Masterarbeit, 2015
83 Seiten, Note: 2
abstract
1. Einleitung
2. Kultur und kulturelle Identität in Kematen/Ybbs
2.1 Die Interdependenz von Identität und Integration im Gemeindeleben
2.2 Kulturelle Identitäten in der Gemeinde
2.3 Die multikulturelle Gemeinde Kematen/Ybbs
3. Polarisierende Perzeptionen als Ursache für Konflikte
3.1 Psychologische Faktoren für die Entstehung von Stereotypen
3.2 Stereotype im Kontext kultureller Identität
3.3 Stereotype und Alterität in interkultureller Begegnung
4. Interkulturelle Begegnungen als Chance für Integration
4.1 Multikulturalität und Interkulturalität aus Gemeindeperspektive
4.2 Die pluralitätsfähige Gesellschaft als Voraussetzung für den Abbau von Stereotypen
4.3 Erfolgreiche Integration aus kommunaler Perspektive
5. Interkulturelles Integrationskonzept für die Gemeindeverwaltung Kematen/Y
5.1 Sprache und Bildung
5.2 Jugendarbeit und Freizeit
5.3 Miteinander leben in der Gemeinde
5.4 Kooperation, Information und Bewusstseinsbildung
6. Zusammenfassung
7. Literaturverzeichnis
Ziel meiner Arbeit ist es zu ergründen, wie eine pluralitätsfähige Gesellschaft in der Gemeinde Kematen/Ybbs zum Abbau von gegenseitigen Stereotypen und Vorurteilen der lokalen Gemeindebevölkerung und der Muslime im öffentlichen Leben beitragen kann. Dazu erstelle ich anhand einer Literaturrecherche ein interkulturelles Integrationskonzept für die Gemeindeverwaltung, das als zentrale Elemente die Themen kulturelle Identität, Stereotype, Multi- bzw. Interkulturalität und Integration enthält, die miteinander interdependent verbunden sind. Eine wichtige Voraussetzung für den Integrationsprozess bildet die Pluralitätsfähigkeit der Gemeindebevölkerung als Ausdruck der Bereitwilligkeit, den Anderen in seiner Eigenart anzuerkennen, als gleichberechtigt anzusehen und ihm seine individuelle Ausdrucks- und Partizipationsmöglichkeit im Gemeindeleben zu gewähren. Interkulturelle Begegnungen fördern dabei den Abbau von Stereotypen und stellen somit eine Chance für Integration dar. Diese ist als Prozess zu verstehen, in dem die gesamte Gemeindebevölkerung eingebunden ist und der alle Bereiche des öffentlichen Lebens umfasst.
Stichworte: Kulturelle Identität, Multi- und Interkulturalität, Stereotype, Integration
The aim of my thesis is to explore in which way a plurality-enabled society can contribute to the reduction of mutual stereotypes and prejudices in public life in Kematen/Ybbs set up by the local municipal population and of Muslims. Therefore I have followed an intercultural approach for integration in the municipality, containing the themes of cultural identity, stereotypes, multi - and intercultural integration as central elements connected with each other interdependently. An important prerequisite for the integration process is the ability of plurality in the municipal population as an expression of good will to recognise others in their characters, to be regarded as equal and to grant them individual expression - and the possibility of participation in community life. Intercultural encounters help to eliminate stereotypes and therefore represent an opportunity for integration. This is regarded as a process, in which the entire population of the municipality is involved and which covers all areas of public life.
Keywords: Cultural identity, multi- and interculturalism, stereotypes, integration
Im modernen Europa leben Menschen mit unterschiedlichsten Religionen und Kulturen in multikulturellen Gesellschaften dicht nebeneinander. Das fremde Andere ist zu einer selbstverständlichen Erscheinung im Lebensalltag geworden und dadurch Fremdheit und Normalität zu sich wechselseitig beeinflussenden Unterscheidungsmerkmalen (vgl. Hunfeld 1997: 4). Durch den Umgang im Alltagsleben werden dabei auch Bereiche der eigenen kulturellen Identität berührt. Es treffen verschiedenartige kulturelle Werte und Normen aufeinander, auf Basis derer spezifische soziale Verhaltensmuster entwickelt werden, die zur Ausbildung von Stereotypen und in Folge zu Konflikten führen. In meiner bereits über 20 Jahre langen beruflichen Tätigkeit in der Gemeindeverwaltung der Marktgemeinde Kematen/Ybbs sind multikulturelle Begegnungen ein fixer Bestandteil meines Arbeitsalltages geworden. Dabei erlebe ich im Zuge der Amtshandlungen nicht nur laufend interkulturelle Verständigungsprobleme, sondern stelle auch eine starke Stereotypisierung im Umgang der Kematner Gemeindebevölkerung mit Angehörigen der örtlichen islamischen Glaubensgemeinschaft (Union Islamischer Kulturzentren) fest. Die Akzeptanz dieser in der Gemeinde ist gering, und daher findet auch kaum ein sozialer Austausch zwischen diesen Bevölkerungsgruppen durch Kommunikation und Interaktion statt. Die lokale Gemeindebevölkerung setzt sich aus Menschen mit röm.-kath., altkatholischer und evangelischer Konfession zusammen sowie aus Menschen, die keiner Glaubensgemeinschaft angehören (vgl. Gemeinde Kematen 2014: o.S.). Der im Jahr 1980 in Wien gegründeten Union Islamischer Kulturzentren in Österreich sind bundesweit 45 autonome Moschee- und Bildungsvereine angegliedert. Diese bilden in ihrer Gesamtheit einen gemeinnützigen Verein, der im kulturellen und sozialen Bereich tätig ist. Der Standort Kematen/Ybbs besteht seit dem Jahr 1998. Das Vereinsziel stellt die Fürsorge und Betreuung von österreichischen Muslimen im kulturellen, religiösen und sozialen Bereich dar (vgl. Union Islamischer Kulturzentren 2015: o.S.). Das Gesellschaftsleben der Gemeinde Kematen/Ybbs ist durch ein kulturelles Nebeneinander geprägt. Sowohl die lokale Gemeindebevölkerung als auch die Muslime akzeptieren zwar die fremdkulturellen Werte des jeweils anderen, gehen jedoch nicht aktiv aufeinander zu. Ein wesentliches Hindernis für Interkulturalität stellen dabei gegenseitige Stereotype dar. Dabei führt insbesondere die Position der Muslime in der Gemeinde als Minderheit zu Konflikten, da die kulturellen Werte und Normen von der lokalen Gemeindebevölkerung festgelegt werden. Da diese die Mehrheitskultur darstellt, wird von den Muslimen eine Anpassung gefordert. Vor allem herrscht bei ihnen die stereotypisierte Meinung vor, dass sie bei der Orientierung im Alltagsleben von der Gemeinde nicht unterstützt werden und ihnen seitens der lokalen Gemeindebevölkerung weitgehend mit Ablehnung und Arroganz begegnet wird (vgl. Haselhofer 2014: 1-2). Diese führt zu einem Rückzug in die vertraute Umgebung und zur Vermeidung von sozialen Kontakten mit der lokalen Gemeindebevölkerung z.B. bei Gemeindeveranstaltungen oder Vereinsfesten. Ergänzend dazu verhindert Alterität - als Ausdruck von historisch kulturellen Vorstellungsbildern - zwischenmenschliche Kontakte der lokalen Gemeindebevölkerung mit den Muslimen (vgl. Lipiansky 2006: 117-120). Darüber hinaus führen Wissensdefizite über die fremdkulturellen Werte und Normen und vorgefasste Meinungen des jeweils anderen zu einer weiteren Abgrenzung der beiden Bevölkerungsgruppen und in Folge zu Konflikten. Diese Arbeit ist wissenschaftlich relevant, da es trotz der Wichtigkeit und Aktualität dieser Thematik bisher noch keine Abhandlungen zu dieser Fragestellung gibt. In meiner Diplomarbeit „Vom multikulturellen zum interkulturellen Zusammenleben in der Gemeinde Kematen/Ybbs“ im Rahmen des Universitätslehrganges Interkulturelle Kompetenzen 2013/2014 habe ich mich bereits eingehend mit der Entwicklung des Zusammenlebens der Kematner Bevölkerung und Angehörigen der örtlichen islamischen Glaubensgemeinschaft auseinandergesetzt. Die gegenständliche Arbeit baut auf diesen Erkenntnissen auf, erweitert den Fokus um den Stellenwert und den Einfluss von Stereotypen und führt auf Basis einer Literaturrecherche diese neuen Erkenntnisse in einem Integrationskonzept zusammen. Dabei gehe ich der Forschungsfrage nach, wie eine pluralitätsfähige Gesellschaft in der Gemeinde Kematen/Ybbs zum Abbau von gegenseitigen Stereotypen und Vorurteilen der lokalen Gemeindebevölkerung und der Muslime im öffentlichen Leben beitragen kann und erstelle ein interkulturelles Integrationskonzeptes für die Gemeindeverwaltung Kematen/Ybbs. Meine Arbeit gliedert sich in die thematischen Schwerpunkte kulturelle Identität, Stereotype, Multi- bzw. Interkulturalität und Integration, die miteinander wechselwirksam in Verbindung stehen. Zu Beginn präsentiere ich einen Überblick über die Begriffe Kultur und kulturelle Identität hinsichtlich ihrer Funktion und Bedeutung für das gesellschaftliche Zusammenleben und gehe auf die historische Entwicklung der Begriffe vom Containerdenken bis hin zu multidimensionalen Verflechtungen ein. Besonders relevant für diese Arbeit ist dabei die Verbindung von Kultur als erlerntes kollektives Phänomen mit Integration (vgl. Hofstede, G./Hofstede J. 2009: 3ff.). Dabei bilden die kulturtypischen Verhaltensmuster die Basis zur Entstehung von Stereotypen und stellen daher ein Integrationshindernis dar. Bei der Entwicklung des Begriffes kulturelle Identität stütze ich mich auf das differenzlogische Kulturkonzept nach Hansen (1995: 179), das von einer grundlegenden Differenz in den Lebensweisen der Individuen ausgeht und Kultur, z.B. in Form von Sprache oder Traditionen, als Gemeinsamkeit sieht. Diesen Ansatz habe ich ausgewählt, da er meiner Meinung nach sehr gut den Wandel von Differenz zu Gemeinsamkeit im Sinne von verbindendem Denken darstellt. Andererseits impliziert er auch bereits Assimilationsforderungen im Bereich Sprache, die in einem interkulturellen Integrationskonzept berücksichtigt werden müssen. Ergänzend dazu untersuche ich den wechselwirksamen Einfluss der Sozialisation auf die Kulturstandards als kollektive Vorgaben und des Habitus als klassenspezifisch erworbene Verhaltensmuster auf die individuelle kulturelle Identität (vgl. Hansen 1995: 139; Tieben 2003: o.S.). Diese Erkenntnisse lege ich auf die Bevölkerungsgruppen in der Gemeinde um. Anschließend stelle ich einen Zusammenhang zwischen kultureller Identität und Integration her. Dabei verwende ich die elaborierte Theorie nach Esser (2001: 1-77) als Grundlage für meine Arbeit. Da diese jedoch kulturelle Assimilation – vor allem im Bereich der Sprache - als zentrales Kriterium für Sozialintegration sieht, werden darin wesentliche Kriterien für eine erfolgreiche Integration - wie soziale Anerkennung oder multiple Identitäten - nicht berücksichtigt. Daher ergänze ich diese Theorie durch den Ansatz nach Filsinger (2002: 13), für den die Gruppenzugehörigkeit ein wichtiger Parameter im Integrationsprozess ist und somit die soziale Anerkennung durch die Aufnahmegesellschaft ein zentrales Kriterium darstellt. Eine weitere Ergänzung ist nach Pries (2001: 1) durch die Berücksichtigung von multiplen Identitäten notwendig. Darin geht er davon aus, dass die stetige Einbindung in die sozialen Netzwerke des Herkunfts- und Aufnahmelandes positive Auswirkungen auf Stereotypisierungen und den Integrationsprozess hat, da kein vollständiger Verlust der individuellen kulturellen