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Bachelorarbeit, 2020
74 Seiten, Note: 2,7
Abkürzungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Einleitung
1. Theoretischer Hintergrund
1.1. Wortetymologie: Abgrenzung des Veganismus zum Vegetarismus
1.2. Historische Entwicklung des Veganismus
1.2.1. Anfänge
1.2.2. Das Zeitalter der Industrialisierung
1.2.3. Von 1933 bis zum Ende des 20. Jahrhunderts
1.2.4. Gegenwart
1.3. Formen veganer Ernährung
1.3.1. Konsequente Veganer
1.3.2. Pudding-Veganer
1.3.3. Fruganer
1.3.4. Roh-Veganer
1.3.5. Honig-Veganer
1.3.6. Pesco-Veganer
1.3.7. Flexiganer
1.3.8. Freeganer
1.4. Motive von Veganern
1.4.1. Ethische Aspekte
1.4.2. Gesundheitliche Aspekte
1.4.3. Ökologische Aspekte
1.4.4. Weitere Aspekte
1.5. Vegane Ernährung in der Schwangerschaft
1.5.1. Kritische Nährstoffe in der Schwangerschaft
1.5.2. Makronährstoffe
Proteine
Essenzielle Fettsäuren
1.5.3. Vitamine
Vitamin D (Calciferol)
Vitamin B2 (Riboflavin)
Vitamin B6 (Pyridoxin)
Vitamin B9 (Folsäure)
Vitamin B12 (Cobalamine)
1.5.4. Mineralstoffe (Mengen- und Spurenelemente)
Kalzium
Eisen
Jod
Selen
Zink
1.6. Praktische Umsetzung einer veganen Ernährung anhand der Gießener veganen Lebensmittelpyramide
1.6.1. Tages-Ernährungsplan für vegane Schwangere
1.7. Einfluss veganer Ernährung auf ernährungsmitbedingte Erkrankungen
1.7.1. Hypertonie
1.7.2. Herz-Kreislauf-Erkrankungen
1.7.3. Übergewicht und Adipositas
1.7.4. Diabetes mellitus
2. Forschungsstand
2.1. Empirischer Teil
2.2. Forschungsfrage
2.3. Leitfaden und Hypothesen
Hypothesen zu Interview 1
Hypothesen zu Interview 2
Hypothesen zu Interview 3
Hypothesen zu Interview 4
3. Methodik
Das Interview im Forschungsdesign
Interviewformen
Auswertung
4. Diskussion und Ausblick
Literaturverzeichnis
Transkriptionsregeln
Interviews
Expertin A
Expertin B
Expertin C
Interview D
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Formen vegetarischer Ernährung (Leitzmann & Keller, 2020, S. 23)
Tabelle 2: Beispiel für einen 1-Tages-Ernährungsplan für eine vegane, schwan- gere Frau (Pirker, 2019, S. 11)
Abbildung 1: Praktische Umsetzung einer veganen Ernährung anhand der Gieße ner veganen Lebensmittelpyramide (Leitzmann & Keller, 2020, S. 414)
„Nichts wird die Gesundheit der Menschen und die Chance auf ein Überleben auf der Erde so steigern wie der Schritt zur vegetarischen Ernährung.” ~ Albert Einstein
Eine rein pflanzliche Ernährung findet ausweitend ein stärkeres öffentliches und ein beginnendes politisches Interesse (Leitzmann, 2018, S. 2). Laut einigen Experten wird der Veganismus bereits vor Ende dieses Jahrhunderts aus ethischen Anliegen, gesundheitlichen sowie ökologischen Gründen die einzig vertretbare und somit dominierende Ernährungsform sein (ebd. S. 2). Weltweit wird die Anzahl der vegetarisch beziehungsweise vegan lebenden Menschen auf eine Milliarde geschätzt. Die internationale Ernährungsorganisation (ProVeg) geht aktuell von rund 8 Millionen Vegetarier*Innen in Deutschland aus, davon ernähren sich etwa 1-2% vegan (ProVeg, 2019). Hinsichtlich der gestiegenen Nachfrage bietet der Handel derweil eine breite Auswahl an speziellen veganen Fertig- und Ersatzprodukten an wie Ei- und Ersatzprodukte, Fleisch- und Käseimitate und Pflanzendrinks. Diese ahmen tierischen Produkten im Aussehen, Geschmack oder auch technologischen Eigenschaften nach (ÖGE, 2020). Diese Produkte sind zum Teil mit Fett, Salz, Zucker und Zusatzstoffen versehene, hoch verarbeitete Erzeugnisse. Somit ist ihr ernährungsphysiologischer Wert teilweise ungünstig (DGE aktuell, 2016). Es gibt mittlerweile zahlreiche vegane Kochbücher und Kochblogs, auch werden zunehmend vegane Gerichte in der Gastronomie angeboten. Der starke Anstieg des Interesses an einer veganen Ernährungsweise lässt sich durch unterschiedliche Entwicklungen erklären, die alle mit dem enormen Verzehr tierischer Produkte in Verbindung gebracht werden: der Gesundheitsstatistiken zufolge stetig steigende Anzahl der Patienten mit ernährungsbedingten Zivilisationskrankheiten, Medienberichte über Massentierhaltung, Klimawandel sowie Ressourcenverschwendung bringen Menschen zum Reflektieren der eigenen Ernährungs- und Lebensweise (Englert & Siebert, 2016, S. 7). Bei einer Schwangerschaft ist immer eine Anpassung der Ernährung erforderlich, weil der Bedarf gewisser Nährstoffe ansteigt. Jedoch gilt dies für jede Ernährungsweise.
Inwiefern ist eine vegane Ernährung in der Schwangerschaft ohne Nährstoffdefizite praktizierbar, sodass Mutter und Kind optimal versorgt und gesund sind und welche Vorteile bietet diese Ernährungsform?
In der Thesis wird zunächst ein Blick auf die theoretischen Grundlagen (Definitionen, historische Entwicklung, Formen sowie Motive einer veganen Ernährung) geworfen, um erstmal einen Einblick in diese Bereiche gewinnen zu können. Hierbei möchte ich erwähnen, dass der Veganismus eine strenge Form des Vegetarismus ist und diese Begriffe im Verlauf der Thesis als bedeutungsgleich verstanden werden können. Im Hinblick auf die Schwangerschaft sollen die kritischen Nährstoffe näher erläutert werden, wobei der Fokus auf Vorkommen und Zufuhrempfehlungen der einzelnen Makronährstoffe, Vitamine und Mineralstoffe liegt, um mögliche Auswirkungen auf Mutter und Kind vorbeugen zu können. Außerdem wird der positive Einfluss veganer Ernährung auf ernährungsmitbedingte Krankheiten dargestellt. Nach dem aktuellen Forschungsstand folgen die Hypothesen meiner Interviews, die im Rahmen der Thesis mit einer Diätassistentin, Ärztin für Geburtshilfe und Ernährungsberaterin durchgeführt worden sind. Ein viertes und letztes Interview wurde mit einer Laiin durchgeführt, die sich während ihrer Schwangerschaft vegan ernährt hat. Die Interviews dienen als eine Art Ergänzung zu der in der Fachliteratur genannten Aspekte. Abschließend kommt die Diskussion, und im Anschluss der Anhang mit den Transkriptionsregeln, den transkribierten Interviews sowie der eidesstattlichen Erklärung. Die vorliegende Thesis ist vorwiegend auf Fachliteratur basierend, ergänzt von einem kleinen empirischen Teil.
Zunächst werden die Begriffe Vegetarismus und Veganismus näher beschrieben, gefolgt von einem Rückblick in die historische Entwicklung dessen. Es werden die verschiedenen Formen und Motive für eine vegetarische oder vegane Ernährung erläutert, anschließend werden die Auswirkungen einer veganen Ernährung auf Mutter und Kind während der Schwangerschaft thematisiert. Hierbei liegt der Fokus auf den kritischen Nährstoffen, deren Zufuhrempfehlungen und möglichen Mangelerscheinungen. Ferner soll der Einfluss einer veganen Ernährung auf ernährungsmitbedingte Krankheiten aufgezeigt werden.
Der Begriff Veganismus ist für eine Vielzahl von Mischköstlern (Personen, deren Kost pflanzliche und tierische Produkte gleichermaßen enthält) oft nicht einheitlich abgrenzbar vom Begriff des Vegetarismus. Zunächst einmal muss der Ursprung der Bezeichnung vegetarisch beschrieben werden, um die Entstehung des Begriffs vegan erklären zu können (Leitzmann, 2018, S. 13).
Der Begriff des Vegetarismus kommt im Sprachgebrauch erstmalig etwa um 1850 vor, obwohl vegetarische Gemeinschaften schon in der Antike existierten (ebd. S.13).
Es wird auch angenommen, dass der Ausdruck Vegetarier aus dem Lateinischen vegetare (= beleben) bzw. vegetus (= frisch, lebendig und belebt) kommt. Darunter ist eine lebendige und belebende Ernährungs- und Lebensweise zu verstehen, in der außer pflanzlichen Lebensmitteln nur solche Produkte verzehrt werden, welche vom lebenden Tier stammen, wie Eier, Honig und Milch. Demzufolge verstand der Philosoph Pythagoras, der zugleich auch Begründer des ethischen Vegetarismus ist, die fleischlose Kostform (Leitzmann, 2018, S. 13f.).
Der Begriff des Veganismus hingegen existiert erst seit dem Jahre 1944. Davor wurden Menschen, die eine rein pflanzliche Ernährungsweise auslebten, meist der Kategorie der Vegetarier zugeordnet (Leitzmann, 2018, S. 9). Donald Watson, ein milchfreier Vegetarier aus Großbritannien, stellte 1944 den Ausdruck vegan auf, der eine Abwandlung aus der Bezeichnung vegetarian ist. Watson gründete im selben Jahr zusammen mit Elsie Shrigley die Vegan Society und veröffentlichte erstmalig die Quartalszeitschrift The Vegan News (Leitzmann, 2018, S. 14).
Der Veganismus ist ein Lebensstilkonzept, welches mehr als die Auswahl und die Zubereitung von Lebensmitteln umfasst (Leitzmann, 2018, S. 9). Prinzipiell werden alle Produkte gemieden, für die Tiere herangezogen oder gar werden müssen, beispielsweise Daunen, Leder oder Wolle (ebd. S. 9). Darüber hinaus befasst sich der Veganismus mit weiteren Aspekten wie der körperlichen Aktivität, Umweltanliegen und insbesondere Tierrechten. Die Annahme, dass eine vegane Lebensweise zu einer Unterversorgung mit gewissen Nährstoffen führen kann, beruhte in der Vergangenheit auf Einzelfällen, Vermutungen und Vorurteilen. Diese wurden mit der Zeit wissenschaftlich durch verschiedene Untersuchungen an Veganer*Innen sowie groß angelegten Studien widerlegt (Leitzmann, 2018, S. 9f.).
Im Folgenden gibt es einen Überblick der historischen Entwicklung des Veganismus, um die Ursprünge der Ernährungs- und Lebensweise besser nachvollziehen zu können. Zuerst wird auf die Anfänge eingegangen, gefolgt von dem Zeitalter der Industrialisierung und der Zeit von 1933 bis zum Ende des 20. Jahrhunderts. Anschließend wird die Entwicklung des Veganismus in der Gegenwart näher beschrieben.
Vor etwa 55 Millionen Jahren ernährten sich unsere frühsten Vorfahren primär von Insekten, wobei sich der Anteil pflanzlicher Kost, besonders durch stärkehaltiges Getreide im Ackerbauzeithalter vor 12000 Jahren erhöhte (zusammenfassend s. Leitzmann & Keller, 2020, S. 43). Möglicherweise haben sich einige der bedeutenden Persönlichkeiten aus der Vergangenheit, die eine pflanzliche Kost praktiziert und diese auch empfohlen haben, vegan ernährt. Da keine nachgewiesenen Schriften oder Dokumente über ihr Essverhalten vorliegen, werden sie insgemein als Vegetarier bezeichnet. Demnach beinhaltet eine historische Beschreibung des Vegetarismus auch eine Darstellung des Veganismus (Leitzmann, 2018, S. 32).
Die ersten Impulse für eine fleischlose Ernährung gingen im 6. Jahrhundert v. Chr. von der Orphik, einer mystischen Strömung und Erlösungsreligion aus, die sich auf den Dichter und Sänger Orpheus berief (Leitzmann & Keller, 2020, S. 45). Die Anhänger dieser vermieden den Verzehr alles Beseelten. Nebst Fleisch durften sie ebenfalls keine Eier verzehren oder Wolle tragen. Zugleich wirkten Persönlichkeiten wie Buddha, Konfuzius und Laotse im gleichen Zeitraum, wobei das Meiden von Fleisch auf dem Glauben an die Reinkarnation sowie Seelenwanderung basierte (Leitzmann, 2018, S. 32).
Pythagoras (Philosoph, etwa 570-510 v. Chr.) war für seine pflanzliche Ernährung und bescheidene Lebensweise bekannt. Dieser Lebensstil wurde bis Anfang des 20. Jahrhunderts als Pythagoräismus bezeichnet. Sowohl mit seinen Gedanken als auch Lehren hat er zahlreiche Zeitgenossen sowie Gelehrte diesbezüglich prägen können (ebd. S. 32). Schon damals deutete Hippokrates auf gesundheitliche Folgen eines zu hohen Fleischverzehrs hin, so verordnete er Fasten, Obst, rohes Gemüse sowie Vollkornbrot und Wasser. Die aktuellen Ernährungsempfehlungen, wie beispielsweise die Vollwert-Ernährung, orientieren sich stark an dem historischen Modell von Hippokrates (Leitzmann, 2018, S. 33).
Zahlreiche Persönlichkeiten waren der starken Überzeugung, dass der menschliche Körper den Tempel Gottes darstellt und nicht durch Ungesundes wie Alkohol, Fleisch und Tabak verunreinigt werden darf (Leitzmann, 2018, S. 34). Seit 1850 nahm der Fleischkonsum kontinuierlich zu. Die Veränderungen der Essgewohnheiten gingen mit einer Vielzahl von Zivilisationskrankheiten einher. Folglich wurde zur Aufrechterhaltung des Allgemeinwohls eine Ernährungsreform eingeführt, wobei mehr gesundheitliche Motive vordergründig waren (Leitzmann, 2018, S. 34f.).
Der erste vegetarische Verein Deutschlands, der Verein für natürliche Lebensweise wurde 1867 gegründet. Hier sollten die Menschen infolge von Publikationen und Schriften vom Verzehr pflanzlicher Kost überzeugt werden (Leitzmann, 2018, S. 35). Darüber hinaus wurde pflanzliche Kost als eine Möglichkeit angesehen, um soziale Missstände zu beseitigen - die ärmere Bevölkerungsschicht solle sich pflanzlich ernähren, da es zum einen kostengünstiger als tierische Kost sei und um die Schere zwischen Arm und Reich zu verringern (ebd. S.35).
Im Jahre 1884 existierten in Deutschland 11 lokale Vegetarier-Vereinigungen, so erreichte der Vegetarismus in Europa und den Vereinigten Staaten gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine ausgedehnte Öffentlichkeit (ebd. S. 35). Angesichts der steigenden Nachfrage nach naturbelassenen Lebensmitteln seitens der Vegetarier wurden 1887 die ersten Reformwarenläden und vegetarischen Restaurants geschaffen (Leitzmann, 2018, S. 36).
