionales Geschehen
3. Stressprävention - Begriff, Zielebenen und Ansatzpunkte
3.1. Stressprävention - eine Begriffsklärung
3.2. Zielebenen der Stressprävention und ausgewählte Ansatzpunkte
III. STRESS IM KINDESALTER
1. Potentielle Stressoren im Kindesalter
1.1. Klassen von Stressquellen
1.1.1. Entwicklungsbedingte Probleme
1.1.2. Lebenskrisen
1.1.3. Alltägliche Spannungen und Probleme - ‚daily hassles’
1.2. Potentielle Stressoren im Raum der Schule
1.3. Potentielle Stressoren im außerschulischen Bereich
2. Stresssymptomatik
2.1. Ebenen der Stresssymptomatik
2.1.1. Physiologisch-vegetative Ebene
2.1.2. Kognitiv-emotinale Ebene
2.1.3. Verhaltensbezogene Ebene
2.2. Zur Interpretation der Symptomangaben von Kindern
3. Stressbewältigung im Kindesalter
3.1. Der Begriff der Bewältigung (‚coping’)
3.2. Klassifikation von Bewältigungsmöglichkeiten
3.3. Erfolgreiche Stressbewältigung
3.4. Stressbewältigung und Entwicklungsstand
4. Weitere ausgewählte Schutzfaktoren
IV. STRESSPRÄVENTION IM KINDESALTER
1. Verhaltenszentrierte Ansätze zur Stressprävention
1.1. Ansätze und Maßnahmen zur Förderung der kindlichen Bewältigungskompetenzen
1.1.1. Systematische Entspannung
a) Klassifikation der Entspannungstechniken mit entsprechenden Beispiele für das Kindesalter
b) Systematische Entspannung als Stressbewältigungstrategie im Kindesalter?
c) Entspannung und ihre Bedeutung bezogen auf das Stressgeschehen
d) Der Beitrag systematischer Entspannung zur Stressprävention
1.1.2. Förderung allgemeiner Problemlösefähigkeiten
1.1.3. Kognitiv-behaviorale Bewältigungstrainings
a) Inhaltliche Bausteine beider Trainings
b) Das Anti-Stress-Training (AST) von Hampel und Petermann (2003a)
c) ‚Bleib locker’ - Stresspräventionstraining für Kinder im Grundschulalter von Klein-Heßling und Lohaus (2000)
1.2. Gezielte Förderung von Selbstwirksamkeitserwartung und Selbstwertgefühl als Ansatzpunkte zur Stressprävention
1.2.1. Förderung der kindlichen Selbstwirksamkeitserwartungen
1.2.2. Selbstwert stärken
2. Verhältniszentrierte Ansätze zur Stressprävention
2.1. Hurrelmanns Programm der ‚Gesundheitsförderung’ - ein integratives Präventionskonzept
2.2. ‚Kinder im Stress und was Erwachsene dagegen tun können’ - ein Ratgeber für Eltern und Pädagogen
V. STRESSPRÄVENTION IN DER GRUNDSCHULE
1. Maßnahmen zur Stressprävention - Warum gerade in der Grundschule?
2. Primär verhaltenszentrierte Maßnahmen zur Stressprävention in der Grundschule
2.1. Gezielte Förderung kindlicher Stressbewältigungskompetenzen in der Grundschule
2.1.1. Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes kognitiv-behavioraler Trainings
2.1.2. Möglichkeiten der Förderung kindlicher Bewältigungskompetenzen jenseits der Implementierung spezieller Programme
a) Ideen für spezielle Unterrichtseinheiten
b) Förderung günstiger Bewältigungsformen durch das Lehrerverhalten - Lernen am Modell ..
2.2. Entspannung in der Grundschule
2.2.1. Mögliche Gestaltungsrahmen
2.2.2. Was gilt es zu bedenken?
2.2.3. Kaptitän-Nemo-Geschichten - Geschichten gegen Angst und Stress
2.3. Förderung von Selbstwirksamkeitserwartung und Selbstwertgefühl im Raum der Grundschule
2.3.1. Förderung von Selbstwirksamkeitserwartungen
2.3.2. Förderung des kindlichen Selbstwertes
a) ‚Ich bin Ich - Gesundheitsförderung durch Selbstwertstärkung’ - Ein Gesundheitsförderprogramm für Grundschulen
b) Spezielle Übungen für den Unterricht
3. Verhältniszentrierte Stressprävention - in und durch die Grundschule
3.1. Verhältniszentrierte Stressprävention in der Grundschule
3.2. Elternarbeit als Chance zur Stressprävention
VI. DISKUSSION UND AUSBLICK
VII. LITERATURVERZEICHNIS
VIII. ANHANG
ABBILDUNG 1: GRAFISCHE DARSTELLUNG DES TRANSAKTIONALEN STRESSANSATZES
ABBILDUNG 2: NENNUNG VON KÖRPERLICHEN SYMPTOMEN DURCH DRITT- UND VIERTKLÄSSER
ABBILDUNG 3: ÜBERSICHT ZU DEN PHYSISCHEN SYMPTOMANGABEN DER SCHÜLER
ABBILDUNG 4: ÜBERSICHT ZU DEN PSYCHISCHEN SYMPTOMANGABEN DER SCHÜLER
ABBILDUNG 5: VARIANZAUFKLÄRUNG BEI DER PHYSISCHEN UND PSYCHISCHEN STRESSSYMPTOMATIK DURCH VIER PRÄDIKTORENGRUPPEN
ABBILDUNG 6: STRESSWAAGE
ABBILDUNG 7: BELASTUNGSFAKTOREN, MÖGLICHE FOLGEN UND BEISPIELE FÜR INTERVENTIONEN
ABBILDUNG 8: KINDGERECHTE GRAFISCHE UMSETZUNG DER FÜNF SCHRITTE DES PROBLEMLÖSEPROZESSES
ABBILDUNG 9: THEMEN DER GESUNDHEITSSTUNDEN IM ERSTEN SCHULJAHR
ABBILDUNG 10: THEMEN DER GESUNDHEITSTAGE IM ZWEITEN, DRITTEN UND VIERTEN SCHULJAHR
ABBILDUNG 11: PROGRAMMEINHEITEN UND -INHALTE DES AST_2 ALS BAUSTEIN FÜR ANDERE PROGRAMME
ABBILDUNG 12: PROGRAMMINHALTE DER VIER TRAININGSSITZUNGEN DES AST FÜR ERSTKLÄSSLER
ABBILDUNG 13: INHALTE UND BAUSTEINE DES ‚BLEIB LOCKER’
ABBILDUNG 14: ‚SPACE 2009 PLUS I: MEINE REISE VON EURION NACH IRGENDWO’
ABBILDUNG 15: BILDGESCHICHTE ‚NEGATIVE GEDANKEN’
ABBILDUNG 16: BILDGESCHICHTE ‚POSITIVE GEDANKEN’
TABELLE 1: KLASSIFIZIERUNG VON BEWÄLTIGUNGSSTRATEGIEN
TABELLE 2: KLASSIFIKATION DER ENTSPANNUNGSTECHNIKEN MIT BEISPIELEN FÜR DAS KINDESALTER
BEISPIEL 1: ERSTER ELTERNABEND DES ‚BLEIB LOCKER’
BEISPIEL 2: ROLLENSPIEL ‚SCHLECHTE ARBEIT ZURÜCKBEKOMMEN’
BEISPIEL 3: BEISPIEL FÜR EINE KAPITÄN-NEMO-GESCHICHTE: ‚DER DELPHINRITT’
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Stress scheint heute allgegenwärtig zu sein. Jeder kennt ihn, jeder hat ihn. So haben wir Stress mit den Kollegen, fühlen uns von zu viel Arbeit oder einer Autofahrt, die vorübergehend im Stau endet gestresst. Ja, sogar die Freizeit ist für manche zuweilen ganz schön stressig. Doch Kinder und Stress? Ist die Kindheit nicht ein Schonraum? War damals nicht alles noch so schön einfach und leicht? Was soll denn Kinder schon stressen?
