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Bachelorarbeit, 2020
50 Seiten
1. Einleitung
2. Die englische Dynastie der Tudors - Eine Vorgeschichte
3. Heinrich VIII. - Ausgewählte Aspekte seiner Biografie
3.1. Kindheit und Jugend
3.2. Heinrichs erste Jahre als König
3.3. Defensor Fidei - Verteidiger des Glaubens
4. Heinrich VIII. und der Konflikt mit Rom
4.1. Die Scheidung von Katharina von Aragon
4.2. Der Sturz von Thomas Wolsey und seine Folgen
4.3. Das Reformationsparlament
4.4. Thomas More
4.5. Anne Boleyn - die neue Königin
4.6. Thomas Cromwell
4.7. Thomas Cranmer
5. Der Bruch mit Rom
5.1. Die Loslösung von Rom
5.2. Gesetze zur Errichtung der Anglikanischen Staatskirche
5.2.1. Act for the Submission of the Clergy 1532
5.2.2. First Act in Restraint of Annates 1532
5.2.3. Act in Retraint of Appeals to Rome 1533
5.2.4. Act of First Fruits an Tenths 1533
5.2.5. Second Act in Restraint of Annates 1534
5.2.6. Act of Succession and Treason Act 1534
5.2.7. Act of Supremacy 1534
5.3. Reformatorische Maßnahmen
6. Verlauf der Reformation nach dem Tod von Heinrich VIII
7. Fazit
8. Quellen- und Literaturverzeichnis
8.1. Primärquellen
8.2. Sekundärliteratur
Im Jahr 2017 wurde das 500-jährige Jubiläum der Reformation weltweit gefeiert. Mit der Veröffentlichung von Luthers 95 Thesen, wird bis heute der Beginn der Reformation datiert. Doch war das auch in England der Fall? Die Regentschaft von Heinrich VIII., einem der bekanntesten Monarchen Englands, war etwa zur gleichen Zeit, wie der Beginn der Reformation. Heinrich VIII. ist vor allem bekannt durch sein politisches Agieren und seine sechs Ehefrauen: „Divorced, Beheaded, Died, Divorced, Beheaded, Survived”, zu Deutsch: „Geschieden, Geköpft, Gestorben, Geschieden, Geköpft, Überlebt“1. Auch wenn das Interesse bisher immer eher ihn und seine Ehefrauen betraf und darüber, wie es zu der Tragödie kommen konnte, dass sie alle ein grausames Schicksal fanden, so soll der Inhalt diese Thematik nicht behandeln. In England konnte die Reformation so weit Fuß fassen, dass unter Heinrich VIII. die Ablösung von Rom erfolgte und die Anglikanische Kirche gegründet wurde. Unter dem Thema: „Wie kam es zu Reformation in England? - Heinrich VIII. und andere Entscheidungsträger“, soll untersucht werden, inwieweit Heinrich VIII. England in den Beginn der Reformation führte, oder ob er mitunter auch von seinem näheren Umfeld insoweit manipuliert wurde, dass er eine Reformation zuließ. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf dem Beginn der Reformation. Da Heinrich als der derzeit amtierende Monarch, die höchste Handlungsgewalt in England innehatte wird zunächst betrachtet, unter welchen Bedingungen seine Herrschaft zustande kam und ob diese Vorgeschichte eventuell bereits Indizien aufzeigt, die zu Heinrichs Entscheidung, mit Rom zu brechen, führen konnten. Im weiteren Verlauf werden Teile seiner Biografie näher analysiert: Seine Kindheit und Jugend, in der nicht abzusehen war, dass er einmal König von England werden würde, aber welchen eigensinnigen Charakter er bereits als Kind zeigte; und wovon seine ersten Jahre als König geprägt waren. Besonders interessant ist die darauffolgende Untersuchung bzgl. seines Titels: „Verteidiger des Glaubens“, den er zu Anfang seiner Herrschaft vom Papst verliehen bekam. Zu welchem Zeitpunkt fand die Wende statt, ab der Heinrich nicht mehr den Glauben der Katholischen Kirche verteidigte, sondern sie angriff? Daran mündet auch die Analyse, die näher betrachtet, wie es zu einem Konflikt mit Rom kommen konnte. Die Scheidung von seiner Frau Katharina scheint dazu beigetragen zu haben. Außerdem wird untersucht, welche Rolle dabei Kardinal Thomas Wolsey, das Reformationsparlament, Thomas More, seine zweite Frau Anne Boleyn, Thomas Cromwell und Thomas Cranmer spielten.