Der Deutsche Vegetarier-Bund wurde im Jahre 1935 durch dessen Mitglieder aufgelöst, um der anstehenden Gleichschaltung durch die Nationalsozialisten entgegenzuwirken. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstand eine Neuorganisation, die sogenannte Vegetarier-Union Deutschlands (VUD) etablierte sich in 1946 (Leitzmann & Keller, 2020, S. 61). Als ausreichend tierische Produkte vorhanden waren, kam es in den 1950ern zu der ‚Fresswelle’ und der daraus resultierenden Auswirkungen. Daraufhin kam es zu einer Änderung der Sichtweisen, so wurde die Ressourcenverschwendung in der Fleischproduktion als eine Umweltkatastrophe und zugleich als Ausbeutung der Dritten Welt empfunden (Leitzmann, 2018, S. 38). Viele Vegetarier haben sich ab Mitte der 1970er Jahre den aufkommenden Umweltschutz- und Ökologiebewegungen angeschlossen, auch haben sie versucht die Mitmenschen zu Verhaltensveränderungen zu veranlassen (ebd. S. 38). Die Vegetarier-Union Deutschlands wurde 1985 wieder umbenannt in Vegetarier-Bund Deutschlands (VEBU) (Leitzmann & Keller, 2020, S. 61). Es entstanden Einkaufsgemeinschaften von Verbrauchern (Food Coops), aus denen sich die ersten Naturkostläden entwickelten (Leitzmann, 2018, S. 39). Hier wurden Fertiggerichte aus ökologisch angebauten Zutaten, vegetarische sowie vegane Brotaufstriche und Sojaprodukte angeboten (ebd. S. 39).
Eine Tierrechtsbewegung mit veganen Anhängern entwickelte sich in den 1990er Jahren. Es handelte sich um einen Rückgang des Fleischverzehrs um mehr als 10%, weshalb dieser Zeitraum auch als die Blütezeit der Vollwert-Ernährung galt (Leitzmann, 2018, S. 39).
Eine letzte Namensänderung der organisierten deutschen Vegetarier*Innen und Veganer*Innen erfolgte im Jahre 2017. Der VEBU wurde für eine bessere internationale Vernetzung umbenannt in ProVeg (Leitzmann, 2018, S. 41). Die Vegetarian Society brachte im Jahre 2017 eine entsprechende Handelsmarke (Vegatarian Society approved vegan trademark) für vegane Dienstleistungen sowie Produkte auf den Markt. Das älteste Gütesiegel (Vegan Trademark) für vegane Produkte gibt es bereits seit 1990, welches durch die Vegan Society in Großbritannien vergeben wurde. Das V-Label der European Vegetarian Union (EVU) ist das in Deutschland bekannteste Gütesiegel für sowohl vegetarische als auch vegane Produkte. ProVeg e.V. in Deutschland ist für die Vergabe des Labels zuständig (zusammenfassend siehe Leitzmann & Keller, 2020, S. 69f.).
Der Konsum pflanzlicher Lebensmittel ist seit dem Jahr 2000 deutlich beliebter geworden. Insbesondere junge, weibliche und gebildete Personen der Bevölkerung tragen zu einer verbreiteten pflanzlichen Ernährungsweise bei. Zudem praktizieren immer mehr Berühmtheiten aus den Bereichen Kunst, Politik sowie Sport einen veganen Lebensstil, ferner unterstützt durch diverse soziale Medien (Leitzmann, 2018, S. 40). Immer mehr Menschen beschäftigen sich mit Ernährungstrends. Laut den befragten Expert*Innen gewinnt die vegane und pflanzenbasierte Ernährung besonders in der Sporternährung und klinischen Ernährung an Bedeutung. Beobachtungen zufolge suchen Konsument*Innen vermehrt nach alternativen Proteinlösungen (Ernährungsumschau, 2020, S. 10).
Aufgrund von unterschiedlichen Entwicklungen, Motiven sowie Zielen gibt es nicht ‚die eine’ Form des Vegetarismus. Hingegen wird eine Vielzahl von Ernährungs- und Lebensweisen unterschieden (Leitzmann & Keller, 2020, S. 22). Ein wesentliches Kriterium bei der Einteilung vegetarischer Ernährungsweisen ist die Lebensmittelauswahl, bei der alle vegetarische Kostformen Nahrungsmittel von getöteten Tieren meiden (vgl. Leitzmann & Keller, 2020, S. 22). Während die Gruppe der Ovo-Lacto-Vegetarier neben pflanzlichen Lebensmitteln auch Eier und Milchprodukte verzehren, verzichten Lacto-Vegetarier auf Eier. Eine eher selten vorkommende Gruppe sind die Ovo-Vegetarier, die pflanzliche Nahrungsmittel sowie Eier verzehren, Milchprodukte allerdings ablehnen (Schlieper, 2017, S. 409).
Unter Veganer*innen sind strenge Vegetarier*innen zu verstehen, die sich lediglich von pflanzlichen Lebensmitteln ernähren (Löbbert, Hanrieder, Berges & Beck, 2013, S. 409) (s. Tabelle 1: Formen vegetarischer Ernährung).
Prinzipiell ist der Veganismus eine homogene Ernährungsweise, bei der es jedoch Abweichungen gibt (Leitzmann, 2018, S. 14). Im Weiteren sollen verschiedene Gruppen der Veganer*innen unterschieden werden.
Tabelle 1: Formen vegetarischer Ernährung (modifiziert nach Leitzmann & Keller, 2020, S. 23).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Unter konsequenten Veganer*Innen werden strenge, strikte und traditionelle Veganer*Innen verstanden, die sich rein pflanzlich ernähren und keine tierischen Produkte verwenden (Englert & Siebert, 2016, S. 15). Erzeugnisse wie etwa Honig, Bienenwachs, Gelatine und Produkte wie Leder, Seide oder Wolle werden von ihnen nicht verwendet. Hinzu kommt, dass Einrichtungen und Handlungen, die als Ausbeutung oder Missbrauch der Tiere empfunden werden, ebenfalls abgelehnt werden. Hierunter fallen Hahnenkämpfe, Zoos, Jagd sowie Tierversuche aller Art (Leitzmann, 2018, S. 15). Darüber hinaus setzen sie sich für diverse globale Anliegen der Gegenwart und Zukunft ein, hierunter fallen Ressourcenschonung, Tierrecht und Umweltschutz (Ruby et al. 2013; zitiert nach Englert & Siebert, 2016, S. 15).
Pudding-Veganer*Innen ernähren sich wie die konsequenten Veganer*Innen rein pflanzlich, jedoch handelt es sich bei der Lebensmittelauswahl um stark verarbeitete pflanzliche Lebensmittel mit einer hohen Nahrungsenergiedichte. Die Verarbeitung dieser Produkte hat eine Reduzierung der Mineralstoffe, sekundären Pflanzenstoffe sowie Spurenelementen und Vitamine zur Folge, die langfristig latente Mängel mit sich bringen kann (Leitzmann, 2018, S.16).
Maßgeblich für diesen Veganer-Typ sind ethische Gründe, wobei die gesundheitlichen Aspekte eine eher untergeordnete Rolle spielen (Schwink 2014; zitiert nach Englert & Siebert, 2016, S. 16).
Fruganer (auch Frutarier oder Fruitarier genannt) sind ebenfalls konsequente Veganer*innen, allerdings mit weiteren Kriterien bei ihrer Lebensmittelauswahl. Sie ernähren sich auf Basis von Früchten und Obst, die bei der Ernte ohne Beschädigung der Pflanze gewonnen werden (Leitzmann, 2018, S. 17).
Hierzu zählen vom Baum oder Strauch gefallene Beeren und Früchte, Gemüsefrüchte wie (Auberginen, Gurken und Tomaten), Hülsenfrüchte sowie Blätter, Samen und Nüsse. Gemieden werden Blätter, Knollen und Wurzeln von Nahrungspflanzen wie z.B. Kartoffeln, Möhren und Steckrüben, die während der Ernte zerstört werden oder Getreidesorten wie Hafer und Weizen, deren Stammpflanze bereits während der Ernte abgestorben ist (zusammenfassend s. Englert & Siebert, 2016, S. 15).
Auch die Roh-Veganer*Innen sind konsequente Veganer*Innen, die frische und nicht erhitzte pflanzliche Nahrung bevorzugen. Hierzu zählen neben Obst und Gemüse auch Kräuter, Sprossen, Wildpflanzen und milchsauer vergorene Lebensmittel wie Bohnen und Sauerkraut. Einbezogen werden auch Trockenfrüchte und kaltgepresste Pflanzenöle, die beim Herstellungsprozess eine gewisse Hitzezufuhr (40-42°C) erfordern (zusammenfassend s. Englert & Siebert, 2016, S. 15).
Zudem können Rohveganer*Innen in solche unterteilt werden, die Getreide miteinbeziehen oder nicht, sowie in Rohköstler, die ebenfalls rohes Fleisch und Fisch bevorzugen (Leitzmann, 2018, S.17).
Die sogenannten Honig-Veganer*Innen verzehren trotz einer veganen Lebensweise Honig. Die Hauptmotivation hierfür liegt darin, durch den Verzehr von Bienenprodukten wie etwa Bio-Honig die ökologische Bienenhaltung zu unterstützen (zusammenfassend s. Englert & Siebert, 2016, S.16).
Dieser Veganer-Typ verzehrt zusätzlich Fisch und andere Meeresfrüchte. Der Grund für diese Entscheidung beruht auf Erkenntnissen aus Studien, die die geringste Sterberate aufzeigen (Leitzmann, 2018, S. 18). Vermutlich sind die positiven Wirkungen der Omega-3-Fettsäuren stärker als die Belastung der Meerestiere mit Schwermetallen. Einige Studien mit Pescos zeigten die niedrigste Rate an Darmkrebs (ebd. S.18).
Diese Gruppe der Veganer*Innen wird auch als moderate oder Teilzeit-Veganer*Innen bezeichnet, wenn sie weniger als 5% ihrer täglichen Nahrung aus tierischen Produkten beziehen (Waldmann et al. 2003; zitiert nach Englert & Siebert, 2016, S. 16f.).
Erwähnenswert ist, dass sie weniger tierische Produkte verzehren als der Durchschnittsbürger und somit positiv zu ihrer Gesundheit und der Umwelt beitragen (Leitzmann, 2018, S. 19).
Freeganer lehnen Produkte aus dem kommerziellen Handel ab, sie greifen vielmehr auf abgelaufene oder weggeworfene Produkte (sogenanntes Containern), ergänzt durch selbstangebaute Lebensmittel. Sie beklagen die Überproduktion und Verschwendung von Lebensmitteln und wollen darauf aufmerksam machen (Englert & Siebert, 2016, S. 17f.).
Es gibt vielschichtige Gründe, Vegetarier zu werden. Diese werden durch eigene Anliegen, Erfahrungen sowie Erwartungen und Überlegungen bestimmt (Leitzmann & Keller, 2020, S. 28). Nachfolgend sollen die verschiedenen Motive für eine vegane Ernährung unterschieden werden.
„Es ist über alle Maßen schlecht und abscheulich, Tieren die Kehlen durchzuschneiden, sich mit ihrem Mord zu besudeln und sie zu kochen, nicht etwa aus Not und um unser Leben zu erhalten, sondern aus Wollust und Genusssucht.“ (Porphyrios 233-304; zitiert nach Leitzmann 2018, S. 32).
Eine der häufigsten Motive, sich vegan zu ernähren, basieren auf ethischen Überzeugungen. Diese sind besonders von der Empathie gegenüber Tieren sowie der Ablehnung des Tötens geprägt (Leitzmann & Keller, 2020, S. 29). Das Phänomen der Massentierhaltung wird von vielen Veganer*Innen abgelehnt. Zudem sind Berichte von Medien, Tierschutzorganisationen und Vereinen ausschlaggebend für sie, da Informationen über nicht artgerechte Tierhaltung und Tiertransporte zu einem steigenden Bewusstsein in der Bevölkerung beitragen (zusammenfassend s. Englert & Siebert, 2016, S. 22). Im Zusammenhang mit ethischen Aspekten sind auch religiöse Aspekte zu nennen. Gemäß einer Bevölkerungsbefragung in Indien (2014) lebten etwa 30% der Bevölkerung vor dem Hintergrund verschiedener Religionen auf Basis einer fleischlosen Kostform. Sie sehen den Fleischverzehr als religiöses Tabu und das Töten als Sünde (Leitzmann & Keller, 2020, S. 28f.).
Nach Leitzmann und Keller (2020, S.29) fallen unter den Gesundheitsaspekt die Heilung und Prävention bestimmter Krankheiten wie etwa Diabetes mellitus, Herzkrankheiten, Krebs und Übergewicht durch beispielsweise eine Ernährungsumstellung. Die Körpergewichtsabnahme sowie die Steigerung der geistigen und körperlichen Leistungsfähigkeit können ebenfalls entscheidend sein (ebd. S. 29). Zusammenhängend mit der Gesundheit sind auch Hygiene-Aspekte zu erwähnen. Die Tatsache, das tierische Lebensmittel häufige Quellen für Lebensmittelvergiftungen und Schadstoffaufnahmen (z.B. durch Antibiotika) sind, ist für viele Verbraucher ein Grund zur pflanzlichen Ernährung umzusteigen (Englert, Siebert, 2016, S. 23).
Der Umstieg in eine vegane Ernährungsweise wird von ökologisch motivierten Veganer*Innen als eine Mitwirkung zum Erhalt unseres Planeten gesehen, da eine vegane Kost, beruhend auf Produkten ökologischer Herkunft, im Vergleich zur omnivoren (Allesfresser) und zur vegetarischen Ernährung mit der geringsten Umweltbelastung zusammenhängend ist (Baroni et al. 2007; zitiert nach Englert & Siebert, 2016, S. 24). Zudem werden Veredelungsverluste vermieden. Darunter ist eine Ressourcenverschwendung zu verstehen, bei der 65-90% der Nahrungsenergie während der Umwandlung pflanzlicher Lebensmittel in tierische Produkte verloren geht (zusammenfassend s. Koerber, Männle & Leitzmann, 2012, S. 118). Die Ablehnung des Fleischverzehrs oder gar die Einschränkung des Verzehrs tierischer Produkte werden von den meisten Menschen als Beitrag zur Lösung des Welthungerproblems gesehen, das zugleich als ein politisches Motiv einer veganen Ernährung gesehen werden kann (Leitzmann & Keller, 2020, S. 29).
Des Weiteren können ästhetische, kosmetische, ökonomische sowie soziale Motive bezüglich einer veganen Ernährung unterschieden werden. Häufig gibt es Menschen, die eine Abneigung gegen den Anblick toter Tiere bzw. von Tierteilen haben und somit Ekel vor Fleisch entwickeln (ästhetisch). Ferner gibt es Verbraucher, die eine Körpergewichtsabnahme oder auch die Beseitigung von Hautunreinheiten zum Ziel haben (kosmetisch), (zusammenfassend s. Schlieper, 2017, S. 409). Ein ökonomisches Motiv kann aufgrund begrenzter finanzieller Möglichkeiten (Familien mit geringem sozioökonomischem Status) oder auch durch ein begrenztes Angebot tierischer Lebensmittel in den sogenannten Entwicklungsländern ausschlaggebend sein. Abschließend können auch soziale Aspekte Gründe für eine vegetarische Ernährung sein. Zu erwähnen sind auch Gruppeneinflüsse, sogenannte ‚peer groups’. Die Erziehung im Elternhaus sowie von der Mutter angeeignete Ernährungsgewohnheiten während der Schwangerschaft können auch maßgebend sein. (zusammenfassend s. Leitzmann & Keller, 2020, S. 29).