Werte und Orientierungsschemata im Zuge der Migration erfolgt. Im nächsten Abschnitt gehe ich der Frage nach, wie kulturbedingt unterschiedliche Perzeptionen zustande kommen, sich daraus Ethnozentrismen und selektive Wahrnehmung entwickeln und in Folge zur Entstehung von Stereotypen und Konflikten führen. Als Basis dafür verwende ich die Kulturdefinition nach Thomas (2005a: 22-25), da für ihn Kultur eine Orientierungshilfe im Prozess der Wahrnehmung darstellt und dabei die erlernten Denk- und Handlungsschemata die Grundlage für Ethnozentrismen bilden und die Entstehung von Stereotypen fördern. Anschließend untersuche ich den Einfluss von psychologischen Aspekten auf die Entstehung von Stereotypen, betrachte diese im Kontext kultureller Identität und gehe darauf ein, wie diese interkulturelle Begegnungen behindern. Dabei stütze ich mich auf die Theorie nach Graumann (1999: 61-72), da für ihn durch die Identifikation mit kollektiven Werten eine Verbindung von sozialer und kultureller Identität erfolgt und dabei soziale Kategorisierungsprozesse mit kulturellen Werten verbunden werden. Daraus ergibt sich eine Betonung der Rolle der Gruppenzugehörigkeit, auf Basis deren sich in Folge - nach der Theorie der sozialen Identität nach Tajfel (1982: 22-38) - Ein- und Ausgrenzungsmechanismen bilden, die über Gruppendynamiken bis hin zu Rassismus führen. Zur Entstehung von Stereotypen habe ich den Ansatz nach Thomas (2006: 3-7) gewählt, da er Vorurteile als Hindernis für interkulturelle Begegnungen im Kontext sozialer Einstellungen sieht und diese dadurch erlernbar und veränderbar sind. Die Bedeutung für Integration ist in diesem Kontext insbesondere durch den Fokus auf die Veränderbarkeit gegeben, da Integration gesellschaftliche Veränderungsprozesse durch Migration zugrunde liegen und diese eine wechselseitige, gesamtgesellschaftliche Aufgabe darstellt. Im nächsten Abschnitt verstehe ich interkulturelle Begegnungen als Chance für Integration. Insbesondere durch die Veränderung der gesellschaftlichen Struktur durch Migration – z.B. durch Sprache oder kulturelle Vielfalt – kommt Interkulturalität im Integrationsprozess eine große Bedeutung zu. In diesem Kontext sehe ich Multi- und Interkulturalität aus Gemeindeperspektive und gehe dabei auf die geschichtliche Entwicklung der beiden Begriffe ein, da diese ein wesentliches Element für das Verständnis dieser darstellt. Demgemäß reichen die Definitionen der Multikulturalität von Pluralismus als Bereicherung für das Gesellschaftleben (Kallan) über die Wichtigkeit der Anerkennung von Angehörigen fremder Kulturen als Gruppe (Taylor) bis zu daraus resultierenden Folgen für die Gesellschaftsstruktur durch die Sichtweise von Kulturen als abgeschlossene Container, die Nationalismen und Diskriminierungen impliziert (vgl. Demorgon/Kordes 2006: 28-31). Für meine Arbeit habe ich den Ansatz nach Bolten (2007: 22) gewählt, der Multikulturalität als eine soziale Organisationsstruktur darstellt, in der die Interaktionen von Angehörigen aus verschiedenen Lebenswelten im Mittelpunkt stehen. Weiters geht er auf Basis dieser von einer stufenweisen Entwicklung von Multi- zu Interkulturalität (Ignoranz-Toleranz-Akeptanz) aus. Bedeutsam für die Erstellung eines Integrationskonzeptes sind dabei die beschriebenen Interaktionen, da durch diese die Wichtigkeit des Gemeinsamen im Sinne einer Einbeziehung aller Akteure sowie die Darstellung der Entwicklung als Wandel von Multi- zu Interkulturalität zum Ausdruck kommen. Auch Interkulturalität wird meiner Meinung im Kontext von Integration von Bolten (2007: 22) sehr treffend definiert: Aufbauend auf den beschriebenen Interaktionen stellen diese die höchste Stufe des Interaktionsgrades in der Entwicklung von Multi- zu Interkulturalität dar. Zentral für ihn ist dabei die Schaffung eines Raumes zwischen den Lebenswelten, in dem die Differenzen zwischen den verschiedenen Kulturen zwar bestehenbleiben, diese jedoch als gleichwertig gesehen werden und Synergien entstehen. Mit dem Fokus auf die Erstellung eines Integrationskonzeptes verdeutlicht dieser Ansatz sehr gut die Entwicklung von zwei getrennten Lebensräumen und Kulturen im Sinne eines Nebeneinanders hin zu einem gemeinsamen Lebensraum, bei dem das Miteinander im Vordergrund steht. Quasi als Messinstrument für diesen Wandel übertrage ich die Gemeindesituation auf das „Developmental Model of Intercultural Sensitivity“ (DMIS) nach Bennett. Dieses verbindet interkulturelle Kompetenz mit einem konkreten Lernprozess und gliedert sich in sechs Stufen, die den Wandel von Ethnozentrismus zu Ethnorelativismus darstellen (vgl. Bennett 1998: 26; Benett J./Bennett, M. 2004: 152). Dieses Modell verdeutlicht insbesondere auch den für diese Arbeit zentralen Einfluss und die Auswirkungen von Stereotypen und veranschaulicht diesen. Weiters stellen dabei interkulturelle Wahrnehmung und Kommunikation wichtige Parameter für die prozessuale Entwicklung dar. In diesem Kontext verwende ich für die Ausbildung einer interkulturellen Handlungskompetenz zwei Theorieansätze, die sich wechselseitig ergänzen und meiner Meinung nach besonders für diese Arbeit geeignet sind: Nach Herbrand (2002: 33-36 und 144-146) erstreckt sich interkulturelle Kompetenz auf die affektive, kognitive und verhaltensbezogene Ebene und impliziert somit nicht nur theoretisches Wissen, sondern schließt auch die Gefühlsebene mit ein und und verknüpft diese Parameter mit konkreten Umsetzungsrichtlinien in der realen Lebenswelt. Besondere Bedeutung in diesem Ansatz stellt die Maxime dar, dass Individuen neue Perspektiven geboten werden sollen, das eigene Verhalten zu ändern, und eine Anpassung an die fremdkulturellen Normen und Werte des Aufnahmelandes nach freiem Ermessen erfolgt. Diese Denkweise widerspricht somit Assimilationsforderungen und ermöglicht die - für eine erfolgreiche Integration essentielle - gleichberechtigte Partizipation am Gesellschaftsleben. Ergänzend dazu ist es von Bedeutung, die Verschiedenheit als Dialog mit dem Fremden zu sehen. Diese Position baut auf einem gemeinsamen Diskurs und Lernprozess auf und soll durch Selbstreflexion Multiperspektivität im Handeln vermitteln. Dabei kommt es zu einer interdependenten Weiterentwicklung, die beiden Gesprächspartnern einen Zugang zur Logik des jeweils anderen gewährt. Besonderen Stellenwert im Kontext von Stereotypen hat dabei der biografische Ansatz, da er die individuellen Vormeinungen der Beteiligten berücksichtigt und hinterfragt (vgl. Udeani 2014b: o.S.; Udeani 2015: 7-17). Für eine erfolgreiche Integration aus kommunaler Perspektive bedarf es daher einer Zusammenführung der Erkenntnisse aus allen Theorien und einer Umlegung auf die Gemeindesituation. Essentiell ist es dabei, den in Folge der Migration stattfindenden Orientierungsverlust von individuellen kulturellen Werten zu berücksichtigen und auf die damit verbundenen Erwartungshaltungen und Ängste einzugehen. In dem daraus resultierenden Identitätsfindungsprozess kann die Entstehung von Stereotypen und Vorurteilen durch die Wiederherstellung des verlorengegangen Gleichgewichtes positiv beeinflusst werden. Dabei haben existenzsichernde Maßnahmen im Bereich der sozialen Partizipationsmöglichkeiten und der interkulturellen Wertschätzung einen besonderen Stellenwert (vgl. Langer 2004: 63). In diesem Kontext stellt die Pluralitätsfähigkeit der Gesellschaft ein zentrales Element dar. Nur wenn diese dazu bereit ist, die individuellen Ansprüche aller Bevölkerungsgruppen als gleichwertig anzuerkennen und ihnen ihre Ausdrucksmöglichkeit zu gewähren, kann ein Integrationsprozess stattfinden und aus einem gesellschaftlichen Nebeneinander ein Miteinander entstehen (vgl. Gehring/Niemann 1977: 11-38; Hunfeld 2004: 412-413). Demzufolge stellen Elemente wie Bewusstseinsbildung, Selbstreflexion und die Förderung von Interkulturalität wesentliche Elemente des Integrationskonzeptes dar. Aus diesen ergeben sich in Form von Richtlinien für die Gemeindepolitik und einer Orientierungshilfe im Zusammenleben zwei Handlungsschwerpunkte, deren Umsetzung auch der Schaffung von entsprechenden Rahmenbedingungen und Entscheidungsstrukturen auf politischer-, gesellschaftlicher- und Verwaltungsebene bedarf. Da es sich bei erfolgreicher Integration um einen gesamtgesellschaftlichen Prozess handelt, müssen auch alle Bereiche des öffentlichen Lebens in diesen eingebunden sein (vgl. Integrationsbeirat der Stadtgemeinde Wörgl 2009: 10-14). Demzufolge liegt der Fokus meiner Arbeit auf den Bereichen Sprache und Bildung, Jugendarbeit und Freizeit, Miteinander leben in der Gemeinde sowie Kooperation, Information und Bewusstseinsbildung. In diesen nimmt das Thema Sprache und Bildung eine Schlüsselposition ein, da nach Esser (2001: 74-76) kulturelle Assimilation weitgehend vom Spracherwerb abhängig ist und somit der Bildungs- und Sprachförderung eine hohe Bedeutung zukommt. Besonders gute Chancen, auf den beschriebenen Identitätsfindungsprozess positiv einzuwirken, ergeben sich im Jugend- und Freizeitbereich (vgl. Zwicklhuber 2003: 42). Dabei ist es wichtig, durch interkulturell zielgerichtete Jugendarbeit die Entwicklung der individuellen Identität zu unterstützen und somit das Offenbleiben der Jugendlichen für interkulturelle Kontakte zu fördern. Dafür bietet sich speziell der Freizeitbereich an, in dem den örtlichen Sport- und Freizeitvereinen eine zentrale Bedeutung zukommt, da sie durch die Repräsentation aller Bevölkerungsschichten eine hohe Integrationskraft besitzen und daher als Bindeglieder der Gesellschaft fungieren können (vgl. Komm!unity Verein zur Förderung der Jugend-, Integrations- und Gemeinwesensarbeit 2013: 7-16). Darüber hinaus bilden die gemeinschaftlichen Aktivitäten und die Kommunikation untereinander wesentliche Rahmenbedingungen zum Abbau von Stereotypen. Ein weiterer wichtiger Ort der Begegnung liegt im unmittelbaren Wohnumfeld. Dieses bietet jedoch nicht nur Chancen für Sozialintegration, sondern ist auch der Ursprung vieler sozialer Konflikte (vgl. Integrationsbeirat der Stadtgemeinde Wörgl 2009: 24; Udeani 2003a: 56). Demzufolge ist es für eine erfolgreiche Integration von Bedeutung, speziell in diesem Bereich gezielte Maßnahmen zu setzen, um interkulturelle Kontakte zu fördern und Fehlentwicklungen – wie Ghettoisierungen – zu vermeiden. Da es sich bei Integration um einen weitreichenden, gemeinsamen Lernprozess handelt, kommt auch dem Bereich Kooperation, Information und Bewusstseinsbildung ein hoher Stellenwert zu (vgl. Integrationsbeirat der Stadtgemeinde Wörgl 2009: 21). Essentiell dabei sind vor allem die Vernetzung aller Bevölkerungsgruppen im öffentlichen Leben auf breiter Basis und eine Bewusstseinsbildung durch gezielte Informationsarbeit. Nur durch ein konsequentes Verfolgen dieser Maßnahmen kann Integration als kommunales Leitbild herausgebildet werden und damit die Voraussetzungen für einen Wandel vom gesellschaftlichen Neben- zum Miteinander geschaffen werden.