Sie waren allesamt enge Vertraute des Königs und von einigen wird behauptet, dass sie die eigentlichen Architekten der Reformation seien.2 Unterlag Heinrich also einer Manipulation, die aufgrund eines tiefergehenden Plans, durch seine Minister und engen Vertrauten umgesetzt wurde? Oder war Heinrich VIII. selbst derjenige, der eine Reformation vorantrieb? Um diese Erkenntnisse zu vertiefen, werden im Anschluss die Gesetze betrachtet, die dabei halfen, sich von Rom zu lösen und inwiefern die Verabschiedung der Gesetze nützlich für Heinrich waren. Abschließend wird noch einmal kurz untersucht, welche reformatorischen Maßnahmen getroffen wurden, um einen „eigene englische Kirche“ zu formen. Die abschließende Untersuchung betrachtet das Ende der Herrschaft von Heinrich VIII., die geprägt war von einer politischen Lebensleistung, einem legendenhaften Privatleben und einer dehnbaren Glaubenseinstellung.
Betrachtet man die Dynastie der Tudors, so erscheint der königliche Stammbaum doch recht kurz. Das liegt vor allem daran, dass die Tudors erst mit Heinrich VII., dem Vater von Heinrich VIII., den Thron bestiegen. Die Krone gewann Heinrich VII. auf dem Schlachtfeld. Zuvor dominierten in England die sogenannten Rosenkriege.3 Das Haus der Plantagenet mit seinen beiden Linien Haus Lancaster und Haus York waren die beiden rivalisierenden Familien, die sich einen blutigen Kampf um die Krone gaben. Das Haus York trug ein Wappen mit einer weißen Rose und das Haus Lancaster führte im Gegenzug ein Wappen mit einer roten Rose. Diese Kämpfe der beiden „Rosenhäuser“, gaben den Rosenkriegen später ihren Namen.4 Mit Unterbrechungen führten die beiden Häuser ihre Kämpfe von ca. 1455 bis 1485. Die Rosenkriege endeten mit der Schlacht von Bosworth am 22. August 1485, in der Richard III., der amtierende König, sein Leben verlor und somit Heinrich Tudor noch auf dem Schlachtfeld zum König ernannt wurde.5 Damit es keine Zweifel gab, dass auch das Parlament den Anspruch des Thrones von Heinrich akzeptierte, berief er das Parlament ein, mit deren Zusammentreten bereits das Königsrecht anerkannt wurde.6 Die Angst um seine Legitimität war durchaus berechtigt, denn Heinrich Tudor war einer der Menschen in England, die mit am wenigsten Anspruch auf den Thron hatten. Obwohl er zum Haus Lancaster gehörte, floss nur wenig adliges Blut in seinen Adern. Er wurde nur durch die weibliche Linie und einer unehelichen Abstammung zum Mitglied des königlichen Hauses. Zwar waren seine Vorfahren, und damit die unehelichen Kinder, darunter seine Mutter Lady Margaret Beaufort, gesetzlich anerkannt gewesen, trotzdem waren sie von der Thronfolge ausgeschlossen und somit hatte auch Heinrich keinen Anspruch auf den Thron.7
Damit sein Anspruch auf die Krone gefestigt werden konnte, heiratete Heinrich VII. am 18. Januar 1486 Elizabeth of York aus dem rivalisierenden Haus York. Damit wollte er die beiden Häuser verbinden und somit einen weiteren Teil königlichen Bluts für seine Nachfolger sicherstellen.8 Heinrich VII. bemühte sich sehr seine Legitimität zu festigen und Beweise für seinen Anspruch auf die Krone vorweisen zu können:
Die Hochzeit mit Elizabeth of York, die Einberufung des Parlaments, sowie die Zurückdatierung des Beginns seiner Herrschaft.