Es gibt empirische Hinweise darauf, dass bereits Grundschüler Stress erleben und ein nicht unbedeutender Anteil unter Stresssymptomen leidet Demzufolge wird in der vorliegenden Arbeit die Frage leitend sein, wie Kinder vor derartigen Erfahrungen geschützt werden können beziehungsweise welchen Beitrag die Grundschule diesbezüglich leisten kann.
Um diese Frage beantworten zu können, ist es zunächst wichtig zu klären, was Stress überhaupt bedeutet Daher werden einleitend unterschiedliche Stresskonzepte vorgestellt und das Stressverständnis, welches letztendlich zugrunde gelegt wird, etwas ausführlicher erörtert sowie die getroffene Entscheidung begründet Nach einer selbst abgeleiteten Definition des Begriffs Stressprävention wird kurz erläutert welche Zielebenen und Ansatzpunkte in dieser Arbeit behandelt werden und worauf im Speziellen der Schwerpunkt liegen wird. Diesbezüglich wurde die Entscheidung getroffen neben verhaltenszentrierten Ansätzen, zumindest am Rande, auch verhältniszentrierte Maßnahmen vorzustellen. Was Erstere angeht, so wird primär die Frage leitend sein, wie die kindlichen Bewältigungskompetenzen gefördert werden können. Zusätzlich werden weitere Faktoren, denen eine Schutzfunktion im Stressgeschehen nachgewiesen wurde, in die folgenden Erörterungen miteinbezogen. Ausgewählt wurden hierbei die Selbstwirksamkeitserwartung und das Selbstwertgefühl. Was zweitere betrifft, also die verhältniszentrierten Ansätze, so wird nicht nur gefragt wie Stressoren reduziert beziehungsweise Anforderungssituationen so gestaltet werden können, dass sie im besten Fall als Herausforderung bewertet werden, sondern auch, wie im Besonderen die Eltern für ihren Anteil am Stressgeschehen sensibilisiert werden können.
Um für den Hauptansatzpunkt ‚Förderung der kindlichen Stressbewältigungskompetenzen’ den theoretischen Hintergrund zu schaffen und, um noch einmal zu verdeutlichen, warum Maßnahmen zur Stressprävention bereits bei Kindern im Grundschulalter wichtig sind, wird im anschließenden dritten Kapitel ‚Stress im Kindesalter’ auf ‚potentielle Stressoren’, ‚Stresssymptomatik’ sowie auf ‚Stressbewältigung im Kindesalter’ eingegangen. Das Kapitel endet mit der Darstellung der (neben den Bewältigungskompetenzen) ausgewählten Schutzfaktoren und deren Bedeutung für das Stressgeschehen.
Ausgehend von den Erläuterungen hierzu, folgt in Kapitel vier ‚Stressprävention im Kindesalter’ eine Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Maßnahmen und Ansätzen. Welche Möglichkeiten gibt es die Stressbewältigungskompetenzen von Kindern zu fördern und wie lassen sich die ausgewählten Schutzfaktoren Selbstwertgefühl und Selbstwirksamkeit allgemein auf- beziehungsweise ausbauen? Abschließend werden zwei Ansätze zur verhältniszentrierten Stressprävention vorgestellt.
In Kapitel fünf ‚Stressprävention in der Grundschule’ werden dann, nach einer kurzen Begründung, warum gerade der Raum der Grundschule als sinnvoll erachtet wird, um stresspräventiv zu arbeiten, die bisher vorgestellten Maßnahmen für die Arbeit in der Grundschule fruchtbar gemacht. Zusätzlich werden weitere Möglichkeiten vorgestellt, die alle, zuweilen auf unterschiedliche Art und Weise, dazu beitragen, dass Kinder weniger Stress erleben.
Abschließen wird ein Resümee gezogen und es werden (unter anderem) Möglichkeiten diskutiert wie die Lehrer bei der Stressprävention unterstützen werden könnten. Ein kleiner Ausblick rundet die Arbeit schließlich ab.
Der Stressbegriff hat, wie kaum ein anderer Begriff der Humanwissenschaften, Einzug in unseren täglichen Sprachgebrauch gefunden (vgl. Kaluza 1996, S.10). Ein jeder kennt scheinbar ‚Stress’ und weiß was damit gemeint ist. Dieser (anscheinend) eindeutigen Auffassung im umgangssprachlichen Bereich, steht eine Uneinheitlichkeit in der Forschung gegenüber (vgl. Stengel 1997, S.98). So kann man laut Stengel „[…] auch nicht von der Stressforschung schlechthin sprechen […], sondern allenfalls von einer Richtung und daraus sich ergebenden unterschiedlichen Streßkonzepten“ (ebd., S.99). Mit dem Phänomen Stress haben sich, ihm zufolge, neben der Psychologie so unterschiedliche Disziplinen wie Biologie, Medizin und Soziologie befasst. Ähnliches betonen auch Hampel und Petermann. In Anlehnung an diese ist es auch nicht verwunderlich, wenn es bisher nicht gelang, „[…] aus einer Fülle von Ergebnissen eindeutig abzuleiten, was Stress eigentlich ist“ (vgl. Hampel & Petermann 2003a, S.7).
Dennoch scheint es bezüglich des wissenschaftlichen Stressverständnisses so etwas wie einen ‚kleinsten gemeinsamen Nenner’ zu geben. So stellt Nitsch diesbezüglich fest:
„In allergemeinster Sicht - und wenigstens hierin besteht weitgehende Übereinstimmung
- hat Streß etwas mit der Anpassung von Lebewesen an ihre Umwelt zu tun: Streß ist mit Situationen verbunden, in denen sich ein Anpassungsproblem stellt, man also einen erreichten, aber gefährdeten Anpassungszustand verteidigen, sich an neue oder veränderte Umweltgegebenheiten anpassen, gegen Widerstände sein eigenes Leben gestalten muß“ (Nitsch, 1981, S.40).
An dieser Stelle ist jedoch zunächst noch unklar, „[…] was genau an diesem Anpassungsgeschehen und der darin eingeschlossenen Organismus-Umwelt-Beziehung […] [unter] „Streß“ [verstanden wird]“ (ebd., S.49).
Demgemäß können Stresskonzepte unter anderem auch danach unterschieden werden, auf welchen Aspekt in diesem Geschehen sie jeweils ihren Fokus richten:
- Auf die Einwirkungen aus der Umwelt,
- auf das darauf bezogene organismische Antwortverhalten,
- oder auf die zwischen Reizen und Reaktionen vermittelnden Prozesse (ebd., S.41).
Die gleiche Kategorisierung wurde auch für die nachstehenden Ausführungen gewählt.
Abschließend wird in diesem Punkt auch das Verständnis von Stress, welches dieser Arbeit zugrunde liegt, skizziert und die gewählte Entscheidung begründet
Ähnlich wie Nitsch betonen auch Lazarus und Launier, dass das Stresskonzept über die Jahre hinweg von verschiedenen Personen, jeweils unterschiedlich verstanden wurde (vgl. Lazarus & Launier 1981, S.220). Sie sprechen ebenfalls von der genannten Dreiteilung und differenzieren ihrerseits nach folgenden Grundauffassungen:
- Der reizbezogenen,
- der reaktionsbezogenen,
- und der transaktionalen (ebd., S.220).
