Bachelorarbeit, 2017
41 Seiten, Note: 2,0
I. Einleitung
II. Subkultur
III. Sozialisation
IV. Die Zeugen Jehovas
1. Entstehungsgeschichte
2. Glauben und Lehre
V. Richtlinien der Zeugen Jehovas in Bezug auf
1. Freundschaft
2. Schule
3. Freizeit
4. Erziehung
5. Zucht
VI. Gegenüberstellung aktueller pädagogischer und soziologischer Positionen
1. Freundschaft
2. Schule
3. Freizeit
4. Erziehung
5. Zucht
VII. Fazit
VIII. Literaturverzeichnis
Auf das Interesse mich mit religiösen Subkulturen und genauer gesagt mit Aufwachsen und Sozialisation innerhalb von religiösen Gruppierungen zu beschäftigen, stieß ich zunächst während meiner Arbeit in einer stationären Wohngruppe der Kinder- und Jugendhilfe im Siegener Umland. Hier lebten vier Geschwisterkinder, die aufgrund von religiös motovierter- körperlicher Gewalt aus einer fundamentalistischen- Baptistenfamilie genommen wurden. Die Zusammenarbeit im Rahmen der Elternarbeit gestaltete sich als schwierig, auch der Kontakt zu den Kindern wurde durch Drohungen bestimmt. Grundlage des Handelns der Eltern wurde von ihnen stets durch die bedingungslose Hörigkeit zu Gott und der Bibel begründet.
Kurz nach meiner Arbeit in der Wohngruppe belegte ich an der Universität in Siegen die Veranstaltung „Junge Christen und Generation Allah“ im Modul Erziehungswissenschaften. Anlass dieses Seminars war die auffällig steigende Anzahl von Kindern und Jugendlichen, die Interesse an Religion bekunden. Die steigende Tendenz eröffnete die Diskussion, wie Kinder Bezug zur Religiosität entwickeln, wenngleich aus dem Elternhaus Religion kaum gelehrt oder praktiziert wird. Innerhalb der Veranstaltung beschäftigte ich mich im Rahmen eines Inputs mit dem Teilgebiet „Religiöse Subkulturen“. Meine Referatsgruppe und ich bezogen und auf die Zeugen Jehovas, um an dem Beispiel dieser Religionsgemeinschaft die Eigenschaften einer Subkultur deutlich zu machen. Auch beschäftigten wir uns schwerpunktmäßig mit Vorschriften der Wachturm- Gesellschaft im Bereich der Erziehung von Kindern. Mich schockierten Verbote und Normen, wie z.B. die Isolation von Mitschülern, Vereinsmitgliedern und weiteren sogenannten „Weltmenschen“. Mein Interesse galt vor ab den Auswirkungen im Bereich der sozialen- und emotionalen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, die innerhalb von religiösen Subkulturen, wie z.B. den Zeugen Jehovas, aufwachsen. Die Beschaffung der Thema bezogenen Literatur der Wachtturm- Gesellschaft stellte sich zunächst als schwierig da, da mein Interesse weniger den öffentlich zugänglichen Schriften, wie der Zeitschrift Wachtturm galt, die durch die Missionarsarbeit der Gemeindemitglieder vertrieben wird. Durch einen Artikel über die Zeugen Jehovas in einer lokalen Tageszeitung, die im Ruhrgebiet vertrieben wurde, wendete ich mich an den Autor dieses Artikels. Dieser war aktives Gemeindemitglied bei den Zeugen Jehovas und funktionierte nach eigenen Angaben als eine Form von Pressesprecher. Meine Anfrage nach Publikationen zum Thema Kindheit und Jugend bei den Zeugen Jehovas wurde interessiert aufgenommen. Nach wenigen Tagen wurde mir eine großzügige Zusammenstellung von Zeitschriften und Büchern zu diesem Themengebiet zugesendet.
