Bachelorarbeit, 2020
47 Seiten, Note: 1,3
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Relevanz der Fragestellung
1.2 Aufbau und methodische Vorgehensweise
2. Ökonomische Besonderheiten des Sports
2.1 Das magische Viereck Sport - Medien - Wirtschaft - Publikum
2.2 Der Nutzen des Sports für die Medien
2.3 Der Nutzen der Medien für den Sport
3. Die Inszenierung des Sports in den Medien
3.1 Merkmale von Mediensportarten
3.1.1 Kontext
3.1.2 Organisation
3.1.3 Struktur
3.2 Der Prozess der Mediatisierung
3.2.1 Begriffserklärung
3.2.2 Die Mediatisierung des Sports
3.2.3 Die Mediatisierungstreppe nach Dohle und Vowe
4. Der traditionelle Tennissport
4.1 Hintergrund und Organisationen
4.2 Tennisberichterstattung und Zuschauertypen im Fernsehen
5. Ultimate Tennis Showdown (UTS) als Mediatisierung des Tennissports
5.1 Entstehung von UTS
5.2 UTS auf der Mediatisierungstreppe
5.3 Resonanz auf UTS
6. Bewertung von UTS
6.1 Potentiale
6.2 Risiken und Kritik
7. Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildung 1: Das magische Viereck
Abbildung 2: Altersstruktur der TV-Zuschauer des Tennisturniers in Wimbledon in den Jahren 2014-2017
Es ist der 7. Juli 1985, an dem etwa elf Millionen Deutsche vor ihren Fernsehgeräten sitzen und mit einem 17-jährigen Rotschopf aus Leimen mitfiebern. Die ARD überträgt das Finale des traditionellen Tennisturniers in Wimbledon, in dem sich Boris Becker und Kevin Curren gegenüberstehen. Das Publikum bekommt an diesem Nachmittag ein packendes Match zu sehen. Die Spieler fluchen, schmeißen ihren Schläger, feuern sich an, jubeln. Am Ende gewinnt Becker das Spiel und in ganz Deutschland wird dadurch ein „Tennis-Boom“ ausgelöst, infolgedessen Tennis kurzzeitig zur beliebtesten Sportart avanciert - sogar noch vor Fußball (vgl. Simon, 2007, S.349).
In den vergangenen Jahren ist jedoch von den glanzvollen Zeiten des Tennissports in Deutschland nur noch wenig geblieben. Stattdessen liest man Schlagzeilen wie „Der Tennis-Boom ist vorbei“ oder „Tennis ist tot“. Das Tennisturnier in Wimbledon wird hierzulande bereits seit Jahren fast ausschließlich von Pay-TV-Sendern übertragen.
Obwohl der Tennissport als Hobby an sich immer noch beliebt zu sein scheint, verliert er als Zuschauersport im Fernsehen heutzutage in Deutschland immer mehr an Bedeutung. Diese Entwicklung ist zwar so generell nicht auf den Rest der Welt übertragbar, dennoch sind im Allgemeinen Tendenzen festzustellen, dass das TV- Tennispublikum insgesamt immer älter wird und Tennis im Fernsehen an Attraktivität verliert. Aufgrund des überaus breiten Angebots im Fernsehen, Internet oder auf Streamingdiensten, muss eine Fernsehübertragung den Zuschauern heutzutage viel bieten, um Einschaltquoten generieren zu können. Tennis scheint den Ansprüchen des Publikums nicht mehr gerecht zu werden, da es als langatmig, wenig stimmungsvoll und emotionslos gilt. Zudem sind die Regeln für NichtTennisspieler zum Teil nur schwer verständlich.
In jüngerer Vergangenheit sind deswegen bereits Tendenzen zur Modernisierung des Tennissports zu beobachten gewesen. So gab es immer wieder Diskussionen über mögliche Veränderungen der klassischen Regeln und Rahmenbedingungen, um damit den Sport attraktiver für die Medienwelt und die Zuschauer zu gestalten. Vor dem Hintergrund der langjährigen Tradition des Tennissports setzten sich langfristig aber bisher nur geringfügige Abwandlungen des Regelwerks durch. Hierzu zählt beispielsweise die Einführung des Hawk-Eyes zur elektronischen Überprüfung von Schiedsrichterentscheidungen oder die Verkürzung einiger Herrenmatches von fünf auf drei Gewinnsätze. Diese Neuerungen stellen jedoch lediglich kleinere Einschnitte in den Sport dar.