Bevor letztere etwas ausführlicher dargestellt wird, da diese zur theoretischen Fundierung vorliegender Arbeit ausgewählt wurde, wird zunächst auf die beiden anderen eingegangen.
In reizbezogenen Stresskonzeptionen liegt der Fokus des Forschungsinteresses auf den schädlichen Umweltreizen, den Stressoren. Hierunter werden alle situativen Anforderungsbedingungen verstanden, welche zu einer Funktionsstörung des Organismus führen. Das Spektrum umfasst so unterschiedliche Umweltbedingungen wie Lärm, Hitze, Kälte, Prüfungen, Konkurrenz, Isolation oder Schmerz (vgl. Kaluza 1996, S.15). Eine solche reizbezogene Stressdefinition findet sich auch in der traditionellen ‚Life-Stress- Forschung’. Hierbei wird angenommen, „[…] dass jedes größere Ereignis […] [wie Scheidung oder Tod] die betroffene Person vor die Aufgabe stellt, sich an die neue Situation anzupassen, und dass diese Anpassungsnotwendigkeiten potentiell pathogene Wirkung ausüben“ (Schulz 2005, S.222). Bekannte Vertreter sind beispielsweise Holmes und Rahe oder Dohrenwend und Dohrenwend (vgl. Holmes & Rahe 1967; Dohrenwend & Dohrenwend 1974). Der Hauptkritikpunkt bezüglich eines solchen Stressverständnisses besteht darin, dass interindividuell unterschiedliche Reaktionen, auf ein und das gleiche Ereignis, durch eine solche Konzeption nicht zu erklären sind (vgl. Schulz 2005, S.222; Stengel 1997, S.201).
Im Gegensatz zur reizbezogenen Konzeption stehen in reaktionsbezogenen Ansätzen, wie der Name bereits erschließen lässt, die Reaktionen des Individuums im Mittelpunkt. Diese können auf drei Ebenen: Der körperlichen, der behavioralen und der kognitiv-emotionalen, stattfinden (vgl. Kaluza 1996, S.18). Diese Auffassung von Stress ist insbesondere in der Medizin und Biologie geläufig (vgl. Lazarus & Launier 1981, S.222). Einer der bekanntesten Vertreter ist Selye. Nach dessen Auffassung ist Stress „[…] die unspezifische Reaktion des Körpers auf jede Anforderung, die an ihn gestellt wird“ (Selye 1974, S.58). Die Stressreaktion läuft hierbei „stereotyp“ ab und ist völlig unabhängig davon, um welchen Reiz es sich handelt (Schulz 2005, S.220). Auf Selye geht auch die weit verbreitete Unterscheidung in Eustress (von griechische eu oder gut - wie in Euphorie) und Distress (von lateinisch dis oder schlecht - wie in Dissonanz oder auch‚disease’) zurück (vgl. Selye 1981, S.171). Demgemäß ist Stress nicht notwendigerweise negativ, sondern ist „[i]n Abhängigkeit von den jeweils vorliegenden Bedingungen […] mit erwünschten oder unerwünschten Folgen verbunden“ (ebd.).
Walter Cannon, ein weiterer wichtiger Vertreter dieser Richtung, beschrieb seinerzeit, als erster, die so genannte Notfallreaktion eines Organismus in Gefahrensituationen und die hierbei ablaufenden körperlichen Prozesse. Demnach war es ursprünglich zweckmäßig, auf bedrohliche Situationen mit Stress zu reagieren (vgl. Cannon 1935, S.1ff; Ruppert 1999, S.70). Heute führen derartige Stressreaktionen, jedoch oftmals zu negativen Konsequenzen, da die hierbei mobilisierte Energie auf Grund unserer Lebensverhältnisse, nur selten wieder abgebaut wird. Das ursprünglich sinnvolle Reaktionsmuster hat dementsprechend seinen zweckmäßigen Anpassungswert verloren. Der Organismus kann sogar bei zu lange andauernder Belastung, die Fähigkeit verlieren, auf das Ausgangsniveau zurück zu kehren. Es tritt ein Stadium ein, welches als Erschöpfung bezeichnet wird in dem es „[…] zu vielfältigen funktionellen Symptomen bis hin zu manifesten Organerkrankungen kommen [kann]“ (Kaluza 2003, S.343). Auf mögliche physische sowie psychische Stresssymptome wird in Kapitel drei ‚Stress im Kindesalter’ im Unterpunkt ‚Stresssymptomatik’ noch ausführlich eingegangen.
Auch diese Art des Stressverständnisses weist jedoch Mängel auf. So findet zwar die Stressreaktion umfangreich Beachtung, Fragen nach Ursachen dieser bleiben jedoch außen vor (vgl. Lazarus & Launier 1981, S.222; Stengel 1997, S.201).
Soweit die ersten beiden Stresskonzeptionen. Im Anschluss wird der transaktionale Ansatz der Forschergruppe um Lazarus beschrieben. Dieser liegt auch vorliegender Arbeit zugrunde.
Der transaktionale Ansatz geht auf die Arbeiten der Forschergruppe um Lazarus zurück (Lazarus & Launier, 1981; Lazarus & Folkman, 1984). Mit dem Begriff ‚Transaktion’ ist hierbei gemeint, dass „[…] Streß sich nicht auf Input oder Output beschränkt, sondern eine Verbindung zwischen einer sich verändernden Situation und einer denkenden, fühlenden und handelnden Person widerspiegelt“ (Schwarzer 2000, S.14).
Demnach beinhaltet Stress auch „[…] notwendigerweise, beide Komponenten, einen Reiz und eine Reaktion in wechselseitiger Beziehung zueinander“ (Lazarus & Launier 1981, S.222). Er entsteht hierbei „[…] zum einen in Abhängigkeit von der Art und Weise, wie Weltereignisse von einem Individuum wahrgenommen und bewertet werden, zum anderen in Abhängigkeit von den verfügbaren und genutzten Bewältigungsstrategien […]“ (Klein- Heßling & Lohaus 2000, S.9). Der individuelle Anteil am Stressgeschehen steht in dieser Konzeption im Vordergrund (s. hierzu und für das Folgende die Darstellungen bei Lazarus & Launier 1981, S.226ff; Lazarus & Folkman 1984, S.31ff; Kaluza 1996, S.28ff; Schwarzer 2000, S.11ff). Die Autoren unterscheiden diesbezüglich zunächst folgende drei Kategorien von Bewertungsprozessen, welche einen grundlegenden Faktor im Stressgeschehen darstellen:
Primäre Bewertung (Primary Appraisal):
Bei der primären Bewertung schätzt die Person zunächst die Bedeutung der Situation für ihr eigenes Wohlbefinden ein. Wird das Ereignis als irrelevant oder günstig beziehungsweise positiv eingestuft tritt kein Stress auf. Demgegenüber steht die Einschätzung als stressend, welche ihrerseits in drei unterschiedlichen Formen auftreten kann: Als Schädigung/Verlust, Bedrohung oder Herausforderung.
Schädigung/Verlust (harm/loss): Diese Art der Bewertung bezieht sich auf bereits eingetretene Ereignisse in der Gegenwart oder der Vergangenheit (wie beispielsweise eine schwere Verletzung, der Verlust einer geliebten Person oder eine Störung des Selbstwertgefühls oder der sozialen Anerkennung.) Negative Emotionen wie Angst oder Ärger sind die Folge.
Bedrohung (threat): Die Einschätzung als Bedrohung bezieht sich auf eine(n) erwartete(n) Schädigung/Verlust, welche(r) demnach in der Zukunft liegt. Beispiele wären eine bevorstehende Operation, oder eine Prüfung. Ebenso wie die Schädigung beziehungsweise der Verlust, ist ein als Bedrohung gewertetes Ereignis immer mit negativen Gefühlen verbunden.
