Bachelorarbeit, 2017
63 Seiten, Note: 2.0
Inhaltsverzeichnis
Verzeichnis der Übersichten
Abkürzungsverzeichnis
I. Einleitung
1. Problemstellung
2. Zweckgesellschaften
a) Vorbemerkungen
b) Begrifflichkeiten
c) Merkmale&Eigenschaften
d) Motive/Gründe
e) Beispiel: Leasingobjektgesellschaft
3. Vorgehensweise
II. Das alte Konzept nach IAS 27 und SIC-12
1. Vorbemerkungen
2. Darstellung der Rechtslage
3. Schwächen von IAS 27 und SIC-12 - Verdeutlichung am Beispiel von Enron
III. Neukonzeption nach IFRS 10 und IFRS 12
1. IFRSIO-Konzernabschlüsse
a) Vorbemerkungen
b) Begrifflichkeiten
c) Einheitliches Beherrschungskonzept
i. power
(1) Durch Stimmrechte (voting interest entities)
(2) Nicht durch Stimmrechte (non-voting interest entities):
ii. variablereturns
iii. linked between power and variable returns
2. IFRS 12- Angaben zu Anteilen an anderen Unternehmen
a) Vorbemerkungen
b) Angaben zu Tochterunternehmen
c) Angaben zu Zweckgesellschaften
i. Konsolidierte Zweckgesellschaften
ii. Nicht-konsolidierte Zweckgesellschaften
IV. Auswirkungen auf die Praxis
V. KritischeWürdigung
VI. Fazit
Anhang
Tabelle 1: Geschäftsjahrder Erstanwendung von IFRS 10-12
Tabelle 2: Auswirkung von IFRS 10 aufdie Konzernabschlüsse
Tabelle 3: Auswirkungen der Erstanwendung von IFRS 12
Tabelle 4: Angaben zu konsolidierten strukturierten Unternehmen
Tabelle 5: Angaben zu Zweckgesellschaften Commerzbank AG
Tabelle 6: Angaben zu nicht konsolidierten strukturierten Unternehmen
Quellenverzeichnis
Übersicht 1: Prüfungsschritte bei der Anwendung von IFRS 10
Übersicht 2: Beispiele verschiedener Stimmrechtsverteilungen
Übersicht 3: Vergleich der Angabepflichten nach IAS 27, 28, 31 und IFRS 12
Übersicht 4: Buchwerte von in der Bilanz ausgewiesenen Vermögenswerten und Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit den Beteiligungen an nicht konsolidierten strukturierten Einheiten der Deutschen Bank zum 31. Dezember 2013
Übersicht 5: Die Buchwerte der Vermögenswerte und Schulden des Commerzbank-Konzerns gegenüber nicht konsolidierten strukturierten Unternehmen zum 31. Dezember 2013
Übersicht 6: Neu konsolidierte Zweckgesellschaften und nicht länger konsolidierte Zweckgesellschaften unter IFRS 10
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In der Regel muss jedes rechtlich selbstständige Unternehmen in Deutschland einen Einzelabschluss (seperate financial statement) erstellen. Diese Aufstellungspflicht ergibt sich jedoch nicht nach internationalen Rechnungslegungsvorschriften (IFRS), sondern nach dem deutschen Handelsgesetzbuch. Danach soll „Der Kaufmann [...] zu Beginn [...] und für den Schluss eines jeden Geschäftsjahres einen das Verhältnis seines Vermögens und seiner Schulden darstellenden Abschluss [aufstellen]“ (§ 242 Abs. 1 HGB ). Grund für die Aufstellungspflicht nach HGB ist die mangelnde Befugnis des International Accounting Standards Board (IASB) als privatrechtliche internationale Organisation eine solche Verpflichtung zu erlassen. So verweist die Norm IAS 27.2-3 zur Rechnungslegungspflicht auf das jeweilige nationale Rechtssystem (Regelungshoheit der Einzelstaa- ten).1
Befinden sich mindestens zwei Unternehmen in einem Konzernverbund, so ist das Mutterunternehmen gemäß § 290 HGB verpflichtet, zusätzlich zum Einzelabschluss einen Konzernabschluss (consolidated financial statement) zu erstellen. Aufgrund der Regelungshoheit der Einzelstaaten erfolgt die Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses nach der nationalen Gesetzgebung, in Deutschland folglich also nach dem HGB. Zusätzlich kann auch ein deutsches Mutterunternehmen freiwillig das Wahlrecht zum befreiten IFRS-Konzernabschluss gem. § 315e Abs. 3 HGB nutzen. Wenn das Mutterunternehmen jedoch kapitalmarktorientiert ist, muss dieser Abschluss zwingend nach IFRS aufgestellt werden. Entsprechend ist hier der § 315e Abs. 1 & 2 HGB zu nennen, welcher auf die Anwendung der internationalen Rechnungslegungsstandards abstellt.2
Ein Konzernabschluss soll das tatsächliche Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage (VFE-Lage) des Konzerns aufzeigen.3 Durch konzerninterne und somit marktferne Transaktionen, kann dieses Bild verzerrt werden. Für eine wahrheitsgemäße Aussage über die Wirtschaftlichkeit des gesamten Konzerns bedarf es daher eines eigenständigen Abschlusses, der alle dem Konzern zugehörigen unternehmen als wirtschaftliche Einheit darstellt. Vermögensgegenstände, Schulden, Aufwendungen und Erträge sowie die CashFlows werden als Gesamtheit erfasst (Vgl. IAS 1.15). Durch die Konsolidierungsverfahren werden Doppelzählungen vermieden.