Das im Frühjahr 2020 publizierte Format Ultimate Tennis Showdown hingegen stellt das grundlegende Reglement des Tennissports teilweise völlig auf den Kopf. Das Ziel dieser neuen Turnierserie liegt auf der Hand: Tennis soll endlich wieder massentauglich werden und vor allem ein jüngeres Publikum ansprechen. Die Vielzahl von Veränderungen führt jedoch auch bei eingefleischten Tennisfans dazu, dass sie sich vor den Kopf gestoßen fühlen, da der Tennissport für sie nicht mehr wiederzuerkennen ist. In dieser Arbeit soll nun erörtert werden, welche Resonanz dieses völlig neue Format erfahren hat und welche Potentiale aber auch welche Risiken sich für den Tennissport daraus ergeben können.
Um sich dieser Zielvorgabe nähern zu können, soll zu Beginn auf die ökonomischen Besonderheiten des Sports eingegangen werden. Dabei wird das sogenannte magische Viereck aus Sport, Medien, Wirtschaft und Publikum beleuchtet. Diese Grundlagen sollen im folgenden Kapitel zur Inszenierung des Sports in den Medien vertieft werden. Die hier aufgezeigten Entwicklungen beziehen sich insbesondere auf die Verbindung von Sport und dem Medium Fernsehen. Zunächst geht es hierbei um die verschiedenen Merkmale von Mediensportarten. Darauf aufbauend sollen die Prozesse der medialen Spannungssteigerung betrachtet werden: die Mediatisierung. Die von Dohle und Vowe entworfene Mediatisierungstreppe steht hierbei im Vordergrund. Anhand dieses Modells werden im späteren Verlauf die einzelnen Veränderungen beim Ultimate Tennis Showdown im Vergleich zum klassischen Tennis dargestellt. Zuvor gebe ich einige allgemeine Hintergrundinformationen zum traditionellen Tennissport und dessen tragenden Organisationen sowie eine Analyse der Tennisberichterstattung im deutschen Fernsehen und dessen Zielgruppe. Im Anschluss daran wird das Format Ultimate Tennis Showdown vorgestellt und - wie bereits erwähnt - auf der Mediatisierungstreppe eingeordnet. Weiterhin soll die Resonanz aus den Medien und von den Akteuren zusammengetragen werden, sodass mögliche Potentiale und Risiken bzw. Kritik dieses Turnierformats erörtert werden können. Anhand deren Gegenüberstellung lassen sich dann die Erfolgschancen von Ultimate Tennis Showdown abschätzen sowie mögliche Entwicklungen für die Zukunft im Fazit bzw. Ausblick prognostizieren.
Dem Sport wird in unserer heutigen Gesellschaft ein besonderer Stellenwert zugemessen, der viele Bereiche des täglichen Lebens beeinflusst. Neben dem aktiven Sporttreiben auf verschiedensten Leistungsniveaus (von Breiten- bis Hochleistungssport) sowie auf unterschiedliche Arten (informell oder formell) spielt auch das passive Teilhaben an sportlichen Ereignissen eine immer größere Rolle. Sport schafft es, Menschen zu verbinden, zu polarisieren und Emotionen zu vermitteln wie kaum ein anderer Teil unseres Lebens.
In diesem Kapitel sollen zunächst die ökonomischen Besonderheiten des Sports thematisiert werden. Darunter fällt das Verhältnis zwischen dem Sport, der Wirtschaft, den Medien und dem Publikum - das „magische Viereck“. Diese Betrachtung ist von Bedeutung, um ein besseres Verständnis darüber zu erlangen, wie sich diese Bereiche gegenseitig beeinflussen. Der Schwerpunkt liegt im Folgenden dann aufgrund der Themenstellung dieser Arbeit auf der Beziehung zwischen dem Sport und den Medien.