Herausforderung (challenge): Die Bewertung als Herausforderung ist ebenso wie die Bewertung ‚threat’, auf die Zukunft bezogen. Sie beinhaltet jedoch die mögliche erfolgreiche Bewältigung der Situation. Auch wenn diese vielleicht schwer erreichbar oder risikoreich ist, steht die Chance der erfolgreichen Bewältigung im Vordergrund. Eine solche Art der Bewertung erzeugt ihrerseits positive Gefühle und zeigt, dass das Erleben von Stress nicht ausschließlich negativ belegt sein muss.1
Demgemäß ist es weniger die objektive Anforderungssituation die Stresserleben erzeugt, als vielmehr die kognitive Einschätzung des Ereignisses durch die Person.
Die Bewältigung einer stressbezogenen Transaktion erfordert jeweils unterschiedliche Kompetenzen. Auch diese unterliegen ihrerseits Bewertungsprozessen.
Sekundäre Bewertung (Secondary Appraisal):
„When we are in jeopardy, whether it be a threat or a challenge, something must be done to manage the situation” (Lazarus & Folkman 1984, S.35). Wird eine Transaktion als stresshaft bewertet, werden Bewältigungsmöglichkeiten mobilisiert. Hierzu werden die eigenen zur Verfügung stehenden Bewältigungsmechanismen zunächst eingeschätzt und den vorhandenen Gefahren und Schädigungen gegenübergestellt. Diese Form der Bewertung ist als sekundär bekannt. Schwarzer verwendet in diesem Zusammenhang auch den Begriff der „Ressourceneinschätzung“ (Schwarzer 2000, S.19). Neben Fertigkeiten und Fähigkeiten auf Seiten des Individuums sind zusätzlich soziale Ressourcen, wie soziale Unterstützung von Bedeutung. Überschreiten diese die Anforderungen, ist die Stressphase hier zu Ende.
„Eine potentielle Schädigung ist dann keine Schädigung, wenn die Person damit leicht fertig werden kann, und wenn sie so bewertet wird, entsteht nur geringe oder keine Bedrohung“ (Lazarus & Launier 1981, S.240). Werden die eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten jedoch für unzureichend befunden, handelt es sich um eine stresshafte Bewertung. Sekundär meint jedoch nicht, dass diese Bewertung der primären zeitlich folgt, oder weniger bedeutsam ist. Vielmehr können sich beide Prozesse überlappen und wechselseitig beeinflussen.
Die sekundäre Bewertung bestimmt ferner auch das jeweilige Bewältigungsverhalten. Bewältigungsmöglichkeiten können den Autoren zu Folge zwei Kategorien zu geordnet werden. Je nachdem welcher Funktion sie dienen, wird zwischen instrumentellen und palliativen Bewältigungsmodi unterschieden. Während erstere die Änderung der gestörten Transaktion zum Ziel haben, verfolgen Strategien der zweiten Kategorie das Ziel der Emotionsregulation. Hierauf wird an späterer Stelle noch einmal eingegangen. Das Konzept der Bewältigung stellt neben dem der Bewertung den zweiten zentralen Kernpunkt der Theorie von Lazarus dar.
Neubewertung (Reappraisal):
„Reappraisal refers to changed [primary and secondary] appraisal on the basis of new information from environment, which may resist or nourish pressures from the person, and/or information from the person’s own reaction” (Lazarus & Folkman 1984, S.38). Folglich wird die Ausgangssituation aufgrund veränderter Bedingungen in neuem Licht gesehen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Grafische Darstellung des transaktionalen Stressansatzes (Klein-Heßling & Lohaus 2000, S.9)
Einem solchen transaktionalen Stressverständnis fühlt sich auch diese Arbeit verpflichtet Hierfür gibt es verschiedene Gründe: Zum einen gilt das Modell von Lazarus als bedeutendes Konzept, welches die Stressforschung außerordentlich angeregt und beeinflusst hat. Nach Hampel und Petermann ist es noch heute allgemein anerkannt,insbesondere da durch die „[…] Berücksichtigung kognitiver Prozesse und der dynamischen Person-Umwelt-Beziehung ein umfassender theoretischer Zugang zur Beschreibung des Stressgeschehens gelingt“(Hampel & Petermann 2003a, S.12). Laut Schröder lassen sich sogar „[n]euere konzeptionelle Versuche […] bei kritischer Betrachtung […] immer wieder auf das von Lazarus auf den Punkt gebrachte Rahmenkonzept zurückführen [...]“ (Schröder 2002, S.4). Er mutmaßt weiter: „Vielleicht ist mit dem Modell […] eine Art Kernkonzept gegeben, das sich nur noch aspekthaft differenzieren und für Anwendungsfelder konkretisieren lässt“ (ebd.). Zusätzlich gilt, dass der Ansatz, welcher ursprünglich aus der Stressforschung mit Erwachsenen stammt, sich nach Beyer und Lohaus, durchaus auch in unterschiedlichen Forschungsarbeiten als geeignet erwiesen hat, Stress und Stresserleben von Kindern und Jugendlichen zu erklären. Darüber hinaus bietet er den Autoren zufolge eine gute Grundlage um hiervon Interventionen abzuleiten (vgl. Beyer & Lohaus, 2007, S.23). Dies gilt insbesondere auch für die im folgenden Verlauf vielfach erwähnten Arbeiten von Lohaus und Klein-Heßling (2000) sowie Hampel und Petermann (2003a).
Demgemäß wird das Modell von Lazarus auch vorliegender Arbeit zugrunde gelegt. Eswird jedoch durchaus zur Kenntnis genommen, dass eine solche Entscheidung Einschränkungen, insbesondere mit Blick auf mögliche Ansatzpunkte zur Stressprävention nach sich zieht. Dennoch scheint es sinnvoll im Rahmen dieser Arbeit eine solche Begrenzung in Kauf zu nehmen, um detaillierter auf Einzelaspekte eingehen zu können.
Weitere wichtige Stresskonzepte, von denen sich gut Interventionen ableiten lassen, sind beispielsweise die beiden ressourcenfokussierten Ansätze von Antonovsy (1987) und Hobfoll (1998). Für eine detaillierte Auseinandersetzung wird auf die Autoren verwiesen (vgl. Antonovsky, 1987; Hobfoll, 1998).
Eine kritische Auseinandersetzung mit Lazarus findet sich unter anderem bei Hobfoll und Buchwald (2004; S.11f).
Im Folgenden soll eine Definition des Begriffs Stressprävention abgeleitet werden, da sich in der zugrunde gelegten Literatur eine solche leider nicht finden lässt. Im Anschluss daran werden Zielebenen und Ansatzpunkte für entsprechende Maßnahmen vorgestellt und erläutert wo hierbei im Rahmen dieser Arbeit der Schwerpunkt liegen soll.
Da der Stressbegriff bereits im Punkt ‚Theoretische Konzeptionen zur Stressentstehung’ diskutiert wurde, gilt es an dieser Stelle zunächst einmal den Begriff der Prävention näher zu definieren und dann zu klären was er bezüglich Stress im Kindesalter bedeuten kann.
Im allgemeinsten Sinn dienen Präventionsmaßnahmen nach Leppin dazu, „[…] in der Gegenwart etwas zu unternehmen, um unangenehme oder unerwünschte Zustände in der Zukunft zu vermeiden“ (Leppin 2004, S.31). Um den Begriff im Anschluss noch etwas näher zu bestimmen, folgt eine Bezugnahme auf die Ausführungen von Hurrelmann in denen dieser unter anderem eine Klassifikation von Interventionsmaßnahmen vornimmt (vgl. Hurrelmann 1994, S. 187ff).
