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Bachelorarbeit, 2020
49 Seiten, Note: 2,0
Medien / Kommunikation - Medien und Politik, Pol. Kommunikation
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Soziale Bewegungen
2.2 Politische Kommunikation
2.2.1 Außenkommunikation
2.2.2 Binnenkommunikation
2.3 Nachrichtenwerttheorie
3 Empirischer Forschungsstand
4 Hypothesen und Variablenmodell
4.1 Hypothesen
4.1.1 Entwicklung der Verwendung von Nachrichtenfaktoren
4.1.2 Häufige Nachrichtenfaktoren
4.1.3 Seltene Nachrichtenfaktoren
4.2 Variablenmodell
5 Methodisches Vorgehen
5.1 Design
5.1.1 Quantitative Inhaltsanalyse
5.1.2 Codierung
5.1.3 Indexbildung Nachrichtenwert
5.2 Datenerhebung
5.3 Besonderheiten bei der Inhaltsanalyse von Online-Inhalten
5.4 Sample und Analyseschritte
5.5 Zuverlässigkeit und Gültigkeit der Messung
5.5.1 Reliabilität
5.5.2 Validität
6 Ergebnisse
6.1 Darstellung
6.2 Überprüfung der Hypothesen
6.3 Sonstige Auffälligkeiten und Interpretation
6.4 Kriteriums- und Inferenzvalidität
7 Fazit
7.1 Zusammenfassung
7.2 Methodenkritik und Einschränkungen
7.3 Ausblick
Literatur
Anhang
Codebuch
Tabelle 1: Intracoder-Reliabilität
Tabelle 2: Mittelwerte
Die Jugend ist schon sehr lange dafür bekannt, sich von ihren Vorgängergenerationen abzusetzen und gesellschaftlich sowie politisch „aufstrebend und vorwärtsdrängender“ (Scherer, 1988, S. 188) zu denken. Auch, wenn dies von Generation zu Generation in unterschiedlichem Maße der Fall ist, „reagieren [Jugendliche und junge Erwachsene] auf neue Problemlagen sensibler, weil unbelasteter […]“ (Scherer, 1988, S. 8). Zurückblickend ist hier im 20. Jahrhundert besonders die 68er Bewegung zu nennen (Winkler, 2014, S. 482-526). Die aktuelle junge Generation wird ebenfalls als durchaus politisch gesehen, allerdings drücke sich dies nicht überwiegend im Engagement in Parteien aus (vgl. Albert, Hurrelmann & Quenzel, 2015). In der Öffentlichkeit treten Teile dieser Generation seit Ende 2018 international aktiv und unter großer medialer Berichterstattung bei den sogenannten Schulstreiks für das Klima als „Fridays for Future“ (FFF) auf. Spätestens aber, als der Youtuber Rezo im Mai 2019 ein Video unter dem Namen „Die Zerstörung der CDU.“ (2019) veröffentlichte, in der er die aktuelle Klimaschutzpolitik, und damit insbesondere die Regierungspartei CDU kritisierte, wurden die Unterschiede in der politischen Kommunikation zwischen den Generationen deutlich sichtbar. So titelte der SPIEGEL „Revoluzzer: Die neue APO: Wie die Generation YouTube die deutsche Politik aufmischt“ und zog damit auch den Vergleich zur sogenannten „Außerparlamentarischen Opposition“ (Der Spiegel, 2019) der 1960er und 1970er Jahre in der Bundesrepublik, die den radikalen gesellschaftlichen Wandel wollte (vgl. Winkler, 2014, S. 482).
Häufig ist in der Literatur zu lesen, dass politische Kommunikation für Bewegungen essentiell ist. So finde eine Bewegung, über die nicht berichtet wird, nicht statt (vgl. Raschke, 1985, S. 343). FFF „erfährt eine große und bis heute anhaltende öffentliche Resonanz“ (Sommer, Rucht, Haunss, & Zajak, 2019, S. 39) und scheint auf diesem Feld besonders erfolgreich zu sein. Dies gelingt nur, wenn „die Aufmerksamkeitsstrukturen des Mediensystems gewonnen werden“ (Imhof & Schulz, 1996, S. 170), woraus die Notwendigkeit der ständigen Anpassung an das Mediensystem resultiert, um für dieses weiterhin interessant und berichtenswert zu bleiben. Im Falle von FFF wird dem Internet sowie den sozialen Netzwerken dabei eine große Rolle zugeschrieben (vgl. Rucht & Sommer, 2019b). Hier kann jeder zum Sender einer Nachricht werden und schnell eine große Reichweite aufbauen, sowohl direkt in Richtung der Rezipienten als auch zu den Medien (vgl. Vowe, 2014, S. 30). Doch wie präsentiert man sich hier wirksam, um genügend Aufmerksamkeit zu erlangen? Einerseits wird in der bewegungssoziologischen Literatur häufig die Kombination eines zugleich anziehenden und bedrohlichen Erscheinungsbildes als besonders wirksam beschrieben (vgl. Turner, 1969, S. 815-831, vgl. Quadbeck, 2019), andererseits agiert die Bewegung bisweilen sehr moderat und erzeugt damit „erstmal wenig Widerspruch und sehr viel Sympathie“ (Meyen, 2019). Hinsichtlich des Erfolges der Bewegung und ihrer großen medialen Präsenz (s.o.) stellt sich die Frage, ob FFF sein Auftreten in den Online-Medien im Laufe der Zeit verändert und stärker sogenannte Nachrichtenfaktoren (vgl. z.B. Maier et al., 2018, Schulz, 1976, Staab, 1990) einsetzt, um weiter eine hohe Aufmerksamkeit der Medien wie auch der Rezipienten zu aggregieren. Es ist also von Interesse, auf welche Nachrichtenfaktoren FFF besonders setzt und wie sich deren Einsatz im Zeitverlauf verändert. Die vorliegende Bachelorarbeit untersucht die Online-Kommunikation von FFF, speziell in den sozialen Netzwerken, unter besonderer Berücksichtigung der Verwendung von Nachrichtenfaktoren.
Das spezifische Ziel hierbei ist, zu erforschen, wie die Bewegung Nachrichtenfaktoren als Teil ihrer Kommunikationsstrategie nutzt und diese im Laufe der Zeit anpasst, um langanhaltende Resonanz in den Medien zu erzielen. Der Arbeit liegt deshalb die folgende Fragestellung zugrunde:
Wie verändert sich die politische Online-Kommunikation von Fridays for Future hinsichtlich der Nutzung der Nachrichtenfaktoren?
Diese erscheint vor dem Hintergrund der bereits erreichten hohen Aufmerksamkeit kommunikationspraktisch besonders relevant, da für zukünftige Bewegungen und Interessengruppen die Ergebnisse von Bedeutung sein und sie Teile davon für ihre eigene Strategie adaptieren könnten. Von wissenschaftlichem Interesse kann die Fragestellung sein, um zu analysieren, inwiefern sich die Nachrichtenwerttheorie auf FFF übertragen lässt und mit welchen Nachrichtenfaktoren und dem damit verbundenen Auftreten Bewegungen wie FFF besonders wirksam ihren Zielen näherkommen können.
Um die Fragestellung beantworten zu können, wird in den nächsten beiden Kapiteln der notwendige theoretische Hintergrund sowie der empirische Forschungsstand erläutert, bevor dann im dritten Kapitel ein Untersuchungsmodell aufgestellt und unter anderem erläutert wird, dass Twitter-Beiträge von FFF untersucht werden sollen. Darauf folgt im vierten Kapitel die Aufstellung von Hypothesen, bevor im fünften Kapitel das methodische Vorgehen, um diese zu überprüfen, dargelegt wird. Es folgt in den letzten beiden Kapiteln die Präsentation und Einordnung der Ergebnisse sowie ein abschließendes Fazit.
Im Folgenden wird Fridays for Future in ein Theoriegerüst eingeordnet und theoretische Hintergründe, die zur Beantwortung der Forschungsfrage notwendig sind, erklärt.
Für die Zuordnung von Fridays for Future in ein theoretisches Konstrukt, ist ein erneuter Blick in die Geschichte sinnvoll. Hier lassen sich in näherer Vergangenheit besonders Parallelen zu den sogenannten „Neuen sozialen Bewegungen“ der 1980er Jahre ziehen. Für die Einordnung als soziale Bewegung existieren unterschiedliche Definitionen. Nach der eher formalen Definition von della Porta und Diani (1999), erfüllt Fridays for Future als informelles Netzwerk mit gemeinsam geteilten Überzeugungen, Konfliktorientierung und der Nutzung verschiedener Protestformen zweifellos die Anforderungen und ließe sich hiernach als Soziale Bewegung klassifizieren. Legt man allerdings mit der Definition von Joachim Raschke (1985, S. 77) ein tiefergreifenderes Verständnis zugrunde, so müsste bei Fridays for Future das Ziel vorhanden sein, „grundlegenden sozialen Wandel herbeizuführen, zu verhindern oder rückgängig zu machen“. So müssten grundlegende Forderungen in gesellschaftlichen Machtkonstellationen und verteilungspolitischen Fragen gestellt werden, um, im Falle von FFF, neue umweltpolitische Ziele zu erreichen. Bisherige Forderungen und Äußerungen legen dies nicht unbedingt nahe, die Aussagen von Vertretern von FFF zu dem Thema seien widersprüchlich (Sommer, Rucht, Haunss, & Zajak, 2019, S. 39). Das offiziell erklärte Ziel von FFF ist es, „die Ziele des Pariser Klimaabkommens einzuhalten und die globale Erwärmung auf unter 1,5° Celsius zu begrenzen“ (Fridays for Future, 2019a). Es wird dabei für ein von politischen Entscheidungsträgern selbst gesetztes Ziel eingetreten, die Forderung nach grundlegendem sozialem Wandel ist hierbei also nicht erkennbar. Auf der anderen Seite möchten viele Aktivisten nichts anderes als „die Welt retten“ (Sommer, Rucht, Haunss, & Zajak, 2019, S. 40). Eine endgültige mögliche Einordnung als Soziale Bewegung hängt also von der weiteren Entwicklung von FFF ab. Im Verlauf der Arbeit wird deshalb, wenn nötig, auf Theorien der sozialen Bewegungen zurückgegriffen, da diese sämtlich mit ähnlichen Methoden und Herangehensweisen arbeiten und sich somit am ehesten mit FFF vergleichen lassen.
Die vorliegende Arbeit soll sich mit Teilen der politischen Kommunikation von FFF beschäftigen. Forschungen im Bereich der politischen Kommunikation als eigenständiges Wissenschaftsfeld finden bereits seit den 1970er Jahren statt (vgl. Schulz, 2011, S. 15). Dabei bezeichnet politische Kommunikation „die Kommunikation, die von politischen Akteuren ausgeübt wird, an sie gerichtet ist, oder die sich auf politische Akteure und ihre Aktivitäten bezieht“ (ebd., S. 16). Diese wird als Schlüsselressource für Soziale Bewegungen gesehen, „die für deren politischen Erfolg von wesentlicher Bedeutung ist“ (Schmitt-Beck, 1998, S. 474).
Die Arbeit untersucht die Online-Kommunikation von FFF, also die Kommunikation, welche von FFF ausgeübt und hier somit als Außenkommunikation bezeichnet wird, sowie die Kommunikation, die an eigene Mitglieder und Anhänger gerichtet ist und hier als Binnenkommunikation bezeichnet wird.
FFF nutzt bestimmte Kommunikationskanäle, um Botschaften und Nachrichten nach außen zu tragen. Empfänger sind hier zum einen die Medien, welche über Themen, die FFF anstößt, berichten. Zum anderen aber auch Menschen, welche die Kommunikationskanäle von FFF verfolgen. So entsteht nach Habermas ein politischer Diskurs in den „peripheren Netzwerken“ der politischen Öffentlichkeit, welcher eine zentrale Rolle im Konzept der deliberativen Demokratie spielt (Habermas, 1992, S. 434).
Neben der Außenkommunikation ist auch die Binnenkommunikation im Rahmen der Untersuchung der politischen Kommunikation relevant. Diese ist notwendig, um die eigenen Mitglieder zu mobilisieren und zu informieren. Lance Benneth spricht dabei von der sogenannten „connective action“ (Bennett & Segerberg, 2013). Dabei liegt der Focus auf den digitalen Medien, welche Bewegungen nutzen Unterstützer zu mobilisieren (vgl. ebd., S. 6). Sie unterscheiden zwischen drei verschiedenen Typen von „connective“ beziehungsweise „collective action“. Den „organizationally brokered Networks“, den „organizationally enabled Networks“ sowie den „crowd-enabled Networks“ (ebd., S. 47). FFF ließe sich demnach am ehesten dem letzten Typus zuordnen. Dieser zeichnen sich durch „Little or no formal organizational coordination of action” (ebd.) aus, und kommunizieret viel über soziale Netzwerke.
„[K]ennzeichnend für soziale Bewegungen ist ja gerade, dass ihnen die direkten, institutionalisierten Zugänge zu staatlichen Entscheidungsprozessen versagt sind, über die Parteien und Verbände verfügen“ (Schmitt-Beck, 1998, S. 475). Sie müssen also „im Besonderen in der Lage sein, Ereignisse mit bestimmten Nachrichtenwert zu produzieren“ (Kriesi, 2007, S. 152). Aber auch umgekehrt sind soziale Bewegungen für die Medien als Lieferanten von publikumsattraktiven Nachrichten interessant. So stehen soziale Bewegungen und Massenmedien in einem Verhältnis der „kompetitiven Symbiose“ (vgl.Wolfsfeld, 1991), beide benötigen einander, wollen aber ihren Bedarf nach Maßgabe jeweils eigener Bedingungen realisieren.
Welche Strategien gibt es, um die Aufmerksamkeit der Medien zu erlangen? Zunächst hilft hier ein Blick auf Praktiken und Routinen von Journalisten. Diese stehen vor der Herausforderung, dass „die Zahl der Agenturmeldungen riesig [ist], der zur Verfügung stehende Platz zum Abdruck bzw. die Sendezeit dagegen sehr begrenzt“ (Maier, Retzbach, Glogger, & Stengel, 2018, S. 16). Neben den Agenturmeldungen sehen die Autoren die Arbeit von Öffentlichkeits- und PR-Abteilungen, zum Beispiel von politischen Bewegungen wie FFF, als „eine weitere zentrale Informationsquelle“ (ebd.). „Die Verarbeitungskapazität des Mediensystems ist [also] begrenzt“ (Schmitt-Beck, 1998, S. 480). So müssen Journalisten aus den unterschiedlichsten Meldungen die scheinbar wichtigsten und besten herausfiltern, um diese als Nachrichten zu verbreiten. Wie sich Journalisten hier entscheiden beschreibt die Nachrichtenwerttheorie, die davon ausgeht, dass es bestimmte Kriterien gibt, die Ereignisse erfüllen müssen, um zu Nachrichten zu werden (z.B. vgl. Schulz, 1976). Diese Kriterien, welche die Publikationswürdigkeit von Ereignissen darstellen, werden Nachrichtenfaktoren genannt. Je mehr Nachrichtenfaktoren ein Ereignis erfüllen kann, desto größer ist sein Nachrichtenwert. Nachrichtenfaktoren gelten laut Eilders (1997) für Journalisten wie Rezipienten einigermaßen gleich, da diese ebenfalls, ob bewusst oder unbewusst, ihre Aufmerksamkeit auf Meldungen mit hohem Nachrichtenwert lenken. Je mehr eine Meldung also „dem entspricht, was Journalisten für wichtige und mithin berichtenswerte Eigenschaften der Realität halten, desto größer ist ihr Nachrichtenwert“ (Schulz, 1976, S. 25). Hieraus resultiert die empirische Frage, welche Nachrichtenfaktoren den Nachrichtenwert von Ereignissen und Meldungen bestimmen. In der Literatur sind je nach Wissenschaftler und dessen Fokus unterschiedliche Nachrichtenfaktoren zu finden, die sich in ihrem Kern jedoch überschneiden. Nachdem unter anderem Walter Lippmann (1922) sowie Galtung und Ruge (1965) Nachrichtenwertkataloge vorgestellt hatten, stellte Winfried Schulz seinen Katalog. Auf diesen, Jahr Jahre 1976 erschienenen, wird in der kommunikationswissenschaftlichen Forschung bis heute zurückgegriffen. Schulz überarbeitete den von Galtung und Ruge (1965) entwickelten Katalog „hinsichtlich seiner Operationalisierbarkeit, so daß empirische Indikatoren definiert werden konnten, die eine verläßliche Identifikation der einzelnen Nachrichtenfaktoren bei einer Inhaltsanalyse (…) gewährleisten“ (Staab, 1990, S. 81). Dabei unterscheidet er zwischen 18 Nachrichtenfaktoren, die er zu sechs Faktorendimensionen zusammenfasst (Schulz, 1976, S. 32ff., S. 130ff.; Staab, 1990, S. 81 ff.):
1) Zeit
Zu dieser Faktorendimension gehören die Nachrichtenfaktoren Dauer und Thematisierung. Unter Dauer ist dabei die Zeitspanne eines Ereignisses zu verstehen, unter Thematisierung die Etablierung des Themas in den Medien.
2) Nähe
Diese Dimension bilden die Faktoren räumliche -, politische - sowie kulturelle Nähe und Relevanz.
Räumlicher Nähe meint die geographische Entfernung zum Ereignisort, politische Nähe die bündnis- und wirtschaftspolitischen Beziehungen zum Ereignisort und kulturelle Nähe die sprachlichen, religiösen und literarischen Beziehungen. Der Nachrichtenfaktor Relevanz bezieht sich auf die Betroffenheit und Bedeutung eines Ereignisses.
3) Status
Hierzu zählen die Nachrichtenfaktoren regionale Zentralität, nationale Zentralität, persönlicher Einfluss und Prominenz.
Regionale Zentralität meint die politisch-ökonomische Bedeutung der Ereignisregion bei nationalen Ereignissen, wichtigster Indikator ist hierbei meist die Einwohnerzahl. Unter nationaler Zentralität ist die wirtschaftlich, wissenschaftlich und militärische Bedeutung des Ereignislandes zu verstehen. Mit persönlichem Einfluss bezeichnet man die politische Macht der beteiligten Personen und unter Prominenz den Bekanntheitsgrad der Personen bei unpolitischen Ereignissen.
4) Dynamik
Zur Faktorendimension Dynamik gehören die Nachrichtenfaktoren Überraschung und Struktur.
Überraschung meint die Erwartbarkeit des Ereignisses in Zeitpunkt, Verlauf und Resultat, unter Struktur ist die Komplexität der Verlaufsform, Beteiligung und Überschaubarkeit des Ereignisses zu verstehen.
5) Valenz
Diese Faktorendimension besteht aus den Nachrichtenfaktoren Konflikt, Kriminalität, Schaden und Erfolg.
Konflikt meint den Grad der Aggression, unter Kriminalität die Rechtswidrigkeit von Handlungen und Schaden die Personen-, Sach- und finanziellen Schäden, die ein Ereignis auslöst. Erfolg misst die Fortschritte, die ein Ereignis auf politischem, wirtschaftlichem oder kulturellem Gebiet auslöst.
6) Identifikation
Hierzu zählen die Nachrichtenfaktoren Personalisierung und Ethnozentrismus.
Unter Personalisierung ist hierbei der Grad des personellen Bezuges von Ereignissen zu verstehen, unter Ethnozentrismus der Bezug eines Ereignisses auf die Bevölkerung des eigenen Landes.
Speziell zu FFF existieren bislang nur sehr wenige Studien oder wissenschaftliche Artikel. Konkret konzentriert sich die Forschung in Deutschland noch auf das Berliner Institut für Protest- und Bewegungsforschung unter der Leitung von Dieter Rucht. Dieses führte in Zusammenarbeit mit einem internationalen Forscherteam im März 2019 eine repräsentative Befragung mit Demonstranten in verschiedenen Städten durch (Sommer, Rucht, Haunss & Zajak, 2019). Im Fokus standen dabei in erster Linie soziodemographische Merkmale der Teilnehmer, aber auch perspektivische Einschätzungen und Erfolgsfaktoren der Bewegung. Im Abstract ihrer Veröffentlichung fassen die Forscher ihr Resultat wie folgt zusammen:
Die FFF-Proteste werden von jungen, gut gebildeten Menschen und überraschend stark von jungen Frauen getragen. Viele der demonstrierenden Schüler*innen, von denen sich die Mehrheit im linken Spektrum verortet, sind zum ersten Mal auf der Straße. Persönliche Kontakte sind der zentrale Weg der Mobilisierung. Die Demonstrierenden wollen die Politik unter Druck setzen, klimapolitische Versprechen einzulösen. Einen wichtigen Weg der Veränderung sehen insbesondere die Schüler*innen aber auch in der Veränderung der eigenen Lebens- und Konsumpraxis. Die Demonstrierenden sind keineswegs hoffnungslos, sondern vielmehr handlungsbereit, politisiert und zuversichtlich, dass ihr Protest gesellschaftliche und politische Veränderungen hervorrufen kann. (Sommer, Rucht, Haunss & Zajak, 2019, Abstract)
Die Ergebnisse einer zweiten Befragungswelle im September 2019 zeigen, dass die Bewegung weiterhin stark von Frauen dominiert wird, in der jüngeren Altersklasse ist dieser Effekt dabei besonders stark ausgeprägt. In Deutschland sei die Bewegung allerdings männlicher geworden, sodass das Geschlechterverhältnis nun relativ ausgewogen sei. Außerdem würden zunehmend auch immer mehr ältere Teilnehmer an den Demonstrationen partizipieren (vgl. Wahlström, Kocyba, De Vydt & de Moor, 2019, S. 9).
In Bezug auf die Kommunikationsstrukturen von FFF habe sich gezeigt, dass soziale Medien insgesamt eine zentrale Rolle spielen (vgl. Sommer, Rucht, Haunss & Zajak, 2019, S. 19). Für die Schüler aber, welche die größte Gruppe innerhalb der Demonstranten darstellen, lasse sich feststellen, dass „digitale soziale Medien zwar eine wichtige, aber nicht eben die zentrale Informationsquelle für die Demonstrationen sind“ (ebd., S. 20). Das Umfeld der Schule und der Mitschüler würden hier in erster Linie als Informationsquelle fungieren (ebd.).
Es scheint also, dass neben der Außenkommunikation, in erster Linie über die sozialen Netzwerke, die Binnenkommunikation einen wichtigen Teil im Prozess der Mobilisierung der Bewegung darstellt. Die besagte Studie liefert hierzu weitere Erkenntnisse. So würden in der Schule vor allem die „Organe und Strukturen der Schülermitverwaltung eine wichtige Rolle“ spielen. FFF stütze sich dabei „auf an allen Schulen bestehende Strukturen mit formal legitimierten und auch wortgewandten Vertretern“ (Rucht & Sommer, 2019a, S. 124). Die Schulen fungieren dabei, ähnlich wie Fabriken und Universitäten in der Arbeiter- beziehungsweise Studentenbewegung, als „soziale Relais“ (Ohlemacher, 1993), welche sich hervorragend auch für Zwecke der Protestmobilisierung eignen, dabei allerdings kaum externe Gruppen einbeziehen. Technisch würde dabei „vorwiegend über das Medium WhatsApp“ kommuniziert (Rucht & Sommer, 2019b). Lange Zeit war der Einbezug externer Gruppen auch gar nicht vorgesehen, da FFF als Schulstreik begann und auch heute noch vornehmlich Schüler angesprochen werden (vgl. Fridays for Future, 2019b). Allerdings beschreibt sich FFF mittlerweile als „alle, die für unser Klima auf die Straße gehen“ (Fridays for Future, 2019c, Welt, 2019), womit auch Menschen außerhalb des schulischen Kontextes einbezogen werden. Diese Beschreibung deckt sich auch mit den oben beschriebenen Ergebnissen der zweiten Befragungswelle, welche hauptsächlich am bislang größten globalen Klimastreik, am 20. September 2019, durchgeführt wurde. Allein in Deutschland gingen unter dem Slogan „#allefürsklima“ über 1,4 Millionen Demonstranten (Tagesschau.de, 2019) auf die Straßen. Es waren explizit alle aufgerufen, ein Zeichen zu setzen und erstmals wurde der Protest in großem Stil auch von anderen Organisationen und Initiativen unterstützt (ebd.)
Von daher lässt sich vermuten, dass die Außenkommunikation immer stärker betrieben wird und infolgedessen die Bedeutung der Binnenkommunikation für die Bewegung insgesamt rückläufig ist. Die vorliegende Untersuchung konzentriert sich deshalb auf Außenkommunikation von FFF.
Um die in der Einleitung entworfene Fragestellung vor dem theoretischen Hintergrund zu beantworten, ist eine nähere Untersuchung der politischen Kommunikation von FFF notwendig. So sollen im Folgenden zunächst Hypothesen entwickelt werden, welche anschließend in einem Variablenmodell visualisiert werden.
Ziel dieser Arbeit ist es, die Veränderung der politischen Online-Kommunikation von FFF zu untersuchen. Als unabhängige Variable ließe sich also der Verlauf der Zeit kennzeichnen und als abhängige Variable die Entwicklung der Online-Kommunikation von FFF. Anhand dieser Variablen werden sich die nun folgenden Variablen ausrichten.
Medienpräsenz ist „eine, wenn nicht sogar die entscheidende Voraussetzung für soziale Bewegungen“ (Schmitt-Beck, 1990, S. 642). Dass diese Beziehung für beide Seiten relevant ist, ist bereits thematisiert worden, sie muss aber auch „bespielt“ werden. Es ist also für Fridays for Future essentiell, den Medien neue Meldungen zu liefern, um seine Belange an die Öffentlichkeit und an Entscheidungsträger zu bringen. FFF als neue soziale Bewegungen muss „daher darauf bedacht sein, ihre Öffentlichkeitschancen zu erhöhen, indem sie sich an die Mechanismen der Nachrichtengebung anpassen, um aus sich und ihren Anliegen Nachrichten zu machen“ (Schmitt-Beck, 1998, S. 477). Da aber auch andere Akteure Meldungen erzeugen, stehen diese mit ihrem Nachrichtenwert mit denen von FFF in Konkurrenz. Eine ständige Anpassung ist also allein schon vor dem Hintergrund notwendig, bei den Medien nicht in „Vergessenheit“ zu geraten. Fridays for Future scheint hier sehr erfolgreich zu agieren, „aus der scheinbar obskuren Aktion eines schwedischen Mädchens ist eine globale Bewegung geworden“ (Wefing, 2019). Auch die Wissenschaftler vom Berliner Institut für Protest und Bewegungsforschung bescheinigen „FFF eine große und bis heute anhaltende öffentliche Resonanz“ da offensichtlich in „außerordentlicher Weise“ mediale Nachrichtenwerte bedient werden würden (Sommer, Rucht, Haunss, & Zajak, 2019, S. 23).
Es lässt sich deshalb vermuten und in einer Niveauhypothese formulieren:
H1: Fridays for Future nutzt Nachrichtenfaktoren und setzt diese im Laufe der Zeit verstärkt ein.
Allerdings liegt die Vermutung nahe, dass einige, offensichtlich besonders wichtige Nachrichtenfaktoren, häufiger als andere eingesetzt werden. Dies ist zum einen der Nachrichtenfaktor räumliche Nähe. So fing FFF impulsgebend als ein Klimastreik einer einzigen Schülerin in Schweden an und verbreitete sich dann weltweit zunächst über verschiedene Hauptstädte und später auch in anderen Städten und Orten. So rückte das Geschehen immer näher an die Journalisten und sonstigen Empfänger heran.
Auch wird angenommen, dass die Nachrichtenfaktoren persönlicher Einfluss bei politischen Meldungen beziehungsweise Prominenz bei unpolitischen Meldungen zunehmen, da sich immer mehr Politiker und Prominente für Fridays for Future aussprechen und sich mit der Bewegung solidarisieren (vgl. Die Zeit, 2020).
Weiter wird vermutet, dass immer mehr Beiträge von FFF den Nachrichtenfaktor Erfolg aufweisen. Dies lässt sich damit begründen, dass FFF bereits großen Erfolg erzielte (s.o.), das Thema in gesellschaftlichen und politischen Alltag ständig präsent ist und FFF diese Erfolge als „Aushängeschilder“ nutzt, um weiter zu mobilisieren.
Der Nachrichtenfaktor Personalisierung spielt bei FFF eine außerordentlich große Rolle. Im Mittelpunkt steht dabei Greta Thunberg, die die Klimastreiks initiiert hatte und „mit ihrem selbstbewussten Auftreten, ihrer Handlungskonsequenz und ihren kompromisslosen Forderungen“ (Sommer, Rucht, Haunss, & Zajak, 2019, S. 20) ein Vorbild für viele Aktivisten darstellt. Daraus folgt
H2: Die Nachrichtenfaktoren räumliche Nähe, persönlicher Einfluss, Prominenz, Erfolg und Personalisierung werden von FFF häufiger eingesetzt als die anderen Nachrichtenfaktoren.
Allerdings gibt es auch Nachrichtenfaktoren, die Fridays for Future, unter anderem auch aus strategischen Gründen, zumindest aktuell noch weniger stark einsetzen dürfte. So hat die Forschung ergeben, dass „die Deutungsrahmen Sozialer Bewegungen vor allem dann Chance haben, die Selektionsfilter des Mediensystems zu passieren, wenn sie in der Reichweite begrenzt und mit der geltenden Ordnung vereinbar sind“. Weiter heißt es: „Medienbewusste Soziale Bewegungen werden sich infolgedessen mäßigen und ihren Diskurs stärker auf begrenzte Ein-Punkt-Reformen konzentrieren“ (Schmitt-Beck, 1998, S. 480). Um mit der geltenden Ordnung vereinbar zu sein, sei zumindest auf Kriminalität zu verzichten, und auch der Schaden sollte möglichst gering gehalten werden. Außerdem werde eine gemäßigte Soziale Bewegung den Konflikt, wo es möglich ist, gering halten. Diese Aspekte lassen sich auf FFF übertragen und auch der Fokus auf „begrenzte Ein-Punkt-Reformen“ (s.o.) lässt sich bei FFF erkennen. So lautet das selbsterklärte Ziel, die auf dem Pariser Klimagipfel Ende 2015 gesetzten Ziele zur Reduktion von CO2-Emmissionen einzuhalten und die damit verbundene Erderwärmung auf einen Anstieg von 1,5 Grad Celsius zu begrenzen (vgl. Fridays for Future, 2019a). Für eine Protestbewegung ist dies ein sehr bescheidenes und wenig revolutionäres Ziel, da sich die Regierungen der Mitgliedsstaaten des Pariser Klimaabkommens selbst dieses Ziel gegeben haben und sich mit Ausnahme der USA, die 2016 das Abkommen aufkündigten, auch weiterhin dazu bekennen. Aus diesen Überlegungen folgt
H3: Die Nachrichtenfaktoren Konflikt und Kriminalität werden seltener eingesetzt als die anderen Nachrichtenfaktoren.
Im untenstehenden Variablenmodell wird das Konzept der vorliegenden Arbeit, ausgehend von unabhängiger (Verlauf der Zeit) und abhängiger Variable (Entwicklung der Online-Kommunikation von FFF) und den darin eingebetteten zuvor aufgestellten Hypothesen, visualisiert dargestellt.
Auf der linken Seite sind die Hypothesen [H1 – H3] aufgelistet. Von diesen gehen Pfeile aus, welche für den Zeitverlauf, also die unabhängige Variable, stehen und auf die abhängige Variable, also die Entwicklung der Online-Kommunikation von FFF, zulaufen. Mit gestrichelten Linien, welche durch die Pfeile verlaufen, sind die bisher vier globalen Klimastreiks am 15.3., 24.05., 20.09 sowie am 29.11.2019 (Fridays for Future, 2020) sowie der Sommerkongress vom 31.07. – 04.08.2019 (Fridays for Future, 2019d) gekennzeichnet. Diese wurden ausgewählt, da sie sogenannte „Schlüsselereignisse“ (Rössler 2010, S. 54) darstellen, bei denen besonders starke Veränderungen in der Intensität der Ausprägungen der Hypothesen vermutet werden. Der Pfeil von [H2] ist besonders dick sowie der von [H3] besonders dünn gezeichnet, da vermutet wird, dass diese Nachrichtenfaktoren besonders stark beziehungsweise schwach genutzt werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: VariablenmodellAbbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenQuelle: Eigene Darstellung
Im folgenden Kapitel wird beschrieben, wie methodisch vorgegangen werden soll, um die Hypothesen zu überprüfen. Das Untersuchungsdesign soll dabei vorgestellt, spezifische Besonderheiten erklärt, und die erhobenen Daten auf Zuverlässigkeit und Gültigkeit geprüft werden.
Geplant ist, die Veränderung der politischen Online-Kommunikation bei Fridays for Future inhaltsanalytisch empirisch zu messen, also relativ viele Fälle auf wenige Variablen hin zu untersuchen. Für dieses Vorhaben scheint die Methode der quantitativen Inhaltsanalyse geeignet.
„Die Inhaltsanalyse ist eine empirische Methode zur systematischen, intersubjektiv nachvollziehbaren Beschreibung inhaltlicher und formaler Merkmale von Mitteilungen“ (Früh, 2007, S. 27).
So werden bei der Methode der quantitativen Inhaltsanalyse einzelne mediale Objekte abstrahiert, „wobei das Objekt auf die an ihm interessierenden Merkmale reduziert wird“ (Rössler, 2010, S. 18). Diese werden dann systematisch, wie im Untersuchungsinstrument festgelegt, messbar gemacht und im Anschluss miteinander verglichen. Diese Systematik soll die intersubjektive Nachvollziehbarkeit der Erhebung sichern und gilt deshalb als essentiell (vgl. ebd.).
Um die zu untersuchenden Merkmale messbar zu machen, dient das Codebuch als Untersuchungsinstrument. Dieses enthält die Kriterien sowie die zu vergebenden Codes, mit denen das Material bearbeitet werden soll. Die Kategorien wurden deduktiv aus dem klassischen Katalog von Nachrichtenfaktoren von Wilfried Schulz (1976) hergeleitet und induktiv durch Anpassung an die heutigen Gegebenheiten erweitert. Insbesondere waren hier Anpassungen an den speziellen Fall Fridays for Future, wie auch aufgrund geopolitischer Änderungen notwendig. Es bestehen zu jedem möglichen Nachrichtenfaktor vier Kategorien, wobei der Code „Eins“ die geringste und der Code „Vier“ die höchste Ausprägung darstellt. Diese einheitliche Codierung strukturiert die spätere Analyse und Auswertung der Daten. Da sich nicht immer passende Kategorien für jeden Nachrichtenfaktor finden, wurde falls nötig der Code 99 für fehlende Werte vergeben. Außerdem wurde jedem Beitrag nach Erstellungszeitpunkt eine laufende Nummer zugeteilt sowie in einer weiteren Variablen das Datum der Veröffentlichung des Beitrages erfasst. Im Sinne eines guten, wissenschaftlichen Arbeitsstandards wurde vor der vollständigen Codierung der Twitter-Beiträge ein Pretest durchgeführt, infolgedessen die Definitionen der Kategorien an verschiedenen Stellen nochmals definitorisch konkretisiert und überarbeitet wurden. Das schließlich verwendete Codebuch ist im Anhang dieser Arbeit zu finden.
Um den Nachrichtenwert eines Beitrages abzubilden, wurde aus den Einzelitems beziehungsweise den Ausprägungen der einzelnen Nachrichtenfaktoren ein Mittelwertindex gebildet. Dieser ist besonders relevant, um die Entwicklung der Verwendung von Nachrichtenfaktoren [H1] zu überprüfen.
Für diese Arbeit steht kein Sample von Twitter-Beiträgen zur Verfügung. Die Daten beziehungsweise Mitteilungen müssen zu Beginn der Untersuchung deshalb erhoben werden.
Zunächst muss dafür die Auswahleinheit festgelegt, das heißt die Fälle, welche in die Analyse einfließen sollen, bestimmt werden. Die Grundgesamtheit stellt die gesamte Online-Kommunikation von Fridays for Future dar. Um eine erste Auswahl zu treffen, erscheint es aufgrund der räumlichen Nähe sinnvoll, sich auf die Kommunikation von FFF Deutschland zu beschränken und von den hieraus gewonnenen Erkenntnissen auf die Entwicklung insgesamt zu schließen.
Den größten Anteil haben hierbei, neben interner Kommunikation über zum Beispiel Messenger, Meldungen, welche über die sozialen Netzwerke verbreitet werden. Dies deckt sich mit dem Nutzungsverhalten junger Menschen, die am ehesten durch soziale Medien auf Nachrichten aufmerksam werden (vgl. Hölig & Hasebrink, 2020, S.7). Fridays for Future ist in den sozialen Netzwerken Twitter, Instagram, Facebook und Flickr aktiv (Fridays for Future, 2019c). Dies stellt eine enorme Menge an Beiträgen dar, die im Rahmen einer Bachelorarbeit nicht alle codiert werden können. Es ist also eine bestimmte Auswahl zu treffen, welche sich im gegebenen Rahmen untersuchen lässt. Dabei gilt es, Repräsentativität herzustellen, um verallgemeinerbare Aussagen treffen zu können. Dies ist gegeben, wenn die Auswahleinheit ein „strukturgleiches, verkleinertes Abbild der Grundgesamtheit“ darstellt (Rössler, 2017, S. 58). Hier erscheint es sinnvoll, sich auf ausgewählte soziale Netzwerke zu beschränken. Diese lassen sich in unterschiedliche Darstellungsformen einteilen, da jedes Netzwerk „bestimmte charakteristische Züge“ (Mayerl & Faas, 2019, S. 1028) trägt. Bei Twitter und Facebook stehen in erster Linie Textbeiträge im Vordergrund, Bilder und Videos können allerdings ebenfalls geteilt werden. Instagram und Flickr hingegen konzentrieren sich größtenteils auf Bilder, ein kurzer Text kann hinzugefügt werden. Somit erscheint es zunächst sinnvoll, sowohl Bilder als auch Text als Auswahleinheit festzulegen. Allerdings steht der steigenden Bedeutung visueller Kommunikation „ein bislang noch unbefriedigendes analytisches Instrumentarium zur Erfassung von Bildern gegenüber“ (Geise & Rössler, 2012, S. 341). Besonders problematisch dabei ist, „dass die trennscharfe Zuordnung eines Bildmotivs zu einem Bildthema oft nicht eindeutig möglich ist und damit vom jeweiligen textlichen Kontext beziehungsweise der Interpretationsleistung des Rezipienten abhängt“ (Ebd. S. 344).
Es wäre also mit einem weitaus größeren Aufwand verbunden, auch Bilder mit in die Analyse aufzunehmen. Da dieser Aufwand im Rahmen dieser Bachelorarbeit kaum umsetzbar ist, wird sich die Analyse also auf ein Netzwerk, bei dem in erster Linie Textbeiträge geteilt werden, beschränken. Hier kommen bei FFF Facebook und Twitter in Frage. Auch wenn Facebook von 50% und Twitter nur von 12% der Bevölkerung genutzt werden (vgl. Reuters Institute, 2019), folgten zu Beginn der Planungen dieser Arbeit bei Facebook gut 74.000 Menschen FFF (vgl. Facebook, 2020) und bei Twitter folgten ca. 78.000 Menschen FFF (vgl. Twitter, 2020). Aufgrund der leicht höheren Anzahl an Followern bei Twitter, kann diesem Netzwerk im März 2020 die etwas höhere Relevanz für FFF zugeschrieben werden. So werden aufgrund der größeren Reichweite also ausschließlich Beiträge auf Twitter in die Analyse einbezogen. Somit handelt es sich zum einen um eine inhaltliche Fokusanalyse, also um eine angebotszentrierte Inhaltsanalyse, da nur Beiträge von FFF Deutschland ausgewählt, und zum anderen um eine Publizitätsanalyse und damit einer nutzerzentrierten Inhaltsanalyse, da das soziale Netzwerk unter anderem nach Reichweite ausgewählt wurde (vgl. Rössler, 2010, S. 70).
Um die Anzahl der Beiträge für die Analyse auf eine realisierbare Menge zu reduzieren, wird bei Inhaltsanalysen der relevante Zeitraum, in dem die Beiträge zu analysieren sind, häufig eingegrenzt. Dabei orientiert man sich meist an Schlüsselereignissen, die plausibel als Anfangs- und Endpunkte der zu untersuchenden Entwicklung definiert werden können (vgl. Rössler, 2017, S. 54). Diese sind bereits im Untersuchungsmodell aufgezeigt und orientieren sich an den Tagen der globalen Klimastreiks sowie des Sommerkongresses von FFF. Der Beginn der zu untersuchenden Zeiträume wird auf eine Woche vor Beginn des jeweiligen globalen Klimastreiks, das Ende der Zeiträume auf eine Woche nach dem Ereignis festgelegt. Im Falle des Sommerkongresses soll der Zeitraum der zu untersuchenden Beiträge identisch sein mit den Tagen, an denen der Kongress stattfand. In diesen Zeiträumen wird eine besonders starke Veränderung erwartet (vgl. Rössler, 2017, S. 57f.). Die Auswahl bezieht sich also auf die folgenden Zeiträume:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In diesen Zeiträumen sollen alle auf dem Twitterkanal „Fridays for Future Germany, @FridayForFuture“ (Twitter, 2020) veröffentlichten Beiträge in die Analyse einfließen. Ausgenommen davon sind Beiträge, die als Antwort gekennzeichnet sind, sowie Ergänzungsbeiträge, da diese als ein Beitrag codiert sind, um nicht überrepräsentiert zu werden. Ausgenommen sind ebenfalls unklare Beiträge, wie zum Beispiel Videos ohne Beschriftung.
Auch nach Auswahl der zu analysierenden Beiträge gilt es noch einige Besonderheiten zu beachten. So sind je nach eingesetztem Medium bei Inhaltsanalysen weitere Aspekte zu berücksichtigen. Inhaltsanalysen von Online-Medien arbeiten mit „interessanten, aber gleichzeitig schwierig zu fassenden Untersuchungsobjekten“ (Rössler, 2017, S. 68) und stellen damit einige Besonderheiten dar. Zum einen wird die Auswahl dadurch erschwert, dass es keine „vordefinierte Periodizität“ (ebd., S. 69) wie bei den klassischen Medien gibt, die Inhalte also nicht planbar regelmäßig erscheinen. Zum anderen stellen Online-Inhalte, da es sich um „transitorische Daten“ (Thimm & Nehls, 2019, S. 986) handelt, stets eine „Momentaufnahme“ (Rössler, 2017, S. 69) dar, was deren Nachvollziehbarkeit und Archivierung erschwert.
Da diese Nachvollziehbarkeit aber aus wissenschaftlichen Gründen notwendig ist, sind die zu analysierenden Beiträge am 26. März sowie am 31. März und 1. April 2020 als Bildschirmfotos erstellt und gespeichert worden. Um diese dauerhaft zu archivieren und die Analyse damit nachvollziehbar zu machen, wurden die Beiträge als einzelne .png Dateien gesichert und nach einem einheitlichen Muster benannt. Dieses einheitliche Muster besteht aus einer laufenden Nummer, dem Datum des Beitrags und, falls an diesem Datum mehrere Beiträge veröffentlicht wurden, der Nummerierung des Beitrags innerhalb des Veröffentlichungstages (Lfd. Nr._Datum_Tagesnummerierung, z.B. 72_02-08_3). Diese einzelnen Dateien sind sortiert nach dem Erstellungsdatum der Beiträge in vier Ordnern, welche die Schlüsselereignisse abbilden. Beiträge, die aus den oben genannten Gründen nicht mit in die Analyse aufgenommen wurden, sind mit einem e für „entfernter Beitrag“ sowie einer laufenden Nummer in den jeweiligen Ordnern gespeichert.
Die Dateien sind zum einen im Anhang der digitalen Version der Arbeit, zum anderen in der gedruckten Fassung auf einer Daten-CD sowie außerdem auf einem privaten Online-Speicher gesichert und somit stets verfügbar.
Insgesamt umfasst das Sample nach dieser Auswahl 198 Tweeds, die nun zur Analyse bereitstehen. Diese sollen nun nach dem zuvor entwickelten Codebuch codiert und mit dem statistischen Auswertungsprogramm SPSS analysiert werden. Dabei soll zum einen, um die Entwicklung der Verwendung der Nachrichtenfaktoren zu analysieren, die Korrelation zwischen steigender laufender Nummer und dem Nachrichtenwertindex berechnet werden. Zum anderen die Verteilung der Verwendung der Nachrichtenfaktoren in den betreffenden Zeiträumen mit Hilfe der deskriptiven Maßzahlen und Mittelwertvergleiche analysiert werden. Durch die gewählten Verfahren können die Hypothesen überprüft und weitere Besonderheiten heraus gearbeitet werden.
Nach der Beschreibung der Methode, gilt es, das geplante wissenschaftliche Vorgehen abschließend im Hinblick darauf zu untersuchen, ob Instrument und Messung tatsächlich geeignet sind, um Antworten auf die Fragestellung zu geben. Reliabilität (Zuverlässigkeit) und Validität (Gültigkeit) stellen dabei „die wichtigsten Gütekriterien für Inhaltsanalysen“ dar (Brosius, Haas & Koschel, 2016, S. 51ff.).
Reliabilität bedeutet Belastbarkeit, also, dass bei wiederholter Messung das gleiche Ergebnis erzielt werden sollte. Die drei wichtigsten Typen der Reliabilitätsmessung sind die Intercoder-Reliabilität, die Intracoder-Reliabilität sowie die Forscher-Codierer-Reliabilität (vgl. Rössler, 2017, S. 207). Im Rahmen einer Bachelorarbeit, sind hier einige Einschränkungen zu machen. Da nur der Verfasser der Arbeit mit der Codierung beschäftigt war, ist die Intercoder-Reliabilität, bei der die Übereinstimmung der Codierungen zwischen mehreren Codierern verglichen wird, weder notwendig noch möglich.
Die Intracoder-Reliabilität hingegen prüft, inwieweit die Codierung eines jeden Codierers zu Beginn und am Ende der Feldphase übereinstimmen. Um diese zu bestimmen wird auf das klassische Überschneidungsmaß nach Holsti (Rössler 2010, S. 203) zurückgegriffen, bei dem man die Zahl übereinstimmender Codierungen durch die Gesamtzahl aller Codierungen teilt. Die dabei berechneten Koeffizienten liegen zwischen 0 und 1 oder können als Übereinstimmung zwischen 0 und 100 Prozent ausgedrückt werden. Allgemeine Richtwerte, welcher Übereinstimmungswert als „gut“, „schlecht“ oder „noch akzeptabel“ gilt, gibt es dabei nicht. Das Optimum einer 100%igen Überstimmung wird in den meisten Fällen nur bei formalen Kategorien erreicht. Bei inhaltlichen Kategorien interpretiert man in der Regel von .80 und höher als hinreichende Qualität. Bei einem wie hier relativ kleinen Umfang des Analysematerials sind dafür mindestens 30 Codierungen, die miteinander verglichen werden, nötig (vgl. Rössler, 2010, S. 202-204). Im hier vorliegenden Fall wurden somit die ersten 30 Beiträge des Samples am Ende der Codierphase erneut codiert und mit den ersten 30 Codierungen in Verbindung gesetzt. Im Folgenden werden die berechneten Koeffizienten nach den Analysekategorien getrennt tabellarisch dargestellt.
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