Ohne den Einfluss von Wirtschaft, Medien und dem Publikum wäre es schwer für den Profi-Sport, in der Form wie wir ihn heute kennen, zu existieren. Das enge Beziehungsgeflecht zwischen Sport, Medien, Wirtschaft und Publikum hat Hagenah (2004, S.17) daher als sogenanntes magisches Viereck bezeichnet.
Zwischen den vier Bereichen kommt es zu wechselseitigen Transaktionen und Abhängigkeiten. Schauerte (2008, S.40) spricht hierbei von einem „symbiotischen Verhältnis zueinander, welches zugleich konstruktiv und regulativ ist“. Jedes Subsystem versucht, aus diesem Beziehungsgeflecht einen möglichst großen Nutzen für sich selbst zu ziehen. Vereinfacht dargestellt ist es für den wirtschaftlichen Bereich von Interesse, mögliche Werbeflächen in Stadien zu nutzen, Sponsoring zu betreiben und damit die für ihn relevanten Zielgruppen anzusprechen. Der Sport benötigt Einnahmen, um seine Akteure finanzieren zu können. Für den Bereich der Medien ist ein interessantes Programmangebot erforderlich, um Zuschauerquoten zu generieren. Das Publikum ist letztlich der Abnehmer der Medien und bestimmt somit durch seine Nachfrage das SportAngebot in den Medien entscheidend mit. Im Folgenden soll nun der Schwerpunkt auf der Betrachtung des Zusammenspiels von Sport und Medien liegen, wobei eine strikte Trennung von den Bereichen Wirtschaft und Publikum nie in Gänze möglich (und sinnvoll) ist.
Die Medien stellen den Verbindungskanal zwischen den sportlichen Akteuren und dem Publikum dar. Die passive Teilnahme an Sportevents wäre sonst lediglich live vor Ort möglich. Um den Sport einem breiten Publikum nahe zu bringen, gibt es mittlerweile eine Reihe von Übertragungstechniken und -formen, die für den Zuschauer von Interesse sind, wie Live-Übertragungen, Vor- und Nachberichterstattungen, Interviews, Video-Techniken zur Analyse von Schiedsrichterentscheidungen, Experten-Runden, Zeitlupen-Wiederholungen, u.v.m. In den letzten Jahren sind die Medien und der Sport eine zunehmend enge ökonomische Verbindung miteinander eingegangen, von der beide Subsysteme in gleichem Maße profitieren und die ihren Kommerzialisierungsgrad immer weiter anwachsen lässt (vgl. Schierl, 2008, S.104). Welchen Nutzen jeder der beiden Bereiche aus dem Zusammenspiel zieht, soll im Folgenden beleuchtet werden.
Bezugnehmend auf die Ausführungen von Schierl (2008, S.105) gibt es für den Bereich der Medien mehrere entscheidende Vorteile, die Sparte Sport in das Programm aufzunehmen. Sportübertragungen im Fernsehen können sehr hohe Reichweiten generieren, besonders im Spitzensport. Dabei ist insbesondere die Unvorhersehbarkeit des Ausgangs eines Sportereignisses für die Medien so interessant. Des Weiteren macht sich der Spitzensport ideal als Showelement mit hohem Unterhaltungsfaktor (vgl. Wiske, 2019, S.205).
Wirft man einen Blick auf die erfolgreichsten Fernsehsendungen der einzelnen Sender aus dem Jahr 2016, so finden sich dort auf den ersten drei Plätzen jeweils Übertragungen von Fußballspielen mit deutscher Beteiligung, die einen enorm hohen Zuschauermarktanteil mit deutlichem Abstand zu den darauffolgenden Sendungen verzeichnen (vgl. statista.com, 2020 a).
Jedoch ist nicht nur die enorme Reichweite von Bedeutung, sondern vor allem der Effizienzgrad im Vergleich zum übrigen Programmangebot im Fernsehen. Dieser beschreibt das Verhältnis von Nutzungsanteil zum Angebotsanteil und ist im Bereich der Programmsparte Sport im Vergleich zu anderen Bereichen deutlich höher (vgl. Schierl, 2008, S.106).