Um zu verhindern dass der Begriff der Prävention „inflatorisch“ gebraucht wird, schlägt Hurrelmann für den interdisziplinären Austausch vor, von präventiver, korrektiver/supportiver/kurativer und kompensatorischer/rehabilitativer Intervention zu sprechen (ebd., S.188). Die Worte präventiv, korrektiv et cetera (etc.) beziehen sich hierbei sowohl auf die Strategie der Intervention als auch auf das Stadium, in dem diese zum Einsatz kommt. Die konzeptionellen Ausgangspunkte sind hierbei - laut Hurrelmann - die gleichen wie beispielsweise in der medizinischen Forschung, die von primär, sekundär und tertiärpräventiv spricht. Es soll durch eine solche Unterscheidung insbesondere gezeigt werden, dass die Eingriffsmaßnahmen eine je unterschiedliche Qualität im Vorgehen haben.
Präventive Intervention (entsprechend der primären Prävention) ist in diesem Wortverständnis:
„[…] die frühe und völlige Verhinderung des Auftretens von für die weitere Entwicklung negativ zu bewertenden Ereignissen, wie beispielsweise körperlichen Krankheiten, psychosomatischen Beschwerden, psychosozialen Störungen, Drogenkonsum usw“ (ebd., S.190f).
Bezogen auf das Stresserleben von Kindern/den Interventionsbereich ‚Stresserleben von Kindern’ dienen präventive Interventionen demnach der Verhinderung des Auftretens von Distress 1 und den daraus resultierenden negativen Folgen. Alle Maßnahmen, die somit ihrerseits ein solches Ziel anstreben oder hierzu beitragen, werden in der vorliegenden Arbeit demgemäß als Maßnahmen der Stressprävention verstanden.
Bezogen auf den Interventionsbereich ‚Stresserleben bei Kindern’ gibt es generell zwei Zielebenen: Das Kind selbst und seine Umwelt (vgl. Hurrelmann 1994, S.191; Klein- Heßling 1997, S.59). Um der aufgezeigten Individualität des Stressgeschehens angemessen gerecht zu werden, werden die so genannten verhaltens- oder personenzentrierten Ansätze (beide Begriffe werden im weiteren Verlauf synonym verwendet) im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Hierbei wird, primär die Frage leitend sein, wie die Stressbewältigungskompetenzen am besten auf- beziehungsweise ausgebaut werden können. Was hierunter im Rahmen dieser Arbeit im Speziellen verstanden wird, wird im Punkt ‚Erfolgreiche Stressbewältigung’ geklärt. Diese Kompetenzen zählen ferner zu den so genannten ‚protektiven Faktoren’ oder Schutzfaktoren (beide Begriffe werden im weiteren Verlauf synonym verwendet). Dies meint, sie schützen Kinder trotz potentieller Belastung vor der Ausprägung von Stresssymptomen (Ball & Peters 2007 S.126). Da derartige Schutzfaktoren demnach für die Stressprävention von besonderer Bedeutung sind, wird zusätzlich die Frage nach weiteren solchen Einflussgrößen gestellt und eine Auswahl dieser in anschließende Überlegungen miteinbezogen. Warum gerade die kindliche Selbstwirksamkeitserwartung und das Selbstwertgefühl ausgewählt wurden und wie diese im Stressgeschehen wirken, wird im Punkt ‚Weitere ausgewählte Schutzfaktoren’ erläutert.
Was verhältniszentrierte Ansätze angeht, also die, bei denen die Umwelt der Kinder im Vordergrund steht, ist jeweils die Frage leitend, wie die Lebenswelt von Kindern so gestaltet werden kann, dass Stresserleben verringert beziehungsweise vermieden wird (vgl. Klein-Heßling 1997, S.59). Angelehnt an Lazarus bedeutet dies, nicht nur zu klären, wie potentielle Stressoren reduziert oder abgebaut werden können, sondern vielmehr auch, wie die Anforderungssituationen, mit denen Kinder heute konfrontiert sind, so gestaltet werden können, dass sie nicht als Bedrohung, sondern im besten Fall als Herausforderung empfunden werden (vgl. Lohaus & Klein-Heßling 1999, S.64). Praktische Umsetzungen verhältniszentrierter Ansätze, beziehungsweise Empfehlungen hierfür, verfolgen heute meist nicht nur das Ziel Belastungen zu verringern, sondern zielen ferner auf die gesundheitsförderliche Gestaltung der Umwelt (vgl. Kaluza, 1996, S.56; Hurrelmann 1994, S.181ff). Demgemäß wird zunächst im Kapitel vier ‚Stressprävention im Kindesalter’ im Unterpunkt ‚Verhältniszentrierte Ansätze zur Stressprävention’, unter anderem ein sehr umfangreicher Ansatz zur Gesundheitsförderung von Kindern und Jugendlichen vorgestellt. Dieser gibt einen guten ersten Überblick darüber, welche vielfältigen Anknüpfungspunkte genutzt werden können, um durch entsprechende Gestaltung der Umwelt, kindlichem Stresserleben vorzubeugen. In Kapitel fünf ‚Stressprävention in der Grundschule’ werden im Unterpunkt ‚Verhältniszentrierte Stressprävention in und durch die Grundschule’ dann konkrete Möglichkeiten für den Raum der Grundschule erörtert. Zusätzlich werden in beiden erwähnten Unterpunkten ‚Ansätze’ dargestellt, die sich an die Eltern richten und versuchen diesen nahe zu bringen welchen Beitrag sie für die Stressprävention leisten können. Dies scheint, wie noch gezeigt wird, insbesondere aus zwei Gründen interessant: Zum einen birgt die Familie vielfältige potentielle Stressoren. Zum anderen kann sie in Form sozialer Unterstützung einen weiteren Schutzfaktor darstellen (vgl. hierzu Kapitel drei ‚Stress im Kindesalter’ die Unterpunkte ‚Potentielle Stressoren im Kindesalter’ und ‚Weitere ausgewählte Schutzfaktoren’).
Bevor eine detaillierte Auseinandersetzung mit einzelnen Interventionen zur Stressprävention im Kindesalter erfolgt, soll hierfür zunächst der theoretische Bezugsrahmen ‚Stress im Kindesalter’ ausgeführt werden. Die Erörterungen sollen unter anderem zeigen, warum Stressprävention bereits bei Kindern im Grundschulalter sinnvoll und wichtig ist. Als Argumente werden sowohl potentielle Stressoren als auch das Spektrum möglicher Stresssymptome beschrieben. Die Darstellungen zu potentiellen Stressoren dienen zusätzlich als Hintergrund für den Punkt ‚verhältniszentrierte Ansätze zur Stressprävention’.
Da die Förderung der kindlichen Bewältigungskompetenzen im Rahmen der verhaltenszentrierten Ansätze im Vordergrund steht, wird diesbezüglich im Anschluss der theoretische Hintergrund geschaffen. Welche Rolle Bewältigung im Stressgeschehen, angelehnt an Lazarus, spielt, wurde bereits im Kapitel zwei ‚Theoretische Konzeptionen zur Stressentstehung’ im Punkt ‚Die transaktionale Stresskonzeption - Stress als transaktionales Geschehen’ angesprochen. Darüber hinaus wird noch einmal näher auf Klassifikationen von Bewältigungsstrategien eingegangen und die Frage nach effektiver Bewältigung beziehungsweise nach hierfür nötigen Kompetenzen gestellt. Des Weiteren wird der Zusammenhang zwischen der Verfügbarkeit und dem Einsatz von Stressbewältigungsstrategien und dem kindlichen Entwicklungsstand skizziert. Welche Strategien stehen Grundschulkindern demnach vorrangig bereits zur Verfügung und welche gilt es, möchte man sie unterstützen, auf- beziehungsweise auszubauen? Abschließend folgen Erörterungen zu den bereits erwähnten Schutzfaktoren. Hierbei kann im Rahmen dieser Arbeit jedoch nur eine eingeschränkte Auswahl erfolgen.