Die Abbildung der VFE-Lage ist abhängig von bestimmten, den Konzern definierenden, Attributen. Erfüllt eine Gesellschaft diese Merkmale nicht, wird sie nicht im Konzernabschluss abgebildet. Aufgrund etwaiger Nichtabbildungen einiger Gesellschaften im Konzernverbund, könnte ein verzerrtes Bild der VFE-Lage entstehen und so die von IAS 1.15 f. geforderte „Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bilds und Übereinstimmung mit den [restlichen] IFRS“ nicht gewährleistet werden. Das hier entstehende Problem, wird also von bestimmten Beurteilungskriterien determiniert. Gesellschaften, welche in Hinblick auf vorhandene Normen als bilanzneutral (off-balance) kategorisiert und folglich nicht in den Konzernabschluss mit einbezogen werden, stellen teilweise risikobelastete unternehmen dar. Nicht unwesentliche Auswirkungen auf die VFE-Lage des Unternehmensverbunds können die Folge sein. Dieses Problem wurde durch kreative Gesellschaftsformen weiter verschärft. Namentlich zu nennen wäre hier die bilanzneutrale Zweckgesellschaft.
Repräsentatives Beispiel für eine solche Problematik stellt die Insolvenz des US-amerikanischen Energiekonzerns Enron im Jahr 2002 dar. Enron bediente sich einer Vielzahl solcher bilanzneutraler Zweckgesellschaften, um riskante Geschäfte und eine überzahl der Verbindlichkeiten in der Konzernbilanz zu umgehen. Folge war die Ausgliederung vielschichtiger Finanztransaktionen. In diesem Zuge vertuschte das Management von Enron Passiva in Milliardenhöhe und präsentierte zudem überhöhte Gewinne im Konzernabschluss.
Diese rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten führten letztendlich zu einer der bis dahin größten wirtschaftlichen unternehmenszusammenbrüche der amerikanischen Wirtschaftsgeschichte.
Der Skandal ließ das Vertrauen in die externe Rechnungslegung sinken. Anleger und Finanzexperten hielten den Informationsstand einer Konzernbilanz für nicht ausreichend. Es bestand das Bedürfnis einer verbesserten Risikoeinschätzung bezüglicher solcher Finanztransaktionen, um eine realistische Einschätzung der VFE-Lage zu gewährleisten. Dies regte eine Debatte über die hohe Relevanz der Abbildungsregeln in Bezug auf Zweckgesellschaften an. Eine wirtschaftlich korrekte Darstellung der Vermögens-, Finanz-, und Ertragslage eines Konzerns gilt als unerlässliche Voraussetzung für zukünftige Investitionen außenstehender Eigen- sowie Fremdkapitalgeber. Konsens bestand bezüglich der Überarbeitungsbedürftigkeit der internationalen Regelungen, um Bilanzspielräume zu dezimieren.
Bis Ende 2012 bestimmte sich der Konzernabschluss nach den internationalen Rechnungslegungsstandards SIC-12 und IAS 27. Die grundlegende Modifikation dieser Standards brachte deren Neukonzeption, auch bekannt als IFRS 10 und IFRS 12, hervor, welche im Mai 2011 publiziert wurden. Deren verpflichtende Anwendbarkeit sollte sich auf die ab dem 1. Januar 2013 beginnenden Geschäftsjahre erstrecken.4 Allerdings muss die EU-Kommission diese Regelungen erst in den europäischen Geltungsbereich übernehmen. Aufgrund dessen waren die neuen Standards zur Konsolidierung in der EU erst für solche Geschäftsjahre verpflichtend anzuwenden, die ab dem 1. Januar 2014 beginnen. Eine freiwillige Anwendung zu einem früheren Zeitpunkt ist möglich.5 Das Ziel der Überarbeitung bestand u. a. in der Eliminierung bilanzpolitischer Spielräume, welche durch die Kombination von SIC-12 und IAS 27 bzw. durch das uneinheitliche Beherrschungskonzept entstanden sind.
Ungeachtet der oben erwähnten Problematik, handelt es sich bei Zweckgesellschaften in der Regel um Gesellschaftsformen, welche explizit zur Erreichung eines genau fixierten Zwecks instituiert werden. Leasing- oder Asset-Backed-Security-Transaktionen stellen dabei die häufigsten Geschäftstätigkeiten dieser Zweckgesellschaften dar. Dabei resultieren diese Transaktionen u. a. aus der sogenannten Risikodiversifizierung. So können zum Beispiel projektimmanente Risiken und anfängliche Entwicklungskosten ausgelagert sowie Ausfall- oder Zinsänderungsrisiken gemindert werden.
Um dem nachfolgenden Text besser folgen zu können, werden an dieser Stelle vorerst einige wenige Begriffe erklärt. Folgend wird für das potenzielle Mutterunternehmen der Begriff Initiator verwendet. Das potenzielle Tochterunternehmen wird u. a. auch als strukturiertes Unternehmen oder Zweckgesellschaft bezeichnet. Die Begriffe strukturiertes Unternehmen und Zweckgesellschaften werden in der Literatur zum Teil differenziert behandelt. Demnach sei eine Zweckgesellschaft grundsätzlich ein strukturiertes Unternehmen, andersrum jedoch nicht. Im Rahmen dieser Arbeit werden aus Gründen der Verständlichkeit diese Begriffe jedoch als Synonym verwendet.
Für den Begriff der Zweckgesellschaft existiert keine rein betriebswirtschaftliche Definition. Auch in den IFRS-Texten werden Zweckgesellschaften nicht explizit und umfassend definiert. Um dennoch eine Abgrenzung zu schaffen, wird versucht Zweckgesellschaften anhand ihrer gängigsten Charakteristika, also durch ihre am häufigsten vorliegenden Eigenschaften, zu beschreiben.
Da einige dieser Merkmale in SIC-12 festgehalten wurden, lehnt die folgende Beschreibung demnach auch am alten Standard an. In den aktuellen IFRS-Texten findet sich eine Beschreibung von strukturierten Unternehmen in den IFRS 12.B21 f. Danach muss Letzteres vor allem bei der Beurteilung der Beherrschung so konzipiert sein, dass „die Stimmrechte oder vergleichbare Rechte nicht der dominierende Faktor sind“. Handelt es sich um eine durch Stimmrechte kontrollierte Gesellschaft, liegt gem. IFRS 12.B24 kein strukturiertes Unternehmen vor.
