Bachelorarbeit, 2020
40 Seiten, Note: 2,0
1 EINLEITUNG
1.1 Der Geschichtliche Hintergrund und die Aktuelle Situation in Berg-Karabach
1.2 Zur Aktuellen Lage der Berg-Karabach Krieg
2 THEORETISCHERTEIL
2.1 Allgemeineszu Konflikttheorien
2.2 Theoriemodell von Esser
2.3 Hypothesen
3 EMPIRISCHERTEIL
3.1 Anwendung des Theoriemodells auf den Berg-Karabach Konflikt
3.2 Strukturelle Antagonismus zwischen Armenien und Aserbaidschan
3.2.1 Zerfall der Sowjetunion und Bildung neue Identitäten
3.3 Mobilisierung
3.3.1 Mobilisierung im Berg-Karabach Konflikt
3.3.2 Mobilisierung der Aserbaidschaner
3.3.3 Mobilisierung der Armenier
3.4 Verbreitung
3.4.1 Die Positionvon Russland
3.4.2 Die Position derTürkei
3.4.3 Die Position von EU in der Berg-Karabach Konflikt
3.4.4 DiePositionvon USA
3.5 Pfadabhängigkeit
3.5.1 Meistererzählung Aserbaidschan und Armenien
3.6 Verfall/Ende
3.6.1 Die Suche nach einer friedlichen Lösung (1994-2010) Goble-Plan als Lösungsvorschlag im Berg-Karabach Konflikt
4 FAZIT
5 LITERATURVERZEICHNIS
Abbildung 1 Stadien und Phasen sozialer Bewegungen und ethnischer Konflikte
BTC Baku-Tiflis-Ceyhan-Pipeline
BTE Südkaukasus-Pipeline
ENP Europäische Nachbarschaftspolitik
GUS Gemeinschaft unabhängiger Staaten
KGB Komitee für Staatssicherheit
KPdSU KommunistischerPartei der Sowjetunion
NATO Nordatlantikpakt-Organisation
NKAO Autonome Oblast Bergkarabach
OPEC Die Organisation erdölexportierender Länder
OSZE Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
RSFSR Russische SozialistischeFöderative Sowjetrepublik
SIPRI Internationalen Friedensforschungsinstituts
UDSSR Sowjetunion
Bildungseinrichtung: Fachhochschule Kufstein Tirol Studiengang: Internationale Wirtschaft & Management Kurzfassung der Bachelorarbeit: Der Berg-Karabach-Konflikt von 1988 bis 2010 Name: Garayli Geray
Die Arbeit befasst sich mit dem langjährigen Streit zwischen Aserbaidschanern und Armeniern um die Region Berg-Karabach. Der Konflikt stellt ein sicherheitspolitisches Problem für den Kaukasus dar und lähmt die wirtschaftliche Entwicklung der Teilnehmerstaaten Aserbaidschan und Armenien. Dieser Arbeit setzt sich mit den Ursachen des Konfliktes auseinander, um zu zeigen, wie diese Situation nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ausbrach und wie es in beiden Ländern zu "ethnischen Säuberungen", bei denen jeweils die Bevölkerung des Nachbarlandes vertrieben wurde, führte. Auf die aktuelle Situation im Berg - Karabach - Konflikt wird ebenfalls eingegangen, denn die Frustration über den langjährigen ungelösten Konflikt um Bergkarabach führt es immer wieder zu Gefechten zwischen den beiden Armeen. Die vorliegende Arbeit versucht zu beleuchten, ob der Frieden in der Region noch eine Chance hat. Auf den uralten Konflikt um Berg-Karabach gibt es heute keine einfachen Antworten, weder in der Geschichte noch in der Gegenwart.
Educational institution: University of applied sciences Kufstein Tyrol Bachelor’s degree Program: International Business Studies Abstract of the Bachelor thesis: Nagomo-Karabakh-Conflict from 1988 to 2010 Name: Garayli Geray
The work deals with the long-standing dispute between Azerbaijanis and Armenians over the Nagorno-Karabakh region. The conflict poses a security policy problem for the Caucasus and paralyzes the economic development of the participating states Azerbaijan and Armenia. This work examines the causes of the conflict to show how this situation broke out after the collapse of the Soviet Union and how it led to "ethnic cleansing" in both countries, each of which displaced the population of the neighbouring country. The current situation in the Nagorno-Karabakh conflict will VII also be discussed, as the frustration over the longstanding unresolved conflict over Nagorno-Karabakh leads to repeated skirmishes between the two armies. The present study attempts to shed light on whether peace in the region still has a chance. There are no easy answers to the age-old conflict over Nagorno-Karabakh today, neither in history nor in the present.