Im Anschluss soll darstellt werden, mit welchen potentiellen Stressoren Kinder heute vielfach konfrontiert sind. Diesbezüglich wird zunächst eine Systematisierung der Belastungsquellen vorgenommen und im Weiteren einzelne Stressoren aus dem schulischen und außerschulischen Bereich diskutiert. Neben Stressquellen aus Sicht von Erwachsenen werden Stresssituationen erwähnt, die von Kindern selbst als solche bezeichnet wurden. Dies scheint besonders wichtig, da es sich bei Stress, wie bereits erwähnt, um ein sehr individuelles Geschehen handelt und es darüber hinaus Forschungshinweise darauf gibt, dass Erwachsene und Kinder einzelnen Stressoren unterschiedliche Bedeutung zu messen.
In einer Studie - mit Viert-, Fünft-, und Sechstklässlern - von Yamamoto gaben die untersuchten Kinder beispielsweise an, alltägliche Anforderungen und Probleme (wie beispielsweise ‚als Lügner verdächtigt zu werden’ oder ‚einen Klassenbucheintrag erhalten’) ähnlich negativ zu bewerten wie Lebenskrisen1 (zum Beispiel2 ‚der Verlust eines Elternteils’ oder ‚das Augenlicht zu verlieren’), die allgemein als belastend angesehen werden (vgl. Yamamoto 1979, S.582f). Eine weitere Studie, der gleichen Forschergruppe, mit 366 britischen Kindern aus dem Jahr 1998 bestätigte diese Ergebnisse erneut (vgl. Yamamoto, Whittaker & Davis 1998, S.308).
Deswegen ist es immer auch wichtig in Diskussionen zu Stressquellen in der Kindheit, auch Studien zu erwähnen, die ihrerseits die Kinder selbst zu Wort kommen lassen.
In der Fachliteratur werden angelehnt an Moore mindestens drei große Klassen von Stressoren unterschieden, die in der Kindheit von Bedeutung sein können:
- Entwicklungsbedingte Probleme,
- Lebenskrisen und
- alltägliche Spannungen und Probleme (vgl. Moore 1975, S.170).
Das Hauptinteresse der Stressforschung galt hierbei lange Zeit den Lebenskrisen sowie den damit einhergehenden Folgen. Diese Schwerpunktsetzung verlagert sich jedoch seit einigen Jahren und der Fokus richtet sich immer mehr auf die wiederkehrenden alltäglichen Spannungen und Probleme (vgl. Lohaus & Klein-Heßling 2001, S.149).
Bezüglich der Stressquellen, die im Zusammenhang mit der kindlichen Entwicklung auftreten, wird oftmals das Entwicklungsaufgaben-Konzept von Havighurst und seinen Kollegen angeführt (vgl. Tanjour & Reschke 2002, S.100). Eine Entwicklungsaufgabe oder ‚developmental task’ ist hierbei in den Worten von Havighurst:
„[…] a task witch arises at or about a certain period in the life of the individual successful achievement of witch leads to his happiness and to success with later tasks, while failure leads to unhappiness in the individual disapproval by society, and difficulty with later tasks” (Havighurst 1972, S.2). also demnach eines von zahlreichen Probleme, die in einer bestimmten Abfolge im Lebenslauf auftreten. Hierbei sind von Havighurst für jede Lebensperiode ‚developmental tasks’ definiert worden, deren Bewältigung jeweils Entwicklung erfordert. Für das Kindesalter ist beispielsweise die Anpassung an schulische Anforderungen zu nennen (vgl. Havighurst 1972, S.8ff; Montada 2002, S.43).
McNamara spricht in diesem Zusammenhang, sie bezieht sich allerdings auf das Jugendalter, auch von so genannten ‚normative stressors’ (vgl. McNamara 2000, S.37). Diese Kategorie scheint den Entwicklungsaufgaben von Havighurst sehr ähnlich. Zu normativen Stressoren zählen beispielsweise Probleme in so genannten Umstellungsphasen wie bei Schulbeginn oder auch beim Übertritt in die weiterführende Schule nach Beendigung der Grundschulzeit (vgl. Nitsch & Hackfort 1981; S.270; Sirsch, 2003, 392f). So konnte z.B. eine österreichische Studie mit 856 Kindern belegen, dass der Wechsel von der Grund- zur Sekundarschule von den Befragten, ganz im Sinne der Theorie von Lazarus, sowohl zum Teil als Herausforderung als auch zum Teil als Bedrohung interpretiert wurde (vgl. Sirsch 2003, 392f).
Von anderen Autoren werden normative Stressoren, wie der Schulanfang auch als kritische Lebensereignisse bezeichnet (vgl. Krause, Wiesmann, Stückle & Widmer 2001, S.9). Da diese allerdings nicht plötzlich eintreten, was ein hier zugrunde gelegtes Definitionskriterium kritischer Lebensereignisse ist, werden sie hier unter normativen Stressoren gelistet
Bei Lebenskrisen handelt es sich um „[…] extreme Belastungen, die in der Regel mit einschneidenden Änderungen von Alltagsroutinen und Neuanpassung verbunden sind die unerwartet auftreten“ (Beyer & Lohaus 2007, S.12). Für das Kindesalter werden hierbei insbesondere die Scheidung oder Trennung der Eltern, eine chronische Erkrankung oder der Tod von Bezugspersonen genannt (vgl. Moore 1975, S.170; Lohaus & Klein-Heßling 2001, S.149).
Unter alltäglichen Spannungen und Problemen, so genannten ‚daily hassles’ werden kleine Irritationen und Frustrationen verstanden, welchen die meisten Menschen ausgesetzt sind und welche meist über längere Zeit immer wiederkehrend auftreten (vgl. Beyer & Lohaus 2007, S.13). Diese sind es auch, die Kinder hauptsächlich mit Stresserleben in Verbindung bringen. Zu besonders stresserzeugenden Situationen zählen hierbei z.B. Klassenarbeiten, Probleme mit den Hausaufgaben, Angst um die Versetzung oder Streitereien mit Eltern und Freunden (vgl. Lohaus 1990, S.106f; Sears & Milburn 1990, S.225; Petermann 2001, S.14; Lohaus 1990 nach Lohaus und Klein-Heßling 2006, S.328). Für deren Bewältigung gilt es sie demnach insbesondere durch präventive Maßnahmen zu befähigen. Aus diesem Grund wurden beispielsweise auch die multimodalen Programme von Hampel und Petermann (2003a) sowie von Lohaus und Klein-Heßling (2000) entwickelt. Auf diese wird im Punkt ‚Verhaltenszentrierte Ansätze zur Stressprävention’ noch ausführlich eingegangen.
Was die Wirkung von Belastungen angeht, so kann es nach Lohaus und Klein-Heßling vor allem durch eine „Kumulierung“ dieser zu Überforderung und Stresserleben kommen (Lohaus & Klein-Heßling 2001, S.150) Hierbei kann den Autoren zufolge bereits eine Fülle kleinerer Alltagsanforderungen genügen, dass eine erfolgreiche Bewältigung nicht mehr möglich ist. Es bedarf somit nicht immer einer so genannten Lebenskrise. „[Ist] […] ohnehin ein kritisches Gleichgewicht erreicht […], können auch kleinere Zusatzbelastungen zu einer Überforderungssituation führen“ (ebd.). Welche Symptome sich infolge von Distress ergeben können wird im Punkt ‚Stresssymptomatik’ ausführlich dargestellt. Im Anschluss soll noch einmal gesondert darauf eingegangen werden, mit welchen potentiellen Stressoren Kinder sich heute sowohl im Raum der Schule als auch außerhalb dieser auseinandersetzen müssen. Diesbezüglich kann es sich jedoch nur um eine Auswahl handeln.