Attribute solch strukturierter Unternehmen sind gemäß IFRS 12.B22 „eine beschränkte Tätigkeit, ein enger und genau definierter Zweck, unzureichendes Eigenkapital“ und die finanzierungsbedingte Risikodiversifizierung.
Dabei gilt insbesondere ein enger, genau definierter Zweck als eins der wesentlichen Merkmaler strukturierter Gesellschaften. Es handelt sich hierbei also um eine festgelegte Zweckbestimmung, woraus der gebräuchliche Name der „Zweckgesellschaft“ resultiert. Typischer Geschäftszweck eines strukturierten Unternehmens ist der Erwerb von Aktiva oder die Gewährung von Nutzungsrechten an Aktiva (Leasing) gegenüber der potenziellen Muttergesellschaft (initiator). Die Tätigkeit eines solchen Unterfangens geht jedoch über die bloße Erfüllung eines zwecks hinaus. Es ist durchaus üblich, dass mehrere ziele gleichzeitig verfolgt werden.6
Eine strukturierte Gesellschaft ist in erster Linie durch Fremdkapital finanziert, also nicht durch den Initiator. Letzterer ist gesellschaftsrechtlich bloß mit einer sehr geringen Kapitaleinlage an dem unternehmen beteiligt. Laut Brakensiek zeichnet diese „disproportionale Verteilung“ eine Zweckgesellschaft aus.7 Da sich die Einbeziehung in den Konzernabschluss größtenteils anhand der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung bemisst, verfolgt der Initiator demnach das ziel, durch seine geringe Kapitalbeteiligung die Einbeziehung strukturierter Gesellschaften in den Konzernabschluss zu vermeiden. Das fehlende, für die Gründung jedoch essenzielle Kapital wird somit durch Fremdkapitalgeber bereitgestellt. An dieser Stelle eignen sich zum Beispiel Banken als Fremdkapitalgeber, da diese in der Regel nicht mit dem Konzern verbunden sind, jedoch in dessen Interesse agieren (oder zumindest nicht gegen den verfolgten Zweck handeln).8
Angesichts der gesellschaftlichen Minderbeteiligung ergeben sich auf Seiten des Initiators folglich kaum variable Rückflüsse. Der Initiator erhält jedoch andere wirtschaftliche Vorteile oder auch fixe Renditen, die sich aus der strukturierten Gesellschaft ergeben.
Durch geschäftspolitische Entscheidungen im Gründungszeitpunkt kann sichergestellt werden, dass der Initiator trotz fehlender Stimmrechte seine ursprüngliche Intention der zweckverfolgung durchsetzen kann (was aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Minderbeteiligung nicht möglich wäre). Fallen im Laufe der zeit keine Entscheidungen mehr an, wird auch von einem Autopilotmechanismus gesprochen.9 Vertragliche Vereinbarungen über die Bestimmung der eventuell anfallenden geschäftspolitischen Entscheidungen sind also die gängige Praxis. Dieser Vertrag ist häufig von erheblicher Bedeutung, wenn es darum geht, die Beherrschung zu qualifizieren.
Zu beachten ist, dass die Definition eines strukturierten Unternehmens keine Rechtsform festlegt. Die Wahl der jeweiligen Rechtsform wird von diversen Faktoren bestimmt. Dies können sowohl steuerliche Vorzüge, als auch Vorteile durch eine beschränkte Haftung sein. Auch aufsichtsrechtliche Gesichtspunkte spielen teilweise eine Rolle.10
Diese Vielfältigkeit lässt die Schwierigkeit erkennen, solche Zweckgesellschaften von „regulären“ Unternehmen in der Praxis abzugrenzen, um darauf aufbauend die Konsolidierungspflicht zu bestimmen. Folgend wird im Rahmen dieser Arbeit unter Nutzung des Begriffs Konsolidierung von der Vollkonsolidierung gesprochen.
Zum einen sind Zweckgesellschaften von Bedeutung für die Konzernfinanzierung. Die Außenfinanzierung durch Kredite ist unverzichtbar für die Finanzmittelbeschaffung eines Konzerns. Durch die steigende Anzahl von Kreditausfällen, Unternehmensinsolvenzen und nicht zuletzt die Basel III-Vorschriften (Finanzmarktkrise 2008/09) wird dies jedoch immer schwieriger. Durch erhöhte Sicherheitsvoraussetzungen seitens des Kapitalgebers, entwickeln sich die Bedingungen insgesamt negativ. Für akzeptable Konditionen bedarf man als Kapitalnachfrager sehr guter Ratings. Die zunehmend hohen Ratinganforderungen setzten die Unternehmen unter erhöhten Druck. Klassische Anknüpfungspunkte der Ratingagenturen für die Bewertung eines Unternehmens sind die Gesamtkapitalrendite, die Eigenkapitalquote oder der Verschuldungsgrad. Daher müssen sich Konzerne nach den Interessen der Fremdkapitalgeber richten, um gute Konditionen zu erlangen.
Aus diesem Grund bedienen sich Letztere häufig sogenannter off-Balance-Sheet-Finanzierungen. Diese wiederum können mittels strukturierter Gesellschaften erzielt werden. Durch eine solche Finanzierung ist es möglich, liquide Mittel bilanzneutral zu beschaffen.11 Kerngedanke der Bilanzneutralität ist, negative Einflussfaktoren von der Bilanz zu distanzieren. Ergo nutzt die Off-Balance-Sheet-Finanzierung Ermessensspielräume so aus, dass faktisch stattgefundene Transaktionen nicht in den Jahresabschluss mit einfließen. Das berichterstattende Unternehmen kann so beispielsweise o. g. Konzernkennzahlen beeinflussen bzw. verbessern. Durch die Umschichtung bestimmter Bilanzpositionen oder mittels Auslagerung bzw. den Verkauf von Aktiva an Zweckgesellschaften kann ein positiver Innenfinanzierungseffekt erzielt werden. Dieser Effekt bedingt ein positiveres Rating, was verbesserte Konditionen nach sich zieht.12
Zudem kommt den Zweckgesellschaften eine konzernbilanzpolitische Bedeutung zu. Die IFRS-Texte gewähren dem berichterstattenden Unternehmen kaum Wahlrechte zur Einbeziehung bestimmter Werte in die Abschlussbilanz. Durch diesen Umstand kommt der Sachverhaltsgestaltung durch die Zweckgesellschaft als bilanzneutrales Finanzierungsinstrument eine erhöhte Bedeutung zu.