Die Herausbildung einer geeigneten Forschungsfrage stellte mich zunächst vor eine große Hürde, nämlich der Fokussierung auf einen explizierten Forschungsschwerpunkt. Sicherlich bietet das Themengebiet einen umfassenden Spielraum. Ich musste also abwägen, welcher Disziplin ich mich in der Auseinandersetzung widme. Zunächst betrachtete ich die Thematik aus sozialpsychologischer Sichtweise, mit dem Bereich Angst, befürchtete jedoch, dem geforderten Umfang dieser Arbeit in diesem Rahmen nicht gerecht werden zu können. Also verlagerte ich meine Recherche anstatt auf die Themen Subkultur, Religion oder Zeugen Jehovas auf das Forschungsgebiet Kindheit und Jugend. Schnell traf ich auf den Begriff Sozialisation mit seiner enormen Menge an Teilbereichen. Ich erkannte rasch, dass die Bereiche der Erziehungsrichtlinien der Zeugen Jehovas, die mich besonders interessieren, allesamt unter diesem Oberbegriff behandelt werden konnten. Hier lag mein besonderes Interesse auf den Bereichen Freundschaft, Freizeit und Schule. Zwar gelang es mir nicht, während der Zusammenstellung und Recherche von wissenschaftlicher Literatur genau diese Auseinandersetzungen mit dem Thema ausfindig zu machen, jedoch boten mir gerade allgemein formulierte Werke zur Sozialisation eine passende Vergleichsmöglichkeit zu den Themengebieten, auf die ich im Bereich der Zeugen Jehovas genauer eingehen wollte. Ich entschied mich nun dazu, einen Vergleich zu wagen, in dem ich, anhand von Literatur der Wachtturm- Gesellschaft, diese speziellen Aspekte, wie z.B. Freundschaft, Schule und Freizeit, mit allgemeinen Theorien bezüglich der Sozialisations- und Erziehungswissenschaft abgleiche und daraus eventuelle Folgen und Risiken dieser Richtlinien herausbilde. Ziel soll es sein, einen kritischen und genauen Blick auf subkulturelle Methoden zu werfen und diese strengen Prüfungen zu unterlegen, um eventuelle negative Einflüsse auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu erkennen.
Aus diesem Vorgaben heraus entwickelte ich unter dem Themengebiet „Erzieherische Richtlinien religiöser Subkulturen am Beispiel der Zeugen Jehovas“ die spezifische Forschungsfrage „Welche Auswirkungen erfahren Kinder und Jugendliche im Bereich Entwicklung und Sozialisation?“.
Die Art der Arbeit wird eine theoretische Form annehmen, da hier ein Vergleich von verschiedenen wissenschaftlichen Forschungen mit Publikationen aus religiösen und subkulturellen Publikationen vorgenommen wird. Theoretische Ansätze aus den Wissenschaftsbereichen von Sozialisation und Pädagogik dienen zunächst der Einarbeitung in die Thematik der Lebensphase Kindheit und Jugend. Nach dem Abgleich mit Schriften der Wachtturm- Gesellschaft stelle ich einen Vergleich an, um eventuelle Risiken oder Gefahren abschätzen zu können. Der Hauptsächliche Inhalt besteht also aus Literaturarbeit.
Der Aufbau dieser Arbeit dient der schrittweisen Heranführung an das Thema und der Beantwortung der Forschungsfrage. Zu Beginn werden die Begriffe Subkultur und Sozialisation beschrieben, da die Definition einen ersten Überblick über die Begrifflichkeiten aus der Forschungsfrage bietet. Im zweiten einleitenden Teil wird der Einstieg in die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas erarbeitet. Hierbei steht zunächst die Entstehungsgeschichte Jehovas Zeugen, anschließend eine Übersicht der Lehren und Glaubensvorstellungen im Vordergrund. Einleitend zum Hauptteil wird genauer auf die Richtlinien der Wachtturm- Gesellschaft in Bezug auf Freundschaft, Schule, Freizeit, Erziehung und Zucht eingegangen. Diese Untertitel beziehen sich teilweise aufeinander, worauf eben diese Reihenfolge der behandelten Bereiche entsteht. Im Hauptteil werden eben diese Richtlinien erneut aufgezählt und mit Theorien und Erkenntnissen aus dem Themenbereich Sozialisation und Erziehungswissenschaften verglichen. Eine präzise Zusammenfassung findet sich nach jedem Unterkapitel wieder. Das abschließende Fazit beschäftigt sich mit einer Reflexion der gewonnenen Erkenntnisse und wertet diese.