Südkaukasus ist bekannt für seine Territorialkonflikte. Das Gebiet ist komplex und sorgt für kontroversen. Zwei der drei Staaten des Südkaukasus, Aserbaidschan und Armenien, schafften zwar aus dem Schatten der sowjetischen Politik herauszutreten, jedoch befinden sich die Länder bis heute in einer Zeit der Konflikte und Kriege. Die Frustration über den langjährigen ungelösten Konflikt um Bergkarabach führt es immer wieder zu Gefechten zwischen den beiden Armeen. Seit Jahren werden Beschuldigungen durch den Raum geschmissen, berechtigte und unberechtigte Kritik wird dem Gegenüber vorgeworfen und am Ende leiden vor allem die Menschen in den umkämpften Gebieten.
Einerseits ist Südkaukasus als Region geostrategisch und politisch sehr wichtig und steht somit im Fokus der Weltmächte. Andererseits hat die Region mit sehr vielen regionalen Konflikten zu tun. Die Tatsache ist, dass seit der Erringung der Unabhängigkeit von postsowjetischen Staaten auch ethnische Konflikt freigesetzt und für die keine politischen Lösungen gefunden wurden.
Die als „Frozen Conflict“ bekannten Konflikte im Südkaukasus haben in den letzten Jahren sehr viel Aufmerksamkeit auf sich vereinen können, denn es gibt sehr viele Faktoren, besorgt zu sein, weil die Region von ständiger Destabilisierung gekennzeichnet ist. „Drei dieser Faktoren sind dabei besonders ausschlaggebend: (1) die ungelösten Territorialkonflikte um Südossetien und Abchasien in Georgien, (2) der ungelöste Territorialkonflikt um Nagorno-Karabakh in Aserbaidschan sowie (3) die Konkurrenz der Großmächte um Pipelines und Lieferverträge zur Aneignung der Rohstoffe aus dem Kaspischen Meers.“1 Daraus kann man schließen, dass aufgrund der Interessenkonflikte zwischen den Konfliktparteien und des Interessenkonflikts zwischen den beteiligten Großmächten die Aussichten für eine internationale Friedenssicherung sehr gering sind. Das Risiko einer Konflikteskalation in dieser Region ist hoch und die Möglichkeit einer künftigen Zunahme ist größer als die Möglichkeit einer Abnahme.2 Am 27. September 2020 kam es zu den wohl schwerwiegendsten Kampfhandlungen um Berg-Karabach seit dem Waffenstillstand von 1994. Bis heute haben die Kämpfe auf beiden Seiten bereits dutzende Menschenleben gekostet und werden immer intensiver. In demjahrhundertealten Konflikt im heutigen Berg-Karabach gibt es keine einfachen Antworten, weder im Hinblick auf die Geschichte noch im Hinblick auf die Gegenwart.
Die vorliegende Arbeit untersucht den geschichtlichen Hintergrund des Konflikts und setzt sich mit der aktuellen Situation im Bergkarabach auseinander. Im zweiten Schritt wird anhand des Theoriemodells von Esser versucht, den Karabach- Konflikt näher zu beschreiben. Die Frage, die zu schlussendlich beantworten gilt, ist, ob eine Lösung des Konflikts im Berg-Karabach überhaupt erwünscht ist und welche Vor- und Nachteile sich für Aserbaidschan, Armenien und Russland ergeben?
Auf die Frage nach dem Frieden in der Region gibt es immer noch keine plausiblen Antworten. Denn, es sieht so aus als ob die mehr als 25 Jahren, die seit dem Waffenstillstand von 1994 vergangen sind, nicht genutzt wurden, um unschuldige Aserbaidschaner, Armenier, Soldaten und Zivilisten vor dem Sterben, Verwundung, aber auch vor dem Leid zu schützen. Es ist die höchste Zeit, dass die internationale Gemeinschaft sich der Berg-Karabach-Krise wieder zuwendet, aber nicht nur dann, wenn es, wiejetzt wieder zu spät ist und Menschen sterben und leiden.
Der Frieden und die Stabilität in der gesamten Kaspischen Region kann nur durch eine enge Zusammenarbeit zwischen den Nachbarstaaten erreicht werden. Es ist kein Geheimnis, dass Länder wie Aserbaidschan und Armenien eine vorteilhafte Beziehung zueinander und mit anderen Nachbarländern brauchen, um ihre Unabhängigkeit und Souveränität weiterhin zu stärken. Eine Kooperation zwischen den betroffenen Ländern ist noch lange nicht in Sicht, denn der Kampf um die Krisenregion Berg - Karabach zeigt, dass es ein tief verwurzeltes Misstrauen aufbeiden Seiten existiert.
Der Konflikt zwischen den Nachbarstaaten reicht viele Jahrhunderte zurück. Bevor in dieser Arbeit näher auf die Konfliktursachen eingegangen wird, macht ein Blick auf die geographische Lage von Berg - Karabach mehr Sinn.3
Der Begriff Karabach (Qarabag) lässt sich von aserbaidschanischer Sprache herleiten. Auf aserbaidschanisch bedeutet „qara“ schwarz und „bag“ der Garten, zusammen 3 bedeuten sie “schwarzer Garten“. Die Fläche von Nagorny-Karabach beträgt 4400 km2. 1991 hatte das autonome Gebiet 194.000 Einwohner. Die Bevölkerung in 1989 bestand aus 145.500 Armeniern und ungefähr 40.000 Aserbaidschanern.4
Karabach hat im Laufe der Geschichte Aserbaidschans eine gezielte geopolitische Rolle gespielt. Nach dem Sturz des arabischen Kalifats im 9. Jahrhundert wurde der aserbaidschanische Teil von den Feudalstaaten Kara-Gojunlu und Ak-Gojunlu und vom Safawidenreich einverleibt. Infolgedessen entstand es auf dem Gebiet Fürstentums Karabach zwei unabhängige Khanate, die von Khan Panah gegründet wurden. Im Norden waren es die Khanats Gjandscha und im Süden die Khanat Karabach. Im Jahr 1754 ließ Khan Panah dort eine Festung errichten und gründete eine Stadt namens Panahabad und somit das spätere SuSa (Schuscha).5
Die Entstehungsgeschichte von Berg - Karabach wurde zu einem höchst diskutierten Thema in der Auseinandersetzung zwischen Aserbaidschan und Armenien, denn viele Wissenschaftler zweifeln heutzutage an der Richtigkeit dieser Behauptung.
„Einige armenische Wissenschaftler bestehen heute darauf, dass im Laufe des ganzen 18. Jahrhunderts der armenische Anteil der Bewohner Karabachs 97% der Gesamtbevölkerung ausmachte. Dafür gibt es keine seriösen Belege. Aber selbst, wenn man einmal unterstellt, diese Behauptung sei zutreffend, so erhebt sich doch die Frage, warum dann im 18. Jahrhundert in Karabach keine armenische Stadt, sondern das Khanat-Karabach entstanden ist, geführt von Angehörigen des berühmten aserbaidschanischen Adelsgeschlechts der Dzavanschir. Es gibt in der Geschichte kein vergleichbares Beispiel dafür, das eine ethnische Minderheit von nur 3% in einem bestimmten Gebiet über die Köpfe derer hinweg ein Staatswesen errichten konnte, die 97% der gesamten Bevölkerung ausmachten.“6
Anfang April 2016 brachen die Kämpfe zwischen Armeniern und Aserbaidschanern in Berg-Karabach erneut aus, und der Südkaukasus trat in eine neue Phase der Unsicherheit und Konfrontation ein. Die Herausforderung an den Status Quo ist nicht ganz unerwartet. An der Kontaktlinie Berg-Karabach und an der international anerkannten Grenze zwischen Armenien und Aserbaidschan kommt es häufiger zu Gewalt. Seit dem Waffenstillstand am 12. Mai 1994 waren die Kämpfe im April jedoch am heftigsten.7
Der Konflikt um Berg-Karabach wurde nie eingefroren. Seit 2014 hat sich die Situation jedoch deutlich verschlechtert. Diese negative Entwicklung gipfelte in der ersten Aprilwoche 2016 in einer Eskalation, die bereits als "Vier-Tage-Krieg" beschrieben wurde.8
Am frühen Morgen des 2. April brachen in der Karabach-Konfliktzone zwischen Armenien und Aserbaidschan abrupt Kämpfe aus. Beide Seiten beschuldigen sich gegenseitig, die Militäraktion initiiert zu haben, obwohl alles darauf hindeutet, dass Aserbaidschan die Initiative ergriffen hat und es ihm als Folge der Kämpfe gelungen ist, die Frontlinie leicht zu seinen Gunsten zu verschieben. Im Zuge der heftigen Kämpfe nutzten beide Seiten alle ihnen zur Verfügung stehenden Waffen (Panzer, schwere Artillerie, Raketenwerfer und in begrenztem Umfang Luftwaffen), einschließlich des Beschießens ziviler Ziele. Die Aserbaidschaner drohten auch, Stepanakert (die Hauptstadt von Berg-Karabach) zu bombardieren, während die Armenier Aserbaidschans Ölanlagen bedrohten. Die genaue Zahl der Opfer ist unbekannt; beide Seiten haben mindestens 60 tote Soldaten und mehrere Zivilisten zugelassen, und es ist möglich, dass die Zahlen zu wenig gemeldet wurden. Auch Baku, Eriwan und Stepanakert verbreiten Kriegspropaganda und bewusste Fehlinformationen, so dass es schwierig ist, viele der berichteten Fakten zu verifizieren. Die Zusammenstöße dauerten bis zum 5. April und endeten mit der unerwarteten Ankündigung eines Waffenstillstands durch beide Seiten. Gleichzeitig wurde eine Wiederaufnahme der Friedensgespräche angekündigt.
Der wichtigste politische Nutzniesser des Vier-Tage-Konflikts ist jedoch Russland, der seine Position als faktischer Hauptversöhnler und Garant für den Waffenstillstand gestärkt hat.
Die Gewalt, die im Jahre 2016 in Nagorny - Karabach ausgelöst wurde, kannjederzeit wieder auftreten. In der Konfliktzone gibt es keine Friedenstruppen und nur eine geringe Anzahl von OSZE-Beobachtern, und der Waffenstillstand von 1994 hat sich bislang nur dank eines zarten Kräftegleichgewichts fortgesetzt, das sich in Zukunft ändern kann. Sowohl die armenische als auch die aserbaidschanische Regierung bestehen nach wie vor darauf, dass ihre maximalen Forderungen zur Beilegung des Konflikts erfüllt werden, während die drei Ko-Vorsitzenden der OSZE-Gruppe in Minsk (OSZE-MG) - Frankreich, Russland und die Vereinigten Staaten - keine Instrumente haben, um die Parteien zu Zugeständnissen zu zwingen.9
Konflikte haben unsere Gesellschaft schon immer geprägt und sind in der heutigen Welt allgegenwärtig. Jedoch dürfen sie weder negativ noch dramatisch angesehen werden, denn laut Ropers sind sie ein unvermeidlicher Bestandteil des menschlichen Zusammenlebens und Zusammenarbeitens. Konflikte werden erst dann bedrohlich, wenn sie internationalisiert und transnationalsiert werden.
In der vorliegenden Arbeit werden drei Konflikttheorien bearbeitet. Diese Konflikttheorien beschäftigen sich nicht nur mit den Funktionen des Konfliktes, sondern auch dessen Beitrag zu Gesellschaftlichen Fortschritt und beinhaltet daher Änderungen in Normen und Machtpositionen. Die Wissenschaft widmet dieser Entwicklung immer mehr Aufmerksamkeit und versucht zu erklären, wie die Konflikte entstehen, wie sie sich entwickeln und ob und wie sie gelöst werden.
Die erste Konflikttheorie mit dem wir uns auseinandersetzen werden, stammt von Ropers. Er beschreibt in seinem Buch „Friedliche Einmischung“ warum die Zahl der Kriege zurückgegangen sind und erklärt, dass die überwiegende Mehrheit dieser Kriege sind keine Konflikte zwischen verschiedenen Ländern, sondern interne Konflikte zwischen rivalisierenden politischen Gruppen oder zwischen diesen Gruppen und verwandten Ländern. Ethnische Standards spielen eine Schlüsselrolle bei der Identifizierung von Menschen in Konflikten, weshalb diese Konflikte oft als ethnische Konflikte bezeichnet werden. Natürlich ist diese Beschreibung keineswegs gleichbedeutend mit einer Erklärung, als ob die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse automatisch einen potenziellen Konflikt darstellt.10 In den meisten Fällen kann nachgewiesen werden, dass es mehrere Gründe und Zwecke gibt, die nichts mit den ethnischen Merkmalen der umstrittenen Partei zu tun haben. Daher ist es sinnvoller, über ethnopolitische Konflikte zu sprechen, da in der Regel die Politisierung ethnischer Merkmale die Schlüsselrolle ethnischer Merkmale im Konfliktprozess bestimmt.11 Stuart J. Kaufman fasst in seinem Buch „Modern Hatreds“ die Erklärung oder Geschichten über ethnische Kriege in drei einfachen Begriffen zusammen: alter Hass, manipulative Führer und wirtschaftliche Rivalität. Die Kernthese seines Buches lautet, dass eine adäquate Theorie des ethnischen Krieges die Erkenntnisse aus all diesen Ansätzen kombinieren muss, um zu erklären, warum dies normalerweise nicht der Fall ist. Der zweite Zweck dieses Buches ist es daher zu zeigen, wie ein besseres Verständnis der treibenden Kräfte hinter ethnischen Kriegen zu besseren Ideen führen kann, wie sie vermieden oder gestoppt werden können.12
Die Theorie von Hartmut Esser geht davon aus, Fortschritte bei der gesellschaftlichen Modernisierung und Rationalisierung des Handelns offenbar zu einer Zunahme nationaler ethnischer, religiöser und rassistischer Affekte, Bindungen und Konflikte geführt haben. Er versteht die ethnischen Konflikte als Sonderfalle der Modernisierung von sozialen Bewegungen. Sein grundlegendes Argument ist, dass soziale Bewegungen immer auf objektiven Grundlagen und daher immer auf strukturellen Konfrontationen beruhen. Für ethnische Gruppen sind jedoch die Entstehung struktureller Antagonismus und die Bedingungen, um sie in offene und fundamentalistische Konflikte umzuwandeln, besonders günstig. In seinem vier Phasen Modell geht Esser auf die Stadien und Phasen sozialer Bewegungen und ethnischer Konflikte ein. Im nächsten Kapitel werden tiefer auf die einzelnen Phasen eingegangen, um sie besser zu verstehen.13
„Ethnie „oder „Ethnizität“ - was ist das? Viele von uns haben sicherlich die Begriffe schon mal gehört. Aber was steckt wirklich hinter diesen Begriffen? Gibt es Unterschiede?
Die rein sprachliche Herkunft des Begriffs „Ethnie“ ist recht einfach zu klären. Das Wort stammt aus dem griechischen Wort „ethnos“ und bedeutet Volk oder Volksstamm. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von Menschen, die sich aufgrund gemeinsamer kultureller Merkmale als Gemeinschaft wahrnehmen und von anderen Gemeinschaften als solche betrachtet werden. Für die Identifizierung ethnischer Gruppen können Aspekte wie eine gemeinsame Kultur, Sprache, Religion, Normen, gemeinsame Geschichte usw. herangezogen werden.
Demgegenüber kann der Begriff Ethnizität als Prozess bezeichnet werden, denn er bezieht sich auf den Prozess der Abgrenzung von Bevölkerungsgruppen durch die Zuschreibung ihrer eigenen Identität oder durch externe Zuschreibung. Das Resultat ist die Erkenntnis, dass Personen, die zu einer bestimmten ethnischen Gruppe oder zu anderen ethnischen Gruppen gehören, unterschiedlich sind. Die Ethnizität einer Gruppe beinhaltet drei wichtige Merkmale: Tradition, spezifisches Kapital uns Askription.14
,, Die Eigenschaft der Tradition bedeutet, dass der ethnische Gemeinsamkeitsglaube an - mehr oder weniger - deutlich strukturierte und mit gewissen Markierungen und Symbolen fest verbundene kulturelle Modelle anknüpfen kann, die als kollektive Repräsentationen“ den Akteuren innerhalb und außenhalb der Gruppe bekannt und einsichtig sind. Das entsprechende gedanklicheModell enthält dabei typischeMuster von Wissen, Werten, Emotionen und Handlungsprogrammen, die sich insbesondere auf die Exklusion von Personen der anderen und die Inklusion von Personen der eigenen Gruppe bezieht“.15
Einige Kollektive und Gruppen basieren auf bestimmte Kriterien, die außerhalb oder unabhängig von der Gruppe wenig Wert hat oder sogar abgewertet und als Mangel angesehen wird. Das ist es, was mit dem Begriff des spezifischen Kapitals gemeint ist. Dabei handelt es sich um Ressourcen, deren Nutzbarkeit notwendigerweise mit der Existenz der Gruppe verbunden ist. Als Beispiele können hier genannt werden: Sprache, Gewohnheiten, Alltagswissen, die nur in der Gruppe „verstanden“ und anerkannt werden.
Auf der anderen Seite setzt sich Esser mit dem generalisierten Kapital zusammen, welches im Gegensatz zu spezifischem Kapital einen Wert außerhalb der Gruppe besitzt. In der Zusammensetzung des Kapitals weisen ethnische Gruppen normalerweise nur einen relativ geringen Anteil des breiten Kapitals auf. Dies ist vor allem ihre Sensibilität fürjede Bedrohung, die das Überleben ihrer Gruppe gefährdet, und es ist auch der Hintergrund für ihre Fähigkeit, schnell zu mobilisieren, wenn solche Bedrohungen tatsächlich auftreten. Der letzte Punkt der Ethnizität besagt, dass die Mitgliedschaft in einer Gruppe nicht durch persönliche Anstrengung erworben oder einfach verworfen werden kann.
Das allgemeine Modell Esser beschreibt die ethnischen Konflikte als Sonderfall sozialer Bewegung und allgemeiner sozialer Konflikte. Um die Entwicklung und den Prozess zu vereinfachen, nennt er einige typische Phasen, wobeijede Phase eine typische Situation aufweist und eine auf die andere folgt.
Zu Beginn jeder sozialen Bewegung und jedes ethnischen Konflikts gibt es immer strukturelle Antagonismus.16
[...]
1 Vgl. Jabelious, Matthias (2009): Länderanalyse Südkaukasus: Kriese und Kriegsgefahr: S. 9
2 Vgl. Jabelious, Matthias (2009): Länderanalyse Südkaukasus: Kriese undKriegsgefahr: S.10
3 Vgl. Rau, Johannes (2003): DerNagomy-Karabach-Konflikt S.ll
4 Vgl. Rau, Johannes (2003): DerNagomy-Karabach-Konflikt S.12
5 Vgl. Rüdiger, Kipke (2012): Das armenisch-aserbaidschanische Verhältnis und der Konflikt um Berg-Karabach, S.10
6 Vgl. Rüdiger, Kipke (2012): Das armenisch-aserbaidschanische Verhältnis und der Konflikt um Berg-Karabach, S.10
7 Vgl. Markedonov, Sergey (2017): Russia's Evolving South Caucasus Policy: Security Concerns amidEthno-political Cinflicts, S.3.
8 Vgl. Fischer, Sabine (2016): Nicht eingefroren! Die ungelösten Konflikte um Transnistrien, Abchasien, Südossetien und Berg- Karabach im Lichte der Krise um die Ukraine, S. 72
9 Vgl. Markedonov, Sergey (2017): Russia's Evolving South Caucasus Policy: Security Concerns amidEthno-political Cinflicts, S. 3.
10 Vgl. Ropers, Norbert (1995): Friedliche Einmischung, S. 1.
11 Vgl. Ropers, Norbert (1995): Friedliche Einmischung, S. 1.
12 Vgl. Stuart, J. Kaufman: (2001): Moder Hatreds, S.2
13 Vgl. Hartmut, Esser (1997): Entstehung ethnischer Konflikte, S. 876
14 Vgl. Hartmut, Esser (1997): Entstehung ethnischer Konflikte, S. 879-881
15 Vgl. Hartmut, Esser (1997): Entstehung ethnischer Konflikte, S. 877
16 Vgl. Hartmut, Esser (1997): Entstehung ethnischer Konflikte, S. 879
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