Eine Möglichkeit besteht beispielsweise darin, fremdfinanzierte Vermögenswerte an eine Zweckgesellschaft auszulagern. Infolgedessen werden diese Vermögenswerte, jedoch auch die den fremdfinanzierten Vermögenswerten zugehörigen Verbindlichkeiten, der Zweckgesellschaft zugeordnet. Aufgrund der Tatsache, dass eine Zweckgesellschaft als bilanzneutrales Finanzierungsmittel dienen soll, wird Letztere im Idealfall gar nicht erst in die Konzernbilanz mit einbezogen. Diese Ausgliederung von Aktiva und Passiva führt zu einer Bilanzverkürzung, welche alle, mit der Bilanzsumme zusammenhängenden, Kennzahlen beeinflusst. Vorrangig zu nennen wären hier die Eigenkapitalquote (Eigenkapital / Gesamtkapital) und der Verschuldungsgrad (Fremdkapital / Eigenkapital). Zusätzlich erzeugt die Ausgliederung bzw. der Verkauf von Aktiva einen Veräußerungsgewinn, welcher einen positiven Effekt auf die Finanzierungs- und Liquiditätskennzahlen ausübt. Durch dieses Resultat kann der Verschuldungsgrad wiederholt positiv beeinflusst werden. Zudem hat dies aber auch einen positiven Einfluss auf den Schuldenabbau und die dadurch erreichbaren besseren Konditionen, welche wiederum für neue Investitionen genutzt werden können.
Darüber hinaus können Vermögensverlagerungen (Umschichtungen) die Aufdeckung stiller Reserven (Differenz zwischen dem Buchwert und dem höheren Vergleichswert ) bewirken. So bedingen Letztere einen Vermögenszuwachs, welcher zu ähnlichen - wie den o. g. - Effekten führt.13 Weiterhin können risikobehaftete Vermögensgegenstände ausgegliedert und so bestimmte Risiken, welche sich negativ auf die Bilanzkennzahlen auswirken würden, verborgen gehalten werden.14 Dies hat im Umkehrschluss einen positiven Effekt auf die im Konzernabschluss ersichtliche VFE-Lage zur Folge. Weiteres Motiv einer „innovativen Bilanzierung“15 stellt beispielsweise eine Zweckgesellschaft dar, welche eigens dafür gegründet wurde, Eigenkapitalemissionen zu erwerben. Die Finanzierung der zweckgesellschaft trägt jedoch allein das Mutterunternehmen. In diesem Fall drehen sich die Finanzmittel „im Kreis“. Dies führt zu einer „künstlichen Aufblähung des Kapitals des Mutterunternehmens ohne eine effektive Steigerung des risikotragenden Kapitals“16, wodurch im Extremfall sogar künstliche Gewinne erzeugt werden können.17
Das folgende Beispiel veranschaulicht das Modell einer Zweckgesellschaft in Form einer Leasingobjektgesellschaft. Diese Leasingobjektgesellschaft ist eine der typischen Formen für die Off-Balance-Sheet-Finanzierung. Es handelt sich hierbei regelmäßig um sogenannte Big-Ticket-Transaktionen. Diese Big-Ticket-Transaktionen sind großvolumige Leasingobjekte, wie beispielsweise Immobilien oder Flugzeuge. Andernfalls würden Aufwand und Nutzen einer zweckgesellschaftsgründung bei zu kleinen Beträgen in keinem angemessenen Verhältnis stehen. Der Leasinggegenstand wird über den gesamten zeitraum der objektgesellschaft rechtlich und wirtschaftlich zugeordnet. Es handelt sich bei dieser Art des Leasings um das sogenannten Operating-Leasing. Dies ist die klassische Form des Leasings (ohne Eigentumsübergang).
Im Bereich des Operating-Leasings hat sich das „sale and lease back-Verfahren“ etabliert. Der - unter anderem auch betriebsnotwendige - Vermögensgegenstand wird an die Leasingobjektgesellschaft verkauft und fortan von dieser geleast. Durch die Veräußerung des Vermögensgegenstands generiert das Mutterunternehmen einen Liquiditätszufluss. Infolgedessen werden zukünftige Leasingraten fällig. übersteigt der Verkaufserlös nun die Summe der zukünftigen monatlichen Kosten, ist das Geschäft für das Mutterunternehmen rentabel. Des Weiteren führt der Verkauf zu einer Bilanzverkürzung. Dies kann, wie bereits beleuchtet, auch weitere Vorteile mit sich bringen, da der großvolumige Vermögensgegenstand nun nicht mehr als Aktivposten in der Bilanz aufgeführt wird.
Die vorliegende Bachelor-Thesis zum Thema „Die Bilanzierung strukturierter Gesellschaften nach IFRS“ wird den Überarbeitungsbedarf der ursprünglich einschlägigen Rechnungslegungsstandards SIC-12 und IAS 27 beschreiben und die Veränderungen in Bezug zu IFRS 10 und IFRS 12 darstellen.
Zu Anfang wurde bereits eine Beschreibung der Zweckgesellschaft vorgestellt. Im weiteren Verlauf wird die ursprüngliche Rechtslage nach SIC-12 und IAS 27 veranschaulicht und anschließend die Neukonzeption nach IFRS 10 und IFRS 12 tiefergehend analysiert. Die Arbeit wird sich schwerpunktmäßig auf das neue Beherrschungskonzept nach IFRS 10 und auf die umfangreicheren Anhangangaben gem. IFRS 12 konzentrieren. Im Anschluss werden die Auswirkungen der Änderungen auf die Praxis untersucht und analysiert. Bei der abschließenden kritischen Würdigung wird insbesondere auch darauf eingegangen, ob die Änderungen sinnvoll waren, die neuen Regelungen zukünftig bilanzpolitische Spielräume verringern und so zu einem höheren Informationsgehalt führen werden.