Bestimmte Lebensphasen wie die Schwangerschaft sind durch einen besonderen, meistens erhöhten Nährstoff- und Energiebedarf gekennzeichnet. Es besteht ein Mehrbedarf an allen Vitalstoffen, weil das Gesamtkörperwasser um etwa 8 Liter und das Blutplasmavolumen um 1,5 Liter zunehmen (Schmidt & Schmidt, 2018, S. 12).
Darüber hinaus besteht ein Mehrbedarf an Antioxidantien, Omega-3-Fettsäuren, Vitamin B-Komplexen und zahlreichen anderen Mineralstoffen. Aufgrund der Steigerung des täglichen Energiebedarfs erhöht sich der Vitalstoffbedarf während der Stillzeit (ebd. S. 12).
Unter kritischen Nährstoffen werden solche Nährstoffe verstanden, deren Versorgung in einer Bevölkerungsgruppe nicht gesichert ist (Körner & Rösch, 2014, S. 33). Da bei einer veganen Ernährung tierische Produkte weitgehend ausgeschlossen werden, ist die Lebensmittelauswahl im Vergleich zu anderen Kostformen erheblich eingeschränkt.
Während Nährstoffe wie das Vitamin C oder Folsäure durch rein pflanzliche Lebensmittel sehr gut abzudecken sind, ist das Vitamin B12 ein kritischer Nährstoff, dessen Unterversorgung mit potentiellen Mängeln verbunden ist und oft diskutiert wird (Englert & Siebert, 2016, S. 27). Mit Beginn der Schwangerschaft brauchen sowohl Mutter als auch Kind genügend Nahrungsenergie, Mineralstoffe und Vitamine (Keller & Gätjen, 2016, S. 45). Englert und Siebert präzisieren (2016, S. 27): „Jede Lebensphase ist durch eine bestimmte Entwicklung gekennzeichnet, aus der sich spezifische Nährstoffbedarfe ergeben“. Eine schwangere Frau ab dem 4. Monat einen um 10 Gramm (g) höheren Eiweißbedarf, wobei in den westlichen Industrieländern allgemein keine Eiweißunterversorgung der Fall ist (Körner & Rösch, 2014, S. 47).
Insbesondere Frauen, die mit der Anti-Baby-Pille verhüten, wird empfohlen, rechtzeitig vor der Schwangerschaft (drei bis sechs Monate vor der geplanten Empfängnis) die Anti-Baby-Pille abzusetzen. Sie sollten auf eine natürliche Empfängnisverhütung umsteigen und reichlich Vitalstoffe durch eine gesunde Ernährung und in Form von Präparten zu sich führen (Schmidt & Schmidt, 2018, S. 11).
Zu den kritischen Nährstoffen der veganen Ernährung in der Schwangerschaft zählen Proteine und essenzielle Fettsäuren, das Vitamin D und die Vitamine B2, B6, B9 und B12 sowie die Mineralstoffe Kalzium, Eisen, Jod, Selen und Zink (Keller & Gätjen, 2016, S. 4).
Zu den Hauptnährstoffen (Makronährstoffe) gehören Kohlenhydrate, Fette und Proteine. Die Höhe der Zufuhr dieser korrelieren eng mit der Nahrungsenergiezufuhr (Leitzmann & Keller, 2020, S. 286). Von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) wird eine Zufuhr von 0,8 gr Protein pro kg Körpergewicht und Tag (etwa 7-11% der Energiezufuhr), maximal 30% der täglichen Energiezufuhr in Form von Fetten und mindestens 50% der Zufuhr in Form von Kohlenhydraten (insbesondere aus Ballaststoffen) empfohlen (ebd. S. 286). Die Zufuhrempfehlungen der Makronährstoffe unterscheiden sich nicht wesentlich von den Empfehlungen für Nicht-Schwangere Frauen (Leitzmann et al., 2009, S. 170). Während der Schwangerschaft ist der Nahrungsenergiebedarf erhöht, da ein Mehrbedarf an Energie für das Wachstum des Kindes, dem mütterlichem Gewebe sowie der Plazenta erforderlich sind. Demzufolge sollte zusätzlich eine Aufnahme von etwa 255 Kilokalorien (kcal) pro Tag erfolgen (Leitzmann et al., 2009, S. 169). Im letzten Schwangerschaftsdrittel und während der Stillzeit erhöht sich dieser auf 500 kcal pro Tag (zusammenfassend s. Englert & Siebert, 2016, S. 74). Zusammenfassend kann gesagt werden, dass sich der erhöhte Gesamtenergiebedarf während der Schwangerschaft aus den folgenden Faktoren ergibt: zum einen aufgrund des erhöhten Grundumsatzes (etwa ab der 15. Schwangerschaftswoche), zum anderen aufgrund der erhöhten körperlichen Belastung der Mutter infolge der Gewichtszunahme sowie dem erhöhten Energiebedarf für die Neubildung des fetalen und plazentaren Gewebes (Schlieper, 2017, S. 386).
Aufgrund der Gewebeneubildung der Plazenta sowie der Entwicklung des Kindes ist der Proteinbedarf für Schwangere ab dem 4. Schwangerschaftsmonat erhöht (Leitzmann & Keller, 2020, S. 365). Dies erfordert eine Erhöhung der Proteinzufuhr um etwa 10 gr pro Tag, welches einer Gesamtzufuhr von 58 g pro Tag für eine 60 kg schwere Referenzfrau entspricht (ebd. S. 365). Veganer*Innen nehmen oftmals geringere Proteinmengen auf als Mischköstlerinnen. Besonders problematisch ist dies bei unzureichender Nahrungsenergie, da dann Nahrungs- und Körperprotein zur Energiegewinnung herangezogen werden. Dadurch können Proteinmangelsymptome sowohl bei der Mutter als auch bei dem heranwachsenden Fetus auftreten (ebd. S. 365). Eine unzureichende Proteinzufuhr kann Gedeihstörungen und weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen zur Folge haben (Leitzmann et al., 2009, S. 234). Die adäquate Zufuhr an Protein ist für eine altersentsprechende psychomotorische Entwicklung und ein normales Wachstum bedeutsam (ÖGKJ, 2018, S. 8). Für die Sicherstellung einer adäquaten Zufuhr sollten schwangere Veganer*Innen hochwertige pflanzliche Proteinquellen wie Hülsenfrüchte, Nüsse, Samen, Sojaprodukte und Vollkornprodukte miteinander kombiniert verzehren, um die Zufuhr der essenziellen Aminosäuren zu sichern (Englert & Siebert, 2016, S. 76ff.).
Fette
Fette oder Lipide sind wichtige Energieträger, die mit durchschnittlich 9,3 kcal/ g eine wichtige Funktion bei der Energieversorgung einnehmen (Englert & Siebert, 2016, S. 35). Somit weisen sie einen mehr als doppelt so hohen Energiegehalt auf wie Kohlenhydrate und Proteine (Koerber et al., 2012, S. 45). Fette bestehen aus einem Alkoholrest (Glycerin) und meist aus drei Fettsäuren. Ferner dienen sie als Transportmittel für die fettlöslichen Vitamine und als Quelle für die essenziellen, mehrfach ungesättigten Fettsäuren Linolsäure (LA) und Alpha-Linolensäure (ALA) (ebd. S. 45). Zudem weisen Fettsäuren unterschiedliche biochemische und physikalische Eigenschaften auf, dies ist abhängig von ihrer Kettenlänge, ihrem Sättigungsgrad sowie der Stellung der Fettsäuren im Molekül. Aus ernährungsphysiologischer Sicht sind der Sättigungsgrad sowie die Lage der Doppelbildungen bedeutsamer als die Kettenlänge (Leitzmann et al., 2008, S. 24). Je nach chemischer Struktur werden sie eingeteilt in gesättigte (Saturated Fatty Acids, SAFA), einfach ungesättigte (Mono Unsaturated Fatty Acids, MUFA) und mehrfach ungesättigte (Poly Unsaturated Fatty Acids, PUFA) Fettsäuren. Diese wiederum unterscheiden sich nach Anzahl und Lage ihrer Doppelbildungen (Englert & Siebert, 2016, S. 35).
Während Fettsäuren, die eine Doppelbindung am dritten Kohlenstoffatom haben, als Omega-3-Fettsäuren bezeichnet werden, sind Fettsäuren mit der ersten Doppelbindung am sechsten Kohlenstoffatom unter Omega-6-Fettsäuren bekannt (Leitzmann et al., 2008, S. 25). Die meisten Fettsäuren können durch Enzyme in unserem Körper synthetisiert werden (Englert & Siebert, 2016, S. 36). Mehrfach ungesättigte Fettsäuren wie beispielsweise die Linolensäure (Omega 3) und Linolsäure (Omega 6) sind essenziell. Dabei ist erwähnenswert, dass die längerkettigen Omega-3-Fettsäuren Docosahexaensäure (DHA) und Eicosapentaensäure (EPA) mit der Nahrung zugeführt werden müssen (Leitzmann et al., 2008, S. 25). Außerdem sind diese essenziellen Fettsäuren Ausgangssubstanzen für die Bildung von Eikosanoiden. Darunter sind Mediatoren zu verstehen, die an Entzündungsprozessen beteiligt sind (Englert & Siebert, 2016, S. 37). Eikosanoide aus Eicosapentaensäure (Omega 3) wirken antithrombotisch und entzündungshemmend (antiphlogistisch), während Eikosanoide aus Arachidonsäure (Omega 6) gegenteilige Wirkungen zeigen (Leitzmann et al., 2009, S. 27). Die Omega-3-Fettsäuren, auch unter Fischölen bekannt, sind bei der Bildung der kindlichen Nerven- und Gehirnzellen sowie der Entwicklung der Augen von besonderer Bedeutung. Darüber hinaus sorgen essenzielle Fettsäuren für ein gutes Zellwachstum und beugen zugleich neurologischen Störungen vor (Schmidt & Schmidt, 2018, S. 20). DHA und EPA kommen nahezu nur in Fischen und Meeresprodukten wie Algen und Krustentieren vor. Hierbei weisen Kaltwasserfische wie Hering, Lachs und Makrele die höchsten Werte auf (Schmiedel, 2019, S. 216). Während der Schwangerschaft ist eine gute Versorgung mit DHA und EPA von besonderer Bedeutung, da beispielsweise das Risiko für eine Frühgeburt absinkt. Bemerkenswert ist, dass der Anteil an ALA gegenüber LA erhöht werden sollte (Leitzmann & Keller, 2020, S. 337). Vegane Schwangere sollten pflanzliche Öle wie Lein-, Soja- und Walnussöl und Nussorten wie Walnüsse verzehren, um einen Beitrag zur Versorgung mit Omega-3-Fettsäuren leisten zu können (Körner & Rösch, 2014, S, 86). Um eine ausreichende Versorgung des Kindes mit langkettigen mehrfach ungesättigten Fettsäuren gewährleisten zu können, wird Schwangeren eine Zufuhr von mindestens 200 Milligramm (mg) Omega-3-Fettsäuren pro Tag empfohlen (ebd. S. 86). Für vegane Schwangere ist es schwer die empfohlene Menge zu decken da sie keinen Fisch verzehren und auch keine Fischölkapseln oder ähnliche Präparate zu sich nehmen (Schmiedel, 2019, S. 87). Eine Option zur Supplementierung ist mit DHA aus Mikroalgen angereichertes Leinöl (Leitzmann & Keller, 2020, S. 336). Des Weiteren werden mit einer Supplementierung von DHA positive Wirkungen wie eine bessere kognitive und motorische Entwicklung, höhere Aufmerksamkeit und eine bessere EEG-Funktion (Elektroenzephalografie; Methode zur Messung der elektrischen Aktivität der Hirnrinde) sowie bessere Hand-Augen-Koordination beim Kind assoziiert (Carlson 2009; zitiert nach Leitzmann & Keller, 2020, S. 365f.).
Da die Umwandlung von ALA in DHA und EPA begrenzt ist, weisen Veganer*Innen meistens niedrigere DHA- und EPA-Blutkonzentrationen auf als Mischköstler (Leitzmann & Keller, 2020, S. 337). Die Umwandlungsrate von ALA zu EPA liegt bei Erwachsenen bei etwa 5%, die Rate von EPA weiter zu DHA bei < 0,5%. Schwangere haben eine um etwa 9% höhere Umwandlungsrate von EPA zu DHA (Williams und Burdge 2006; zitiert nach Englert & Siebert, 2016, S. 76). Während sich eine Großzahl des menschlichen Gewebes im Verlauf der Kindheit und der Pubertät fortentwickelt, werden die Gehirnzellen nahezu ausschließlich während der Zeit im Mutterleib und im ersten Lebensjahr gebildet (Schmidt & Schmidt, 2018, S. 20). Daher ist der Fetus auf eine Zufuhr der essenziellen Fettsäuren durch die Mutter angewiesen, weil die Umwandlung aus Linolensäure aufgrund des dafür zuständigen Enzyms noch nicht möglich ist (ebd. S. 20).
„Vitamine sind lebensnotwendige Nährstoffe, die keine Energie liefern, aber zahlreiche Funktionen im menschlichen Körper ausüben.“ (Körner & Rösch, 2014, S.21). Der Körper kann sie nicht oder nur in unzureichendem Maße synthetisieren, daher müssen sie mit der Nahrung zugeführt werden (Leitzmann et al., 2009, S. 44). Nach ihrer Löslichkeit werden fettlösliche (lipophile) Vitamine (A, D, E und K) von wasserlöslichen (hydrophilen) Vitaminen (Vitamin C und die B-Vitamine B1, B2, B6, B12, Biotin, Folsäure, Niacin und Pantothensäure) unterschieden (Schlieper, 2017, S. 194). Wird eine vegane Ernährung in der Schwangerschaft praktiziert, gelten insbesondere die Vitamine D, B2, B6, B9, und B12 als kritisch, da ihre Sättigung im Gegensatz zu anderen Vitaminen häufig nicht gewährleistet wird (Leitzmann & Keller, 2020, S. 373).
Vitamin D zählt zu den fettlöslichen Vitaminen. Es ist unser ‚Sonnenvitamin’, das unter Sonnenlichtbestrahlung der Haut aus Vorstufen gebildet wird, die nochmals aus Cholesterin synthetisiert werden (Schmiedel, 2019, S. 153). Es spielt eine wichtige Rolle im Knochenstoffwechsel, da es die Aufnahme von Kalzium aus dem Dünndarm und die Härtung der Knochen fördert. Ferner ist es für die reibungslose Funktion von Muskeln und Nerven wichtig, besonders in deren Zusammenspiel (ebd. S. 153).
Da es wenige nennenswerte Vitamin D-haltige Nahrungsmittel (fettreiche Fische und Milchprodukte) gibt und diese aufgrund ihres tierischen Ursprungs (Vitamin D3) bei Veganer*Innen entfallen, ist für eine ausreichende Sonneneinstrahlung zu sorgen (Leitzmann & Keller, 2020, S. 367).