Die von Kindern und Jugendlichen am häufigsten benannten Stressquellen hängen meist in irgendeiner Art und Weise mit dem Faktor Schule zusammen (vgl. Sears & Milburn 1990, S.242; Petermann 2001, S.18). Demzufolge wird auch oftmals zusammenfassend von ‚Schulstress’ gesprochen. Eine Studie, die dies belegt ist beispielsweise die Erhebung von Lohaus (1990). In der Untersuchung wurden 342 Schüler und Schülerinnen im Alter von sieben bis 18 Jahren in halbstandardisierten Interviews unter anderem nach den Ursachen des eigenen Stresserlebens befragt. Hierbei nannten die meisten Kinder das Schreiben von Klausuren als stressreichste Situation, gefolgt von schwierigen Hausaufgaben am Nachmittag (vgl. Lohaus 1990, S.106f; Lohaus 1990 nach Lohaus und Klein-Heßling 2006, S.328).
Ganz generell lässt sich der so genannte ‚Schulstress’, der sowohl als Folge von Über- als auch von Unterforderung auftreten kann, nach Klein-Heßling und Lohaus vier Ursachenkategorien zu ordnen:
- Der Lehrer-Schüler-Interaktion,
-dem akademischen Selbstkonzept der Schüler,
- Leistungsstress,
- und den Schüler-Schüler-Interaktion (vgl. Klein-Heßling & Lohaus 2002, S.34).
Diese sind jedoch nicht als von einander unabhängige Variabeln anzusehen. So resultieren nach Humphrey einer eigenen Umfrage mit 200 Fünft- und Sechstklässlern zufolge beispielsweise besonders stressbesetzte Lehrer-Schüler-Interaktionen daraus, dass der Lehrer den Faktor ‚Wettbewerb’ unter den Schülern überbetont. Ein solches Verhalten kann dann wiederum zu Konkurrenzdruck unter den Klassenkameraden führen und negative Auswirkungen auf das Selbstbewusstsein insbesondere auf das akademische Selbstkonzept einzelner Schüler nehmen (vgl. Humphrey 1984, S.9). Demgemäß kommt der Lehrkraft eine besondere Bedeutung zu.
Einen Hinweis darauf, dass auch den Eltern ein gewisser Anteil an der Entstehung von leistungsbezogener und sozialer Überforderung zu kommen kann gibt beispielsweise die Repräsentativumfrage am Institut für Schulentwicklungsforschung (IFS) zu Schule und Bildung aus dem Jahr 2004. Hierbei wurden unter anderem 1475 Eltern schulpflichtiger Kinder danach befragt, welche Ansprüche sie an die Schul- und Berufsabschlüsse ihrer Kinder haben. So wünschen sich bundesweit 50 Prozent der Eltern (gegenüber 44% in 2002) für ihre Kinder das Abitur und nur 9 Prozent (gegenüber 13% in 2002) würden sich mit einem Hauptschulabschluss zufrieden geben. Höhere Werte sind in keiner der 12 früheren Erhebungen erreicht worden (www.gew.de/presse/nachrichten/texte/ifs.pdf). Die Umfrage macht deutlich wie hoch die Ansprüche der Eltern an ihre Kinder heute sind. Des Weiteren spiegeln diese Ergebnisse unter anderem auch die gesellschaftliche Situation, in der Schul- und Studienleistungen als ein wichtiger Maßstab für soziale Wertschätzung gelten, wieder. Nitsch und Hackfort gaben diesbezüglich bereits 1981 zu bedenken, dass die Leistung der Kinder „[…] nicht zuletzt auch immer stärker die Art der emotionalen Zuwendung der Eltern zu ihrem Kind und [darüber hinaus] das soziale Ansehen, das die betreffende Familie vor dem Hintergrund der Formel ‚gute Note = Gute Zukunftsaussichten’ besitzt“ bestimmt (Nitsch & Hackfort 1981, S. 264).
Ferner betont auch die Forschergruppe um Krause, dass, spätestens ab Schulbeginn nicht mehr der Neuerwerb von Fähigkeiten und Fertigkeiten wie Radfahren sowie die steigende soziale Kompetenz im Mittelpunkt bestärkender Rückmeldungen durch die Eltern stehen, sondern zunehmend das ‚Leistungsprodukt’(vgl. Krause, Hannich, Stückle, Widmer, Rohde & Wiesmann 2000 S.10). Krause et al. weisen diesbezüglich darauf hin, dass dies gerade für leistungsschwache Schüler und Schülerinnen problematische Folgen für die Entwicklung haben kann (ebd.).
Das Ursachengefüge für eine mögliche Überforderung durch die Schule ist demnach vielschichtig.
Auch Klein-Heßling und Lohaus weisen im Zusammenhang mit ‚Schulstress’ darauf hin, dass gerade eine solche Begriffswahl problematisch sein kann, da sie den Blick auf Stressquellen fernab der Schule versperren kann. Den Autoren zufolge liegen Ursachen von Stress, der in der Schule erlebt wird, nicht ausschließlich im schulischen Bereich (was die Ausführungen zu den elterlichen Erwartungen ja bereits angedeutet haben). So ist die Schule oftmals vielmehr nur der „Manifestationsort“ oder die auftretenden Schwierigkeiten werden durch außerschulische Faktoren (mit)verursacht (vgl. Klein-Heßling & Lohaus 2002, S.34). So geben auch Nitsch und Hackford diesbezüglich zu bedenken, dass Probleme in der Schule beispielsweise auch Ausdruck gestörter Familienbeziehungen sein können oder als Folge nicht erkannter organischer oder psychosozialer Vorschädigungen auftreten können (vgl. Nitsch & Hackfort 1981, S.271). Ferner können Faktoren wie beispielsweise mangelnder Schlaf, beengte Wohnverhältnisse oder wenig Spielmöglichkeiten, die Überforderung in der Schule begünstigen (vgl. Klein-Heßling & Lohaus 2002, S. 34).
Demgemäß gilt, als ein Ansatzpunkt zur Stressprävention, auch die Aufklärung und der Einbezug der Eltern. Um dies zusätzlich zu unterstreichen wird im Folgenden zumindest kurz auf potentielle Stressoren außerhalb der Schule eingegangen.
Neben der Schule bergen auch der Freizeitbereich und die Familie unterschiedlichste Stressquellen. Vielfach diskutiert wird in diesem Zusammenhang beispielsweise der Strukturwandel der Familien sowie die damit verbundenen neuen Lebensformen und - situationen von Kindern. Zu einer detaillierten Erörterung der sich hieraus ergebenden Konsequenzen für das Familienleben und möglichen Risiken für die kindliche Entwicklung sei auf Hurrelmann (1994, S.84ff) sowie Nave-Herz (2007) verwiesen. Exemplarisch sollen an dieser Stelle kurz die möglichen Folgen von Ehescheidungen für die betroffenen Kinder erläutert werden. Nach Hurrelmann können sich hierbei für die von Scheidung und Trennung betroffenen Kinder starke psychische und soziale Belastungen, deren gesamtes Ausmaß nur abgeschätzt werden kann, ergeben. Problematisch ist insbesondere:
- Eine Einbeziehung der Kinder in die elterlichen Konflikte,
- mangelnde Vorbereitung der Kinder auf eine bevorstehende Trennung,
- die sich ergebende Notwendigkeit der Neuordnung von Beziehungen und Bindungen
- und die Mehrfachbelastung des im Folgenden allein erziehenden Elternteils (vgl. Hurrelmann 1994, S.91f).