Das „control-Konzept“ welches aus IAS 27 i. V. m. SIC-12 hervorging, bot Interpretations- und Umsetzungsschwierigkeiten. IAS 27 verpflichtete, soweit die Beherrschungsmöglichkeit (power) der Finanz- und Geschäftspolitik (durch ein übergeordnetes Unternehmen) gegeben war, zur Aufnahme in den Konsolidierungskreis.18 Parallel dazu bestand gem. SIC-12 die Konsolidierungspflicht von Zweckgesellschaften, wenn die Punkte des „risk and reward“-Ansatzes erfüllt waren.19
Die parallele Anwendung beider Standards führte zu einem uneinheitlichen Beherrschungskonzept. Es fehlten eindeutige Leitlinien, wodurch das berichterstattende Unternehmen mit Abgrenzungsschwierigkeiten zu kämpfen hatte.20
In den folgenden Absätzen wird die Rechtslage nach SIC-12 und IAS 27 kurz präsentiert. Das Konzept der „einheitlichen Leitung“, wie es in § 290 Abs. 1 HGB zu finden und anzuwenden ist, existiert in IAS 27 so nicht. Hier resultiert die Verpflichtung zur Aufstellung eines Konzernabschlusses aus dem „control-Konzept“.
Ein Mutterunternehmen liegt vor, wenn es einen beherrschenden Einfluss auf ein anderes Unternehmen (Tochterunternehmen) innehat. Wenn eine Gesellschaft die Möglichkeit besitzt, in eigenem Interesse Einfluss auf die Finanz- und Geschäftspolitik eines anderen Unternehmens auszuüben, dann liegt eine Beherrschung i. S. v. IAS 27 vor. Hierbei reicht die Möglichkeit zur Einflussnahme aus, es muss nicht zur tatsächlichen Ausübung dieser kommen.21
Problematisch wird es bei der Einbeziehung von Zweckgesellschaften. Klärung bedarf es an der Stelle, an der zu beurteilen ist, ob das Mutterunternehmen einen beherrschenden Einfluss auf die Zweckgesellschaft ausübt. Wie zuvor dargestellt, ist die gesellschaftsrechtliche Beteiligung des Mutterunternehmens regelmäßig sehr gering. Somit kann i. d. R. nicht von einer Beteiligung von mehr als 50% ausgegangen werden. Gesonderter Betrachtung bedürfen also die vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Initiator und der der Zweckgesellschaft. Der eigentlichen Gründungsabsicht geschuldet, sind diese Verträge so ausgestaltet, dass eine Konsolidierung nach dem control-Konzept gem. IAS 27 auf der Seite des Initiators (alleiniger Nutznießer) unterbleibt und die Zweckgesellschaft bloß beim Kapitalgeber (Investor) konsolidiert wird. Hier kommt der Standard SIC-12 in Betracht. Dieser sollte diese Lücke füllen. SIC-12.8 sah eine Konsolidierungspflicht gegeben, wenn unter wirtschaftlicher Betrachtung Beherrschung vorlag. Die Kapitalbeteiligung war in diesem Standard von untergeordneter Bedeutung. Beim Autopilot-Mechanismus würde SIC-12 direkt zur Anwendung kommen.22 Gem. SIC-12.10 ist die Zweck- gesellschaft nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu konsolidieren, wenn dem Initiator die Mehrheit des Nutzens (chancen), der Risiken und der Residualansprüche zugerechnet werden können (sog. risk and reward-approach).23
Bei der Einbeziehung der Zweckgesellschaft in den Konzernabschluss kommt es also nicht bloß auf die rechtliche Beziehung beider Unternehmen zueinander, sondern auch auf die Betrachtung der wirtschaftlichen Perspektive an. Ist der Initiator weiterhin Nutznießer und Risikoträger, so ergibt sich nicht der gewünschte Effekt der off-BalanceSheet-Finanzierung. Der im Einzelabschluss noch abbildbare bilanzielle Effekt entfällt im Konzernabschluss wieder. Essenziell ist hier also die Einzelfallbetrachtung des Gesamtbildes der Verhältnisse.24
Noch diffiziler wird es, wenn eine Zweckgesellschaft gegründet wird, um mehreren Unternehmen Nutzen zu generieren. Existieren mehrere Nutznießer, wird von „Multi-Seller- Programmen“25 gesprochen. Durch solch eine Ausgestaltung kann der Bilanzstruktureffekt auch im Konzernabschluss erhalten bleiben. Für eine konkrete Aussage über die Konsolidierungspflicht müsste beispielsweise im Falle einer Leasingobjektgesellschaft jedes Leasingobjekt betrachtet und mit den Maßstäben des SIC-12 beurteilt werden.26 Dadurch kann es vorkommen, dass aufgrund der Vielzahl an Nutznießern nur Teilstücke der Gesellschaft als Konsolidierungsobjekte in Frage kommen (sog. Silo27 ).28
Die oben erwähnten Anreize, eine Zweckgesellschaft zu gründen, zeigen insoweit die Schwachstellen von IAS 27 und SIC-12 auf. Konzerne versuchen ihre Abschlussbilanzen so gut wie möglich darzustellen. Der unternehmerische Wachstumswahn bedingt oftmals den Versuch, mögliche Lücken in Standards oder Gesetzen zu nutzen, um die tatsächliche Finanz-, Vermögens- und Ertragslage künstlich zu verbessern. Unterstützt wird diese Vorgehensweise durch die Kurzsichtigkeit vieler Konzerne.