In den sonnenarmen Monaten zwischen Oktober und März sollten Supplemente in Erwägung gezogen werden (Keller & Gätjen, 2016, S.72), um bei der Mutter und dem Kind Störungen des Kalziumstoffwechsels wie niedrige Kalziumkonzentration (neonatale Hypocalciämie) und Starrkrampf (Tetanie) sowie eine Unterentwicklung (Hypoplasie) des kindlichen Zahnschmelzes zu vermeiden (Elmadfa & Leitzmann, 2015, S. 594). Die Rachitis ist die am bekannteste Vitamin-D-Mangelerscheinung bei Kindern (bei Erwachsenen Osteomalazie), bei der es zu Erweichungen von Knochen und Verformungen des Skeletts kommt (Biesalski, Grimm & Nowitzki-Grimm, 2015, S. 162). Allerdings kommt sie heutzutage kaum noch vor, da die Säuglingsnahrung mit Vitamin D angereichert ist (Schmiedel, 2019, S. 153). „Der mütterliche Vitamin D-Status korreliert mit dem Vitamin D-Gehalt in der Muttermilch“, dennoch ist zu erwähnen, dass dieser auch bei einem guten Versorgungsstatus der Mutter für den kindlichen Bedarf unzureichend ist (zusammenfassend s. Englert & Siebert, 2016, S. 78).
Laut der Nationalen Verzehrsstudie II (NVS) erreichen 91% der Frauen die empfohlene Menge nicht (Biesalski et al., 2015, S. 162). Die NVS kommt zu dem Resultat, dass die Referenzwerte für die Zufuhr in Deutschland von 90% der Bevölkerung nicht erreicht werden, man spricht von einer Hypovitaminose (ebd. S. 162). Die D-A-C-H-Gesellschaften empfehlen Schwangeren eine tägliche Vitamin D-Supplementierung von 20 Mikrogramm (µ) (800 IU= Internationale Einheiten), (DGE et al. 2019; zitiert nach Leitzmann & Keller, 2020, S. 367).
Vitamin B2 zählt zu den wasserlöslichen Vitaminen und ist relativ hitzestabil, allerdings sehr lichtempfindlich (Leitzmann & Keller, 2020, S. 348). Zudem ist es als Baustein von Coenzymen grundsätzlich am oxidativen Stoffwechsel beteiligt, wobei es in der Atmungskette, dem Citratzyklus und beim Fettsäureabbau mitwirkt und somit eine wesentliche Rolle bei der Energiegewinnung spielt. Darüber hinaus ist Riboflavin existenziell für das embryonale Wachstum (zusammenfassend s. Englert & Siebert, 2016, S. 43). Obwohl Riboflavin neben tierischen Produkten auch in zahlreichen pflanzlichen Lebensmitteln wie Hülsenfrüchten und Vollkornprodukten vorkommt (Körner & Rösch, 2014, S. 35), lag die Zufuhr dessen bei 48% der Veganerinnen in der Deutschen Vegan-Studie unter den D-A-C-H-Referenzwerten (Waldmann et al. 2003; zitiert nach Leitzmann & Keller, 2020, S. 351). Schwangere sollten aufgrund der Synthese von fetalem und mütterlichem Gewebe die empfohlene Menge von 1,1 mg Riboflavin pro Tag im 2. Trimester um 0,3 mg bzw. im 3. Trimester um 0,4 mg erhöhen. Bei einem Mangel sind entzündliche Veränderungen an Haut und Schleimhäuten sowie Störungen des Sehvorgangs zu beobachten (zusammenfassend s. Leitzmann & Keller, 2020, S. 349). Eine niedrige Riboflavinzufuhr während des letzten Trimesters und auch nach der Geburt des Kindes hat ebenfalls Einfluss auf die Muttermilch. Viele Frauen, die insbesondere jahrelang die Anti-Baby-Pille eingenommen haben, weisen desgleichen einen Mangel an Riboflavin auf (Schmidt & Schmidt, 2018, S. 16).
Aus dem Grund kann es sinnvoll sein, die Zufuhr von Riboflavin durch eine optimierte Ernährung oder Präparaten zu verbessern und zugleich den Versorgungsstatus des Vitamins mindestens einmal jährlich überprüfen zu lassen (Leitzmann & Keller, 2020, S. 351ff.).
Pyridoxin ist Koenzym für etwa 200 Enzyme und wird daher auch als ‚Hochgeschwindigkeits-Vitamin’ bezeichnet (Schmiedel, 2019, S. 141). Dieses Vitamin ist an der Bildung von Aminosäuren, Erythrozyten, Immunproteinen und Hormonen beteiligt, weshalb es für eine normale Entwicklung des Fetus bzw. Säuglings essenziell ist (Leitzmann & Keller, 2020, S. 368). Für die Synthese von Hämoglobin sowie die Zellteilung ist Pyridoxin von besonderer Bedeutung (Schmiedel, 2019, S. 141). Ferner wirkt es an der Bildung des Neurotransmitters Serotonin mit, welches für das psychische Wohlbefinden und einen guten Schlaf zuständig ist (ebd. S. 141).
Abhängig ist der Bedarf des Vitamins von dem Proteinumsatz, da er eng mit dem Proteinstoffwechsel verbunden ist (Keller & Gätjen, 2016, S. 50). Mit dem steigenden Proteinbedarf während der Schwangerschaft ist die Zufuhrempfehlung ab dem 4. Monat um 58% erhöht (ebd. S. 50). Grundsätzlich weisen Veganer*Innen eine gute Vitamin B6-Zufuhr auf. Allerdings weisen viele unter ihnen einen schlechten Pyridoxinstatus auf, weil das Vitamin aus pflanzlichen Quellen eine schlechtere Bioverfügbarkeit aufweist als in tierischen Quellen (Englert & Siebert, 2016, S. 77). Das starke Wachstum des Fetus vom vierten bis zum achten Schwangerschaftsmonat verbraucht die B6-Reserven der Schwangeren, sodass supplementiert werden sollte, um Defiziten vorzubeugen (Schmidt & Schmidt, 2018, S. 16). Verschiedenen Untersuchungen zufolge führt ein Mangel an Vitamin B6 zu einer verkürzten Tragezeit sowie einem niedrigen Geburtsgewicht des Kindes (ebd. S, 16). Bei der Schwangeren können bluthochdruckbedingte Schwangerschaftsstörungen auftreten (Schmidt & Schmidt, 2018, S.21).
Außerdem können einseitige Ernährungsformen Mangelerscheinungen wie Hautveränderungen, neurologische Störungen und Schlafstörungen verursachen (Schmiedel, 2019, S. 141). Die empfohlene Menge für Schwangere im 1. Trimester liegt bei 1,5 mg pro Tag, im 2. und 3. Trimester bei 1,8 mg pro Tag (DGE, 2020).
Folsäure (auch Folat genannt) ist ein ‚Zellvitamin’ von besonderer Bedeutung in der Schwangerschaft, da es an der DNA-Synthese die Teilung und Neubildung von Zellen beeinflusst (Leitzmann & Keller, 2020, S. 368). Eine unzureichende Versorgung während der Schwangerschaft kann zu Früh- und Fehlgeburten sowie zu erheblichen Fehlbildungen beim Kind führen (Körner & Rösch, S. 50). Darüber hinaus kann es zu Neuralrohrdefekten führen, bei denen das Gehirn und das Rückenmark betroffen sind. Spina bifida (offener Rücken) sowie Anenzephalie (teilweises oder komplettes Fehlen des Großhirns) sind Formen von Neuralrohrdefekten, die für dauerhafte Behinderungen bis hin zum Tod verantwortlich sind (Leitzmann et al. 2009, S. 170). Das Neuralrohr schließt zwischen dem 22. und 28. Tag der Schwangerschaft. Dies ist ein Zeitpunkt zu dem eine Schwangerschaft meist noch nicht bekannt ist, deshalb ist es essenziell mit einer Folsäuresupplementierung vor einer möglichen Schwangerschaft zu beginnen (ebd. S. 170).
Um das Risiko von Neuralrohrdefekten zu verringern, wird Frauen mit Kinderwunsch mindestens vier Wochen vor Beginn einer Schwangerschaft eine zusätzliche Supplementierung mit 400 µ synthetischer Folsäure pro Tag empfohlen. Die Supplementeinnahme sollte während des ersten Drittels der Schwangerschaft beibehalten werden (DGE; zitiert nach Journal of Health Monitoring, S. 28f.).
Die Prophylaxe sollte schon vier Wochen vor Beginn einer Schwangerschaft einsetzen, weil embryonale Fehlbildungen bereits um 20.- 24. Tag nach der Konzeption vorkommen (Tönz, 2005; zitiert nach Leitzmann & Keller, 2020, S. 368). Eine Vielzahl von Studien zeigt einen Zusammenhang zwischen der Folsäurezufuhr und dem Risiko eines Neuralrohrdefekts bei Neugeborenen. Möglicherweise kann eine zusätzliche Folsäurezufuhr das Risiko für andere Fehlbildungen wie z.B. Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten vermindern (Bundesinstitut für Risikobewertung, 2014, S. 7). Obwohl Folate in zahlreichen pflanzlichen Lebensmitteln vorkommen, wird eine Supplementierung in Form von Präparaten ausdrücklich empfohlen. Folat ist ein sehr licht- und hitzeempfindliches Vitamin, deshalb sollte eine schonende Zubereitung der Lebensmittel erfolgen (Englert & Siebert, 2016, S. 77). Während die Empfehlung für die tägliche Zufuhr von Folat für Jugendliche und Erwachsene bei 300 µ liegt, erhöht sich der Bedarf bei Schwangeren auf 550 µ (D-A-C-H-Referenzwerte, DGE 2013; zitiert nach Körner & Rösch, 2014, S. 52). Beachtenswert ist, dass bei einer hohen Zufuhr von Folsäure ein bestehender Vitamin-B12-Mangel ‚maskiert’ werden kann. Während sich die bei Vitamin-B12- und Folsäuremangel identischen Symptome durch die Aufnahme von Folsäure verbessern, werden neurologische Symptome, die mit einem Vitamin-B12-Mangel einhergehen, vielmehr verstärkt als verhindert (Bundesinstitut für Risikobewertung, 2014, S.8).
Vitamin B12 gehört zu den wasserlöslichen Vitaminen und ist ein essenzieller Mikronährstoff, der nur von Mikroorganismen (Bakterien) produziert werden kann (Wormer, 2017, S. 53). Das Vitamin wird aufgrund der chemischen Struktur auch Cobalamin genannt, da das Molekül aus einem Kobalt-Atom und mehreren Aminogruppen besteht (Englert & Siebert, 2016, S. 45). Während viele Tiere (insbesondere Wiederkäuer) diese Mikroben adoptiert haben, um ihre Versorgung mit B12 zu sichern, ist der Mensch hingegen auf eine Zufuhr dessen durch Nahrungsmittel tierischen Ursprungs angewiesen (Wormer, 2017, S. 53).
Gute Lieferanten hierfür sind tierische Lebensmittel wie Innereien, Fisch und Fleisch. Pflanzliche Lebensmittel wie Sauerkraut oder fermentierte Bohnen enthalten hingegen wenig bis kaum Spuren des Vitamins (Englert & Siebert, 2016, S. 46).
Das Vitamin spielt eine wichtige Rolle im Abbau von Fettsäuren und bei der Synthese der DNA-Basen für Zellteilung- und wachstum sowie bei der geistigen Entwicklung (Englert & Siebert, 2016, S. 45). Vitamin B12 ist wie Folsäure ein ‚Zellvitamin’, so ergänzen sie sich in vielen Funktionen (Schmiedel, 2019, S. 146). Nach Leitzmann & Keller ist das Vitamin bei dem Abbau von Homocystein (einem starken Zellgift) entscheidend, das als Zwischenprodukt in Stoffwechselprozessen fungiert. Zudem ist es für die Aufrechterhaltung der Myelinscheiden im zentralen Nervensystem wichtig (Leitzmann & Keller, 2020, S. 298; Wormer, 2017, S. 70).
Eine unzureichende Versorgung während der Schwangerschaft kann gravierende Folgen mit sich bringen. Es kann zu einer Störung der Zellteilung kommen, bei der sich Regeneration von Gewebeschäden sowie die Abheilung verschlechtern. Darüber hinaus kann es zu Störungen der Blutbildung und Nervenfunktionen kommen, wobei sich durch die Störung der Myelinscheiden das Risiko für neurodegenerative und psychiatrische Erkrankungen langfristig erhöht (zusammenfassend s. Wormer, 2017, S. 68). Niedrige Cobalaminspiegel während der Schwangerschaft erhöhen ähnlich wie bei einem Folsäuremangel das Risiko für Neuralrohrdefekte und weiteren Schwangerschaftskomplikationen (zusammenfassend s. Leitzmann & Keller, 2020, S. 345).
Der tägliche B12-Bedarf während der Schwangerschaft liegt bei 4,5 µ, in der Stillzeit erhöht sich der Bedarf um 1 µ (DGE, 2019). Bemerkenswert ist, dass es signifikante Mengen an Bakterien gibt, die in der Mund-/Rachen- und Dünndarmschleimhaut Vitamin B12 produzieren (Wormer, 2017, S. 254). Zudem wird angenommen, dass nahezu 10-40% der Veganer*Innen kein Mangel an Vitamin B12 aufweisen, obwohl ihre konsumierten Lebensmittel kein Vitamin B12 enthalten (ebd. S. 254). Dennoch sind Supplemente und Nahrungsergänzungsmittel für Vegan lebende zur Sicherstellung der Vitamin-B12-Versorgung notwendig, um die zuvor erwähnten potentiellen schwerwiegenden Gesundheitsstörungen zu vermeiden. Dies ist besonders wichtig für Risikogruppen wie Schwange, Stillende sowie Kinder (zusammenfassend s. Leitzmann & Keller, 2020, S. 348).
Häufig mangelt es an den drei wichtigen Vitaminen (B6, B9 und B12), so sind erhöhte Homocystein-Werte im Blut ein gemeinsames Kennzeichen nahezu aller B-Vitamin-Mangelzustände. Erwähnenswert ist, dass ein Vitamin B12- Mangel mehrere Monate und Jahre unbemerkt und ohne Beschwerden bleiben kann, (Wormer, 2017, S. 129). Untersuchungen weisen darauf hin, dass einige Meeresalgen erhebliche Mengen an Vitamin B12 in bioverfügbarer Form enthalten, allerdings gibt es keine Studien, die den Nutzen dessen für Menschen bestätigen (Leitzmann & Keller, 2020, S. 344). Demzufolge sind die für Vegan lebende oftmals empfohlenen milchsauren Lebensmittel sowie bestimmte Algen als höchst unzuverlässige Lieferanten anzusehen (Leitzmann, 2018, S. 70). So zählt Vitamin B12 zu den kritischen Nährstoffen, da Lebensmittel tierischen Ursprungs bei einer veganen Ernährung entfallen und Cobalamine von Pflanzen nicht gebildet werden können (Leitzmann & Keller, 2020, S. 342). Zusammenfassend kann gesagt werden, dass werdende Mütter reichlich B-Vitamine brauchen und sich deren Bedarf mit der Schwangerschaft und Stillzeit erhöhen. Frauen mit Kinderwunsch sowie Schwangere sollten neben einer ausreichenden Folsäure-Zufuhr auch auf den erhöhten Bedarf an B12 besonders Acht geben (zusammenfassend s. Wormer, 2017, S. 147f.). Dies kann in Form von angereicherten Lebensmitteln, Nahrungsergänzungsmitteln aber auch mit einer Zahncreme erfolgen, in der Vitamin B12 enthalten ist. Die in Einzelfällen beobachteten Gedeihstörungen und Mangelerscheinungen mit irreversiblen neurologischen Schäden wären völlig vermeidbar, wenn die Mutter für eine ausreichende Supplementierung mit Vitamin B12 sorgt (Leitzmann, 2018, S.70).
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