Der Begriff Subkultur findet seinen hauptsächlichen Gebrauch in der Disziplin der Soziologie. Im Duden wird diese Bezeichnung als eine "innerhalb eines Kulturbereichs, einer Gesellschaft bestehende, von einer bestimmten gesellschaftlichen, o.ä. Gruppe getragene Kultur mit eigenen Normen und Werten" (http://www.duden.de/rechtschreibung/Subkul- tur, abgerufen 13.09.2017). Unter einer Subkultur, oder auch Unter- Kultur versteht man ein System, welches neben den eigenen Werten und Normen auch eigene Verhaltensweisen, Ansichten und Symbole gebraucht, die sich von der Gesamtkultur abgrenzen. Oftmals sind sogar Gegenpositionen zur Gesamtkultur erkennbar, wodurch sich z.B. Jugendliche in speziellen Jugend- Subkulturen von Erwachsenen und Eltern entziehen (vgl. Hur- relmann&Quenzel, 2016, S.182). Innerhalb einer Subkultur ist es einzelnen Mitgliedern möglich, ein höheres Maß an Identifikation und Anerkennung zu erfahren, da hier spezielle Lebensbedingungen berücksichtigt werden. Somit kann die Solidarität in solchen Gruppen einen höheren Stellenwert erlangen, jedoch steigt auch die Wahrscheinlichkeit von Konflikten anderen Gruppierungen gegenüber (vgl. Hartfiel, 1976, S.652). "Die Funktion der Subkultur liegt in der Selbstwertstabilisierung [...] Sie profitieren von den Gruppenregeln, die gesetzlichen und gesellschaftlichen Erwartungen vielfach widersprechen" (Hurrelmann&Quenzel, 2016, S.182).
Eine Subkultur stellt also ein System innerhalb einer Gesellschaft dar, die sich durch eigene Wertmaßstäbe abgrenzt, wie folgende Aussage belegt: „Somit ist Subkultur ein Teil einer konkreten Gesellschaft, der sich in seinen Institutionen, Bräuchen, Werkzeugen, Normen, Weltordnungssystemen, Präferenzen, Bedürfnissen usw. in einem wesentlichen Ausmaß von den herrschenden Institutionen etc. der jeweiligen Gesamtkultur unterscheidet“ (Schwendter, 1993, S.10).
Nun stellt sich die Frage, ob die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas diese Merkmale erfüllt und ob sie als Subkultur begriffen werden kann. Der Versuch einer Einordnung wird im Fazit unternommen.
Schlägt man im Duden die Definition des Begriffs Sozialisation, so erhält man folgenden Versuch: „[Prozess der] Einordnung des (heranwachsenden) Individuums in die Gesellschaft und die damit verbundene Übernahme gesellschaftlich bedingter Verhaltensweisen durch das Individuum“ (https://www.duden.de/rechtschreibung/Sozialisation, angerufen: 04.11.2017). Der französische Soziologe Durkheim verstand unter diesem Begriff einen Vorgang, der den Menschen vergesellschaftet. Sozialisation sei es „im Kinde gewisse physische, intellektuelle und sittliche Zustände zu schaffen und zu entwickeln, die sowohl die politische Gesellschaft in ihrer Einheit als auch das spezielle Milieu, zu dem es in besonderer Weise bestimmt ist, von ihm verlangen“ (Durkheim, 1972, S.30).
Der Begriff Sozialisation kann also als ein fortlaufender Prozess bezeichnet werden, in dem sich die Persönlichkeit eines Menschen entwickelt, wobei er in ständiger Verbindung zur Gesellschaft steht, an diese er, beispielsweise durch Erziehung, angepasst werden soll.
Betrachtet man die Entstehungsgeschichte der Zeugen Jehovas, ist zunächst die Besiedlung der heutigen USA zu benennen. Unter den europäischen Siedlern fanden sich viele Mitglieder reformierter Glaubensgemeinschaften wieder, deren Glaube auf den Calvinis- tischen Lehren fußt (vgl. Weber&Valentin, 1994, S. 15). Charakteristisch für viele der calvinistischen Gruppierungen ist die Übernahme von Elementen aus dem mittelalterlichen Mönchstum, wie z.B. „asketische Lebensführung, Heiligung des Alltags und systematische Unterweisung in der Heiligen Schrift.“ (Weber&Valentin, 1994, S.15). Auch prophetische Vorhersagen und biblische Berechnungen sagen eine bevorstehende Apokalypse hervor und wurden auf Ende des 18. Jahrhundert datiert. Die Erwartung nach dieser Neustrukturierung stützte sich auf die Wiederkunft Jesu, der fortan eine gerechte Gesellschaftsordnung schaffen würde (vgl. Weber&Valentin, 1994, S.16). Nachdem die Vernichtung der Weltordnung nicht eingetroffen ist, wurde ein neuer Termin, nämlich 1914, in der Zeitschrift Herald of the Morning - God is Love im Jahre 1878 veröffentlicht von Nelson H. Barbour. Unter den Herausgebern ist neben Anderen auch Charles Taze Russell zu nennen, der 1879, nachdem er sich von den Aussagen Barbours distanzierte, seine eigene Zeitschrift The Watch Tower and Herald of Christ's Presence herausbrachte und als Vorläufer des heutigen Wachturms zu sehen ist, der Hauptvertriebslehre der Zeugen Jehovas (vgl. Weber&Valentin, 1994, S.17). Seine Erkenntnisse vertrieb er nun durch bezahlte Kolporteure, die als Prediger seine Erkenntnisse, hauptsächlich zum Thema des Weltuntergangs im Jahre 1914, verkauften und erreichte eine breite Masse von Interessenten (vgl. Weber&Valentin, 1994, S.17).