Enron hatte schlussendlich ca. 2000 offshore-Zweckgesellschaften gegründet, um mit diesen Scheingeschäfte abzuwickeln. Durch diese Manipulation der Abschlüsse konnte Enron Steuern in Milliardenhöhe einsparen und Risiken extrahieren. Der Unternehmensverbund hat es geschafft, Vermögenswerte, Schulden und Risiken in bilanzneutrale Zweckgesellschaften auszugliedern, Erträge jedoch in der eigenen Bilanz zu belassen. Auch das angewandte Bewertungsmodell des Konzerns, zukünftige Erträge zu aktuellen Marktpreisen zu bewerten, trug zu dessen Insolvenz bei. Die Täuschung der Share- und Stakeholder hatte eine hohe überbewertung zur Folge, indem also die reale VFE-Lage unverhältnismäßig positiv dargestellt wurde. Durch Leasingobjektgesellschaften und ABS-Transaktionen wurden die Bilanzkennzahlen so stark verbessert, dass das Rating (Rating Agentur: Arthur Anderson) bestmöglich ausfiel. Das optimale Rating bot dementsprechend günstige Refinanzierungsmöglichkeiten. Die Off-Balance-Sheet-Finanzierung ist grundsätzlich nicht illegal. Enron unterschlug jedoch zudem einige bilanzierungspflichtige Unternehmen. Diese Vertuschung von Zweckgesellschaften führte unter anderem 2001 zur Insolvenz des US-amerikanischen Energiekonzerns, welcher bis dahin als Vorzeigeunternehmen hoch gelobt wurde.29
Solch ein Unternehmenszusammenbruch aufgrund von Bilanzbetrug führt unweigerlich zu Reputationsverlusten aller Beteiligten (Vorstände, Rating-Agenturen, etc.) und angeregten Diskussionen unter Experten in der Presse. Die Forderung nach transparenteren Informationen war die Folge. Die sogenannte Subprime-Krise zog erneut die Aufmerksamkeit auf die bilanzpolitischen Gestaltungsmöglichkeiten und erhöhte das Misstrauen Vieler.30
Die einschlägigen Vorschriften zum Konzernabschluss finden sich an diversen Stellen in den IFRS-Texten. Primäre Standards sind zum einen IFRS 3 und zum anderen IFRS 10. Besonders für die Feststellung des Mutter-Tochter-Verhältnisses ist IFRS 10 grundlegend. Sekundär einschlägige Standards sind zum Beispiel IAS 28 und IFRS 11. IAS 21 beschreibt die Währungsumrechnung und damit ein spezifisches Problem der Konzernrechnungslegung.31 Die Zielsetzung des Standards IFRS 10 „besteht in der Festlegung von Grundsätzen zur Darstellung und Aufstellung von Konzernabschlüssen bei Unternehmen, die ein oder mehrere andere Unternehmen beherrschen“32. Der vorliegende Standard regelt demnach die Konzernabschlusspflicht und den Konsolidierungskreis, sprich „ob“ und „wer“ einen Konzernabschluss aufzustellen hat. Grundsätzlich hat jedes Mutterunternehmen einen Konzernabschluss aufzustellen33.34
Wie jedoch zu Anfang der Arbeit erwähnt, gilt die Konzernabschlusspflicht nicht für jedes Unternehmen nach IFRS. Die Anwendung der IFRS bei deutschen Unternehmen ergibt sich aufgrund der Rechnungslegungshoheit der Einzelstaaten nach dem HGB. Kapitalmarktorientierte Unternehmen sind gemäß Art. 4 der IAS-Verordnung i. V. m. § 315e Abs. 1 & 2 HGB von der Konzernabschlusspflicht gem. IFRS 10 ausgenommen. Gleiches gilt für nicht-kapitalmarktorientierte Gesellschaften, welche das Wahlrecht zum befreiten IFRS-Konzernabschluss gem. § 315e Abs. 3 HGB nutzen. Für diese Unternehmen, welche unter die o. g. Normen fallen, gilt folgendes: Die Konzernabschlusspflicht ergeht aus dem HGB, der Konsolidierungskreis wird durch IFRS 10 bestimmt.35
Die Wichtigkeit der Bestimmung des Konsolidierungskreises geht auf das Wesentlichkeitsprinzip sowie die Kosten-Nutzen-Abwägung (Rahmenkonzept (CF) 29-30 & 44) zurück. Anzumerken ist dabei, dass z. B. aufgrund des Wesentlichkeitsprinzips nicht grundsätzlich alle Unternehmen konsolidiert werden.36
Durch die Kritik am „power to govern-Prinzip“ (gem. IAS 27) und am „risk and rewardapproach“ (gem. SIC-12), war das IASB veranlasst, diese Standards vollständig zu überarbeiten. Ziel dabei war es, ein umfassendes und einheitliches Beherrschungskonzept zu schaffen. Im Jahr 2011 erfolgte die Veröffentlichung zweier neuer Standards: IFRS 10 und IFRS 12. Durch das neue Beherrschungskonzept, welches aus IFRS 10 hervorgeht, wurde das Verhältnis zwischen Mutterunternehmen und Tochterunternehmen neu abgegrenzt (s. IFRS 10.7).37
Bisher galten zwei Konsolidierungskonzepte parallel zueinander (IAs 27 rev.38 2008 i. V. m. SIC-12). Die Einbeziehung „normaler“ Unternehmen bestimmte sich gem. IAS 27 durch das „power“-Kriterium (Entscheidungsmacht). Dieses galt als erfüllt, wenn das übergeordnete Unternehmen die Möglichkeit besaß, die Geschäfts- und Finanzpolitik durch zum Beispiel Stimmrechte (oder äquivalente Rechte wie bspw. Organbesetzungsrechte oder Beherrschungsverträge) zu beeinflussen. Zweckgesellschaften wurden jedoch gem. SIC-12 auf Seite des Initiators voll konsolidiert, wenn dieser die Mehrheit der Chancen und Risiken trug (risk and reward-approach).