Generell scheint jedoch nicht das Trennungsereignis selbst als vorrangig von Bedeutung, sondern vielmehr die Beziehungen innerhalb der Familie wie sie sowohl vor, während als auch nach der Trennung oder Scheidung vorherrschen. Dies gilt nach Reis und Meyer- Probst als eines der wichtigsten Ergebnisse derzeitiger Scheidungsforschung und konnte von ebd. in der Rostocker Längsschnittstudie erneut belegt werden (vgl. Reis & Meyer- Probst, 2002, S.68).
Jenseits der Eltern können zuweilen auch die Geschwister Stressquellen darstellen. Neben zahlreichen positiven Auswirkungen, die das Vorhandensein dieser für die kindliche Entwicklung haben kann, wird auch über negative Einflüsse berichtet So weisen NaveHerz zufolge beispielsweise mehrere Studien darauf hin, dass die Geburt eines Geschwisterkindes von vielen Erstgeborenen als „Entthronung“ empfunden wird und mit Gefühlen der Eifersucht verbunden sein kann (Nave-Herz 2007, S.73). Darüber hinaus können auch Neid, Konkurrenz oder dauernde Rangeleien und Rivalitäten unter Geschwistern vorherrschen und belastend wirken (ebd., S.73f).
Als letzte Stressquelle sei an dieser Stelle die Freizeit genannt. Ein potentieller Stressor, der hier immer wieder, zum Teil recht kontrovers, diskutiert wird, sind die Medien. Eine differenzierte Erörterung der möglichen negativen Sozialisationswirkung dieser findet sich bei Nave-Herz (ebd., S.90ff).
Es wurde deutlich gezeigt, welchen vielfältigen potentiellen Stressoren Kinder heute oftmals ausgesetzt sind. Nach eigenen Aussagen scheinen hierbei insbesondere die ‚daily hassles’ im Vordergrund zu stehen. Somit scheint es besonders wichtig, Kindern Kompetenzen zu deren Bewältigung zu vermitteln. Hier setzen beispielsweise die Programme von Lohaus und Klein-Heßling (2000) sowie Hampel und Petermann (2003a) an. Auf beide wird noch ausführlich eingegangen (vgl. Klein-Heßling & Lohaus 2000; Hampel & Petermann, 2003a).
Da Stressquellen, wie aufgezeigt wurde, auch mit Eltern in Zusammenhang stehen und diesen, wie noch dargestellt wird, zusätzlich eine Schutzfunktion zukommen kann, wird es darüber hinaus als wichtig erachtet, diese in Überlegungen zur Stressprävention mit einzubeziehen (vgl. hierzu Kapitel drei ‚Stress im Kindesalter’ den Unterpunkt ‚Weitere ausgewählte Schutzfaktoren’). Ein ‚Ansatz’ der versucht dem gerecht zu werden, ist beispielsweise der Ratgeber ‚Kinder im Stress und was Erwachsene dagegen tun können’ von Lohaus und Klein-Heßling (1999). Demgemäß wird dieser unter ‚Verhältniszentrierte Ansätze zur Stressprävention’ vorgestellt. Zusätzlich werden auch im Kapitel ‚Stressprävention in der Grundschule’ Ideen skizziert, wie die Elternarbeit gezielt für die Stressprävention fruchtbar gemacht werden kann.
Nach dieser Darstellung potentieller Stressoren, folgt im Anschluss eine Auseinandersetzung mit dem Spektrum möglicher Stresssymptomatiken. Diese soll insbesondere die Notwendigkeit präventiven Vorgehens unterstreichen.
Im Folgenden sollen zunächst die unterschiedlichen Ebenen erläutert werden, auf denen Stresssymptome auftreten können und an Hand von Studien Beispiele für derartige Problematiken gegeben werden. Im Anschluss daran wird kurz auf die Problematik subjektiver Symptomangaben im Kindesalter eingegangen und die Frage beleuchtet, inwieweit die berichteten Symptome überhaupt als Folge von Stresserleben gewertet werden können.
Beanspruchungssymptome können sich generell auf drei verschiedenen Ebenen zeigen:
- Der physiologisch-vegetativen,
- der kognitiv-emotionalen
- und der verhaltensbezogenen Ebene (vgl. Lohaus & Klein-Heßling 2001, S.150).
An anderen Stellen wird lediglich zwischen physischem und psychischem oder kognitivemotionalem Bereich unterschieden (vgl. Sharrer & Ryan-Wenger 2002, S.24).
Die Symptome können entweder als kurzfristige Reaktionen (z.B. Herzklopfen), auf ein stressreiches Ereignis, oder als längerfristige Folgen einer Belastung (z.B. 19 psychosomatische Beschwerden) auftreten. Nachfolgend wird auf Symptome aller drei Ebenen gesondert eingegangen, wobei durchaus zur Kenntnis genommen wird, dass sich eine Stressbelastung in der Realität in vielen Fällen in mehreren Bereichen gleichzeitig niederschlägt (vgl. Lohaus & Seiffge-Krenke 2007, S.177). Eine gesonderte Darstellung geschieht hierbei lediglich um eine gewisse Übersichtlichkeit zu gewährleisten.
Eine erste Studie, die wichtige Hinweise darauf gibt, unter welchen körperlichen Beeinträchtigungen Kinder und Jugendliche heute leiden, die durch Stresserleben (mit) verursacht sein können, ist der deutsche Teil der ‚Health Behaviour in School-aged Children’ Studie (HBSC). In der untersuchten Stichprobe von 5650 Fünft-, Siebt-, und Neuntklässlern, leidet ein beachtlicher Teil der Kinder und Jugendlichen regelmäßig unter psychosomatischen Beschwerden. Hierbei fühlen sich beispielsweise über 46% der Befragten mindestens ‚fast jede Woche’, oder öfter müde und erschöpft und knapp 16% geben an mehrmals die Woche oder sogar täglich schlecht einzuschlafen (vgl. Raven- Sieberer, Thomas & Erhart 2003, S.41ff).
Das auch bereits Grundschüler über derartige Symptomen berichten, zeigen viel zitierte Ergebnisse von Lohaus, Fleer, Freytag und Klein-Heßling aus Untersuchungen die der Konstruktion des Fragebogens zur Erhebung von Stre ß erleben und Stre ß bewältigung im Kindesalter (SSK) dienten. Hierbei gaben 29,7% der 638 befragten Dritt- und Viertklässler an, mehrmals in der Woche nicht gut schlafen zu können. 17,5% berichteten über Appetitlosigkeit und jeweils über 10% über Bauch- oder Kopfschmerzen (vgl. Lohaus, Fleer, Freytag und Klein-Heßling zitiert nach Klein-Heßling & Lohaus 2000, S.13 sowie Hampel & Petermann 2003a, S.3).
[...]
1 Während es bei den ersten beiden Bewertungsarten (Schädigung/ Verlust sowie Bedrohung) zu Angst, Ärger, Trauer/Distress kommt, führt die Bewertung als Herausforderung zu positiver Aktivierung/Eustress (vgl. Schmitz 2007, S.31f).
[1] Wenn im folgenden Verlauf dieser Arbeit von Stress Stresserleben die Rede sein wird, bezieht sich dies, wenn nicht ausdrücklich Eustress erwähnt wird, immer auf Distress.
[1] Beziehungsweise kritischen Lebensereignissen; Beide Begriffe werden im weiteren Verlauf synonym verwendet
[2] Im Anschluss wird ausschließlich die Abkürzung z.B. verwendet 13
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