Im Jahre 1884 gründete Russell schließlich die Zion's Watch Tower Tract Society mit Hauptbüros in Pittsburgh, wodurch Russell nun als erster Präsident der Körperschaft eingetragen wurde. Der Umzug von Pittsburgh nach Brooklyn fand erst im Jahre 1909 statt (vgl. Deckert, 2007, S.104). Auch heute stellt die Zentrale in Brooklyn den Hauptsitz der Zeugen Jehovas dar, in der die Wachturm- Gesellschaft mit ihrer leitenden Körperschaft die Gemeinschaft leitet. Zudem nannten sich Russell und seine Glaubensanhänger ab 1884 die Ernsten Bibelforscher, die selbstständige Versammlungen gründeten, ihre Ältesten selbst wählten und sich zu freiwilligen Zusammenkünften trafen, an denen Russell als Ehrenvorsitzender fungierte (vgl. Weber&Valentin, 1994, S.19). Am 31. Oktober 1916 verstarbt Charles T. Russell und bereits im Januar 1917 wurde Joseph Franklin Rutherford als neuer Präsident der Bibelforscher einberufen (vgl. Deckert, 2007, S.105). Rutherford strukturierte die Gemeinschaft fortan um. So wurde die bislang praktizierte Unabhängigkeit der Versammlungen verworfen und eine Theokratie proklamiert, unter der ausschließlich Rutherfords Ideen und Vorstellungen Geltung fanden. So wurden beispielsweise Feiertage, wie Weihnachten und das Kreuz als Zeichen des christlichen Glaubens als heidnisch deklariert und der Bedeutung des Namen Jehova größere Bedeutung zugeschrieben (vgl. Weber&Valentin, 1994, S.22). Nach weiteren Änderungen der Glaubenslehre und der Organisation der Bibelforscher datiert Rutherford die Zerstörung des Weltlichen, einhergehend mit einer Neustrukturierung der Weltordnung, genannt Harma- gedon, auf das Jahr 1925. Nachdem diese Prophezeiung nicht eintrifft, distanziert sich Rutherford von seinen Aussagen und schreibt alles Wissen bezüglich Harmagedon alleinig Jehova zu (vgl. Weber&Valentin, 1994, S.25f.).
Nachfolger Rutherfords wurde nach seinem Tod im Jahre 1942 Nathan Homer Knorr, der ehemalige Vizepräsident der Watch Tower Society (vgl. Deckert, 2007, S.110). Knorr überarbeitete und optimierte während seiner Dienstzeit als Präsident die Verwaltungsstruktur der Gemeinschaft, wie z.B. durch den Ausbau der Missionarsstruktur, durch eine sogenannte Gileadschule und weiteren Einrichtungen zur Schulung der Vertreibung der Zeitschriften (vgl. Weber&Valentin, 1994, S.27f.). Auch durch die zusätzliche Zeitschrift Erwachet!, die 1946 erstmalig erschienen ist, sowie durch große Kongresse, beispielsweise 1950 im New Yorker Yankee Stadion, dehnten sich die Zeugen Jehovas und ihre Mitgliederzahlen international schnell aus (vgl. Weber&Valentin, 1994, S.29f.).
„Am 8. Juni 1977 starb Nathan H. Knorr. Zu seinem Nachfolger wurde der 83 jährige Frederick W. Franz gewählt, der unter Knorr Vizepräsident der WTS war.“ (Deckert, 2007, S.115). Franz führt zusätzlich auch Zeichensprache und Audio- Cassetten ein, um ein größeres Publikum zu erreichen (vgl. Weber&Valentin, 1994, S.31).
Nach dem Tod von Präsident Franz folgte zunächst Milton Henschel und ab dem Jahr 2003 bis heute schließlich Don A. Adams. Er und die leitende Körperschaft der Wachtturm Gesellschaft bilden die höchste Position bei den Zeugen Jehovas (vgl, Deckert, 2007, S.116.).
Betrachtet man nun die Gegenwart mit Fokus auf Deutschland, so sind hier laut Angaben der Körperschaft des öffentlichen Rechts der Zeugen Jehovas Deutschland, K.d.ö.R. rund 168.763 getaufte Zeugen aktiv. Sie treffen sich regelmäßig zu Versammlungen in einem von 997 Gebäuden, den sogenannten Königreichsälen, stand: November 2016 (vgl. jeho- vaszeugen.de, abgerufen: 03.09.17).
„Die Zeugen Jehovas alias Bibelforscher sind einem fundamentalistischen oder >>buch- stabengetreuen<< Bibelverständnis verpflichtet. Das beinhaltet die Überzeugung, dass die Bibel als ganzes das geoffenbarte Wort Gottes und somit wahr ist.“ (Deckert, 2007, S.118). Sie orientieren sich also an einer von Jehova inspirierten Bibel, der sogenannten Neue- Welt- Übersetzung der Heiligen Schrift, die in deutscher Fassung im Jahre 1972 veröffentlicht wurde. Diese Übersetzung wurde durch ein anonymes Übersetzungskomitee erstellt, über die keine weiteren Informationen zur Verfügung stehen (vgl. Deckert, 2007, S.119). Die Offenheit anderen Glaubensideen gegenüber wird von der WachtturmGesellschaft nicht geduldet. „Die ZJ unterhalten keine Kontakte zu anders- oder nichtgläubigen Gruppierungen, sie weist jede Abweichung von der Lehre Jehovas als Unglaube zurück. Die Gesellschaft meint im Besitz der absoluten Wahrheit zu sein, weswegen sie sich von jedem Dialog von vorherein abgrenzt, der nicht der eigenen Anschauung entspricht“ (Kühn, 2016, S.255).
Zu genauen Glaubensansätzen gibt das Internetportal der Zeugen Jehovas eine genaue Auskunft, die ich an folgender Stelle zusammenfassen werde: An oberster Position steht der alleinige Gott, der den Namen Jehova trägt. Die durch Jehova inspirierte Bibel, das Alte- sowie das Neue Testament bilden somit die Glaubensgrundlage und bietet genaue Anleitung zum Leben. Auch Jesus wird als Leitbild erwähnt und als Jehovas Sohn angesehen, jedoch findet eine klare Abstufung zu Jehova statt. Des weiteren besteht der Glaube an ein bereits bestehendes Reich Gottes. Diese göttliche Regierung befindet sich im Himmel und wird von Jesus seit dem Jahr 1914 regiert. Aufgrund von Aussagen in der in der Bibel, in denen davon gesprochen wird, dass die Menschen in den letzten Tagen leben, gehen die Zeugen Jehovas davon aus, dass Jehova die weltlichen Regierungen in naher Zeit durch seine göttliche Regierung ablösen wird. Ein weiterer Bestandteil der Glaubenslehre ist die Erbsünde durch den Verzehr der verbotenen Frucht im Garten Eden. Jesus wird diesbezüglich als Erlöser angesehen, da er durch seinen Tod die Rettung der Menschen, die an ihn glauben, ermöglicht hat. Verpflichtend ist für die Anhänger Jehovas zunächst die Taufe innerhalb der Glaubensgemeinschaft, sowie einen gottgefälligen Lebensstil zu führen, also durch Taten den Glauben wieder zu spiegeln. Dies stellt jedoch nicht automatisch die Zusicherung auf ein Leben nach dem Tod in Jehovas Königreich auf der Erde dar, da allein Gottes Gnade über die Rettung entscheidet. Nach Harmagedon werden Jehova, Jesus und Engel in Form von Geistwesen im Himmel regieren. Ihnen werden 144.000 Menschen zur Seite stehen, die gemeinsam mit Gott und Jesus im Himmel leben werden und dort als Gesamtes die Regierungsposition einnehmen. Alle weiteren treuen Anhänger Jehovas werden nach ihrem Tod mit ewigem Leben belohnt und werden auf der Erde in einem Paradies leben. Wer nicht mit Gottes Gnade belegt wurde, also kein Mitglied der treuen Glaubensgemeinschaft ist, wird nicht vom Tod auferweckt werden und erhält keine Aussicht auf ein ewiges Leben im Paradies.
Organisiert sind die Zeugen Jehovas in verschiedene Gemeinden, den sogenannten Versammlungen. Diese Versammlungen werden von wenigen Ältesten geleitet. Die oberste weltliche Instanz bildet die leitende Körperschaft, eine kleine Anzahl von langjährigen Zeugen Jehovas, die die Organisation führt. Auch das Verhalten aller Gemeindemitglieder ist durch die Bibel geprägt. Sie zeichnet sich durch Nächstenliebe aus und orientiert sich an den wünschen und Regeln Jehovas. So verweigern Zeigen Jehovas Krieg, die Teilnahme an politischen Aktionen und das Empfangen von Bluttransfusionen (vgl. https://www.jw.org/de/jehovas-zeugen/haeufig-gestellte-fragen/was-glauben-zeugen-je- hovas/, Abgerufen: 08.09.2017).
Die Zeugen Jehovas leben ihren Glauben. Dazu gehören auch Pflichten, die ein jedes Mitglied erfüllen soll. Zunächst wird der Kontakt zu Jehova in Form von gebeten genannt. Auch das regelmäßige Bibelstudium, sowie der Austausch über die Lehren mit anderen Glaubensmitgliedern ist ein fester Bestandteil des Alltags. Ein Kernstück in der Prakti- zierung des Glaubens stellt der Predigtdienst dar. Hierbei werden die Lehren Jehovas in der Öffentlichkeit verbreitet, beispielsweise durch Infostände auf öffentlichen Plätzen, oder durch das Missionieren auf der Straße und den Haustüren. Auch der Bau von neuen Glaubenshäusern, den Königreichsälen, sowie deren Instandhaltung gehört zu den Pflichten eines getauften Gemeindemitglieds (vgl. https://www.jw.org/de/jehovas-zeu- gen/haeufig-gestellte-fragen/was-glauben-zeugen-jehovas/, Abgerufen: 08.09.2017).
Des weiteren werden Feiertage wie Geburtstage, Ostern oder Weihnachten von den Zeugen Jehovas nicht gefeiert, da diese nach ihrer Lehre heidnischen Bräuchen zugeschrieben werden (vgl. Weber&Valentin, 1994, S.64). Auch der Wissenschaft steht die Gemeinschaft kritisch gegenüber. So werden ausschließlich wissenschaftliche Erkenntnisse, die die Lehre der Zeugen Jehovas bekräftigen für wahr bewertet. Im Falle von Kritik am Glaubensmodell wird dies als Werk Satans deklariert (vgl. Weber&Valentin, 1994, S. 54). Die Lehren der Zeugen Jehovas besagen, dass Jesus nicht an einem Kreuz, sondern an einen Pfahl genagelt wurde: „Dort nageln sie seine Hände und Füße an den Pfahl. Danach richten die denn Stamm auf, sodass Jesus daran hängt“ (Zeugen Jehovas, 2012, S.199).
Freundschaften sind ein fester und wichtiger Bestandteil des sozialen Miteinanders. Der Duden definiert den Begriff der Freundschaft als „auf gegenseitiger Zuneigung beruhendes Verhältnis von Menschen zueinander“ (http://www.duden.de/rechtschrei- bung/Freundschaft, abgerufen: 12.09.2017). Auch in der Glaubenslehre der Zeugen Jehovas nimmt der Begriff der Freundschaft einen großen Stellenwert ein. Als wichtigste Form der Freundschaft wird die zu Jehova, dem Schöpfer, genannt. In einem Lehrbuch für Kinder und Jugendliche heißt es: „ Was denkst du, wer der beste Freund ist, den wir haben können? - Ja, Jehova Gott“. (Zeugen Jehovas, 2012, S.226). Diese Freundschaft kann laut der Wachtturm- Gesellschaft jedoch nur auf eine gewisse Art verdient werden, denn weiter heißt es: „Wenn wir also Jehovas Freunde sein möchten, müssen wir das tun, was Gott gefällt [...]“ (Zeugen Jehovas, 2012, S.226). Zudem ist bei der Wahl der Freunde darauf zu achten, dass ausschließlich Freundschaften zu anderen Anhängern Jehovas aufgebaut und gepflegt werden, da nur sie einen guten Einfluss darstellen (vgl. Zeugen Jehovas, 2012, S.231). Um diesen Konflikt der verschiedenen Glaubensrichtung zu entschärfen, genauer gesagt zwischen gläubigen Zeugen Jehovas und denen, die Jehova nicht dienen, wird Kindern und Jugendlichen von früh an der Ratschlag erteilt, potentielle Anhänger der Glaubensgemeinschaft zu gewinnen. „Und wenn sie Jehova eines Tages genauso lieben wie wir, können sie zu unseren besten Freunden gehören“ (Zeugen Jehovas, 2012, S.231). Ein Ratgeber für Fragen von jungen Zeugen Jehovas ruft klar zu einem Unterschied zwischen gerechten- und bösen Menschen auf. Als gerecht werden die Anhänger Jehovas benannt, Menschen, die Jehova nicht dienen, gelten als böse (vgl. Zeugen Jehovas, 2012, S.60).
Die Aufgabe der Schließung und Aufrechterhaltung von Freundschaften liegt jedoch nicht ausschließlich im Aufgabenbereich der Kinder und Jugendlichen. Auch die Eltern, die Jehova dienen, haben die Pflicht, auf die Freunde und den Umgang ihrer Kinder zu achten und sicherzustellen, dass sie sich nur mit Menschen umgeben, die Jehova lieben (vgl. Zeugen Jehovas, 2006, S.95). Als Zusammenfassung des Themas Freundschaften, speziell in Bezug auf erzieherische Maßgaben der Zeugen Jehovas lässt sich abschließend folgendes Zitat nennen: „Wir müssen also darauf achten, uns nur Freunde zu suchen, die Gott lieben“ (Zeugen Jehovas, 2012, S.231).
Ähnliche Argumente und Ansichten der Zeugen Jehovas zum Thema Schule finden sich in diesem Unterpunkt wieder. Zwar wird das Schulsystem als ganzes in keiner Weise kritisiert, jedoch wird auch in diesem Teilsystem des alltäglichen Lebens zur Vorsicht geraten. Die Schule wird allgemein als nützliche Institution der Bildung angesehen, jedoch soll sich der Verbleib dort auf die reine Wissensvermittlung beschränken, sodass, ähnlich wie bereits zum Thema Freundschaft beschrieben, der Kontakt mit Personen, die Jehova nicht dienen, verhindert werden (vgl. Zeugen Jehovas, 1976, S.84). Die Sorge eines negativen Einflusses auf die gottestreuen Kinder und Jugendlichen wird hier besonders deutlich: „Allerdings kommen Kinder durch die Schule auch mit anderen Kindern in Berührung, von denen viele verdrehte Ansichten haben. Man betrachte beispielsweise ihre Ansichten über Sexualität und Moral“ (Zeugen Jehovas, 2006, S.91). Dieser Gefahr kann laut Ratgeber der Wachtturm- Gesellschaft jedoch neben der Meidung des Kontaktes auch eine Unterweisung der Lehren Jehovas sein. So wird Schülerinnen und Schülern geraten: „Viel besser [als sich negativen Einflüssen anderer SchülerInnen hinzugeben] wäre es, deine Schulfreunde ins Rettungsboot zu holen, sie also mit Jehova vertraut zu machen!“ (Zeugen Jehovas, 2008, S.146).
Bezüglich der in der Schule vermittelten Lehren tragen die Eltern der Kinder und Jugendlichen die Pflicht, diese auf die Kompatibilität mit der Bibel zu prüfen und einem falschen Gedankengut, welches durch die Lehrkräfte gelehrt wird, entschieden entgegenzuwirken. Zu diesen Unwahrheiten zählen beispielsweise die Evolutionstheorie oder die Vorstellung, dass keine Wahrheit absolut ist (vgl. Zeugen Jehovas, 2006, S.94).
Hier kann also zusammengefasst formuliert werden, dass die Schule zur Wissensvermittlung nützlich sein kann, außerschulische Kontakte und Freundschaften jedoch vermieden werden sollten, es sei denn eine Überzeugung zu den Lehren Jehovas wäre möglich.
„Es gilt zu berücksichtigen, welchen Umgang man haben kann, wenn man in einem Verein oder in einer Schulmannschaft spielt. Es ist weithin bekannt, daß in den Umkleideräumen unsittliche Gespräche geführt werden. Darüber hinaus ist man bei Auswärtsspielen längere Zeit mit Menschen zusammen, denen Treue gegenüber Gott nichts bedeutet. [...] Welchen Wert hätte es, wenn du dich auf etwas einlassen würdest, was sehr schnell deine sittlichen Grundsätze untergraben und dein Verhältnis zum Schöpfer ruinieren könnte?“ (Zeugen Jehovas, 1976, S.119). Anhand dieses Zitates lässt sich klar die Einstellung der Wachtturm- Gesellschaft in Bezug auf Vereine und Sportmannschaften erkennen. Die Meinung herrscht vor, dass innerhalb dieser Vereine eine unmoralische und einflussreiche Atmosphäre herrscht, die den Lehren Jehovas widerspricht. Dies stellt eine potentielle Gefahr für jeden Anhänger Jehovas da und könnte sogar die Freundschaft zu ihm gefährden. Ein weiteres Zitat in einem Familienratgeber schildert folgende Situation: „Als die Schule wollte, daß unser Sohn in der Footballmannschaft mitspielt, haben wir, meine Frau und ich, uns mit ihm hingesetzt und besprochen, warum das nicht gut wäre - wegen der neuen Gefährten, die hinzukämen. Aber dann schlugen wir ihm vor, einige Kinder aus der Versammlung herbeizuholen und sie alle in den Park mitzunehmen, um dort Ball zu spielen. Und das hat gut funktioniert“ (Zeugen Jehovas, 2006, S.96). Dieses Beispiel stützt die gleiche These, von der im vorherigen Zitat Gebrauch gemacht wurde. Hinzugefügt wird die Alternative, Sport nicht im Verein oder in einer Mannschaft zu praktizieren, sondern innerhalb einer ausgewählten Gruppe aus Zeugen Jehovas. Generell kann festgehalten werden, dass Sport oder jegliche Art von Beteiligung an Verabredungen im freizeitlichen Kontext die Gefahr birgt, durch nicht Bibeltreue den Glauben und die Beziehung zu Jehova zu schwächen. Daher ist es nötig, sich alternativ mit Kindern oder Jugendlichen aus der eigenen Gemeinschaft zu verabreden und gemeinsame Aktivitäten durch zu führen.
Gemäß der Vorgaben der Wachtturm- Gesellschaft unterliegen insbesondere Eltern konkreten Konzepten der Erziehung ihrer Kinder. Zunächst zu nennen sind die Eigenschaften, die durch die Erziehung des Kindes/ der Kinder entwickelt werden sollen und im weiteren Leben durch das Einwirken der Eltern weiter gestärkt werden sollen. Diese Eigenschaften bestehen im besonderen Maße aus Glauben, Weisheit, Unterscheidungsvermögen, Loyalität, Respekt und der liebevollen Wertschätzung Jehova gegenüber (vgl. Zeugen Jehovas, 2006, S.55).
Eltern sollen ihren Kindern gute Lehrer sein und keine Situation auslassen, in der sie über Jehovas Lehren berichten. Maßgebend wird diese Vorgehenseise und Belehrung mit einem biblischen Zitat begründet, in dem Jehova gesagt habe: „Es soll sich erweisen, daß diese Worte, die ich dir heute gebiete, auf deinem Herzen sind; und du sollst sie deinem Sohn einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Haus sitzt und wenn du auf dem Weg gehst und wenn du dich niederlegst und wenn du aufstehst.“ (Zeugen Jehovas, 2006, S.55). Es wird also deutlich erkennbar, dass die Belehrung und die Unterweisung in die Gebote und Lehren Jehovas anhand dieser Grundlage einen wichtigen Teil der Erziehung ausmacht. Regelmäßige Gespräche, Unterrichtseinheiten und organisierte Bibelstudien werden als beste Methode beschrieben, um die Kinder mit Jehovas Gesetzen vertraut zu machen, um so eine tiefe Liebe zu Jehova zu entwickeln (vgl. Zeugen Jehovas, 2006, S.58).
Von eigenen Ideen seitens der Eltern wird abgeraten. Hier stehen die Maßgaben Jehovas, verkündet durch die Wachtturm- Gesellschaft, die als Sprachkanal Gottes fungiert, über die erzieherischen Methoden der Mütter und Väter. Dies drückt die Organisation mit folgendem Zitat aus: „Vertraue auf Jehova mit deinem ganzen Herzen, und stütze dich nicht auf deinen eigenen Verstand.“ (Zeugen Jehovas, 2006, S.51).
Einen besonderen Stellenwert erfährt die Erziehung in der Zeit der Pubertät, in der die Kinder und Jugendlichen oft durch weltliche Freunde, unsittliche Ansichten und gefährdende Propaganda, besonders im Bereich der Sexualität, ausgesetzt sind und es oberste Priorität haben soll, ständig über Jehova zu sprechen und somit die jungen Menschen von der Wichtigkeit eines sittlich reinen Lebens zu überzeugen (vgl. Zeugen Jehovas, 2006, S.67).
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