Er datierte den Beginn seiner Regierungszeit auf den Tag vor dem Ende der Schlacht von Bosworth zurück. Mit diesem schlauen Schachzug konnte er ein Gesetz verabschieden, um somit seine Widersacher als Verräter verurteilen zu lassen und dadurch seine Legitimität zu untermauern. All seinen Bemühungen standen in den ersten zwölf Jahren seiner Regierungszeit Kämpfe um den Thron gegenüber, welche von Prätendenten erhoben wurden, die noch weniger Anspruch auf den Thron hatten, als zuvor Heinrich VII. Da Heinrich sehr genau um die Anfechtbarkeit seiner Krone wusste, trieb ihn diese Angst in einen Verfolgungswahn, der ihm keine Ruhe lies.9 10 Die ganze Unsicherheit und das Misstrauen die Heinrich während seiner Regierungszeit begleitete, sollten auch nach seinem Tod und mit der Krönung seines Sohnes König Heinrich VIII. nicht schwinden. Heinrich VII. war auch der erste König, der die Anwesenheit von Leibwächtern einführte. Aber nicht nur sein persönliches Wohl sah er gefährdet, auch die Finanzen, das Gesetz, die Kirche und den Adel sah Heinrich VII. in Gefahr. Er gründete deshalb die „ Yeomen of the Guard “. Bis heute bewacht diese Einheit, im originaltreuen Kostüm, den Tower of London.10,11 Sein Kontrollwahn, zum Teil dem Misstrauen in seine Berater geschuldet, ging so weit, dass er alle Dokumente und Papiere über die königlichen Finanzen selbst überprüfte und unterzeichnete. Ein besonderes Anliegen war es ihm seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, wozu zweifellos der Unterhalt seines Haushaltes, seines Hofes und der Regierungsverwaltung zählten. Um sein Einkommen zu sichern, erhob er Zollgebühren auf Importe und Exporte. Bußgelder brachten auch ein kleines zusätzliches Einkommen zustande, da diese Einkommensquelle von ihm im großen Stil ausgenutzt wurde. Unterstellungen zufolge, war sein Gerechtigkeitssinn eher schauspielerisch zu erklären, um die Einkünfte für die Krone zu sichern.12 Mit dieser Absicht, möglichst hohe Einnahmen für die Throne zu garantieren, sicherte sich Heinrich VII. den Ruf eines Geizhalses, der nichts unversucht zu ließ, um sich selbst zu bereichern und das Einkommen seiner Untertanen zu erbeuten.13 Damit die Thronfolge gesichert werden konnte, war es das größte Ziel des Königs Erben zu zeugen, die ihm auf den Thron folgen würden. Mit seiner Frau Elizabeth of York bekam Heinrich VII. insgesamt sieben Kinder. Die Auswahl der Namen für seine Kinder könnte man ebenfalls als Schachzug von Heinrich ansehen, seine Herrschaft als gottgewollt zu präsentieren.
Nach alten englischen Prophezeiungen sollte ein König Namens Arthur, eines Tages den Thron besteigen. Also nannte Heinrich seinen ersten Sohn Arthur, was zweifellos Propagandazwecke hatte. Für den Namen seines zweiten Sohnes wählte er den Namen Henry (Heinrich), bezogen auf Heinrich V. und Heinrich IV., von denen Heinrich VII. seine Abstammung herleitete.14 Seinen dritten Sohn nannte Heinrich Edmund nach dem Namen seines Vaters. Diese Namensgebung war dabei eher traditionsorientiert. Seinen Sohn nach dem eigenen Vater zu benennen spielt hierbei wohl keine größere Rolle. Aber die Namen der Töchter vermutlich schon. Denn auch bei diesen Namensgebungen machte sich Heinrich VII. sichtlich Gedanken. Seine älteste Tochter benannte er nach seiner Mutter Margaret, die ihn während der Rosenkriege immer unterstützt hatte und den Kampf um den Thron für ihren Sohn nie aufgab15, soweit das für eine Frau damals möglich war. Seine zweite Tochter wurde nach ihrer Mutter Elizabeth benannt, was ebenfalls auf die Tradition zurückzuführen ist, aber auch als Indiz dafür, dass erneut die Verbindung zum Haus York hervorgehoben werden soll. Die dritte Tochter erhielt den Namen Maria. Maria war und ist ein beliebter Name mit dem Rückgriff auf die Jungfrau Maria, allerdings lässt sich hier eine weitere Verbindung feststellen. Die Frau des ersten Lancaster-Königs Heinrich IV. trug den Namen Maria. Das letzte Kind Heinrichs, welches geboren wurde, bekam den Namen Katherine. Diesen Namen wählte Heinrich wohl aus, weil seine Großmutter Katherine Sywnford diesen Namen trug, aus der dann die anerkannten, aber illegitimen Kinder, darunter auch die Mutter von Heinrich Margaret Beaufort, hervorgingen.16 Hier könnte man meinen, dass eine solche Namensgebung eher ein Verweis auf die Illegitimität des Königs sein könnte, aber sie unterstreicht auch gewissermaßen die Anerkennung der Ernennung eines Königs, dessen Blutlinie per Gesetz anerkannt wurde und somit auch die ungewöhnliche Besteigung des Throns anerkannt wird. Dieser kleine Exkurs soll aufzeigen, dass Heinrich VII. nicht nur sehr viel Misstrauen und Unsicherheit während seiner Regierungszeit zeigte, sondern auch viele Überlegungen und Gedanken an die Namensgebung seiner Thronfolger investierte, die ihm eines Tages auf den Thron folgern würden und dessen Legitimität dann nicht mehr anzuzweifeln wäre. Diese Sorgen der Legitimität und der Druck einen männlichen Nachfolger zu zeugen umtrieben auch Heinrich VIII..
Wie bereits erwähnt, wurde Heinrich VIII. als zweiter Sohn und drittes Kind von Heinrich VII. und Elizabeth of York, am 28.Juni 1491 in Greenwich, geboren.
Da Heinrich nur der Zweitgeborene war, stand er immer im Schatten seines älteren Bruders Arthur. Arthur, der nach dem mythischen König Arthus benannt war, sollte England wieder zurück zum Wohlstand und Frieden führen und somit die Bevölkerung die turbulente Zeit der Rosenkriege vergessen lassen. Da auf Arthur alle Hoffnungen gebaut wurden, gibt es über Heinrich als den Zweitgeborenen nur wenig Aufzeichnungen, welche seine Kindheit und Jugend betreffen.17 Gerüchten und Legenden zufolge, soll Heinrich VIII. von seinem Vater für die geistliche Laufbahn bestimmt worden sein18 und von Heinrich VII. als zukünftiger Bischof von Canterbury auserwählt worden.19 Lord Herbert of Cherbury ist der Urheber dieses Verdachts.20 Obwohl er als zweiter Sohn nicht der direkte Thronfolger von Heinrich VII. war, so war er in der Thronfolge durchaus von großer Bedeutung. Ein vermeintlich gesunder Erstgeborener und die Verfügbarkeit von Medizinern waren keine Garantie für das Überleben eines Thronfolgers. Nahezu eine leichte Grippe oder eine oberflächliche Verletzung konnten den Tod bedeuten. Deshalb ist die Planung über das Leben von Heinrich VIII. als Geistlicher durch Heinrich VII. durchaus denkbar, kann allerdings nicht als Indiz dafür gedeutet werden, dass Heinrich allein zu diesem Zweck ausgebildet wurde. Also musste immer damit gerechnet werden, dass auch der zweitgeborene Sohn später König sein würde und infolgedessen als Thronfolger eine gewisse angepasste Bildung erhalten musste. Außerdem steht im Widerspruch zu der geistlichen Laufbahn, dass seit den Normannen kein englischer Prinz mehr zum Priester geweiht worden war. Zudem wurde Heinrich im Alter von jungen drei Jahren zum Herzog von York ernannt21, was bei der Absicht ihn zum Geistlichen fortzubilden, sicherlich nicht passiert wäre.
Allerdings war die Ernennung zum Herzog nicht sein einziger Titel, der ihm verliehen wurde.
Noch bevor er zwei Jahre alt wurde, bekam er sein erstes Amt als constable of Dover Castle and warden of the Cinque Ports (Vorsteher der Dover Festung und Aufseher der fünf Häfen).22 Danach folgte zeitnah seine Ernennung zum Großzeremonienmeister, dem earl of marshal of England und seine Ernennung zum Statthalter von Irland, lieutant of Ireland.23 Kurz bevor er zum Herzog von York ernannt wurde, erhielt am 30. Oktober 1494 den Ritterschlag zum Bathorden. Im selben Jahr bekam er außerdem das Amt des Schutzherren der schottischen Grenzmarken, warden of the Scottisch Marches, übertragen. Die Ämter wurden, wie auch kaum anders umsetzbar, von Stellvertretern wahrgenommen und ausgeführt.24 Nach dem Tod seines Bruders Arthur bekam er außerdem den Titel des Herzogs von Cornwall übertragen und erhielt die Titel des Prince of Wales und des Grafen von Chester.25 Als sein Bruder Arthur noch lebte war Heinrichs Kindheit von einer Unbeschwertheit geprägt, was sich mit dem Tod des Thronfolgers gravierend ändern sollte.26 Er wuchs mit seinen Schwestern Mary und Margaret, im Eltham Palace auf, während sein Bruder Arthur gesondert in seinem eigenen Haushalt lebte. Die Erziehung übernahm Lady Margaret Beaufort, die Mutter des Königs Heinrich VII. Aufgrund dessen sind nach Appel auch die intellektuellen Neigungen von Heinrich zu erklären, da er unter dem Einfluss seiner gebildeten Großmutter stand.27. Seine Hauslehrer waren begeistert, einen solch wissbegierigen und begabten Jungen zu unterrichten, dessen Charakter die Hauslehrer aber auch teilweise vor Herausforderungen stellte.28 Bereits als Kind wurden bei Heinrich Charakterzüge entdeckt, die ihn später als Tyrannen29 beschreiben würden. So war er eher impulsiv und leicht zu provozieren. Außerdem versuchte er mit Wut seinen Willen zu erlangen.30 Heinrich VIII. war zudem äußert sprachgewandt. Er sprach mehrere Sprachen, darunter Französisch und Latein, in denen er sich fließend mit seinen Botschaftern unterhalten konnte. Er schrieb als einer von wenigen englischen Monarchen ein Buch und dieses sogar in Latein. Er konnte sich in Italienisch gut verständigen und lernte später auch Spanisch.31
Außerdem schrieb er Gedichte und versuchte sich in musikalischen Kompositionen. Zu einem späteren Zeitpunkt widmete er seine Aufmerksamkeit verschiedenen Schriften der Kirchenväter und Scholastiker und lernte dazu noch Griechisch, um Texte im Original lesen zu können. Dabei war seine Motivation vor allem die, dass er sich mit Gelehrten des Hofes auf Augenhöhe unterhalten konnte und er sich durch seine Fähigkeiten den Respekt der Gelehrten erlangen wollte.32 Diese letzteren Fähigkeiten lernte er aber später, zur Zeit in der er regierte. Als Kind schien er sich schnell an Tätigkeiten zu langweilen. Seine Erzieher beschrieben ihn nicht nur als impulsiv und leicht reizbar, sondern auch als einen extrovertierten Jungen, der nicht leicht zu bremsen war und zu einem cholerischen Temperament neigte, was bereits erwähnt wurde. Deshalb lernte er auch eine Vielzahl an Freizeitaktivitäten. Nach Appel beinhalteten diese Fähigkeiten: Reiten, Jagen, die Falknerei, Ringen, Tennis und Turnierkämpfe.33
Im Gegensatz zu seinem Bruder Arthur, der als kleiner und schwacher Junge beschrieben wird, soll Heinrich ein kräftiges, pausbäckiges Kind gewesen sein34, musste allerdings nach dem Tod seines Bruders Arthur ein anderes Leben führen, in welchem er sichtlich ausgebremst wurde. Sein älterer Bruder Arthur starb nur wenige Monate nach seiner Vermählung mit Katharina von Aragon am 2. April 1502. Mit dem Tod seines Bruders wurde er in die Öffentlichkeit gedrängt und musste ab dort den Pflichten und Aufgaben eines Thronfolgers nachkommen.35 Heinrich VII. soll nach der Katastrophe, dem plötzlichen Tod seines Erben, Angst um seinen zweiten Sohn Heinrich gehabt haben und nahm ihn unter Verschluss. Eine Vermutung könnte sein, dass Heinrich VII. aufgrund der temperamentvollen Natur Heinrichs36, eine Erziehungsmaßnahme ergriff, um ihn zu bändigen, indem er ihn „einsperrte“. Logischer ist allerdings, dass er die Dynastie der Tudors sichern wollte und somit Heinrich bestmöglich beschützt sehen wollte. Der spanische Botschafter Don Gomez de Fuensalida, berichtete laut Baumann, dass der englische Kronprinz überdurchschnittlich gut bewacht wurde. Heinrich konnte demnach den Palast nur über ein Tor hinweg verlassen und auch nur in der Begleitung von ausgewählten Bediensteten. Außerdem war das Zimmer von Heinrich nur durch eine einzige Tür zu erreichen, die untermittelbar an die Tür des Königs grenzte.37 Ein weiterer Schachzug sollte die Vermählung Heinrichs mit einer klug ausgewählten und politisch gewinnbringenden Braut sein.
Nach dem Tod Arthurs wurde Heinrich bereits als zwölfjähriger der fünf Jahre älteren Witwe Arthurs versprochen. Im Jahr 1503 wurde ein Vermählungsvertrag zwischen Ferdinand II. und Heinrich VII. unterzeichnet.38 Allerdings war, damit die Ehe als rechtens angesehen werden konnte, ein päpstlicher Dispens nötig, da eine eheliche Verbindung mit dem Schwager ein kanonisches Verbot darstellte. Katharina schwor im Beisein ihrer Hofdame, dass die Ehe nie vollzogen worden sei, damit der Papst den Dispens gewähren konnte.39
Die Regentschaft Heinrichs begann mit dem Tod seines Vaters. Heinrich VII. starb am 22. April 1509 und wurde neben seiner zuvor verstorbenen Frau in Westminster Abbey beerdigt. Noch am selben Tag bestieg Heinrich den Thron und wurde König Heinrich VIII. von England. Um sein Versprechen gegenüber Spanien zu halten, heiratete er kurze Zeit später Katharina von Aragon.40 Die Bevölkerung feierte den Herrschaftsantritt von Heinrich gleichsam dem Anfang eines neuen Zeitalters. Heinrichs Vater, der zuvor den Ruf eines geldgierigen Königs wett hatte, hat in den Jahren seiner Regierung wenig Geld in England investiert und es vielmehr nur in die englische Staatskasse fließen lassen.
Heinrich VIII. dagegen konnte sich mit seiner Großzügigkeit und mit seinem Ehrgeiz beim Volk beliebt machen. Nicht, dass das nötig gewesen wäre. Ohne sich beweisen zu müssen, feierten jene bereits ihren neuen König. Das lag zum Teil daran, dass Heinrich die vom Adel, vom Klerus und vom Volk verhassten Finanzminister Empson und Dudley, einen Tag nach seiner Thronbesteigung verhaften und hinrichten ließ. Dadurch bekam er enormen Zuspruch von der Bevölkerung. Die Finanzminister hatten sich allerorts den Spitznamen „die Blutegel“ gemacht.41 Bald darauf folgten weitere Taten Heinrichs. Er kümmerte sich um die teils verwahrlosten Paläste und königlichen Residenzen und verhalf ihnen durch Umbaumaßnamen zu erneutem Prunk. Zusätzlich zu den bereits vorhandenen Residenzen, kamen neue hinzu. Er widmete sich außerdem dem Ausbau der englischen Kriegsflotte42 und wird laut Erbe, als der „Begründer der englischen Seemacht“ betrachtet.43 Doch in der Anfangszeit seiner Herrschaft beschäftigte er sich wenig mit politisch Angelegenheiten, sondern stürzte sich vielmehr in verschiedene Freizeitgestaltungen.
In den ersten Jahren seiner Regentschaft wurde Heinrich als sehr lebensfroh beschrieben und als wäre er, in seinen Aktivitäten, nicht zu bremsen.44 Dieses Verhalten lässt sich durchaus nachvollziehen oder daran erklären, dass er in den Jahren zuvor, von seinem Vater wie in einem Gefängnis festgehalten wurde45 und kaum Freiheiten hatte oder sportlichen Aktivitäten hätte nachkommen können, da diese vermutlich zu gefährlich für den Thronfolger gewesen wären. Heinrich verbrachte also seine Zeit vorwiegend damit zu singen, zu komponieren und ließ im ganzen Land nach Männerstimmen suchen, um den königlichen Chor mit neuen Talenten zu bestücken. Heinrichs erste Jahre waren somit eine endlose Reihung von Banketten, Festlichkeiten, sportlichen Wettkämpfen und ritterlichen Turnieren. Diese glanzvolle Zeit wurde dann davon überschattet, dass das erste gemeinsame Kind von Heinrich und Katharina geboren wurde. Zweifellos war das zunächst der Höhepunkt von Heinrichs Festen, da das Kind, zudem ein Sohn war. Allerdings verstarb der Säugling binnen eines Monats.46 Leider waren auch die anderen Schwangerschaften von Katharina von Verlusten geprägt. Neben einigen Fehlgeburten, Totgeburten und Säuglingen die nur kurze Zeit überlebten, wurde nur ein Kind geboren, das überlebte: Maria I. Laut Rex liegt in diesen Tragöden die Ursache für die Ereignisse der nächsten Jahre: Die Scheidungen von Heinrich VIII., der Bruch mit Rom und die Reformation in England.47 Kurz nach seinem Regierungsantritt eröffnete Heinrich VIII., er würde gegen den König von Frankreich in den Krieg ziehen.48 Zu der Zeit hatte Heinrich keinerlei Gründe gegen Frankreich in den Krieg zu ziehen, weshalb diese Aussage von Heinrich Baumann zufolge, als propagandistisches Motiv gedeutet werden kann. Heinrich wollte sich gegenüber der kriegsmüden Haltung seines Vaters klar distanzieren und hervorheben49. Ganz im Gegenteil seines Vaters bewunderte er sogar die Könige wie Edward I, Edward II., Edward III. und Heinrich V., bezüglich ihrer Schlachterfahrung und sah sie als eine Art Vorbild an.50 Doch es sollte sich bald eine Gelegenheit für Heinrich VIII. ergeben, sich in Schlachten zu proben. Der Papst Julius II. wollte gegen Frankreich in den Krieg ziehen, um Frankreich aus Italien zu vertreiben und somit Italien zu befreien. Ludwig XII., der König von Frankreich, reagierte und berief das Konzil von Pisa ein, vermutlich um den Papst seines Amtes zu entheben und um somit den Krieg aufzuhalten.
Allerdings war das Konzil ein Fehlschlag.51 Doch für Heinrich bot sich die Gelegenheit dem Papst seine Unterstützung zu zeigen. Papst Julius gründete die „Heilige Liga“, eine Verbindung von Königen und Kardinälen zur Bekämpfung Frankreichs, zu der er auch Heinrich VIII. berief. Heinrich VIII. nahm diese Gelegenheit an. Vermutlich nicht nur um sich endlich auf dem Schlachtfeld beweisen zu können, sondern um sich auch die Gunst des Papstes zu sichern. Auch die moralischen Gegenargumente bzgl. eines Krieges, die die Zeit aufgrund des auftreibenden Humanismus‘ beschäftigten, wurden mit der Befürwortung des Krieges von Papst Julius ausgeblendet. Wenn selbst der Papst einen Krieg gegen Frankreich befürworten konnte, dann konnten sich loyale Christen nicht gegen eine solche Entscheidung stellen. Und noch besser: Ein Krieg schien in Anlehnung dessen keineswegs unmoralisch.52 Für Heinrich erhob sich ein weiterer Vorteil: Der Papst hatte ein Breve erlassen, das Heinrich die Titel und den Ruhm, wie denen eines französischen Königs, zugesprochen werden sollten, wenn er ihn im Krieg unterstützen würde.53 Das Verhältnis zum Papst schien hervorragend zu sein.
In Punkto Religiosität und Frömmigkeit war König Heinrich stets ein Vorbild.54 Beispielsweise machte er unter anderem eine Wallfahrt nach Walsingham55 und setzte sich für einen zu Unrecht verurteilten angeblichen Ketzer ein.56 Aber im Lauf der Zeit sehnte es Heinrich VIII. nach einem religiösen Titel. Vermutlich hat dieser Eifer daran gelegen, dass bereits Oberhäupter der anderen Monarchien Königstitel mit religiöser Anlehnung trugen. Die Könige Frankreichs hielten den Titel der „allerchristlichsten Könige“57 und Spanien den Titel der „katholischen Könige“.58 Vermutet wird bis heute, dass Heinrich sein Werk: „Assertio Septem Sacramentorum adversus Martinum Lutherum“, in erster Linie nicht verfasst hat um seine religiösen Ansichten kundzutun, sondern um sich um einen religiösen Titel zu bemühen, der ihm vom Papst verliehen werden sollte.59 Sicherlich war dies nicht sein einziges Motiv, denn er verfasste noch zwei weitere Schriften gegen Luther.
[...]
1 Dieser Kinderreim aus einem englischen Schulbuch und zählt bis heute als bekanntester Merksatz zu Heinrich VIII. Vgl. Berg, Heinrich VIII. von England, S. 9.
2 Elton, G. R., Studies in Tudor and Stuart politics and government. Papers and reviews, London: Cambridge Univ. Press 1992, S.174.
3 Berg, Dieter, Heinrich VIII. von England. Leben - Herrschaft - Wirkung, Stuttgart: Kohlhammer Verlag 2013, S. 27.
4 Vgl. Ebd., S. 28.
5 Kluxen, Kurt, Geschichte Englands. Von den Anfängen bis zur Gegenwart (Kröners Taschenausgabe), 41991, S. 166.
6 Vgl. Ebd., S. 166.
7 Rex, Richard, Die Tudors. [Englands Aufbruch in die Neuzeit 1485 - 1603], 2006, S. 11.
8 Ebd., S. 14.
9 Rex, Die Tudors, S. 12.
10 Ebd.
11 Im Tower of London befindet sich bis heute die königliche Schatzkammer.
12 Rex, Die Tudors, S. 24 ff.
13 Baumann, Uwe, Heinrich VIII. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten (Rowohlts Monographien), 1991., S. 20.
14 Tscherpel, Gudrun, The importance of being noble. Genealogie im Alltag des englischen Hochadels in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, Zugl.: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 1999 (Historische Studien 480), Husum: Matthiesen 2004, S. 48.
15 Ebd., S. 48.
16 Ebd., S. 49.
17 Vgl. Baumann, Heinrich VIII, S. 17.
18 Vgl. Rex, Die Tudors, S. 48.
19 Vgl. Baumann, Heinrich VIII, S. 12.
20 Diese Quelle ist allerdings nicht belegbar und wird in der Historik stark angezweifelt da, Lord Cherbury als einziger Biograf über diese Information verfügte und auch keine Quelle dazu angeben kann, die 150 Jahre nach dem Tod von Heinrich plötzlich auftauchte. Vgl. Baumann ebd., S. 12 ff.
21 Vgl. Rex, Die Tudors, S. 48.
22 Baumann, Heinrich VIII., S. 11.
23 Ebd., S. 11 ff.
24 Es war üblich, dass Ämter und Ernennungen von Stellvertretern ausgeführt wurden, falls die Besetzung dieser Ämter und Ernennungen minderjährig war. Vgl. Baumann, Heinrich VIII, S. 12.
25 Ebd., S. 13.
26 Vgl. Erbe, Michael, Heinrich VIII. (1509-1547), in: Peter Wende (Hg.), Englische Könige und Königinnen. Von Heinrich VII. bis Elisabeth II, München: Beck 1998, 30-46.
27 Appel, Sabine, Heinrich VIII. Der König und sein Gewissen ; eine Biographie (Beck'sche Reihe), 2012., S. 30.
28 Vgl. Ebd., S. 31.
29 Vgl. Weiler, Tanja, Heinrich VIII. und die englische Reformation: Der lange Weg zum Bruch mit Rom, Hamburg: Diplomica Verlag 2014, S.3.
30 Vgl. Appel, Heinrich VIII., S. 31.
31 Vgl. Ebd., S. 31 ff.
32 Vgl. Appel, Heinrich VIII, S. 30.
33 Ebd., S. 31 ff.
34 Ebd., S. 33.
35 Vgl. Baumann, Heinrich VIII, S. 12.
36 Appel, Heinrich VIII, S. 33.
37 Baumann, Heinrich VIII, S.12.
38 Vgl. Baumann, Heinrich VIII., S. 17 ff.
39 Erbe, Heinrich VIII. (1509-1547), S. 33.
40 Baumann,Heinrich VIII., S. 20.
41 Appel, Heinrich VIII., S.55.
42 Ebd., S. 33.
43 Ebd.
44 Baumann, Heinrich VIII., S. 15.
45 Vgl. Ebd., S. 15.
46 Vgl. Baumann, Heinrich VIII, S. 25.
47 Rex, Richard, Die Tudors. [Englands Aufbruch in die Neuzeit 1485 - 1603], 2006., S. 50.
48 Brewer/Gairdner, Letters and papers, foreign and domestic, of the reign of Henry VIII., preserved in the public record office, the British Museum, and Elsewhere in England., S. 5.
49 Baumann, Heinrich VIII., S.27.
50 Ebd., S. 26
51 Vgl. Rex, Die Tudors., S. 51.
52 Ebd.
53 Vgl. Baumann, Heinrich VIII, S. 30.
54 Vgl. Weiler, Heinrich VIII. und die englische Reformation: Der lange Weg zum Bruch mit Rom., S. 23.
55 Vgl. Elton, G. R., Reform and reformation. England 1509 - 1558, 1979, S. 104.
56 Vgl. Rex, Die Tudors, S. 56.
57 Appel, Heinrich VIII., S. 132.
58 Ebd.
59 Appel, Heinrich VIII., S. 133.