In die Kultur einer Gesellschaft fließen alle menschlichen Vorstellungen ein, welche die Grundlage für alle relevanten Verhaltensmuster bilden. Kultur formt somit menschliche Gefühlsregungen wie Ängste, Wünsche und Erwartungen und beeinflusst die Entstehung von Präferenzen und Vorurteilen. Durch das Verbinden von Emotionen mit Traditionen werden Erinnerungen aus dem kollektiven Wissensvorrat revitalisiert, in denen auch ihre dynamische Entwicklungsfähigkeit zugrunde liegt. Menschen fühlen sich ihrer Kultur jedoch nicht nur durch ihre gemeinsame Geschichte verbunden, sondern weil diese einen wesentlichen Bestandteil ihrer Persönlichkeit darstellt. Kulturelle Normen, Werte, Riten und Symbole helfen dabei, existenzielle Fragen zu beantworten und tragen damit zur Entwicklung der individuellen Identität bei (vgl. Langer 2004: 55). Kultur wirkt sich somit positiv auf den Zusammenhalt der Gesellschaft aus und trägt zu ihrem optimalen Funktionieren bei. In diesem Kontext verweist auch Huntington auf die besondere Bedeutung von kultureller Identität und hält Kultur sogar für einen elementaren Ordnungsfaktor des heutigen Weltsystems (vgl. Huntington 1997: 20-22). Die Begriffsbestimmungen von Kultur und Identität wurden laufend weiterentwickelt und an das pluralistische Denken der zweiten Moderne angepasst. Dabei wurde vom traditionellen Containerdenken, das Kultur als ein homogenes, begrenztes und unveränderliches Gebilde sieht, abgegangen und dieses um neue Perspektiven erweitert. Dazu zählen die Herausbildung von sozialer Identität ebenso wie das Bewusstmachen von Unterschieden und multidimensionalen Verflechtungen (vgl. Handler 1994: 29; Spindler, G./Spindler, L. 1993: IX). Die Begriffe Kultur und Identität sind dennoch nicht isomorph. Menschen mit gleicher Identität müssen demzufolge nicht zwangsläufig abgegrenzte kulturelle Einheiten bilden, obwohl die Symbole, um diese zu beschreiben, vom kulturellen Orientierungssystem her stammen. Während Kulturen sich ändern können, bleiben Identitäten häufig weiterbestehen. Dabei bietet die Identifikation mit gewissen Symbolen oder Normen eine verlässliche Orientierungsmöglichkeit in der Umwelt und stellt dadurch ein wichtiges Instrument dar, um Probleme zu lösen (vgl. Fitzgerald 1993: 186-194). Dieses prägt in Form von spezifischen Symbolen und Werten dauerhaft das menschliche Verhalten, impliziert jedoch weder Stabilität noch Unveränderbarkeit. In diesem Kontext sehen Hofstede, G./Hofstede J. (2009: 3ff.) Kultur als ein erlerntes kollektives Phänomen, das als mentale Software Formen von latenten Denk- und Handlungsmustern enthält. Bei diesen handelt es sich um wichtige Indikatoren für die Entstehung von Vorurteilen. Die in einer Kultur zum Ausdruck kommenden Werte wirken demzufolge auch auf gesellschaftliche Entwicklungen und können somit Integrationsprozesse fördern oder behindern (vgl. Pye 1985: 20f.).
Migrations- und Integrationsprozesse stellen keine neuen Erscheinungen der heutigen Zeit dar, sondern können bereits auf eine lange geschichtliche Entwicklung zurückblicken. Dennoch verlegen Menschen immer häufiger ihren Lebensmittelpunkt in eine andere Gesellschaft und in ein anderes Land. Somit impliziert das Thema Integration auch den Begriff Migration und als zentrale Frage stellt sich dabei, inwieweit sich Menschen, die einwandern, in einem neuen kulturellen Kontext anpassen oder aber ihre kulturellen Differenzen beibehalten. Daraus ergeben sich einerseits mit dem Fokus auf die Einwanderungsgesellschaft sowie andererseits auf die Integration zwei verschiedene Blickwinkel zu dieser Thematik, die es zu untersuchen gilt. Bereits im Jahr 1921 erstellten die amerikanischen Soziologen Parks und Burgess eine Assimilationstheorie. Dabei gingen sie von einem Race-Relations-Cycle aus, der entsteht, wenn ethnische Gruppen durch Migration in einem Gebiet zusammentreffen. In diesem Kontext vollzieht sich der Eingliederungsprozess in die Aufnahmegesellschaft in folgenden, unterschiedlichen Phasen der sozialen Interaktion: Kontaktphase, Wettbewerbsphase, Konfliktphase, Akkomodations- und Assimilationsphase. Während in der ersten Stufe friedliche, soziale Interaktion zwischen der migrantischen Bevölkerung und der Aufnahmegesellschaft stattfindet, entstehen in der Wettbewerbs- und Konfliktphase (z.B. am Arbeitsmarkt) Konflikte zwischen diesen, die auch Diskriminierungen zur Folge haben können. In der nächsten Stufe findet schließlich eine Akkomodation statt. Diese Phase stellt ein Resultat der Konfliktphase dar und ist durch eine oberflächliche Akzeptanz der Strukturen (z.B. Kultur, Tradition) dieser gekennzeichnet. Es erfolgt eine Anpassung an die Verhaltensmuster der Einheimischen und eine Weitergabe dieser adaptierten kulturellen Werte an folgende Generationen in Form von Traditionen (vgl. Burgess/Park 1969: 663; Perchinig 2015: o.S.). Obwohl noch Segregation und Diskriminierungen zwischen den Gruppen auftreten können, ist hier bereits eine Basis für eine stabile soziale Ordnung gegeben. Die letzte Stufe stellt schließlich die Assimilation dar. Diese Phase läuft meistens unbewusst ab, da bereits eine Einbindung der Individuen in die Gesellschaft stattgefunden hat (vgl. Burgess/Park 1969: 736). Es kommt zu verstärkten Primärkontakten, einer Vermischung der ethnischen Gruppen und zu einer Auflösung der ethnischen Identifikation. Als zentrale Voraussetzung dafür gelten eine gemeinsame Sprache und Kultur, die eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ermöglicht. Diese Entwicklungsstufe wird allerdings erst von der zweiten oder dritten Generation erreicht. Dieses Modell wurde in Folge von Bogardus insbesondere durch den Fokus erweitert, dass Assimilation dem Engagement und der Mitwirkung der Einheimischen bedarf (vgl. Bogardus 1930: 612-617). Bei diesen Ansätzen gilt es jedoch zu hinterfragen, ob die beschriebenen Phasen linear nacheinander bewältigt werden können. Weiters fehlt in diesem Kontext die Berücksichtigung von Parametern wie Stagnation oder Rückbildung durch Konflikte, eine Machtperspektive sowie eine Auseinandersetzung mit möglichen Diskriminierungen. In diesem Zusammenhang wird Assimilation als Endzustand des Prozesses der Inkorporation einseitig betrachtet und sieht die Eingliederung einer ethnischen Gruppe in eine Gesellschaft mit dem Verlust der ethnischen Identität (melting-pot Ideologie) vor (vgl. Perchinig 2015: o.S.). Während diese Ansätze von einer mehr oder weniger vollständigen Assimilation an die Aufnahmegesellschaft ausgingen erweiterte Eisenstadt diesen Denkansatz dahingehend, dass für Migrantinnen und Migranten, die nach einem Resozialisierungsprozess im Aufnahmeland - in dem sie sich neue Fähigkeiten aneignen und Handlungserwartungen gerecht werden müssen - auch eine Partizipation am Gesellschaftsleben nötig ist (vgl. Eisenstadt 1954: 7). Demzufolge muß sich gleichzeitig die Sozialstruktur der Aufnahmegesellschaft ändern, damit die Einwanderer sich vollständig in das Statussystem eingliedern und an den Institutionen der Aufnahmegesellschaft partizipieren können. Zwar wird von den Einwanderern auch hier verlangt, im Sinne der der Assimilation ihre Werte und Beziehungen maßgeblich zu verändern, damit eine Angleichung an die Aufnahmegesellschaft stattfinden kann, jedoch hat auch die Aufnahmegesellschaft bestimmte Bedingungen zu erfüllen, damit langfristige soziale Beziehungen entstehen können (vgl. Treibel 2003: 96ff.).
Der deutsche Soziologe Esser entwickelte ein universell anwendbares Modell zur gesellschaftlichen Eingliederung von Migrantinnen und Migranten, das – losgelöst von einer teilspezifischen Sichtweise - Eingliederungsprozesse auf Mikro- und Makroebene (Sozial- und Systemintegration) untersucht und berücksichtigt. Darin geht er davon aus, dass die individuellen Sozialisationsmuster im Zuge der Migration an Gültigkeit verlieren und es zur erfolgreichen Kommunikation und zum Erreichen der persönlichen Ziele einer Neuverortung und Neudefinition der Beziehungen im Aufnahmeland bedarf. Esser versteht unter Integration ein systemisches Ganzes, das aus zusammenhängenden Teilen besteht, deren Interdependenz - ihre wechselseitige Abhängigkeit – die Grundlage bildet (vgl. Esser 2001: 1). Je höher diese zwischen den handelnden Personen ist, desto höher ist der Grad der Integration einer Gesellschaft. Den Gegenbegriff dazu stellt die Aufteilung zu autonomen, nicht aufeinander bezogenen Einheiten dar. Demzufolge unterscheidet er im gesellschaftlichen Bereich zwei Arten der Integration: Die System- und die Sozialintegration (vgl. Esser 2001: 3-6). In diesem Kontext bezeichnet Systemintegration auf Makroebene die Kohäsion eines sozialen Systems in seiner Gesamtheit und findet über nicht an einzelne Personen unmittelbar gebundene Mechanismen statt. Demzufolge kann zwischen folgenden Strukturierungen unterschieden werden: den wechselseitigen materiellen Abhängigkeiten der Individuen auf Märkten, der Organisation des Zusammenlebens durch steuernde Institutionen und den Handlungsorientierungen der Individuen (z.B. deren gesellschaftliche Loyalität). Im Unterschied dazu nimmt auf Mikroebene Sozialintegration Bezug auf die Individuen und bestimmt deren Einbindung in ein bereits vorhandenes Sozialsystem. Dabei unterscheidet er vier verschiedene Dimensionen: Die Aneignung von Wissen und Fertigkeiten (Sprache) im Zuge der Kulturation (vgl. Esser 2001: 72-73), der Positionierung im Statussystem mit dem Erwerb von Rechten und Pflichten durch die Plazierung, die Aufnahme sozialer Beziehungen im Alltag in Folge der Interaktion (z.B. Freundschaften oder Heirat) und schließlich die Identifikation mit Werten der Aufnahmegesellschaft als Zeichen emotionaler Zuwendung. Alle vier Dimensionen stehen in einem Abhängigkeitsverhältnis zueinander: Ein Mindestmaß an Kulturation ist für eine erfolgreiche Plazierung notwendig und diese fördert wiederum die Kulturation. Identifikation und Interaktion in einem sozialen System werden erst darüber hinaus möglich (vgl. Esser 2001: 72-73). Es findet somit eine Unterscheidung zwischen der Integration des Systems sowie der Integration der Akteurinnen und Akteure statt. Daraus ergeben sich zwei Möglichkeiten der Betrachtungsperspektiven: auf das gesellschaftliche System in seiner Gesamtheit oder auf die Individuen beziehungsweise Gruppen. Erfolgreiche Integration bedeutet in diesem Kontext, wenn Migrantinnen und Migranten in der Interaktion mit ihrer Umgebung einen spannungsfreien Gleichgewichtszustand vorfinden. Für die Erreichung dessen ist es jedoch nötig, gemeinsame Werte und Normen zu verinnerlichen (vgl. Esser 2001: 6-15).
Abb. 1: Systemintegration und die vier Dimensionen der Sozialintegration (vgl. Esser 2001: 16)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Im Kontext der Sozialintegration versteht Esser unter Assimilation, dass sich verschiedene Bevölkerungsgruppen in gewissen Eigenschaften – wie etwa ihrer Sprache oder beruflichen Positionen - angleichen. Dabei steht die Auflösung systematischer Unterschiede zwischen diesen im Vordergrund, nicht aber die Angleichung in allen Bereichen. Somit handelt es sich dabei um keine vollständige Beseitigung aller Unterschiede, sondern lediglich um die Verkleinerung systematischer Differenzen (vgl. Esser 2001: 21f.). Analog zu den Dimensionen der Sozialintegration definierte Esser vier Dimensionen der Assimilation zwischen denen eine Kausalstruktur besteht. Im Zuge der kulturellen Assimilation kommt es zu einer Angleichung im Wissen und in den Fertigkeiten der Individuen, vor allem auch der Sprache; die strukturelle Assimilation betrifft die Positionierung in den verschiedenen Funktionssystemen (z.B. Bildungsbereich und Arbeitsmarkt); die soziale Assimilation die Angleichung in der Akzeptanz (z.B. im Heiratsverhalten) und abschließend die emotionale oder identifikative Assimilation. Diese wird oft mit dem Begriff Integration beschrieben und stellt die Angleichung im gefühlsmäßigen Bereich im Sinne einer Identifikation mit der Aufnahmegesellschaft dar. Sie folgt den drei anderen Dimensionen, vor allem aber der sozialen Assimilation. Diese ist wiederum von einer erfolgreichen kulturellen und strukturellen Assimilation abhängig, wobei zwischen diesen eine Interdependenz und ein wechselseitiges Bedingungs- und Verstärkungsverhältnis besteht (vgl. Esser 2001: 22). Dazu stellt er fest, dass die beschriebenen Arten der Anpassung jedoch nicht nur auf Seite der Migrantinnen und Migranten möglich sind, sondern sich auch das Kollektiv an die neuen Akteurinnen und Akteure anpassen kann. Dies sollte insbesondere in einer Bereitschaft des Aufnahmelandes zum Ausdruck kommen, sich für die soziale Integration der Migrantinnen und Migranten zu öffnen und dadurch soziale Distanzen zu vermeiden (vgl. Esser 2001: 24f.). Dieses Modell geht davon aus, dass der gesamte Anpassungsprozess weitgehend von der kulturellen Assimilation abhängig ist, insbesondere vom Spracherwerb. Diesen sieht Esser sogar als zentrales Element für die Sozialintegration im Aufnahmeland sowie in weiterer Folge die daran anschließende strukturelle Assimilation im gesellschaftlichen Bereich wie das Bildungssystem oder den Arbeitsmarkt. Alle anderen Arten der Sozialintegration folgen dem Spracherwerb und der strukturellen Assimilation nach, schlussendlich auch die gefühlsmäßige Verbindung zum Aufnahmeland. Da die Bildungssysteme traditionellerweise aber sehr stark an die nationalen und sozial spezifischen kulturellen Vorgaben des Aufnahmelandes gebunden sind, wird dadurch ein Ungleichgewicht manifestiert (vgl. Esser 2001: 74-76). Dabei gilt es kritisch zu hinterfragen, inwieweit hier eine Ablösung von Institutionen von den kulturellen Vorgaben möglich ist oder dabei gesellschaftliche Machtverhältnisse zum Ausdruck kommen. Einen weiteren Kritikpunkt an Essers Assimilationstheorie stellt die Tatsache dar, dass Akkulturation die Voraussetzung für sozialen Aufstieg bedeutet und nur individuelle kulturelle Pluralisierung mit Sozialintegration vereinbar ist. In diesem Kontext erscheint Integration einseitig nur auf Migrantinnen und Migranten und die Auflösung ihrer sozialen und kulturellen Differenz bezogen. Es ist daher an dieser Stelle wesentlich zu hinterfragen, inwiefern die Gesellschaftskonzeption der Aufnahmegesellschaft statisch ist und hier ein Änderungsbedarf besteht (vgl. Perchinig 2015: o.S.). Dabei ist es nach Herbrand (2002: 33-36) von besonderer Wichtigkeit, darauf zu achten, dass im Zuge der sekundären Sozialisation keine vollständige Anpassung der Werte und Normen der eigenen Kultur im Sinne von Assimilation erfolgt, sondern mit diesen wertschätzend umgegangen wird. Dabei sollen dem Individuum in konstruktiven Begegnungen neue Perspektiven geboten werden, das eigene Verhalten zu ändern. Ziel dieser Strategie ist es, in Verbindung mit Kommunikationsprozessen, das Eigene mit den Augen des Anderen zu sehen und es verschiedenartig zu erfahren, ohne es zugleich aufzugeben (vgl. Hunfeld 1997: 8). Damit soll es - im Sinne einer distributiven Gleichwertigkeit der Kulturen – möglich werden, die Handlungen von Menschen als gleichwertige Subjekte anzuerkennen, ihnen Raum für ihre Individualität zu geben und ihnen somit ihre Ausdruckmöglichkeit in einer pluralitätsfähigen Gesellschaft zu gewähren (vgl. Hunfeld 2004: 412-413). Diese bildet eine Grundvoraussetzung für den Integrationsprozess, da sie zur Erfüllung der individuellen Ansprüche konzipiert ist und somit allen Gesellschaftsmitgliedern die Möglichkeit zur Entfaltung ihrer persönlichen Freiheit bietet. Die individuelle Freiheitserfahrung ist dabei mit einer positiven Situationsbewertung verbunden und impliziert somit die Chance zur Erfüllung der strukturabhängigen Ansprüche der Individuen. Diese werden durch die Sozialisation beeinflusst und reichen von materiellen Rahmenbedingungen wie einem gesicherten Lebensunterhalt über Bildungs- und Berufschancen bis zur Gleichheit der Rassen und der Freiheit in der Religionsausübung. In diesem Kontext stellt das repräsentative Streben der verschiedenen Bevölkerungsgruppen nach Durchsetzung und Anerkennung ihrer Werte in der Gesellschaft ein zentrales Element dar (vgl. Gehring/Niemann 1977: 11-38). Diese Problematik stellt auch Langer (2004: 53) fest. Sie sieht Integration als einen Prozess, in diesem sich eine gemeinsame Handlungsbasis der Individuen ausbildet. Diese bewirkt, dass die Individuen zu Mitgliedern der Gemeinschaft werden und von dieser auch als solche akzeptiert werden. Dadurch wird wechselwirksam Gemeinschaft und somit soziale Identität geschaffen und konstituiert. Im Zuge dieses Prozesses kann die/der Einzelne zwar neue Werte, Ideen und Verhaltensmuster in die Gemeinschaft einbringen, jedoch besteht die Notwendigkeit einer hohen Anpassungsleistung, da die bestehenden Werte und Normen der Aufnahmegesellschaft bereits fest verankert und somit nur schwer veränderbar sind. Demgemäß sieht Filsinger (2002: 13) die Gruppenzugehörigkeit als zentrales Element im Integrationsprozess. Nur wenn die Individuen sozial anerkannt werden, kann eine Partizipation an gemeinschaftlichen Verständigungsprozessen erfolgen und die Entwicklung einer eigenständigen kulturellen Identität ermöglicht werden. Soziale Integration kann daher nicht als einseitige Leistung der Migrantinnen und Migranten angesehen werden, sondern es sind alle Beteiligten - Einheimische und Zugewanderte – gefordert, ihren Beitrag dazu zu leisten. Die individuelle Identität, das Selbstbild und die gesellschaftliche Anerkennung stellen daher den Schlüsselfaktor für eine gelungene Integration dar (vgl. Filsinger 2002: 13). Übertragen auf die Gemeindesituation folgt daraus, dass sich die Muslime nur dann als Teil der Gemeindebevölkerung sehen können, wenn ihnen eine aktive Beteiligung am sozialen Gemeindeleben und damit die Einnahme ihrer natürlichen Position in dieser Gemeinschaft ermöglicht wird. Diese Verhaltensweise impliziert die Möglichkeit der gesellschaftlichen Anerkennung und Selbstentfaltung und bietet ihnen neue Perspektiven, das eigene Verhalten nach freiem Ermessen zu ändern. Ist es ihnen jedoch nicht möglich, diese gemeinschaftlichen Leistungen zu erfüllen, führt dies zur Ausgrenzung und einem erschwerten Zugang zur Aufnahmegesellschaft. Das Dazugehörenwollen ist somit ein zentrales Element im Integrationsprozess und daher zu entwickeln und zu fördern.
Ludger Pries (2001: 1) stellt mit seinem Ansatz zur Migration und Integration im Kontext der Transnationalisierung die Assimilationskonzepte der klassischen Migrationsforschung in Frage. Dabei betrachtet er die kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen und politischen Verflechtungen zwischen den einzelnen Staaten im Fokus der Globalisierung und stellt neue Anforderungen an die Migrationspolitik. In diesem Sinn begreift Transmigration grenzüberschreitende Wanderungsprozesse für immer mehr Menschen als neue soziale Lebenswirklichkeit (vgl. Pries 2001: 8) und fördert die Entstehung von transnationalen Sozialräumen (vgl. Pries 2001: 1). Demgemäß stellt die Verbundenheit zu Lebensorten in verschiedenen Ländern für Transmigrantinnen und -migranten keinen Einzelfall dar, sondern wird zum Normalzustand. In weiterer Folge erstreckt sich ihr gesamter Lebensraum plurilokal über nationale Grenzen hinweg zwischen verschiedenen Orten. Es entstehen dauerhafte transnationale Sozialräume, die ein hybrides Produkt aus der Identifikation und der Sozialstruktur der Herkunfts- und der Ankunftsregion darstellen (vgl. Pries 2001: 6-7). Daraus ergibt sich die Entwicklung, dass im Zuge der Integrationsprozesse in den Herkunfts- und Ankunftsländern neue Wechselwirkungen und Synergien entstehen. Aus diesen bildet sich eine Integrationsdynamik einerseits durch den sozialen Austausch zwischen Immigrantinnen und -migranten, Remigrantinnen und –migranten und Transmigrantinnen und -migranten, andererseits dadurch, dass z.B. Transmigrantinnen und –migranten auf bereits vorhandene soziale Netzwerken von Immigrantinnen und –migranten und Remigrantinnen und –migranten aufbauen können oder umgekehrt. Als zentrales Element daraus werden nationalstaatliche Container-Gesellschaften immer stärker von transnationalen Sozialräumen durchsetzt und reproduziert sich ethnisch-kulturelle Heterogenität immer wieder neu. Quasi als Reaktion auf die beschriebene größer werdende sozial-kulturelle Vielfalt entstehen daraus einerseits Regionalisierungs- und Renationalisierungsströmungen bzw. führen diese zu einer Betonung der Einheit und des sozialen Zusammenhaltes. Einen wesentlichen Faktor im menschlichen Zusammenleben wird daher künftig die Fähigkeit einzelner, sozialer Gruppen darstellen, mit gesellschaftlichen Spannungen umgehen zu lernen und diese produktiv zu gestalten (vgl. Pries 2001: 9-11). Im Kontext dieser Erkenntnisse gilt es daher, einige Bereiche des gesellschaftlichen Zusammenlebens grundlegend zu hinterfragen – z.B. wie der Begriff soziale Integration im Kontext der Transnationalisierung von Teilen des sozialen Lebens zu verstehen ist. Demzufolge gilt es künftig zu prüfen, welche Mindestkompetenzen im sprachlichen und soziokulturellen Bereich erworben werden sollen oder wie diese von Transmigrantinnen und –migranten gewinnbringend für Sozialisationsprozesse genutzt werden können. Weiters ist zu überdenken, wie ein tolerantes Verhalten gegenüber Angehörigen fremder Kulturen mit einer Ablehnung von ethnisch-kultureller Intoleranz verbunden werden kann und unter diesen Bedingungen Gruppen von Migrantinnen und Migranten auch als Problemlösungsgruppen gesehen werden können (vgl. Pries 2001: 11). Zusammenfassend kann man feststellen, dass die beschriebenen Assimilationstheorien nach Park, Burgess, Bogardus, Eisenstadt und Esser die kulturelle Anpassung als zwingende Voraussetzung für die soziokulturelle Eingliederung von Migrantinnen und Migranten in die Einwanderungsgesellschaften sehen. Nach diesen Theorien werden durch Migration nicht nur nationalstaatliche Grenzen überschritten, sondern zwei separate Sozialräume getauscht, was in Folge meist zu einem Verlust des soziokulturellen Orientierungswissens führt (vgl. Amelina 2008: 9). In diesem Kontext stellen die individuelle Identität und die Anerkennung durch die Gemeinschaft den Schlüsselfaktor zu einer gelungenen Integration dar. Die Selbstsicht der Migrantinnen und Migranten als Teil der Aufnahmegesellschaft impliziert demnach eine Beteiligung am sozialen Leben und ermöglicht dadurch, einen natürlichen Platz in der Aufnahmegesellschaft einzunehmen (vgl. Filsinger 2002: 13). Transnationale Migrationsansätze dagegen sehen eine Aufrechterhaltung ethnischer sozialer Kontakte mit dem Herkunftsland nach der Migration als zentrales Element an. Diese kommt in einer weiteren Eingebundenheit der Migrantinnen und Migranten in grenzüberschreitenden Strukturen (z.B. Organisationen, Netzwerke, Institutionen) zum Ausdruck und führt zur Herausbildung sozialer Felder zwischen den Herkunfts- und Aufnahmeländern. Der Erwerb neuer kultureller Muster muss dabei nicht mit dem Verlust vorhandener kultureller Denk- und Handlungsschemata einhergehen, sondern partizipieren Transmigrantinnen und -migranten an dem sich überlappenden kulturellen Orientierungswissen, das die Basis für ihre Mehrfachinkorporationen in verschiedenen Lebensräumen bildet (vgl. Amelina 2008: 3 und 9). Die stetige Eingebundenheit in soziale Netzwerke ist daher nicht als Widerspruch zu den klassischen Migrationstheorien zu sehen, sondern als Ergänzung und Basis für neue Integrationsmöglichkeiten.
In seinem differenzlogischen Kulturkonzept geht Hansen (1995: 179) davon aus, dass sich die Einheit einer Kultur aus den unterschiedlichen Lebensweisen der Individuen in der Gesellschaft – d.h. aus ihrer Differenziertheit - erklärt. Dennoch bestehen zwischen diesen im Alltag gewisse Gemeinsamkeiten, welche die Mitglieder einer Kultur kennzeichnen. Diese werden von Hansen als Kitt bezeichnet und kommen in der gemeinsam gesprochenen Sprache und in der kollektiv erlebten bzw. tradierten Geschichte zum Ausdruck. Für ihn stellt Sprache nicht nur ein Übertragungsmedium zur verbalen Kommunikation dar, sondern ist eng mit der Wahrnehmung verbunden, da sie Dinge mit einer Bedeutung und einer Vorstellung versieht (vgl. Hansen 1995: 62). Auch für Assmann (1992: 141) hat Sprache in der zwischenmenschlichen Verständigung eine wichtige Funktion. Durch Sprechen wird für ihn eine soziale Welt aufgebaut, in Gang gehalten und somit soziale Wirklichkeit konstruiert. Daraus resultiert eine eigene, bedeutungsspezifische Wahrnehmung der Lebenswirklichkeit von jeder Sprachgemeinschaft, die wiederum den Zusammenhalt fördert und somit als Ein- und Ausgrenzungsmechanismus funktioniert. Auch die gemeinsame tradierte Geschichte einer Gesellschaft wirkt in die reale Lebenswelt hinein und beeinflusst in Form Traditionen nachhaltig unser Denken und Handeln (vgl. Hansen 1995: 179). Nach Luger (2014: o.S.) findet diese durch das fraglose Hinnehmen von Gebräuchen und Symbolen und der Legitimierung dieser Gebräuche und Symbole durch die Vergangenheit quasi als Weitergabe „heiligen“ Wissens statt – insbesondere durch das Festhalten an Inhalten oder im Fortführen bestimmter Praktiken. Ein- und Ausgrenzung findet in diesem Kontext aber auch durch gesellschaftliche Bräuche und Rituale statt: Gemeinschaften bilden sich in und durch rituelle Handlungen. Diese halten eine Gesellschaft zusammen, erleichtern die Kommunikation und schaffen dadurch soziale Identität. Nach Hansen (1995: 136-146) stellen Sprache und Geschichte somit eine erste kulturell prägende Umgebung dar, die den Zusammenhalt einer Gemeinschaft fördert. Im Rahmen der Sozialisation erwerben die Individuen nicht nur ihre Muttersprache und bekommen Wissen über die für ihre Gesellschaft spezifische Geschichte vermittelt. Es erfolgt eine Einordnung in die Institutionen und Organisationen der Gesellschaft. In diesen kommen die für die entsprechende Kultur charakteristischen Handlungsmuster sowie die auf diesen basierenden Werthaltungen zum Ausdruck. Diese kulturellen Regeln sind meist nicht ausformuliert und werden im Rahmen der Sozialisation angeeignet. Dabei handelt es sich um kulturelle Standardisierungen, die quasi als normative kollektive Vorgaben wirken. Während es sich bei Sprache und Geschichte um unveränderliche, gesellschaftliche Rahmenbedingungen handelt, besteht im Bereich der individuellen Aneignung von gesellschaftlichen Werten und Normen eine gewisse Entscheidungsfreiheit, ob man einem Kollektiv angehören und dessen Vorgaben übernehmen will oder nicht. In diesem Kontext stellt die Familie ein wichtiges Kollektiv dar, es gibt jedoch neben diesem in den Gesellschaften mehrere andere Kollektive, mit denen man sich identifizieren kann. Jedes dieser enthält durch Kommunikation geschaffene, eigene, spezifische Standardisierungen in den Bereichen Empfinden, Kommunikation, Denken, Verhalten und Handeln erfolgen (vgl. Hansen 1995: 139). Grundsätzlich kann somit das Individuum frei entscheiden, welchen Kollektiven es angehören will, ist dabei aber an die sozialisierten Rahmenbedingungen gebunden. Der französische Soziologe und Sozialphilosoph Bourdieu geht von einer Interdependenz zwischen der Sozialisation und Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen Schichten aus. In seiner Habitustheorie analysierte er die Auswirkung von objektiv existierenden Strukturen in der Gesellschaft, die durch soziale Ungleichheit bestimmt sind (z. B. Bildungsgang, Herkunftsfamilie) auf die Herausbildung subjektiver Denk- und Handlungsschemata und beschreibt den individuellen Habitus (z.B. Sprache, Geschmack oder Konsumverhalten) als klassenspezifisch erworbene, unbewusste Angepasstheit der Verhaltensmuster und Einstellungen (Denken, Verhalten, Handeln, Wahrnehmung) einer Person an das soziale (Um-)Feld. Dieser gibt gleichzeitig die sozialen Grenzen vor, die durch die Herkunft gesetzt werden und kennzeichnet den Menschen als einen gesellschaftlich geprägten Akteur. Der Habitus setzt sich aus klassenspezifisch erworbenen Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata zusammen, die bestimmen, wie der Mensch seine Umwelt wahrnimmt und welche Verhaltensmuster, Normen und Einstellungen er vertritt. Dieses Organisationssystem ist geprägt durch die individuelle, spezifische Position, die die betreffende Person innerhalb der Sozialstruktur einnimmt und repräsentiert somit ihren Rang oder Status in der Gesellschaft. Im Habitus werden somit objektiv gesellschaftliche Konstellationen in die klassenbestimmte, individuelle und subjektive Praxis umgesetzt (vgl. Tieben 2003: o.S.). Die Habitustheorie stellt damit eine Verbindung von kollektiven Identitäten mit sozialen Strukturen her und wirkt konstituierend auf die individuelle Identität. Nach Hansen (1995: 140) hat die Entscheidung, einem bestimmten Kollektiv anzugehören sowie auch das individuelle Handeln innerhalb von bestimmten Kollektiven auch soziale Auswirkungen. Die Teilhabe an einem Kollektiv beeinflusst wechselwirksam den Zutritt zu anderen und kann diesem erschweren oder ausschließen, oder wie Hansen formuliert: „Die Individuen bilden das Kollektiv, und es formt die Individuen, die ihre Identitäten in Reaktion auf kollektive Vorgaben gewinnen“ (Hansen 1995: 177). Diese Interdependenz zwischen Individuum und Kollektiv schafft somit einerseits durch kollektivierte Normen von den Einzelindividuen Kultur, andererseits bestimmt sie auch deren Identität (vgl. Hansen 1995: 213). In der Gemeinde Kematen/Ybbs repräsentieren die lokale Gemeindebevölkerung und die Muslime zwei unterschiedliche Lebensweisen, zwischen denen im Alltag nur wenige Gemeinsamkeiten bestehen. Es treffen damit zwei verschiedene Kulturen aufeinander, die sich auch in den wichtigsten Bezugspunkten kultureller Identität – der gemeinsam gesprochenen Sprache und Geschichte – grundlegend unterscheiden. Insbesondere Sprache hat in der Kommunikation eine wichtige Funktion, da sie soziale Wirklichkeit konstruiert. Sie enthält damit einen Ein- bzw. Ausgrenzungsmechanismus zwischen diesen beiden Bevölkerungsgruppen, der zwischenmenschliche Kontakte erschwert und ihre kulturelle Diversität manifestiert. Darüber hinaus findet durch das Leben von kulturspezifischen Traditionen und Ritualen der jeweiligen Bevölkerungsgruppe eine weitere Abgrenzung statt, durch die soziale Identität konstruiert wird. Sowohl die lokale Kematner Gemeindebevölkerung als auch die Muslime bilden Kollektive mit dessen gesellschaftlichen Wertvorstellungen und Normen sich ihre Mitglieder identifizieren. Diese symbolisieren die für die jeweilige Kultur typischen Handlungs- und Orientierungsmuster, die im Zuge der Sozialisation erworben werden und somit die Kommunikation, das Denken, Verhalten und Handeln ihrer Mitglieder beeinflussen und bestimmen. Die Zugehörigkeit zu diesen Kollektiven hat somit auch soziale Folgen, da sie die Teilnahme an anderen Kollektiven erschweren oder ausschließen kann. In Wechselwirkung zwischen Kollektiv und Individuum können sich die jeweiligen Kulturstandards manifestieren und somit hinderlich auf die Kommunikation bzw. auf eine mögliche Integration zwischen diesen Bevölkerungsgruppen auswirken. Eine weitere Einflussnahme erfolgt durch die Zugehörigkeit zur jeweiligen sozialen Schicht (Habitus) und der damit verbundenen klassenspezifisch erworbenen Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata. Dadurch wird das soziale Verhalten sowohl der lokalen Gemeindebevölkerung als auch der Glaubensgemeinschaft der Muslime gesellschaftsspezifisch geprägt und es erfolgt eine weitere Abgrenzung voneinander.
Aus europäischer Perspektive sieht man Multikulturalität vor allem in Verbindung mit dem Begriff Migration. Diese besteht per Definition in den einzelnen Nationalstaaten aus einem von verschiedenen Bevölkerungsgruppen bestehenden Staatsvolk. Typische Kennzeichen von dessen Identität sind Parameter wie homogene Kulturen, gemeinsame Tradition sowie eine einheitliche Sprache. In diesem Kontext werden Menschen mit fremder Herkunft als Migranten oder Ausländer eingestuft, da sie andere Anschauungsweisen zu moralischen und ethnischen Fragen haben (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung 2005: o.S.). Durch die Multikulturalität des modernen Europas, die durch das Nebeneinander von verschiedenen Kulturgruppen gekennzeichnet ist, wurde nach Hunfeld (1997: 3-4) das Fremde von einer außergewöhnlichen zur selbstverständlichen Erscheinung im Lebensalltag und ist Fremderfahrung zur Normalität geworden. Im Alltagsleben der Gemeinde Kematen/Ybbs stellen vor allem die Angehörigen der örtlichen islamischen Glaubensgemeinschaft eine kulturelle und politische Herausforderung dar. Entgegen den Erwartungen der Muslime, Respekt und Verständnis sowie Toleranz für ihre Lebensweisen zu finden, werden sie von der lokalen Gemeindebevölkerung nur wenig akzeptiert und finden daher nur wenige zwischenmenschliche Kontakte statt (vgl. Haselhofer 2014: 28). In meiner Diplomarbeit „Vom multikulturellen zum interkulturellen Zusammenleben in der Gemeinde Kematen/Ybbs“ im Rahmen des Universitätslehrganges Interkulturelle Kompetenzen 2013/2014 habe ich mich bereits eingehend mit dieser Entwicklung auseinandergesetzt und folgende demographische Daten erhoben, auf denen diese basiert (vgl. Gemeinde Kematen 2014: o.S.):
„Die Muslime nehmen in der multikulturellen Bevölkerungsstruktur der Gemeinde Kematen/Ybbs anzahlmäßig einen besonderen Stellenwert ein. In dieser sind über 31 verschiedene Nationalitäten vertreten, wobei der Anteil von nicht österreichischen BürgerInnen 9,5% beträgt, der Anteil von Angehörigen außereuropäischer Kulturkreise 3,9%. Türkische Staatsangehörige bilden mit einem Anteil von 2,2% die größte ausländische Nationalität. Von über 14 verschiedenen vertretenen Religionsgemeinschaften stellt die islamische mit einem Anteil von 6,8% an der Gesamtbevölkerung nach der röm.-kath. Glaubensgemeinschaft (82,4%) die zweitgrößte Religionsgruppe dar. Verfolgt man diese Entwicklung seit dem Jahr 1995 zeigt sich, dass ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung sich dynamisch entwickelt hat und stetig zunimmt: 1995: 1,6%, 2000: 3,4%, 2005: 5,1%, 2010: 6% und 2014: 6,8%.“ (Haselhofer 2014: 1-2).
Im Vergleich dazu nimmt die islamische Glaubensgemeinschaft österreichweit einem Bevölkerungsanteil von 4,2% ein (vgl. Medien-Servicestelle Neue Österreicher/innen 2013: o.S.). Aus dieser Bevölkerungskonstellation lassen sich damit folgende Schlussfolgerungen ziehen, die direkte Auswirkungen auf das Zusammenleben dieser beiden Bevölkerungsgruppen haben:
„Der Prozentsatz von Angehörigen der islamischen Glaubensgemeinschaft ist in Kematen/Ybbs somit mehr als 1,5 mal so hoch wie im übrigen Österreich. Verbunden mit der dynamischen Entwicklung dieser Religionsgruppe kommt darin die große gesellschaftliche und soziokulturelle Relevanz dieses Themas für die Kematner Bevölkerung zum Ausdruck, die sich im Alltagsleben durch interkulturelle Mißverständnisse äußert. Im Sinne eines kulturellen Nebeneinander wird zwar der islamischen Glaubensgemeinschaft in der Gemeinde Kematen eine eigene Lebens- und Denkweise zugestanden, jedoch gibt es kein aktives Zugehen auf den jeweils Anderen, d.h. interkulturelle Begegnungen werden nicht gelebt. Die Muslime repräsentieren in der Gemeinde die Minderheitskultur, die geltenden kulturellen Normen werden von der lokalen Gemeindebevölkerung als Mehrheitskultur definiert.“ (Haselhofer 2014: 2).
Im Bezug zur gesamten Gemeindebevölkerung bzw. im österreichweiten Vergleich nehmen die Muslime in Kematen somit einen hohen Bevölkerungsanteil ein, der sich dynamisch entwickelt und grundlegend auf das soziokulturelle Zusammenleben dieser beiden Bevölkerungsgruppen auswirkt. Es besteht daher bei diesen dringender Handlungsbedarf, weg vom kulturellen Nebeneinander im Sinne eines interkulturellen Miteinander aufeinander zuzugehen.
Thomas (2005a: 22-25) sieht die Orientierung und das Zurechtfinden in seiner Welt als Grundbedürfnis des Menschen an. Bei dem Versuch sich zu orientieren, bietet Kultur eine wichtige Hilfestellung, indem sie Dingen, Personen aber auch unseren Handlungen im Wahrnehmungsprozess Bedeutung und Sinn gibt. Dieser Vorgang stellt zwar eine individuelle Leistung des Einzelnen dar, diese folgt jedoch einer Systematik und baut - im Rahmen der Kultur – auf kollektiven, sozialen Regeln und Normen auf. Der individuelle Sozialisierungsprozess stellt dabei ein zentrales Element dar. In diesem entwickelt jeder Mensch spezifische soziale Verhaltensmuster und und wächst somit in die Gesellschaft hinein. Dieser Vorgang umfasst die gesamte Lebensspanne des Menschen und ermöglicht es, die Welt wie die übrige soziale Gemeinschaft zu begreifen und zu verstehen. Als Resultat dieses Lernprozesses eignen sich nach Thomas (2005a: 22-25) die Individuen schließlich die spezifische Art zu denken, Dinge wahrzunehmen und zu beurteilen sowie in Folge kulturtypische Verhaltensschemata so weit an, dass diese zu unbewussten Handlungsroutinen werden, mit denen sich die/der Einzelne in ihrer/seiner Welt orientieren und zurechtfinden kann. Dabei handelt es sich um kulturspezifisch erworbene Orientierungsmuster, die in divergierenden Kulturstandards zum Ausdruck kommen und handlungswirksam werden. Durch diese wird nicht nur die individuelle Wahrnehmung sowie das Denken, Werten und Handeln beeinflusst, sondern auch das eigene und fremde Verhalten gesteuert und beurteilt. Verhaltensweisen, die auf fremden, anderen Kulturstandards beruhen, werden auf Basis der eigenen Werte und Normen betrachtet und in Folge abgelehnt und sanktioniert. Insbesondere durch die weltweite soziale Vernetzung und neue Informationstechnologien im Zeitalter der Globalisierung birgt dieses Verhalten die Gefahr, komplexe Interaktionssituationen dadurch zu verallgemeinern und zu vereinfachen und fördert damit die Entstehung von Stereotypen (vgl. Thomas 2005a: 22-25). Für Udeani (2014a: o.S.) ist in diesem Kontext insbesondere von Bedeutung, wie die Gruppenzugehörigkeit definiert ist und wie die Symbole auf die Mitglieder dieser Gruppen wirken. Diese Kausalzusammenhänge implizieren auch, dass das Wahrnehmen, Denken und Handeln ethnozentristisch geprägt sind. Als Folge daraus wirken sich die Summe aller individuellen Wertvorstellungen im Rahmen des laufenden Diskurses auf die Normen der Gesellschaft aus. Die im Denken enthaltenen Wertvorstellungen beeinflussen damit die individuellen Handlungen, und diese prägen wiederum wechselwirksam die Kultur. Eine ethnozentrische Denkweise definiert somit unser kulturelles Denken quasi vor und führt dazu, dass spezifische Werte anderer Kulturen von diesem Standpunkt aus beurteilt, bewertet und eingeordnet werden und als Resultat daraus als minderwertig betrachtet werden. In diesem Kontext ist somit die distributive Gleichwertigkeit von verschiedenen Kulturen von besonderer Wichtigkeit – auch wenn zwischen diesen Abweichungen bestehen, müssen die Unterschiede als gleichwertig angesehen werden (vgl. Hunfeld 2004: 412-413). Nach Langer (2004: 57) stellt die Selbstwahrnehmung bzw. die Wahrnehmung der eigenen Personengruppe - bzw. in diesem Zusammenhang der Blickwinkel der Mehr-, sowie der Minderheitsgesellschaft - einen Kernprozess dar, durch den eine Verbindung zwischen Kultur bzw. Identität und Integration entsteht. Die menschliche Wahrnehmung liegt zwar direkt im Verhalten begründet, jedoch wird diese nicht nur durch kulturelle Identität definiert. Perzeptionen erfolgen demgemäß auf zwei verschiedenen Ebenen – der objektiv existierenden und wahrgenommenen Welt sowie der Welt, wie die individuellen Akteure sie wahrnehmen (vgl. Jervis 1976: 13). Obwohl es sich bei Wahrnehmungen stets um Konstruktionen handelt, ist eine Vielzahl von Menschen davon überzeugt, dass sie die Wirklichkeit tatsächlich so wahrnimmt, wie ist. Dabei werden im Rahmen eines Selektionsvorganges aus der Vielzahl von Informationen, die auf uns einwirken nur bestimmte ausgewählt. Perzeptionen stellen somit keinen simplen Reiz-Reaktions-Vorgang dar, sondern werden von verschiedenen Parametern beeinflusst, die festlegen, ob Informationen und Reize wahrgenommen werden oder nicht. Diese fördern Wahrnehmungsverzerrungen bei den individuellen Wert- und Normvorstellungen sowie Stereotypen und Vorurteilen und haben auch Auswirkungen auf die Werte, Normen und Urteile anderer. Wahrnehmung stellt somit vielmehr einen Prozess dar, in dem diese von der äußeren Wirklichkeit differiert und es daher nur eine subjektive Wirklichkeit gibt (vgl. Hobmair 1994: 83). Stärker von der Wirklichkeit divergierende Wahrnehmungen sind ein Indiz dafür, dass das Fremd- und Selbstbild nicht kongruent sind. Diese unterschiedlichen Perzeptionen der Wirklichkeit stellen in vielen Fällen auch die Grundlage von sozialen Konflikten dar. Diese basieren meist auf dem Unterschied zwischen den einzelnen Wahrnehmungen, den es daher bewusst zu machen und zu reflektieren gilt (vgl. Jervis 1976: 31). In der Gemeinde Kematen/Ybbs erwerben sowohl die lokale Gemeindebevölkerung als auch die Muslime im Verlauf ihrer individuellen Sozialisation jeweils für ihre Bevölkerungsgruppe typische kulturelle Orientierungs- und Verhaltensmuster. Dabei handelt es sich um Kulturstandards, welche die Wahrnehmung bzw. die Steuerung und Beurteilung des Verhaltens der jeweils eigenen sowie der anderen Personengruppe beeinflussen. Diese sind zu einem großen Teil von einer ethnozentristischen Denkweise geprägt, die dazu führt, dass beide Bevölkerungsgruppen spezifische Werte der jeweils anderen Kultur von ihrem Standpunkt aus beurteilen und in Folge als minderwertig betrachten. Darüber hinaus gilt es sich bewusst zu machen, dass sowohl die lokale Gemeindebevölkerung als auch die Muslime im Rahmen von Selektionsvorgängen die Welt individuell verschieden wahrnehmen. Dabei entstehen Wahrnehmungsverzerrungen, die zur Entstehung von Stereotypen und Vorurteilen sowie in weiterer Folge zu Konflikten zwischen diesen Personengruppen führen können.
Nach Quadflieg/Mason/Macrae (2010: 65-81) besteht zwischen Stereotypen, Vorurteilen und Diskriminierung ein neuraler Zusammenhang. Jede Stereotypisierung erfolgt auf Basis eines automatischen Grundkategorisierungsprozesses. Dieser läuft im kognitiven Bereich ab, gibt neuen Erfahrungen eine Bedeutung und dient somit der Komplexreduktion bei der Aufnahme von Informationen aus der Umwelt. Dadurch können sich Menschen leichter an ihre soziale Umgebung anpassen, schneller interpretieren und auf die Umwelt reagieren (vgl. Yzerbyt 2010: 146-163). Das kategorische Wissen erleichtert nach Quadflieg/Mason/Macrae (2010: 65-81) den Wahrnehmungsprozess und beeinflusst sowohl Eindrücke als auch die Evaluierung anderer Personen aufgrund der Zugehörigkeit in sozialen Kategorien. Dabei führen Stereotype und Vorurteile in Folge sozialer Kategorisierungen zu Beurteilungsungenauigkeiten, sozialer Ungleichheit und Konflikten zwischen Personengruppen. Mentale und neurale Mechanismen unterstützen diese Prozesse. In diesem Kontext hat die allgemeine soziale Kategorisierung auch eine personenbezogene Komponente, die auf Gesichts- und Körperhinweisen beruht und aus diesen auf Persönlichkeitszüge schließen lässt. Dadurch kann etwa zwischen jung und alt oder männlich und weiblich unterschieden werden. Aufgrund dieser personenbezogenen Rückschlüsse werden Individuen mit spezifischen Identitäten kategorisiert und anhand dieser visuellen Merkmale – z.B. Menschen mit dunkler Hautfarbe als Schwarze - erkannt. Darüber hinaus erfolgt auf Basis dieser Charakteristika eine Beurteilung von Wesenszügen aufgrund von Parametern wie Gesichtsausdruck, Erscheinungsbild und Haltung des Individuums, aus denen z.B. auf Kompetenz oder Dominanz geschlossen werden kann. So wird das reife Gesicht einer Frau etwa als ein Indikator für individuelle Dominanz empfunden und beeinflusst Gender-Stereotype. Eine weitere Komponente stellt der situative Kontext dar, auf dessen Basis durch die spezifische Art und Weise, wie Handlungen ausgeführt werden, Kategorisierungen erfolgen. Zusätzlich zu dieser automatischen sozialen Kategorisierung findet eine Aktivierung spezifischer Gehirnregionen statt, wenn bestimmte soziale Kategorien – z.B. Rasse - als wichtig eingestuft werden. Diese führt zu einer Evaluierung der Eindrücke, Stereotypisierungen und regelt die Blickerkennung sowie das Erkennen bekannter Anderer. In weiterer Folge führt dieser Mechanismus auch zu negativen Bewertungen von sozialen Gruppen, die im Sinne einer Outgroup als fremd oder feindlich angesehen werden. Die kognitive, soziale Psychologie gibt somit Aufschluss darüber, welche personenbezogenen Hinweise notwendig sind, um andere Personen zu konstruieren, und welchen Stellenwert Parameter wie persönliche Ziele, Impressionen, Evaluierungen oder Erinnerungen auf die individuelle Wahrnehmung und Bewertung von Situationen haben (vgl. Quadflieg/Mason/Macrae 2010: 65-81). Nach Schaller/Conway/Peavy (2010: 81-97) sind als psychologische Grundlagen von Stereotypen und Vorurteilen zwei Arten von evolutionären Prozessen von Bedeutung: Einerseits genetische Variable, die durch Vererbung weitergegeben werden. Andererseits Meme als kognitive Strukturen, durch die kulturelle Werte und Normen überliefert werden. Diese kulturellen Gene besitzen eine verhaltensorientierte Dimension und beruhen auf zwischenmenschlichen Überlieferungen. Im Kontext von Kultur beinhalten diese psychologische Vorteile für den einzelnen (Sinn im Handeln, Zusammenhalt der Gesellschaft) und tragen somit zum optimalen Funktionieren der Gesellschaft bei. Beide Prozesse sind evolutionär, da sie in Form von Varianten selektiv in einer Bevölkerungsgruppe weitergegeben und erhalten werden. Genetische Evolution beruht auf einer logischen Grundstruktur und erstreckt sich über einen langen Zeitraum hinweg. Auf Basis dieser werden Hypothesen geformt. Kulturelle Evolution findet in einer im Vergleich dazu relativ kurzen Zeitdauer statt und kann empirisch gemessen werden – z.B. durch Variable, die Stereotype formen. Kulturelle Evolutionsprozesse definieren Kultur. Indem sie Mythen, Legenden und Traditionen beeinflussen, bestimmen sie, welche sozialen Auswirkungen Stereotype haben. Diese stellen sowohl eine individuelle kognitive also auch kulturelle Repräsentation eines Kollektivs dar. Dabei bestimmt der zwischenmenschliche Kommunikationsprozess im Kontext der beschriebenen Gene und Meme, wie weit verbreitet diese sind. In diesem haben Themen wie die persönliche Sicherheit oder Vertrauen anderen gegenüber einen hohen Stellenwert und sind dadurch bevorzugt mit Stereotypen behaftet. Weiters spielt dabei das Eigeninteresse in der Kommunikation eine wichtige Rolle. Dieses bildet die Grundlage dafür, dass Menschen bestrebt sind, positive Impressionen zu erzeugen (impression management) und das Überbringen negativer Neuigkeiten vermeiden. In diesem Kontext werden etwa positive Charakteristika einer Gruppe eher betont als negative, wenn das die Voraussetzung für eine bessere Bewertung durch andere ist. Diese Systematik hat somit einen direkten Einfluss auf das Entstehen sozial geteilter Stereotype. Da die psychologischen Mechanismen bei der Entstehung von Stereotypen flexibel sind, können sie sich im Kontext ändern und demzufolge gezielte Interventionen helfen, Vorurteile zu reduzieren (vgl. Schaller/Conway/Peavy 2010: 81-97). Nach Yzerbyt (2010: 146-163) spielen bei der Entstehung von Stereotypen und Vorurteilen auch Grundmotive im menschlichen Verhalten - wie der individuelle Selbstwert im Sinne von anderen positiv gesehen zu werden, dazuzugehören sowie die Welt verstehen und kontrollieren zu wollen - eine zentrale Rolle. Wird der Selbstwert des Menschen in Frage gestellt, fördert dies die Entstehung von Vorurteilen und intolerantem Verhalten anderen gegenüber. Demzufolge führen negative Emotionen bei der Wahrnehmung zu einer abwertenden Kategorisierung von anderen – z.B. ethnischen Gruppen. Dabei drücken Menschen mit niedrigem Selbstwert eher weniger Vorurteile aus. Menschen mit hohem Selbstwert sind ausdrucksstärker, wenn Antipathie gegenüber anderen Gruppen besteht und favorisieren ihre Ingroup, weil sie ihre eigenen Charakteristika projizieren. In diesem Kontext entstehen Vorurteile, wenn Menschen ihren Gruppenstatus oder ihre Identität in Gefahr sehen. Dabei hat das Gefühl, dazugehören zu wollen, als soziale Norm großen Einfluss darauf, wie Menschen ihre Überzeugungen leben. Individuen übernehmen Gruppenansichten und das soziale Verhalten der Gruppe, um die Zugehörigkeit zu sichern. Im Bestreben, die Umgebung zu kontrollieren, sind auch situative Faktoren relevant. Wenn Menschen Kontakt mit anderen meiden, können individuelle Vorstellungen, auf Basis deren Stereotype und Vorurteile gebildet werden, nur schwer korrigiert werden. Demzufolge können mehr zwischenmenschliche Kontakte und mehr verfügbare Informationen über die Umwelt helfen, a priori vorhandene Überzeugungen und Stereotype zu modifizieren. In diesem Zusammenhang können auch multikulturelle Kontakte eine Chance sein, neue normative Überzeugungen zu erlangen. Eine erhöhte Sensibilität im Umgang mit dem fremden Anderen kann dabei zur Änderung von vorgefassten, stereotypen Meinungen führen und neue Wege zeigen, auf (stigmatisierte) Gruppen zuzugehen und gemeinsam, die Realität neu zu definieren (vgl. Yzerbyt 2010: 146-163). Nach Son Hing/Zanna (2010: 163-179) ist die Entstehung von Stereotypen und Vorurteilen jedoch auch individuell verschieden. Demzufolge können Vorurteile gegenüber einer Gruppe auf persönlichen, speziellen Erfahrungen mit dieser basieren. Oder es handelt sich dabei um eine generelle individuelle Tendenz, Outgroups negativ zu bewerten. Weitere Parameter stellen individuelle Veranlagungen wie Persönlichkeitszüge (Autoritarismus), kognitive Vorurteile (unflexibles Denken) und sozio-politische Ideologien (Konservatismus) dar. Autoritäre Vorurteile sind das Ergebnis einer Projektion von persönlich inakzeptablen Empfindungen (z. B. Angst) auf eine untergeordnete Gruppe, die dadurch für Mißstände verantwortlich gemacht und zum Ziel von Stereotypen und Vorurteilen wird. Kognitive Vorurteile sind charakterisiert durch Bedrohungsorientierung und kommen in unflexiblem Denken – etwa bei moralischen Werten, strafenden Einstellungen, der Präferenz für Hierarchie etc. – zum Ausdruck. Je mehr sich Menschen kognitiv verschließen und je mehr Intoleranz gegenüber Ambiguität herrscht, desto niedriger ist das Bedürfnis nach alternativen Wahrnehmungen und umso mehr kommen Vorurteile zum Ausdruck und werden Outgroups stereotypisiert (kognitiver Konservatismus). Blickt man in diesem Kontext auf die geschichtliche Entwicklung von Stereotypen und Vorurteilen, lässt sich folgende Entwicklung beobachten:
- In den 1960er und -70er Jahren waren sozio-kulturelle Faktoren und somit das Gruppeninteresse vordergründig, 1970 Stereotype und Kategorisierung.
- Die 1980er Jahre standen im Zeichen von symbolischem, aversivem und ambivalentem Rassismus. Dabei hingen Vorurteile von Unterdrückungsfaktoren – z.B. dass die Ingroup zurecht bevorzugt wird – ab und widersprachen dem egalitären Denken. Individuelle Unterschiede waren nach wie vor ein soziales Thema (vgl. Son Hing/Zanna 2010: 163-179).
Meßinstrumente, mit denen sich 50% explizite Vorurteile von Menschen gegenüber Outgroups sowie individuelle Unterschiede bei generellen Vorurteilen beschreiben lassen sind der „Right Wing Authoritarianism“ (RWA) und die „Social Dominance Orientation“ (SDO). Der RWA beruht auf Basis der Wahrnehmung von möglichen Gefahren für die soziale Ordnung und beeinflusst Überzeugungen und Einstellungen. In diesem Zusammenhang werden explizite Vorurteile gegenüber ethnischen Minderheiten – z.B. Behinderten, Frauen etc. – beschrieben. Menschen mit hohem RWA sind charakterisiert durch Angst vor anderen sozialen Gruppen, die ihre traditionellen Werte bedrohen. Die SDO bestimmt das Ausmaß, wie Menschen Gleichheit und den Glauben an hierarchische Strukturen ablehnen. Für Menschen mit hoher SDO sind Persönlichkeitszüge wie Selbstemporhebung, Wettbewerb mit anderen Gruppen oder Dominanz typisch. Sie zeichnen sich durch besonders rassistische und vorurteilshafte Einstellungen gegenüber anderen Menschengruppen wie Immigranten, Feministen etc. aus (vgl. Son Hing/Zanna 2010: 163-179).
Zusammengefasst kann man dazu feststellen:
- SDO und RWA beschreiben Persönlichkeitszüge, die für Vorurteile verantwortlich sind.
- SDO und RWA stellen zwei soziopolitische und soziokulturelle Einstellung-Werte-Glauben Dimensionen dar, die Vorurteile vorhersagen.
- SDO und RWA sind zwei Komponenten von politischem Konservatismus. Dieser dient dabei einerseits durch die Akzeptanz von Ungleichheit sowie andererseits durch die Resistenz gegenüber Veränderungen als Basis für Vorurteile.
- SDO und RWA spielen eine wichtige Rolle in der Feststellung von individuellen Unterschieden bei Vorurteilen, weil sie direkt mit den Ideologien - Egalitarismus/Humanismus und sozialem Konservatismus – in Verbindung stehen. Hoher Egalitarismus/Humanismus sowie eine geringe Verbindung mit Tradition und Konformität stellen Voraussetzungen für ein geringes Maß an Vorurteilen dar. Diese erleichtern soziale Änderungen und können eine Angleichung und die Inklusion aller Bevölkerungsgruppen in unserer Gesellschaft fördern (vgl. Son Hing/Zanna 2010: 163-179).
Zusammengefasst basiert die Entstehung von Stereotypen auf zwei evolutionären Prozessen: der Weitergabe von menschlichen Genen durch Vererbung sowie der Überlieferung in Form von Memen (vgl. Schaller/Conway/Peavy 2010: 81-97). Diese stellen individuelle Denk- und Handlungsstrukturen dar, durch die kulturelle Werte und Normen an nachfolgende Generationen weitergegeben werden. Der im Zuge der Stereotypisierung in der sozialen Interaktion automatisiert ablaufende Kategorisierungsprozess weist mit der Miteinbeziehung von Gesichts- und Körperhinweisen und der spezifischen Art zu handeln Komponenten auf, die auf Persönlichkeitszüge schließen lassen und somit Auswirkungen auf die individuelle Art, Situationen wahrzunehmen und zu evaluieren haben (vgl. Quadflieg/Mason/Macrae 2010: 65-81). Dabei spielt der Selbstwert des Menschen eine zentrale Rolle. Da dieser auf äußere Einflüsse durch positive oder negative Kategorisierungen bzw. Ein- und Ausgrenzungen reagiert, ist ein sensibler Umgang im zwischenmenschlichen Bereich essentiell (vgl. Yzerbyt 2010: 146-163). In diesem Kontext stellen der „Right Wing Authoritarianism“ (RWA) und die „Social Dominance Orientation“ (SDO) Methoden dar, mit denen individuelle Vorurteile erfasst und bewertet werden können und bilden somit wichtige Informationen, um der Bildung von Stereotypen und Vorurteilen wirkungsvoll entgegenzuwirken (vgl. Son Hing/Zanna 2010: 163-179).
Graumann (1999: 61-72) sieht über den Begriff der Identifikation eine Verbindung zwischen sozialer und kultureller Identität. Definiert man Identifikation - als das Vermögen, etwas als etwas Bestimmtes wiederzuerkennen - impliziert diese die Fähigkeit, unterscheiden und in weiterer Folge kategorisieren zu können. Eine Kategorisierung anderer hat somit direkte Auswirkungen auf das Verhältnis zu den anderen und konstituiert soziale Identität. Graumann geht von der grundsätzlichen Annahme aus, dass individuelle Identität bedeutet, andere zu identifizieren, selbst identifiziert zu werden und sich mit anderen zu identifizieren. Damit ist diese nicht nur interpersonal und interaktiv, sondern immer auch sachbezogen auf Orte und Dinge sowie auf das Symbolische ausgerichtet. Orte, Dinge und Personen symbolisieren in diesem Kontext die Gesamtheit der Werte einer Kultur. Eine Identifikation mit diesen stellt somit eine Zugehörigkeit zu den Gruppen dar, die diese kulturellen Werte repräsentieren. In diesem Kontext kann Identität auch durch die Nicht-Identifizierung bzw. durch die Ablehnung von Werten entstehen und damit entweder integrierend oder ab- und ausgrenzend wirken. Im Laufe des Lebens kann die/der Einzelne mehreren derartigen Gruppen angehören und sich mit den Werten verschiedener Kollektive identifizieren. Kulturelle Identität stellt daher einen Prozess dar, der durch Identifikation und Ablehnung ständig neu neu ausgetragen wird. Dieses Wechselspiel fördert die Ausbildung einer variablen Identität, die im Kontext ihrer kulturellen Prägung besondere Anfordernisse - wie Anpassungsfähigkeit und Toleranz - erfüllen muss und somit konfliktinhärent ist (vgl. Graumann 1999: 61-72). Sieht man die Angehörigen verschiedener Kollektive nach Eder (2006: 87-91) im Sinne des partikularistisch gedachten „Wir“, nehmen neue Mitglieder mit den Eintritt in die Gemeinschaft auch die charakteristische Vergangenheit dieser an. Damit eignen sie sich auch im Rahmen des kollektiven Gedächtnisses die tradierten Werte und Normen dieses Kollektivs an und werden in deren Erinnerungszusammenhänge eingebunden. Das hat zur Folge, dass sie sich gruppenspezifisch verhalten müssen und diejenigen ausgeschlossen werden, welche die gemeinschaftliche Geschichte nicht teilen. Dieser Mechanismus regelt somit die soziale Gruppenzugehörigkeit und rechtfertigt Ausschlüsse anderer, die aufgrund der Besonderheit der Gruppe erfolgen. Der bedingungslose Partikularismus kann demzufolge zu Fremdenfeindlichkeit und Rassismus führen (vgl. Eder 2006: 87-91). Beim Aufeinandertreffen von Menschengruppen entstehen durch die verschiedenen Identitäten der Individuen und deren Alterität Spannungsfelder. Diese sind vor allem auf Unterschiede in den individuellen und sozialen Identitäten zurückzuführen und verlangen eine Abklärung des Verhältnisses zwischen der eigenen Person oder Gruppe mit dem Anderen oder der fremden Personengruppe. Gelingt dies nicht, fördert das die Entstehung von Vorurteilen und führt in weiterer Folge zu Konflikten. Aus dem Verhältnis von Vorurteilen und kollektiven Identitäten wird schließlich aus dem Wunsch nach einer gesicherten positiven Identität ein Prozess in Gang gesetzt, der zu einer Idealisierung der eigenen Gruppe und zu einer Abwertung von Fremdgruppen führt (vgl. Kordes/Nicklas 2006: 80-81). Nach der Theorie der sozialen Identität nach Tajfel (1982: 22-38) impliziert die Kategorisierung von Menschen in Gruppen eine Neigung zur Feindschaft.
Der für die Ausbildung einer sozialen Identität essentielle Kategorisierungsprozess wird dabei mit dem Bedürfnis nach einer Steigerung des eigenen Selbstwertgefühles und einer positiven Bewertung der Eigengruppe verbunden, mit der sich der Einzelne identifiziert (vgl. Graumann 1999: 70-71). Die Basis dafür stellen somit die sozialen oder kollektiven Identitäten der Gruppenmitglieder dar. In diesem Zusammenhang entsteht soziale Identität aus der Interaktion zwischen Individuen und ihrer sozialen Umgebung (vgl. Nicklas 2006a: 109-114). Dabei bildet sich die individuelle Identität durch Teilhabe an verschiedenen Kollektiven heraus und beeinflusst die Art, Dinge wahrzunehmen und zu bewerten sowie die individuelle Lebenseinstellung (vgl. Eckmann 2011: 1). Die Gruppenzugehörigkeit wird in Folge mit dem persönlichen Wert und der gefühlsmäßigen Bedeutung der Mitgliedschaft in der Gruppe verbunden. Daraus resultiert, dass das natürliche Bedürfnis des Menschen, ein positives Selbstbild zu erlangen, stark mit seiner sozialen Identität verbunden ist, sowie der der Gruppen, denen er angehört. Da die ethnische Gruppenzugehörigkeit für Menschen einen besonders hohen Stellenwert besitzt, ergeben sich daraus insbesondere Erkenntnisse für das Zusammenleben von verschiedenen ethnischen Bevölkerungsgruppen. Die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe wirkt sich dabei für das Individuum grundsätzlich positiv aus und fördert die Selbstakteptanz der eigenen Person. Von Nachteil dabei ist jedoch, dass dadurch Mitglieder anderer Gruppen ausgeschlossen werden und es in Folge zur Bildung von Vorurteilen und zur Entstehung von Ausgrenzungen und Aggressionen kommt. Die Ursache für diesen Mechanismus liegt darin, dass die Herstellung einer positiven sozialen Identität über Vergleichsprozesse erfolgt. Diese implizieren, dass unsere Wahrnehmung Realitätsverzerrungen unterliegt, als deren Folge wir der eigenen Gruppe positive und der anderen Gruppe negative Eigenschaften zuordnen, was wiederum wechselwirksam auf die eigene positive soziale Identität wirkt (vgl. Nicklas 2006a: 109-114). Wird die eigene Gruppe negativ bewertet, hat dies zur Folge, dass Mitglieder versuchen, ihre Kategorie zu verlassen, deren soziale Auslegung zu verändern oder versuchen, die objektive Situation dieser zu verbessern (vgl. Eckmann 2011: 1). Quasi als Steigerungsform davon werden dabei eigene negative Eigenschaften auf die Fremdgruppe projiziert und fördern dadurch die Entstehung von Vorurteilen und Feindbildern (vgl. Nicklas 2006a: 109-114). In diesem Kontext entsteht nach Eckmann (2011: 1-3) kulturelle Identität im Bewusstsein der eigenen Individualität durch das Aufeinandertreffen von und den Vergleich mit anderen Gruppen sowie aus deren Abgrenzung und Differenz. Die Begegnungen zwischen Mitgliedern verschiedener Gruppen sind weitgehend von Gegensätzen und Machtansprüchen gekennzeichnet und führen zur Ausbildung von Mehrheits- und Minderheitsidentitäten. Dabei stehen nicht zahlenmäßige Verhältnisse, sondern die Dominanz in sozialer, kultureller, politischer und ökonomischer Sicht im Vordergrund. Durch ihre Position werden Minderheiten meist nicht nur als andere, sondern auch durch andere definiert. Demgemäß wird den Betroffenen nicht mehr als Subjekt begegnet, sondern aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit. Diese Konstellation kommt in einem dominanten Verhalten der einen Gruppe und als Diskriminierung der anderen Gruppe zum Ausdruck und wird von beiden Seiten her verinnerlicht. Dabei ist der Personengruppe der Mehrheitsidentität ihre Position grundsätzlich weniger bewusst als die Minderheit diese empfindet. Dadurch werden eigene Werte schließlich selbstverständlich und als universelle Norm angesehen und fremde kulturelle Werte davon ethnozentristisch als Abweichungen gewertet (vgl. Eckmann 2011: 1-3). In der Gemeinde Kematen/Ybbs bilden sowohl die lokale Gemeindebevölkerung als auch die Muslime Gruppen, die dem partikulären „Wir“ entsprechen (vgl. Eder 2006: 87-91). In diesem Sinne erfolgt die Zugehörigkeit zu diesen Bevölkerungsgruppen über eine Identifikation mit den kulturell tradierten Werten der jeweiligen Gruppe. Weiters impliziert dieser Mechanismus, dass die Angehörigen des jeweils anderen Kollektivs nicht als gleichwertig anerkannt und daher von der Teilnahme am Gemeindeleben ausschlossen werden. Beim Aufeinandertreffen dieser beiden Bevölkerungsgruppen im Alltagsleben ergeben sich aus den Unterschieden in ihren individuellen und sozialen Identitäten Spannungsfelder. Gelingt es dabei nicht, das beschriebene Verhältnis zwischen der eigenen Person und der Fremdgruppe zu klären, fördert dies die Entstehung von Vorurteilen und Konflikten (vgl. Tajfel 1982: 22-38). Die Zugehörigkeit zu diesen verschiedenen Gruppen hat auch Auswirkungen auf die individuelle Art und Weise, wie ihre Mitglieder Dinge wahrnehmen und sie bewerten und bildet sich im Gemeindeleben durch das Aufeinandertreffen von und den Vergleich dieser beiden Gruppen (vgl. Nicklas 2006a: 109-114). Diese hat zur Folge, dass sich sowohl die lokale Gemeindebevölkerung als auch die Muslime um eine positive Identität bemühen, die mit einer positiven Bewertung des eigenen Kollektivs verbunden ist (vgl. Haselhofer 2014: 10-11). Diese Konstellation führt in Folge zur Ausbildung einer Mehrheitsidentität auf seiten der lokalen Gemeindebevölkerung und einer Minderheitsidentität der Muslime. Dadurch wird den einzelnen Gruppenmitgliedern nicht mehr als Individuen begegnet, sondern aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit werden dabei eigene Werte schließlich ethnozentristisch als universelle Norm angesehen (vgl. Eckmann 2011: 1-3). In diesem Kontext stellt somit die Selbstwahrnehmung der jeweiligen Bevölkerungsgruppe einen Schlüsselprozess zwischen kultureller Identität zur Integration dar.
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