Ein weiterer positiver Aspekt des Sports für die Medien stellt der insgesamt eher niedrige Produktionsaufwand im Vergleich zu anderen TV-Produktionen dar. Den größten finanziellen Anteil der Produktionskosten machen im Sport mit Abstand die Übertragungsrechte aus. Für Sportübertragungen sind jedoch kaum zeit- oder kostenintensiven Vorarbeiten zu leisten wie z.B. Castings, die Suche nach geeigneten Locations, Ideenfindung oder eine Drehbuchfassung. Der Sport wird direkt von seinen Akteuren „produziert“ und muss lediglich aufgezeichnet und übertragen werden.
Besonders interessant ist zudem die hohe redaktionelle Anschlussfähigkeit von Sportübertragungen im Fernsehen. Mittlerweile ist es nahezu undenkbar, dass die Übertragung eines bedeutenden Fußballspiels mit dem Beginn des eigentlichen Wettkampfs startet und direkt nach dem Schlusspfiff endet. Indem vor und nach dem eigentlichen Sportevent Berichterstattungen, Interviews, Zusammenfassungen etc. eingebaut werden, ist es möglich, die Programmdauer deutlich zu verlängern. Der Produktionsaufwand hierfür ist vergleichsweise niedrig, weswegen Vor- und Nachberichterstattungen einen immer größeren Stellenwert einnehmen, nicht zuletzt auch zu dem Zweck, in dieser Zeit durch Werbeblöcke eine teilweise Refinanzierung der sehr hohen Rechtekosten zu ermöglichen.
Für einen TV-Sender ist die Übertragung von Sport-Sendungen aber nicht nur aus finanzieller Sicht interessant, sondern auch in Bezug auf dessen Markierung und Profilbildung. So ist es durchaus möglich, Zutrittsbarrieren in den TV-Markt leichter zu überwinden sowie positive Einflussnahme auf das Image eines Senders zu nehmen, indem vermehrt Sportveranstaltungen im Programm übertragen werden.
Auch der Sport profitiert vom engen Zusammenspiel mit den Medien. Dabei steht in hier erster Linie der Aspekt der Finanzierung im Vordergrund, der sowohl für die Veranstalter als auch für die sportlichen Akteure relevant ist. Durch die Präsenz in den Medien generieren die Veranstalter eines Sportevents Einnahmen, die ihnen einerseits wichtige Planungssicherheit zur Deckung ihrer Fixkosten geben. Andererseits kann durch höhere Einnahmen die Qualität eines Sportevents deutlich verbessert werden, was wiederum dem Publikum zugutekommt.
Für die Sportler sind die Medien von besonderer Bedeutung, da sie so ihre Popularität steigern und ein interessantes Werbeumfeld auf sich aufmerksam machen können. Dadurch ist es ihnen möglich, lukrative Sponsoringverträge abzuschließen und so neben dem professionellen Sporttreiben eine zusätzliche Einnahmequelle aufzubauen.
Des Weiteren ist eine gewisse Medienpräsenz für eine Sportart von großem Vorteil, um einen höheren Bekanntheitsgrad zu erlangen und positiv auf das eigene Image einzuwirken. Durch eine größere Popularität steigt wiederum die Zuschauernachfrage und der Absatz von Merchandising-Produkten. Neben diesen ökonomischen Gesichtspunkten ist es jedoch ebenso wichtig für eine Sportart, immer wieder sportlichen Nachwuchs hinzuzugewinnen und die Mitgliederzahlen im eigenen nationalen Verband zu steigern.
Um die Inszenierung des Sports in den Medien besser verdeutlichen zu können, wird in diesem Kapitel anhand verschiedener, von Horky (2009 S.298 f) entworfenen Kriterien erörtert, was einen Sport zum Mediensport macht. Darauf aufbauend wird auf den Prozess der medialen Spannungssteigerung - die sogenannte Mediatisierung - eingegangen und im Weiteren die von Dohle und entworfene Theorie der „Mediatisierungstreppe“ erläutert.
Wie im vorhergehenden Kapitel bereits dargestellt, unterliegt der Sport einer erheblichen Abhängigkeit von den Medien. Der Profi-Sport benötigt eine wirksame Medienpräsenz, um Umsätze und Einnahmen zu erzielen und mehr Menschen für diese Sportart zu begeistern. Durch die stetig wachsenden Summen, die den am Sport beteiligten Akteuren durch Werbe-, TV- oder Sponsoringeinnahmen zugutekommen, gewinnen die Medien einen wachsenden Einfluss auf den Sport selbst. Daher muss sich der Sport beispielsweise nach bestimmten Sendezeiten richten, um entsprechende Einschaltquoten zu erzielen. Dieses „Mitspracherecht“ der Medien ist dabei insbesondere durch das favorisierte Medium Fernsehen entstanden. Im Allgemeinen wird eine Mediensportart anhand deren Popularität vor allem in diesem Medium definiert. Dabei meint Popularität zunächst eine „positive Bekanntheit von Sportarten, Mannschaften und Spielern“ (Schafmeister, 2007, S.89). Horky (2009, S.299) zufolge ist Popularität zwar ein wichtiger, jedoch nicht der einzige Parameter, der einen Sport zum Mediensport macht. Seine Definition einer Mediensportart lautet wie folgt:
„Der Begriff Mediensportarten bezeichnet somit Sportarten, die im Medien-Sport- Komplex große Aufmerksamkeit erlangen; sie sind im medialen Sinne populär, was sich insbesondere in den Aufmerksamkeitskriterien des Mediensports wie hohen Einschaltquoten und Auflagen oder vielfältigen Thematisierungen verdeutlicht“ (Horky, 2009, S.299).
Hiernach sind für die Definition einer Mediensportart noch weitere Faktoren zu beachten, wie beispielsweise eine Betrachtung von Programmumfang und Reichweite und eine damit verbundene Einteilung in Rand- und Exotensportarten. Insgesamt gestaltet sich eine genaue Einschätzung bezüglich des Ausmaßes der einzelnen Kriterien über den publizistischen Erfolg als schwierig. Dennoch gibt es eine Reihe von Merkmalen, die in ihrem Zusammenspiel dazu führen, einen Sport aus ökonomischer Perspektive als Medien- bzw. Fernsehsport attraktiv zu machen. Horky (2009, S.300 f) unterteilt die Merkmale von Mediensportarten im Hinblick auf ihre strukturellen Eigenarten in drei Dimensionen: Kontext, Organisation und (Interaktions-) Struktur. Diese werden nachfolgend dargelegt.
Folgende Merkmale lassen sich in Anlehnung an Horkys Ausführungen (2009, S.301 f) dem Kontext einer Sportart zuordnen, an dem dessen Medientauglichkeit festgemacht werden kann.
Gesellschaftsgebunden
Die soziokulturelle Verankerung einer Sportart in einer Gesellschaft ist stets national bzw. regional geprägt. Dadurch gibt es heutzutage große Unterschiede, welche Sportarten in welchen Ländern eine hohe Medienpräsenz haben, wie beispielsweise der Fußball in Deutschland. In den USA hingegen ist Football ein „Nationalsport“ und Cricket erfreut sich in Ländern wie Indien großer Beliebtheit. Dieses Phänomen geht auf die kulturelle Historie und Tradition des jeweiligen Landes zurück.
Institutionsgebunden
Weiterhin ist der Ereigniswert einer Sportveranstaltung von Bedeutung, wenn es um die mediale Präsenz geht. Ein höherrangiges Event zieht erwartungsgemäß mehr Zuschauer an, als eines mit geringerem Preisgeld bzw. Rang, wie beispielsweise eine Fußball-Weltmeisterschaft im Vergleich zu einem Testspiel ohne Wertung.
Personengebunden
Einen hohen Stellenwert hinsichtlich der Medienpräsenz einer Sportart scheinen charismatische nationale Athleten zu haben, die in der Lage sind, internationale Erfolge zu erzielen.
„Entscheidend für die Auswahl durch das Fernsehen ist also im Besonderen die Attraktivität der Stars, die die jeweilige Sportart hervorbringt sowie die Erfolge der deutschen Teilnehmer in den Wettkämpfen“ (Zubayr & Gerhard, 2004, S.42).
Beispiele hierfür sind Michael Schumacher in der Formel 1 oder Boris Becker im Tennis, die ihren jeweiligen Sportart einen deutlich höheren Medienzuspruch verschaffen konnten.
Themengebunden
Ein weiteres Merkmal von Mediensportarten ist ihre Themengebundenheit. Hierunter fallen Sportveranstaltung mit besonderer Brisanz wie beispielsweise ein Lokalderby oder ein Auf- oder Abstiegsspiel, welches durch die Medien schon im Vorfeld mit zusätzlicher Spannung aufgeladen werden kann und somit ein größeres Interesse beim Publikum weckt.
Wettkampffern
Eine eher untergeordnetere Rolle spielt das wettkampfferne Potential einer Sportart, das sich u.a. durch einen gewissen Kultfaktor oder durch exotische, nicht zwingend erfolgreiche Athleten auszeichnet. Zwar haben diese Merkmale nur sekundär mit dem sportlichen Wettkampf zu tun, aber dennoch einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Medientauglichkeit einer Sportart. Als Beispiel kann hierfür die jamaikanische Bob-Mannschaft angeführt werden, die eine ganze Nation für diese Sportart begeistern konnte und über die sogar ein Kinofilm produziert wurde.
Die Merkmale einer Mediensportart aus dem Bereich ihrer Organisation betreffen vor allem das Umfeld des Sports.
Organisationsgrad einer Sportart
Beim Organisationsgrad einer Sportart geht es um die Qualität der nationalen Verbands- und Vereinsarbeit im Hinblick auf ihre Professionalisierung in den Geschäftsstellen oder ihrer Öffentlichkeitsarbeit. Wichtig ist jedoch zu betonen, dass die Mitgliederzahl eines Sportverbandes nicht gleichzusetzen ist mit dem Interesse an dieser Sportart in den Medien, was am Beispiel Turnen in Deutschland deutlich wird. Der Verband ist einer der mitgliederstärksten in unserem Land, medial erhält dieser Sport jedoch wenig Zuspruch. Dass aus dem Organisationsgrad einer Sportart Hinweise auf das vorhandene Konsumkapital geschlossen werden können, sieht Horky (2009, S.302) als ein großes Potential zur Mediatisierung dieser Sportart.
Art der Sportstätten
Die Art der Sportstätte bestimmt ebenfalls mit, ob und inwiefern ein Sport zum Mediensport avancieren kann. Einerseits sind besonders traditionelle Sportanlagen von hoher Nachfrage, wie die Rasenplätze des Tennisturniers in Wimbledon, da sie einen gewissen Charme versprühen und einem breiten Publikum geläufig sind. Andererseits stehen aber auch moderne Sportstätten im Fokus der Aufmerksamkeit, die durch Innovation und Außergewöhnlichkeit bestechen.
Art der Wettkampforganisation
Auch die Art der Wettkampforganisation ist ein wichtiges Merkmal von Mediensportarten. Darunter versteht man die Struktur der Durchführung von Veranstaltungen auf nationaler und internationaler Ebene. Ein wesentlicher Faktor für den Spannungsgrad eines Wettkampfes ist die Gleichwertigkeit der sich gegenüberstehenden Athleten. Um dies zu gewährleisten arbeiten Verbände zunehmend mit privatwirtschaftlichen Agenturen zusammen an einer professionellen Wettkampforganisation.
Interaktion mit Zuschauern
Ein ebenso wichtiger Parameter zur Bestimmung der Medientauglichkeit einer Sportart ist, inwieweit eine Interaktion der Zuschauer selbst bei einem sportlichen Wettkampf stattfinden kann. Die Partizipation am Wettbewerb, beispielsweise durch emotionales Einbringen wie Jubeln, sorgt für ein tieferes Eintauchen in das Erleben einer Sportveranstaltung.
Auch in Bezug auf die Struktur von sportlichen Bewegungen lassen sich unterschiedliche Merkmale von Mediensportarten bestimmen.
Identifikation
Ein wichtiges Merkmal für die Medientauglichkeit einer Sportart stellt die Möglichkeit zur Identifikation dar, welche durch die Struktur der Bewegungshandlungen und in Einzel- oder Mannschaftssportarten unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann. Generell ist es einfacher, sich bei Einzelsportarten mit den Handlungsmustern der Athleten zu identifizieren, aber auch Gallionsfiguren eines Teams können hohes Identifikationspotential für das Publikum bieten.
Serialität
Weiterhin spielt die Serialität einer Sportart für die Medienpräsenz eine Rolle, z.B. bei Wettbewerben, die eine Reihe von Einzelveranstaltungen beinhalten. Neben der Aufteilung in klassische Sommer- und Wintersportarten sind hiermit auch bestimmte Turnierserien wie z.B. die Grand Slam Turniere beim Tennis oder die Vierschanzentournee im Skispringen gemeint. Auch dieser Faktor lässt sich im Hinblick auf eine mögliche Mediatisierung einer Sportart gut variieren und medienwirksam verändern.
Wettkampfstruktur
Die Wettkampfstruktur kann in drei verschiedene Formen unterteilt werden. Beim Gegeneinander gibt es ein direktes Duell von zwei Athleten oder Mannschaften, was ein besonders hohes Spannungspotential mit sich bringt. In sportlichen Wettkämpfen wie Laufdisziplinen in der Leichtathletik liegt ein Nebeneinander vor, welches bereits geringeres Spannungspotential aufweist. Außerdem gibt es die Form des Hintereinanders wie beim Skirennen oder Golf, weswegen sich diese Sportarten verschiedener Fernsehtechniken (wie z.B. Wiederholungen) bedienen müssen, um medial attraktiver zu werden.
Variabilität
Durch eine größere Variabilität an Bewegungsformen und -folgen wird eine Sportart eher eine Mediensportart als durch eine geringe Variabilität, wie beispielsweise beim Diskuswerfen oder Rudern. Komplexere Spielzüge und taktische Elemente machen eine Sportart generell interessanter.
Nachvollziehbarkeit/ Transparenz
Hohes Potential als Mediensportart kann zudem durch die Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Bewegungen erreicht werden. Dabei sind ruckartige, unübersichtliche Teilbewegungen für Zuschauer nur schwer nachzuempfinden im Gegensatz zu langsamen, fließenden Bewegungshandlungen und -mustern. Zudem hilft ein übersichtliches Spielfeld, um die sportliche Leistung medial bestmöglich sichtbar zu machen.
Aktionsdichte
Ein Wettkampf wird umso interessanter, je mehr sportliche Aktionen in kürzerer Zeit geschehen. Sportveranstaltungen, die sich über sehr lange Zeiträume ziehen, erfreuen sich insgesamt eher geringerer Beliebtheit. Die Aktionsdichte, der sogenannte Tonus, ist daher ein nicht zu verachtendes Merkmal von Mediensportarten.
Verlaufsformen
Für den Zuschauer wird ein Wettkampf besonders interessant, wenn der Verlauf so lange wie möglich offen bleibt und durch Faktoren wie Glück, Zufall und Überraschungen jederzeit beeinflusst werden kann. Die Entscheidung über Sieg und Niederlage sollte möglichst zum Ende der Veranstaltung fallen.
[...]
Der GRIN Verlag hat sich seit 1998 auf die Veröffentlichung akademischer eBooks und Bücher spezialisiert. Der GRIN Verlag steht damit als erstes Unternehmen für User Generated Quality Content. Die Verlagsseiten GRIN.com, Hausarbeiten.de und Diplomarbeiten24 bieten für Hochschullehrer, Absolventen und Studenten die ideale Plattform, wissenschaftliche Texte wie Hausarbeiten, Referate, Bachelorarbeiten, Masterarbeiten, Diplomarbeiten, Dissertationen und wissenschaftliche Aufsätze einem breiten Publikum zu präsentieren.
Kostenfreie Veröffentlichung: Hausarbeit, Bachelorarbeit, Diplomarbeit, Dissertation, Masterarbeit, Interpretation oder Referat jetzt veröffentlichen!
Kommentare