Durch das „Konsolidierungspaket“39 wurde ein einheitliches Beherrschungskonzept erarbeitet, welches das Vorliegen eines Mutter-Tochter-Verhältnisses erfolgsorientiert durch drei Kriterien mit zwei wesentlichen Kernelementen definiert (s. IFRS 10.7):
- power (Entscheidungsmacht)
- variable returns (variable Rückflüsse - Kriterium der Ergebnisvariabilität)
- linked between power and variable returns (Entscheidungsmacht wird eingesetzt, um die Höhe der Rückflüsse zu beeinflussen)
Dieses Konzept ist fortan sowohl auf „normale“ Gesellschaften als auch auf strukturierte Gesellschaften gleichermaßen anwendbar. Es existieren zwar keine konzeptionellen Unterschiede mehr, dennoch sind praktische Differenzen gegeben. Das bedeutet, dass die Abgrenzung der Zweckgesellschaften genauer zu untersuchen ist, als bei den normalen Unternehmen.
Bei Letzteren werden die relevanten Tätigkeiten meist über Stimmrechte (oder ähnliche Rechte) bestimmt. In der englischen Literatur findet sich hierzu den Begriff „ voting interest entities“. Durch die Stimmrechte wird von einer gewissen Kapitalbeteiligung ausgegangen, welche variable Rückflüsse generiert. Letztere können wiederum durch die Stimmrechte beeinflusst werden. Somit ist durch eine eindeutige Stimmrechtsmehrheit die Kontrollfrage in der Regel geklärt und bedarf keiner weiteren Untersuchung. Üblicherweise werden bei Zweckgesellschaften (bspw. in Form von Leasinggesellschaften oder ABS-Gesellschaften) im oder vor dem Zeitpunkt der Gründung alle relevanten Tätigkeiten durch gesellschaftsrechtliche Verträge bestimmt. Die Aktivitäten der Gesellschafter (Exekutivorgane) erfolgt demnach bloß auf administrativer Ebene, z. B. Feststellung des Jahresabschlusses. Diese Gesellschaften werden in der englischen Literatur meist als „non-voting interest entities“ benannt. In dem Fall kommt den Stimmrechten also keine große Bedeutung zu. Vielmehr begründet sich die Entscheidungsgewalt über die Festlegung von Struktur und Zweck, spezielle Risiken oder der Verteilung von Chancen und Risiken. Ist der Initiator also stark in Chancen und Risiken involviert, gibt dies Rückschlüsse über dessen hohe Entscheidungsmacht beim Gründungsvertrag. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Verträge so ausgestaltet sind, dass der Initiator einen gewissen Nutzen aus der Zweckgesellschaft zieht.40 41
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
IFRS 10 definiert in Paragraph 4 den Anwendungsbereich des Standards. Für bestimmte Unternehmen gelten demnach Ausnahmen, wodurch sie die Regelungen des IFRS 10 nicht anwenden müssen.
Ein Unternehmen, welches selbst ein hundertprozentiges Tochterunternehmen ist, muss die Regelungen des IFRS 10 nicht anwenden, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: Zuerst darf der Alleingesellschafter bzw. alle Minderheitsgesellschafter des Mutterunternehmens keinen Widerspruch gegen die Befreiung einlegen. Daneben muss ein übergeordnetes Mutterunternehmen einen Konzernabschluss aufstellen und veröffentlichen. Weiterhin nimmt Letzteres keinen Kapitalmarkt in Anspruch und befindet sich auch nicht in der Vorbereitung zur Inanspruchnahme eines solchen (Vgl. IFRS 10.4 (a)).42 Auch eine Gesellschaft, welche ein Plan für „Leistungen nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses oder andere langfristige Versorgungpläne für Arbeitnehmer“ nach IAS 19 ist, braucht gem. IFRS 10.4A keinen Konzernabschluss aufzustellen.43 Darüber hinaus braucht eine Investmentgesellschaft, sofern sie all ihre Tochterunternehmen ergebniswirksam zum beizulegenden Zeitwert bewertet (IFRS 10.4B), keinen Konzernabschluss aufzustellen.44 Investmentgesellschaften erhalten gesonderte Regelungen in den §§ 31 ff., welche die Konsolidierung für solche Unternehmen normiert.
Bevor auf das einheitliche Beherrschungskonzept vertieft eingegangen wird, werden an dieser Stelle vorab einige Begriffe erklärt. Die wichtigsten der in IFRS 10 benutzten Begriffe sind in dessen Anhang A definiert.
Eine Unternehmensverbindung (Konzern) besteht aus einem Mutterunternehmen und seinen Tochterunternehmen. Das heißt, es handelt sich dabei um mindestens zwei rechtlich selbstständige Gesellschaften, bei denen das eine Unternehmen Einfluss auf ein Anderes besitzt.
Außerdem nutzt der Standard den Begriff „investor“ für das berichterstattende Unternehmen und „investee“ für das (potenziell) beherrschte Unternehmen. Vor allem der Begriff Investor ist irreführend, da bei einer Zweckgesellschaft keine eigentliche Investitionsabsicht und auch kaum Kapitalbeteiligung seitens des Investors besteht. Alternativ bestehen diesbezüglich Begriffe wie „potenzielles Mutterunternehmen“(parent) und „potenzielles Tochterunternehmen“(subsidiary). An dieser Stelle kann jedoch noch nicht direkt von einem Beherrschungsverhältnis ausgegangen werden.45
Aus diesem Grund werden die bisherigen Begrifflichkeiten fortgeführt. D. h. das potenzielle Mutterunternehmen ist der Initiator; das Unternehmen, welches die Zweckgesellschaft hauptsächlich mit Kapital ausstattet, der Investor beziehungsweise Kapitalgeber. Das potenzielle Tochterunternehmen wird weiterhin als strukturiertes Unternehmen bzw. Zweckgesellschaft bezeichnet.
(1) Durch Stimmrechte (voting interest entities)
Im Fall von vielfältig agierenden Unternehmen, lassen sich die relevanten Tätigkeiten oft nur über Stimmrechte oder über äquivalente Rechte, wie Beherrschungsverträge, beeinflussen. Der Einfluss durch Stimmrechte muss aber nicht zwingend durch die formale Mehrheit (>50%) dieser entstehen, sondern kann auch aus Beherrschungsverträgen, Stimmrechtsbindungen, potenzielle Stimmrechte oder aus einer Präsenzmehrheit resul- tieren.46 47
[...]
1 Vgl. Pellens, Bernhard/Fülbier, Rolf U./Gassen, Joachim/Sellhorn, Thorsten, Internationale Rechnungslegung, S. 131.
2 Vgl. Lüdenbach, Norbert/Hoffmann, Wolf-Dieter/Freiberg, Jens, IFRS-Kommentar, 15. Aufl., § 32, Rz. 90.
3 Vgl. Pellens, Bernhard/Fülbier, Rolf U./Gassen, Joachim/Sellhorn, Thorsten, Internationale Rechnungslegung, S. 106 und 112 f.
4 Vgl. Martens, Stephan/Oldewurtel, Christoph/Kümpel, Katharina, Neuerungen der Konzernrechnungslegung nach IFRS 10 und IFRS 12, S. 41.
5 Vgl. Heuser, Paul J./Theile, Carsten/Pawelzik, Kai Udo, IFRS Handbuch, 5. Aufl., Rz. 5009; Vgl. Driesch, Dirk/Riese, Joachim/Schlüter, Jörg/Senger, Thomas, Beck’sches IFRS-Handbuch, § 32, Rz. 80.
6 Vgl. Schruff, Wienand/Rotheburger, Manuel, Zur Konsolidierung von Special Purpose Entities, S. 756; Vgl. Kustner, Clemens, Special Purpose Entities, S. 308.
7 Vgl. Brakensiek, Sonja, Bilanzneutrale Finanzierungsinstrumente in der internationalen und nationalen Rechnungslegung, S. 345 (sowie wörtliches Zitat).
8 Vgl. Brakensiek, Sonja/Küting, Karlheinz, Special Purpose Entities in der US-amerikanischen Rechnungslegung , S. 210.
9 Vgl. Heuser, Paul J./Theile, Carsten/Pawelzik, Kai Udo, IFRS Handbuch, 5. Aufl., Tz. 5054; Vgl. Schruff, Wienand/Rotheburger, Manuel, Zur Konsolidierung von Special Purpose Entities, S. 756.
10 Vgl. Mojadadr, Mana/Küting, Karlheinz/Weber, Claus-Peter/Kussmaul, Heinz, Zweckgesellschaften im Konzernabschluss nach HGB und IFRS, S. 24-27.
11 Vgl. Mojadadr, Mana/Küting, Karlheinz/Weber, Claus-Peter/Kussmaul, Heinz, Zweckgesellschaften im Konzernabschluss nach HGB und IFRS, S. 30 f.
12 Vgl. Mojadadr, Mana/Küting, Karlheinz/Weber, Claus-Peter/Kussmaul, Heinz, Zweckgesellschaften im Konzernabschluss nach HGB und IFRS, S. 31 f.
13 Vgl. Grünberger, David, IFRS 2013, S. 341 f.; Vgl. Mojadadr, Mana/Küting, Karlheinz/Weber, Claus-Peter/Kussmaul, Heinz, Zweckgesellschaften im Konzernabschluss nach HGB und IFRS, S. 32-34.
14 Vgl. Mojadadr, Mana/Küting, Karlheinz/Weber, Claus-Peter/Kussmaul, Heinz, Zweckgesellschaften im Konzernabschluss nach HGB und IFRS, S. 34.
15 Vgl. Grünberger, David, IFRS 2013, S. 341.
16 Vgl. Grünberger, David, IFRS 2013, S. 342., sowie auch wörtliche Zitate.
17 Vgl. Grünberger, David, IFRS 2013, S. 341-342; Vgl. Mojadadr, Mana/Küting, Karlheinz/Weber, Claus-Peter/Kussmaul, Heinz, Zweckgesellschaften im Konzernabschluss nach HGB und IFRS, S. 38.
18 Vgl. Heuser, Paul J./Theile, Carsten/Pawelzik, Kai Udo, IFRS Handbuch, 3.Aufl., Tz. 3015-3020.
19 Vgl. Heuser, Paul J./Theile, Carsten/Pawelzik, Kai Udo, IFRS Handbuch, 3.Aufl., Tz. 3026-3028.
20 Vgl. Aschfalk-Evertz, Agnes, Strukturierte Unternehmen nach IFRS 10 und 12, S. 343.
21 Vgl. Heuser, Paul J./Theile, Carsten/Pawelzik, Kai Udo, IFRS Handbuch, 3.Aufl., Tz. 3015-3017.
22 Vgl. Aschfalk-Evertz, Agnes, Strukturierte Unternehmen nach IFRS 10 und 12, S. 343-345.
23 Vgl. Heuser, Paul J./Theile, Carsten/Pawelzik, Kai Udo, IFRS Handbuch, 3.Aufl., Tz. 3025-3026.
24 Vgl. Heuser, Paul J./Theile, Carsten/Pawelzik, Kai Udo, IFRS Handbuch, 3.Aufl., Tz. 3027-3028.
25 Heuser, Paul J./Theile, Carsten/Pawelzik, Kai Udo, IFRS Handbuch, 3.Aufl., Tz. 3029.
26 Vgl. Heuser, Paul J./Theile, Carsten/Pawelzik, Kai Udo, IFRS Handbuch, 3.Aufl., Tz. 3029.
27 Vgl. Lüdenbach, Norbert/Hoffmann, Wolf-Dieter/Freiberg, Jens, IFRS-Kommentar, 15. Aufl., § 32, Rz. 10.
28 Vgl. Heuser, Paul J./Theile, Carsten/Pawelzik, Kai Udo, IFRS Handbuch, 3.Aufl., