Bachelorarbeit, 2020
41 Seiten, Note: 1,0
1. Einführung: Ausgangssituation und Zielsetzung der Arbeit
2. (Soziologische) Rollentheorien
3. Das Rollenkonzept des Buying Centers
4. Empirisches Vorgehen
5. Analyse der Ergebnisse und Überprüfung der 5 idealtypischen Rollen des Buying Centers im B2C-Bereich
6. Analyse der Bestimmungsfaktoren des Kaufverhaltens
7. Fazit
Literaturverzeichnis
B2B Business to Business
B2C Business to Customer
bzw. beziehungsweise
etc. et cetera
ggf. gegebenenfalls
PS Pferdestärke
usw. und so weiter
z.B. zum Beispiel
In der vorliegenden Arbeit geht es um das komplexe Thema des B2C-Kaufverhaltens in der deutschen Automobilbranche. Das Ziel dieser Arbeit ist es, zu analysieren, durch welche Bestimmungsfaktoren die Entscheidungen beim Automobilkauf determiniert sind und welche idealtypischen Rollen im Zuge der Automobil-Kaufentscheidung auftreten.
Damit dies gelingt, werden die bestehenden Erkenntnisse aus der Literatur zunächst umfassend dargestellt und um die Ergebnisse der leitfadengeführten Interviews ergänzt. Als theoretische Grundlage für die Überprüfung der idealtypischen Rollen im Zuge der Automobil-Kaufentscheidung dient das Rollenkonzept des sogenannten Buying Centers. In diesem werden unter anderem fünf Rollen definiert, die typischerweise an einer Kaufentscheidung beteiligt sind (Buyer, User, Influencer, Gate Keeper und Decider1 ). Diese fünf Rollen müssen allerdings nicht zwangsläufig auch durch fünf verschiedene Personen vertreten werden. Vielmehr kann eine Person gleichzeitig mehrere Rollen – oder anders ausgedrückt: Funktionen – übernehmen; eine einzelne Rolle bzw. Funktion kann jedoch auch zeitgleich von mehreren Personen ausgeführt werden. Entwickelt wurde die Theorie der fünf Rollen ursprünglich im B2B-Industriemarketing-Bereich.
Aufgabe dieser Arbeit soll es nun sein, zu überprüfen, inwiefern diese fünf idealtypischen Rollen auch empirisch auftreten oder ob diese für den B2C-Bereich angepasst bzw. ergänzt werden müssen. Des Weiteren werden in der vorliegenden Arbeit Determinanten dargestellt, von denen die Automobil-Kaufentscheidung in der Theorie und Praxis beeinflusst werden. Damit leistet die Arbeit zweierlei Beiträge: Erstens soll sie einen Transfer in die Praxis vollziehen und einen soziologischen Beitrag zum Marketing in der Automobilbranche leisten, indem sie Rollen, die dort als relevant für Kaufentscheidungen erachtet werden, empirisch überprüft und ergänzt. Dieser Beitrag basiert auf der Annahme, dass die Rollen des Buying Centers häufig als selbstverständlich und unabdingbar gesehen werden. Im Falle des B2C Kaufverhaltens bedarf dieses Rollenkonzept allerdings einer empirischen Überprüfung. Zweitens leistet die Arbeit einen Beitrag zur soziologischen Rollentheorie, indem sie auf Grundlage dieser das Zusammenspiel unterschiedlicher Rollen in Kaufentscheidungen analysiert.
Aufbau der Arbeit
Insgesamt besteht die vorliegende Arbeit aus 7 Kapiteln, einschließlich dem Einführungskapitel. Die Arbeit basiert auf den Grundüberlegungen der soziologischen Rollentheorie, die im zweiten Kapitel mit Blick auf Aspekte dargestellt wird, die relevant für die Fragestellung der Arbeit und ihren empirischen Fokus auf die Automobilbranche sind. Im darauffolgenden, dritten Kapitel wird das konkrete Rollenmodell des Buying Centers dargestellt und die Merkmale und Funktionen der idealtypischen Rollen thematisiert. Schließlich wird im vierten Kapitel die Zielsetzung der Arbeit und ihr zu leistender Beitrag mit Blick auf das Verständnis von Kaufentscheidungen in der Automobilbranche konkretisiert und das empirische Vorgehen erläutert. Das fünfte Kapitel beinhaltet die Analyse der empirischen Untersuchungen und der Überprüfung der fünf idealtypischen Rollen des Buying Centers im B2C-Bereich. Um ein umfassendes Bild über das B2C-Kaufverhalten in der deutschen Automobilbranche zu erlangen, werden im sechsten Kapitel die Bestimmungsfaktoren, die im Zuge des Kaufprozesses von Relevanz sind, sukzessiv erläutert und um die Ergebnisse aus den empirischen Interviews ergänzt. Die Arbeit schließt mit einem Fazit.
Die wohl elementarsten Theorien über soziale Rollen gehen auf die Werke der Soziologen Robert K. Merton und Ralf Gustav Dahrendorf zurück. Dahrendorf griff in seinem Werk. „Homo Sociologicus“ unter anderem Mertons Ausführungen über Status, Rolle und Sozialstruktur auf und führte somit ein Modell in die deutsche Soziologie ein, welches bis heute noch eine hohe Anwendbarkeit erfährt. Merton entwickelte in seiner erstmals 1949 erschienenden Aufsatzsammlung „ social theory and social structure “ zunächst eine mehrdimensionale Rollentheorie. Die Grundlage seines Modells bildeten die Werke des Anthropologen Ralph Linton (vgl. Merton 1968, S. 422).
Zu Lintons einflussreichsten Werken zählen „ The Study of Man “ (1936) und „ The Cultural Background of Personality “ (1945) (vgl. Hartmann 1967, S. 250). In diesen verknüpfte er die Begriffe der Rolle mit dem des Status und entwickelte eine Theorie über die Sozialstruktur einer Gesellschaft. Linton schreibt, dass die Sozialstruktur von Gesellschaften äußerst komplex und heterogen ist, da jedes Individuum zur selben Zeit mehrere Funktionen innerhalb der Gesellschaft einnimmt (vgl. Linton in Hartmann 1967, S. 251).
„A status, in the abstract, is a position in a particular pattern. It is thus quite correct to speak of each individual as having many statuses, since each individual participates in the expression of a number of patterns. {…} A status, as distinct from the individual who may occupy it, is simply a collection of rights and duties.“ (Linton 1936, S. 113).
Laut Linton hat also jedes Individuum mehrere Status inne. Einfach ausgedrückt ist ein Status eine Sammlung von bestimmten Rechten und Pflichten. Jeder Status ist wiederum mit einer bestimmten Rolle verbunden, wobei beides voneinander zu unterscheiden ist (vgl. Linton in Hartmann 1967, S. 252). Der Begriff der Rolle umschließt „ Einstellungen, Wertevorstellungen und Verhaltensweisen “, die „ einem jeden Inhaber dieses Status von der Gesellschaft zugeschrieben werden “ (Linton in Hartmann 1967, S. 252). Jedes Individuum besitzt aufgrund von Alter, Geschlecht, Herkommen oder Heirat also bestimmte Status innerhalb der verschiedenen Gesellschaftssysteme (jung/alt, Frau/Mann usw.). Der Begriff der Rolle umfasst das manifeste Verhalten, wie die Einstellungen, die Wertevorstellungen und die ausgeübten Verhaltensweisen, die das Individuum umsetzen muss, um ihre oder seine Statuszuschreibung geltend zu machen, aber auch die gesellschaftlichen Erwartungen, die an die jeweilige Rolle geknüpft sind (vgl. Linton in Hartmann 1967, S. 252).
In jeder Gesellschaft können nun zeitgleich mehrere Individuen denselben Status und die damit verbundene Rolle ausüben, wie zum Beispiel den Status des Familienvaters und der damit verbundenen, ausgeübten Rolle desselben (vgl. Linton in Hartmann 1967, S. 252). Gleichzeitig hat, wie zuvor erwähnt, jedes Individuum mehrere Status und Rollen in den verschiedenen, gesellschaftlichen Systemen inne. Es ist allerdings unmöglich, alle individuellen Rollen gleichzeitig auszuüben (vgl. Linton in Hartmann 1967, S. 252). Um das Beispiel des Familienvaters aufzugreifen: Verbringt dieser gerade Zeit mit seinen Kindern, ist der Status des Vaters in diesen Momenten sein aktiver Status, wie Linton es beschreibt. Andere individuelle Status, wie zum Beispiel der des Angestellten, sind währenddessen latent (vgl. Linton in Hartmann 1967, S. 253). Übt dieser nun weder die Rolle des Angestellten noch die Rolle des Familienvaters aus, sondern ist beispielsweise auf dem Heimweg, so handelt er gemäß dem Status, den er in dem Alters-Geschlecht-System besitzt. Linton beschreibt die soziale Struktur ohne jegliche Status- oder Rollenkonflikte, da sich, laut ihm, die verschiedenen statuszugehörigen Rollen des Individuums einander anpassen und angleichen (vgl. Linton in Hartmann 1967, S. 253/254).
Die Rollentheorie Lintons wurde zunächst von Talcott Parsons in seinem Werk „ the social system “ und schließlich von Robert K. Merton, Parsons Schüler, in seinem Werk „ social theory and social structure“ aufgegriffen und zu einem mehrdimensionalen Rollenmodell weiterentwickelt (vgl. Parsons 1951, vgl. Merton 1951). Merton erweiterte die Überlegung Lintons, dass jeder Status mit einer bestimmten Rolle verknüpft sei (vgl. Merton 1968, S. 422). Laut Merton (1968) ist ein bestimmter sozialer Status nicht mit einer einzelnen Rolle verknüpft, sondern mit mehreren Rollen (vgl. Merton 1968, S. 423). Dies sei ein grundlegendes Merkmal einer gesellschaftlichen Sozialstruktur. Er führt den Begriff des „ role-set “ ein:
„ This fact of structure can be registered by a distinctive term, role-set, by which I mean that complement of role relationships which persons have by virtue of occupying a particular social status.“ (Merton 1968, S. 423).
Mit role-set ist also ein Bündel aus mehreren, verschiedenen Rollen gemeint, welches Individuen aufgrund der Besetzung eines bestimmten sozialen Status innehaben. Zur Verdeutlichung eines bestimmten role-sets führt er den Status eines Lehrers auf. Mit diesem Status sind verschiedene Rollenbeziehungen zu Schüler/ Schülerinnen, zu Kollegen/ Kolleginnen, zum Schulleiter bzw. zur Schulleiterin, zu Berufsverbänden, der Schulbehörde und bei zahlreichen Anlässen Rollenbeziehungen zu lokalen Vereinigungen verbunden; also ein gesamtes Bündel aus verschiedenen Rollen (vgl. Merton 1996, S. 113).
Merton betont, dass alle sozialen Gesellschaften äußerst komplex und von dem funktionalen Problem betroffen sind, die zahlreichen role-sets so zu artikulieren und zu organisieren, dass ein gewünschtes Maß an sozialer Regelmäßigkeit erreicht wird. Diese Regelmäßigkeit des mit einem Status verbundenen Rollenverhaltens ermöglicht es, den meisten Menschen sich ihren Angelegenheiten zu widmen und ein soziales Leben ohne extreme Rollenkonflikte zu führen (vgl. Merton 1996, S. 114). Die erweiterte Theorie, dass mit einem Status gleich mehrere Rollen verbunden sind und jedes Individuum ebenfalls zahlreiche Status innerhalb der Gesellschaft innehat, führt laut Merton zu besonderen analytischen Problemen und entsprechenden Fragen für empirische Untersuchungen (vgl. Merton 1996, S. 114). Mit status-set ist ein Komplex aus den verschiedenen Positionen gemeint, die ein Individuum innerhalb der sozialen (Sub-)Systeme besitzt (vgl. Merton 1995, S. 361). In der erweiterten Rollentheorie von Merton beschäftigte sich dieser außerdem mit der strukturellen Ursache von Instabilität der role- und status-sets (vgl. Merton 1995, S. 351). Während Linton soziale Strukturen noch ohne jegliche Status- oder Rollenkonflikte beschrieb, mit der Begründung, dass sich die statuszugehörigen Rollen eines Individuums einander anpassen, interessierte sich Merton insbesondere für die Ursache von auftretenden Rollen- oder Statuskonflikten und den sozialen Mechanismen zur Lösung dieser (vgl. Merton 1995, S. 351-359). Als hauptsächliche Ursache für die mögliche Instabilität im role-set sieht er die unterschiedlichen Status-Positionen, die Rollenpartner in der sozialen Struktur einnehmen (vgl. Merton 1995, S. 351). Zur Veranschaulichung greift er erneut das Beispiel des Lehrers auf: ein Lehrer kommt häufig aus ganz anderen ökonomischen und sozialen Schichten als beispielsweise die Mitglieder einer Schulbehörde. Dies wiederum führt zu Abweichungen der Werte und Rollenerwartungen der Beteiligten (vgl. Merton 1995, S. 352). Der Lehrer kann nun also schnell zwischen die konträren Rollenerwartungen seiner Kolleginnen und Kollegen bzw. die Erwartungen der Mitglieder einer Schulbehörde gelangen, was wiederum zu Rollenkonflikten führen kann. Merton sieht diese Grundlage als größte strukturelle Ursache potentieller Störungen im role-set (vgl. Merton 1995, S. 352).
Die Theorien über Status, Rolle und Sozialstruktur griff der deutsch-britische Soziologe, Ralf Gustav Dahrendorf, in seinem 1959 veröffentlichtem Werk „Homo Sociologicus“ mit auf und führte somit das Konzept der sozialen Rolle in die deutschsprachige Soziologie ein. Dahrendorf wollte damit die soziologische Grundlagenforschung um eine kritische Auseinandersetzung bereichern und die Diskussion sowie die Verfeinerung des Begriffes der sozialen Rolle als Kategorie im sozialwissenschaftlichen Diskurs anregen (vgl. Dahrendorf 1959, S. 5-6). Mit dem Begriff des „Homo Sociologicus“ ist der „Mensch als Träger sozial vorgeformter Rollen“ gemeint (Dahrendorf 1959, S. 12). Der „Homo Sociologicus“ ist allerdings, wie beispielsweise auch der umstrittene „Homo oeconomicus“ als rational handelndes Individuum, eine Konstruktion der Wissenschaft und dient nicht dem genauen Abbild eines tatsächlichen Individuums in der Wirklichkeit (vgl. Dahrendorf 1959, S. 8 + 12). Dennoch ermöglicht dieses theoretische Konstrukt, laut Dahrendorf, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern den Schnittpunkt zwischen dem Individuum und der Gesellschaft zu beschreiben. Vor allem Soziologinnen und Soziologen sehen sich der Herausforderung gegenüber, die Gesellschaft als solches und den Menschen, der innerhalb gesellschaftlicher Systeme agiert, realitätsnah darzustellen (vgl. Dahrendorf 1959, S. 10). Dahrendorf begründet die Notwendigkeit und den Nutzen des Begriffes der sozialen Rolle als Kategorie folgendermaßen:
„Der Einzelne ist seine sozialen Rollen, aber diese Rollen sind ihrerseits die ärgerliche Tatsache der Gesellschaft. Die Soziologie bedarf bei der Lösung ihrer Probleme stets des Bezuges auf soziale Rollen als Elemente der Analyse; ihr Gegenstand liegt in der Entdeckung der Strukturen sozialer Rollen.“ (Dahrendorf 1959, S. 12)
Ähnlich, wie bei den Ausführungen Lintons und der weiterentwickelten Theorie Mertons, beschreibt auch Dahrendorf, dass jeder Mensch verschiedene Positionen innerhalb der Gesellschaft einnimmt. Zu jeder Position gehört, laut ihm, ebenso eine soziale Rolle, die wiederum mit gesellschaftlichen Erwartungen verknüpft ist (vgl. Dahrendorf 1959, S. 20). Von der Rolle des Familienvaters wird daher erwartet, dass dieser für seine Kinder sorgt, sie fördert, verteidigt und liebt. Von einem Studienrat wird erwartet, dass dieser seinen Schülerinnen und Schülern Lerninhalte vermittelt, gerecht beurteilt und sich mit den Eltern der Kinder abstimmt. Von einem Parteifunktionär wird erwartet, dass er Versammlungen besucht, Reden hält und versucht, neue Mitglieder für die Partei zu gewinnen usw. (vgl. Dahrendorf 1959, S, 20).
„Durch Positionen und Rollen werden die beiden Tatsachen des Einzelnen und der Gesellschaft vermittelt; dieses Begriffspaar bezeichnet homo sociologicus, den Menschen der Soziologie, und es bildet daher das Element soziologischer Analyse.“ (Dahrendorf 1959, S. 21)
Der Unterschied der Begriffe von Position und Rolle ist, dass die Position die Verortung im jeweiligen Bezugsfeld darstellt, also beispielsweise die Position des Studienrates. Die damit zusammenhängende Rolle umfasst jedoch die unterschiedlichen Beziehungen (vgl. Dahrendorf 1959, S. 21). In dem Fall des Studienrates wären dies beispielsweise die Beziehungen zu den Schülerinnen und Schülern, zu den dazugehörigen Eltern, zu Vorgesetzten sowie zu seinen Kolleginnen und Kollegen und alle Personengruppen haben wiederum unterschiedliche Rollenerwartungen (vgl. Dahrendorf 1959, S. 29). Diese Erwartungen, die an die jeweilige soziale Rolle geknüpft sind, können wiederum unterschieden werden in Erwartungen an das Verhalten des jeweiligen Individuums (Rollenverhalten) und in Erwartungen an das Aussehen und die charakteristischen Merkmale (Rollenattribute) (vgl. Dahrendorf 1959, S. 21). Dahrendorf beschreibt, dass soziale Rollen gewissermaßen einen Zwangscharakter haben, da die Nicht-Einhaltung der Rollenerwartungen mit Sanktionen bestraft werden (können) (vgl. Dahrendorf 1959, S. 23). Als Beispiel zieht er die Rolle des Ehemanns heran: An diesen ist die Rollenerwartung geknüpft, seine Ehefrau nicht mit anderen Frauen zu betrügen. Werden diese Erwartungen gebrochen, kann es zu negativen, gesellschaftlichen Sanktionen kommen (vgl. Dahrendorf 1959, S. 24). Generell können negative Sanktionen sowohl rechtlich zum Tragen kommen, zum Beispiel eine Gefängnisstrafe als Reaktion auf ein gesetzeswidriges Verbrechen, als auch gesellschaftlich verhängt werden, wie zum Beispiel stillschweigende Ächtung, Ausgrenzung etc. (vgl. Dahrendorf 1959, S. 25 + 28). Gleichzeitig führen gesellschaftliche Rollenerwartungen aber auch im positiven Sinne zu einer gewissen aufrechterhaltenen Sicherheit bzw. zu einem Art Gerüst, an denen sich Menschen orientieren können (vgl. Dahrendorf 1959, S. 27). Dahrendorf griff in seinem Werk ebenfalls den von Robert K. Merton geprägten Begriff der Bezugsgruppe auf, um das Rollenverhalten von Individuen zu erklären. Bezugsgruppen sind insofern relevant für die Bestimmung des Rollenbegriffes, da Individuen ihr Verhalten durch die Zustimmung bzw. die Ablehnung von anderen Personen oder Gruppen an die jeweiligen Rollenerwartungen anpassen (vgl. Dahrendorf 1959, S. 29). Jede Trägerin und jeder Träger einer sozialen Rolle hat also wiederum eine Verbindung zu anderen Bezugspersonen oder- gruppen (vgl. Dahrendorf 1959, S. 29).
Um die Fragestellung dieser Arbeit, durch welche Bestimmungsfaktoren die Entscheidungen beim Automobilkauf determiniert sind und welche idealtypischen Rollen im Zuge der Automobil-Kaufentscheidung auftreten, adäquat behandeln zu können, war es zunächst wichtig, die Begrifflichkeiten rund um die (soziale) Rolle umfassend darzustellen. Wie zuvor erwähnt, wurden diese ursprünglich soziologischen Überlegungen und Rollentheorien zahlreich aufgegriffen und auch in anderen Wissenschaftsbereichen zur Erklärung unterschiedlicher Verhaltensweisen und Entscheidungen herangezogen und angepasst. Im folgenden Kapitel soll daher die literarische Grundlage dieser Arbeit, das Rollenkonzept des Buying Centers, zunächst beschrieben und im weiteren Verlauf empirisch überprüft werden.
Entwickelt wurde das Rollenkonzept des Buying Centers ursprünglich im B2B-Industriemarketing-Bereich (vgl. Backhaus & Voeth, S. 44). Unter dem Begriff des Buying Centers lassen sich alle Personen zusammenfassen, die an einer komplexen Kaufentscheidung in einem Unternehmen beteiligt sind (vgl. Fließ in Kleinaltenkamp & Plinke 2000, S. 305). Eine Abgrenzung der am Kaufprozess beteiligten Personen ist in der Realität allerdings äußerst problematisch, da auch Personen außerhalb des Unternehmens, direkt oder indirekt, an der Kaufentscheidung beteiligt sein können (vgl. Fließ in Kleinaltenkamp & Plinke 2000, S. 305 und vgl. Backhaus & Voeth, S. 45). Wichtig zu betonen ist, dass das Buying Center keine formale, feste Gruppe von Mitarbeitenden des Unternehmens darstellen muss, sondern dass es sich vielmehr um eine informale und problembezogene Gruppe handelt, deren Mitwirkende mehr oder weniger stark an der Kaufentscheidung beteiligt sein können (vgl. Fließ in Kleinaltenkamp & Plinke 2000, S. 307). Eine mögliche Eingrenzung der beteiligten Personen kann zum einen über die hierarchische Position innerhalb des Unternehmens erfolgen, über das Kriterium der Kommunikation (Austausch von Informationen) oder mithilfe von sogenannten Rollenkonzepten (vgl. Fließ in Kleinaltenkamp & Plinke 2000, S. 309 und vgl. Backhaus & Voeth, S. 45). Diese geben Auskunft über die Rollen beziehungsweise Funktionen, die Personen innerhalb eines Kaufprozesses einnehmen. Das wohl bedeutendste Rollenkonzept des Buying Centers geht auf die Marketingprofessoren Frederick E. Webster und Yoram Wind (1972)2 zurück.
„Unter einer Rolle verstehen wir die mit einer bestimmten sozialen Position verbundenen Verhaltenserwartungen, die andere Personen an den Positionsinhaber formulieren.“ (Fließ in Kleinaltenkamp & Plinke 2000, S. 312).
Webster und Wind (1972) definieren fünf Rollen, die typischerweise an einer Kaufentscheidung beteiligt sind: Buyer (Einkäufer), User (Verwender), Influencer (Einflussnehmer), Gate Keeper (Informationsselektierer) und Decider (Entscheidungsträger) (vgl. Fließ in Kleinaltenkamp & Plinke 2000, S. 313 - 315). Die fünf verschiedenen Rollen können anhand ihrer Merkmale und Funktionen unterschieden werden. Die Rolle der Buyer nehmen all die Personen ein, die sich um die Lieferanten- bzw. Anbieterauswahl, das Einholen von Angeboten, die Verhandlung der Kaufbedingungen und den eigentlich Kaufabschluss kümmern (vgl. Backhaus & Voeth, S. 51 und vgl. Fließ in Kleinaltenkamp & Plinke 2000, S. 314). Im Unternehmensbereich sind sie daher meistens in den Einkaufsabteilungen aufzufinden. User hingegen sind die Personen, die mit dem erworbenen Gut tatsächlich umgehen und durch ihr damit erlangtes Erfahrungswissen auch für weitere Kaufentscheidungsprozesse äußerst relevant sind. Ihnen kommt insofern eine Schlüsselstellung im Kaufprozess zu, da das Verhalten und der Umgang mit dem erworbenen Produkt maßgeblich bestimmt, ob dieses zweckadäquat eingesetzt und genutzt wird. User sind somit also ausschlaggebend für die Bewertung der Kaufentscheidung (vgl. Backhaus & Voeth, S. 52). Unter Influencern lassen sich all diejenigen zusammenfassen, die durch Informationspolitik einen mehr oder weniger starken Einfluss auf die Kaufentscheidung haben. Diese Einflussnahme erfolgt beispielsweise über das das Definieren von Kaufkriterien und das Festlegen bestimmter Normen, technischer Mindestanforderungen oder Bewertungskriterien für ein bestimmtes Produktes (vgl. Backhaus & Voeth, S. 52 und vgl. Fließ in Kleinaltenkamp & Plinke 2000, S. 315). Influencer liefern somit also Informationen, die zur Bewertung bzw. zur Auswahl von Alternativen führen. Durch diese Aktivitäten können Influencer die infrage kommenden Anbieter erheblich einschränken und regulieren (vgl. Fließ in Kleinaltenkamp & Plinke 2000, S. 315). Sogenannte Gatekeeper üben ebenfalls einen Einfluss auf die Kaufentscheidung aus, da diese den Informationsfluss steuern und lenken. Sie sind vor allem an der Entscheidungsvorbereitung beteiligt und kontrollieren den Informationsfluss des Buying Centers (vgl. Fließ in Kleinaltenkamp & Plinke 2000, S. 315 und vgl. Backhaus & Voeth, S. 53). Typische Aktivitäten von Gatekeepern sind Kommentieren, Empfehlen und Beraten. Im Unternehmensbereich wird die Rolle der Gatekeeper häufig von Sekretärinnen/ Sekretären bzw. Assistentinnen/ Assistenten ausgeübt (vgl. Fließ in Kleinaltenkamp & Plinke 2000, S. 515). Decider sind die Personen, die im Unternehmensbereich häufig aufgrund ihrer hierarchischen Machtposition die Entscheidung über den Kauf oder Nicht-Kauf treffen und den Kaufentscheidungsprozess jederzeit final beeinflussen können (vgl. Backhaus & Voeth, S. 53).
Im Grunde kann jede Person, die in irgendeiner Form am Kaufprozess beteiligt ist und Einfluss auf diesen nimmt, als Influencer bezeichnet werden. Vor allem die Rollen der Influencer (und auch die der Gatekeeper) werden in der Regel von zahlreichen Personen wahrgenommen (vgl. Fließ in Kleinaltenkamp & Plinke 2000, S. 316). Gleichzeitig kann eine Person mehrere Rollen innerhalb des Kaufentscheidungsprozesses einnehmen.
Grundsätzlich kann also festgehalten werden, dass Personen mit unterschiedlichen Funktionen an einer Kaufentscheidung beteiligt sind. Durch diese Multipersonalität, also durch das Mitwirken mehrerer Personen an einem Kaufprozess, wird das Risiko einer Fehlentscheidung bedeutend reduziert (vgl. Fließ in Kleinaltenkamp & Plinke 2000, S. 306).
Aufgabe dieser Arbeit soll es nun sein zu prüfen, inwieweit die durch Multipersonalität gekennzeichnete Kaufentscheidung innerhalb eines Unternehmens auch auf den B2C-Bereich übertragbar ist, inwieweit die fünf idealtypischen Funktionen der Buying Center-Rollen auch im B2C-Bereich im Zuge einer Automobil-Kaufentscheidung auftreten und welche Determinanten diesen Entscheidungsprozess beeinflussen. Die empirische Überprüfung wird mithilfe von Einzelinterviews im Video-Format3 umgesetzt.
Im Zuge des qualitativen Forschungsprozesses sind nun mehrere Entscheidungen zu treffen: Angefangen bei der Bestimmung einer bestimmten Befragtengruppe, der Wahl einer bestimmten Interviewform und der Auswertungsstrategie der erhobenen Daten (vgl. Helfferich 2011, S. 26). Als Interview-Art dient im Zuge dieser Arbeit das sogenannte fokussierte Interview. Bei diesem wird, im Gegensatz zu narrativen Interviews, im Vorfeld ein Interview-Leitfaden mit möglichst konkreten Fragen und Nachfragen erstellt (vgl. Helfferich 2011, S. 12). Darüber hinaus legt der Interviewende den Fokus auf einen bestimmten Gegenstand. Im Zuge der empirischen Überprüfung dieser Arbeit ist der Forschungsgegenstand, auf den die Fragen fokussiert wurden, die erste Automobil-Kaufentscheidung. Dabei liegt das Forschungsinteresse weniger auf einer Rekonstruktion des Kaufentscheidungsprozesses, sondern stärker auf einem informativen Inhalt, um Aussagen anhand der zugrunde gelegten Literatur analysieren und interpretieren zu können. Aus diesem Forschungsinteresse ergibt sich die naheliegende Eingrenzung der Befragtengruppe auf den Altersbereich von 18 bis 30 Jahren mit der Begründung, dass sich Befragte dieser Altersgruppe vermutlich noch besonders gut an ihre erste Automobil-Kaufentscheidung erinnern und möglichst genaue Angaben machen können. Durch den zuvor erstellten Leitfaden ist zu hoffen, dass es zu möglichst wenigen Interviewfehlern kommt, die Antworten der verschiedenen Fragekategorien verglichen und somit Aussagen für den B2C-Bereich getroffen werden können. Um mögliche geschlechtsspezifische Interpretationsfehler zu vermeiden, werden sowohl weibliche als auch männliche Befragte berücksichtigt. Insgesamt handelt es sich um acht befragte Personen, die jeweils zur Hälfte aus weiblichen bzw. männlichen Interviewten bestehen. Da allerdings nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Zusammensetzung der befragten Stichprobe bezüglich relevanter Merkmale, wie Bildung, Ausländeranteil, Familienstand etc. der Grundgesamtheit entspricht, können die Ergebnisse nicht als repräsentativ für die Grundgesamtheit angesehen werden (vgl. Helfferich 2011, S. 172).
Wie Helfferich (2011) in Ihrem Werk zur qualitativen Sozialforschung schreibt, handelt es sich bei der Forschungsmethodik empirischer Interviews um eine hochkomplexe Situation, bei der subjektive Faktoren der Interviewenden und Interviewpartner*innen eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielen (vgl. Helfferich 2011, S. 9 und S. 16). In diesem Zuge betont die Autorin, dass es sich, unabhängig von der gewählten Form des Interviews, stets um eine wechselseitige Kommunikation handelt und dass somit jedes Interview in gewisser Art und Weise beeinflusst wird (vgl. Helfferich 2011, S. 12). Der Fokus der Interviewenden sollte allerdings darauf liegen, den persönlichen Einfluss möglichst kompetent, reflektiert und kontrolliert einfließen zu lassen. Dazu zählt beispielsweise das Unterlassen von sogenannten Suggestivfragen; also Fragen, die so gestellt sind, dass sie die befragten Personen in eine bestimmte Richtung lenken (vgl. Helfferich 2011, S. 12).
Unabhängig von der Form des Interviews sollte, laut Helfferich, der Kommunikationsstil den befragten Personen angepasst werden (vgl. Helfferich 2011, S. 16). Aus diesem Grunde und auch, weil sich die Interviewende in der gleichen Altersgruppe befindet, wurden in den Interview-Leitfaden nur Fragen aufgenommen, die leicht verständlich und dem natürlichen Sprachgebrauch der der Interviewenden und der Befragten entsprechend formuliert werden konnten. Im Zuge einer transparenten Wissenschaft sind sowohl der Interview-Leitfaden als auch die acht transkribierten Interviews zur Nachverfolgung im Anhang beigefügt. Die befragten Personen wurden bereits im Vorfeld sowohl über den Interviewablauf und die ungefähre Dauer des Interviews informiert als auch über die Notwendigkeit in Kenntnis gesetzt, das Gespräch für eine spätere Transkription aufzuzeichnen. Zu Beginn der Interviews wurden die Interviewpartnerinnen und Interviewpartner erneut darüber informiert, dass das Gesagte vertraulich behandelt wird und nur in anonymisierter Form in diese Arbeit eingeht. Das mündliche Einverständnis zur Gesprächsaufzeichnung wurde vor dem eigentlichen Interview erfragt und ging ebenfalls mit in die im Anhang beigefügten Gesprächs-Transkriptionen ein.
In den nachfolgenden Analyse-Kapiteln werden die Ergebnisse aus den Interviews sukzessiv dargestellt und analysiert. In Kapitel 5 wird zunächst überprüft, inwieweit die fünf idealtypischen Funktionen der Buying Center-Rollen auch im B2C-Bereich im Zuge einer Automobil-Kaufentscheidung auftreten und inwieweit das zugrunde gelegte Rollenkonzept angepasst und erweitert werden müsste. In Kapitel 6 geht es um Determinanten, die den Entscheidungsprozess im Zuge des Automobilkaufs beeinflussen. Auch in diesem Analyse-Kapitel werden die literarischen Grundlagen um die Ergebnisse aus den geführten Interviews ergänzt und analysiert.
In Kapitel 3 wurde das Rollenkonzept des Buying Centers erläutert und die Funktionen der am Kaufprozess beteiligten, idealtypischen Rollen beschrieben. Diese von Webster und Wind festgelegten Rollen sind allerdings nicht komplett überschneidungsfrei, was wiederum die genaue Bestimmung und Zuordnung von Rollen deutlich erschwert (vgl. Backhaus & Voeth, S. 53). Im Folgenden sollen die Ergebnisse aus den empirischen Interviews nun mit Blick auf die idealtypischen Merkmale und Funktionen der Buying Center-Rollen analysiert werden. Des Weiteren soll geprüft werden, inwieweit das Rollenkonzept des Buying Centers im B2C-Bereich angepasst oder erweitert werden müsste.
User
Wie bereits zuvor beschrieben, sind die Funktionen des Users vor allem, dass er mit dem erworbenem Gut umgeht und somit der Nutzungs-/Wirkungsgrad durch sie oder ihn maßgeblich beeinflusst werden kann. User spielen also vor allem in der Nachkaufphase eine entscheidende Rolle. In allen acht Fällen haben die Befragten die Rolle der User inne. Den Befragten wurde außerdem die Frage gestellt, ob die- oder derjenige die/ der einzige ist, die/ der das Fahrzeug fährt oder ob es noch andere Nutzer*innen gibt. Dabei wurde deutlich, dass auch andere Personen die Rolle der User einnehmen. Allerdings gibt es Unterschiede in der Nutzungshäufigkeit und der Anzahl der Nutzer*innen.
Die Befragte Nr. 3 gab an, dass sie „schon zu 99 %“ die alleinige Nutzerin ihres Fahrzeuges ist. Neben ihr haben lediglich „ab und zu“ ihre Eltern die Rolle der User inne, „wenn deren Auto zum Beispiel in der Werkstatt ist.“ (Befragte Nr. 3). Während ebenfalls der Befragte Nr. 1 angab, dass er „zu 98 %“ derjenige ist, der sein Auto fährt und hinzufügt, dass lediglich seine Freundin sein Auto „ ab und zu“ benutzt, wenn diese „zum Einkaufen fährt oder sie ihr Auto momentan nicht benutzen kann “ oder „in äußerst seltenen Fällen“ auch „ein Freund oder Familie“, scheint die Anzahl der Nutzer*innen bei dem Befragten Nr. 6 deutlich ausgeprägter: „Ich leihe es manchmal auch anderen, wenn sie es benötigen. Mitbewohner, Freundin, Freunde. Eigentlich alle, die es brauchen. Also das ist für mich ein Gebrauchsgegenstand und kein -weiß ich nicht- heiliger Gral (lachen).“ Ähnlich zahlreiche Personen nehmen bei der Befragten Nr. 8 die Rolle der User ein: „Ich verleihe das oft. Partner sowieso. Familie auch, wenn es gebraucht wird und an Freunde auch. Also, ich bin da eigentlich sehr locker mit.“
Bei den Befragten Nummer 4 und 5 nehmen, außer ihnen selbst, lediglich die Partner die Rolle der User ein: „Also, außer mir und meinem Partner fährt mein Auto eigentlich niemand.“ (Befragte Nr. 4) und „Äh, ab und zu fährt meine Freundin damit. Eher ganz selten.“ (Befragter Nr. 5). Neben der Befragten Nr. 2 nehmen „maximal“ ihre Eltern die Rolle der User ein: „Wenn ich irgendwo im Urlaub bin und es dann stehen würde, quasi. Aber sonst bin ich eigentlich alleinige Nutzerin.“ Ähnlich ist es auch bei Befragtem Nr. 7: „Hmm, das war im geringen Maß mal so, dass ich das vielleicht mal meinen Eltern zur Verfügung gestellt hatte oder wir mal Autos getauscht hatten, aber das war eher dann nur einfach aus Jux und Tollerei.“ und bei der Befragten Nr. 3: „Innerhalb der Familie verleihen schon. Oder an meinen Freund. Aber ansonsten kam es eher seltener vor, dass ich es verliehen habe.“ Unabhängig von der genauen Anzahl der Nutzer*innen und der Nutzungshäufigkeit kann also festgehalten werden, dass mehr Personen, als die Hauptnutzerin bzw. der Hauptnutzer, im Zuge des Automobil-Kaufprozesses im B2C-Bereich die Rolle der User einnehmen. Ziemlich eindeutig ging aber aus den acht empirischen Interviews hervor, dass die Tatsache mehrerer Nutzer*innen die Automobil-Kaufentscheidung nicht beeinflusst hat. Die Frage, ob es eine Rolle bei der Kaufentscheidung gespielt hat, dass andere Personen das Fahrzeug mitnutzen, wurde in sechs von acht Interviews verneint. So zum Beispiel von Befragtem Nr. 1 : „Ne, das -muss ich schon sagen- eigentlich nicht, weil mir schon von Anfang an bewusst war, dass ich derjenige sein werde, der das Auto hauptsächlich fährt“ oder von der Befragten Nr. 2: „Ne, also es war von Vornherein klar, dass es, wenn dann, mein Auto ist und ich die alleinige Nutzerin bin, also joar.“ oder von Befragtem Nr. 5 „Ne, gar nicht.“. Lediglich bei der Befragten Nr. 4 geht hervor, dass es zumindest eine marginale Rolle gespielt hat, dass ihr Partner gelegentlich ebenfalls als User agiert: „Joar. Also, er hat ja auch ein Auto. Natürlich auch so für Urlaub oder wenn wir weg sind, damit wechseln wir uns ja ab. Da war schon wichtig, dass er das Auto auch fahren kann.“ Allerdings kann aus dieser Aussage auf keine große Beeinflussung der Kaufentscheidung geschlossen werden.
Es scheint, zumindest im B2C-Bereich, also eine Rolle zu spielen, in welcher Intensität verschiedene Personen die Rolle der User einnehmen. Die zuvor definierten Merkmale und Funktionen der Rolle des Users treffen, laut den empirischen Untersuchungen dieser Arbeit, vor allem auf die Hauptnutzerin bzw. den Hauptnutzer des Fahrzeuges zu. Es wäre also denkbar und ratsam, die Rolle des Users für den B2C-Bereich insofern anzupassen, dass diese in „main user“ und „secondary user“ unterteilt wird, um so die unterschiedlich starke Beeinflussung der Kaufentscheidung adäquater beschreiben und interpretieren zu können.
Buyer
Die Vermutung, dass die Hauptnutzer*innen des Fahrzeuges, ebenfalls die Rolle der Buyer innehaben, liegt nahe. In der empirischen Untersuchung dieser Arbeit traf dies auch in sieben von acht Fällen zu. Während die Befragten 1, 2, 4, 5, 6, 7 und 8 in der Rolle des Buyers am eigentlichen Kaufprozess ihres Fahrzeuges involviert waren, fungiert Befragte Nr. 3 lediglich in der Rolle des Users und nicht in der des Buyers: „Ich habe mir noch kein eigenes Auto gekauft.“ „Ich fahre das Auto meiner Eltern“ (Befragte Nr. 3). Der in Kapitel 3 erwähnte Tatbestand, dass User innerhalb des Buying Centers eine Schlüsselstellung bei der Kaufentscheidung einnehmen, zeigt sich auch in diesem Fall. Im Zuge des Interviews wurde die Frage gestellt, ob die Befragte Nr. 3 dennoch bei der Kaufentscheidung bzw. bei dem eigentlichen Kauf an sich involviert war. Während sie weder bei der Probefahrt, noch bei dem Kauf des Fahrzeuges dabei war und somit nicht in der Rolle des Buyers agierte, nahm sie, als User, dennoch Einfluss auf die Kaufentscheidung, was beispielsweise die Farbe des Fahrzeuges anging: „Ja, teilweise schon. {…} Ich weiß noch, dass ich auf die Farbe auf jeden Fall einen großen Einfluss hatte. Also, die hatte ich mir ausgesucht.“ Als Buyer agierten in diesem Fall jedoch ihre Eltern.
In den anderen sieben Interviews wurde die Vermutung, dass die Personen, die die Rolle der User einnehmen ebenfalls die Rolle der Buyer innehaben, jedoch bestätigt. Auf die Nachfrage, wie alt die Befragten bei dem Kauf ihres ersten Autos waren, zeigte sich folgendes Bild:
18 Jahre (Befragter Nr. 6 und Befragter Nr. 7)
19 Jahre (Befragte Nr. 2)
21 Jahre (Befragter Nr. 1)
22 Jahre (Befragter Nr. 5)
24 Jahre (Befragte Nr. 8)
26 Jahre (Befragte Nr. 4)
Zumindest aus der Stichprobe dieser empirischen Untersuchung könnte also abgeleitet werden, dass die meisten männlichen Befragten bei dem Kauf ihres ersten Autos jünger waren, als die weiblichen Befragten. Während das Durchschnittsalter der männlichen Befragten bei ihrem ersten Fahrzeugkauf bei 19,75 lag, waren die weiblichen Befragten bei ihrer ersten Automobilkaufentscheidung durchschnittlich 23 Jahre alt.
Zu den Merkmalen und Funktionen der Rolle des Buyers gehören die Anbieterauswahl, das Einholen von Angeboten und ggf. das Durchführen von Verhandlungen. Diese Merkmale und Funktionen des Buyers trafen auf sieben der acht Befragten zu. Darüber hinaus gab es (zumindest in sechs Fällen) noch weitere Personen, die die tatsächlichen Kaufphase begleitet und Einfluss auf die Kaufentscheidung gehabt haben.
Während der Befragte Nr. 7 bei dem eigentlichen Kauf alleine war und somit die Rolle des Buyers alleine innehatte, hatten die Interviewpartner*innen Nr. 1, 2, 4, 5, 6, und 8 Unterstützung vor und während des Automobil-Kaufs. Bei der Befragten Nr. 4 war ihr Partner bei dem Fahrzeug-Kauf dabei: „Weil der einfach auch Ahnung von Autos hat und es mir da wichtig war, dass der dabei war (lachen).“ Befragter Nr. 5 wurde beim Kauf von seinen beiden Brüdern begleitet und bei den Befragten Nr. 1, 2, 6 und 8 haben die jeweiligen Väter an dem Fahrzeug-Kauf teilgehabt. Die Rolle des Buyers kommt während der tatsächlichen Kaufphase zutage. Aus den Ergebnissen der empirischen Interviews kann abgeleitet werden, dass neben den Befragten in den meisten Fällen die engsten Bezugspersonen aus dem privaten Umfeld (Partner*innen, Geschwister, Eltern) die Merkmale bzw. die Funktionen der Rolle des Buyers erfüllen und diese für den B2C-Bereich nicht angepasst oder erweitert werden müsste.
Neben den Funktionen des Buyers lassen die Antworten aus den Interviews jedoch auf weitere Merkmale und Funktionen schließen, die über die Rolle des Buyers hinausgehen. Für den B2C-Bereich wäre es sinnvoll, eine weitere Rolle einzuführen. Der Vorschlaf für eine Erweiterung des Rollenkonzeptes für den B2C-Bereich wird in Kapitel 5.6 dargestellt und mithilfe der Ergebnisse aus den Interviews begründet wird.
[...]
1 Vgl. Webster, F. E. & Wind, Y. (1972): Organizational Buying Behaviour.
2 Vgl. Webster, F. E. & Wind, Y. (1972): Organizational Buying Behaviour.
3 Ein persönliches Face-to-Face-Interview wäre aufgrund der derzeitigen Covid 19 Pandemie nicht empfehlenswert gewesen. Darüber hinaus lag die Befürchtung nahe, dass sich nur wenige oder gar keine potenziellen Interviewpartner*innen für ein persönliches Gespräch zur Verfügung gestellt hätten.
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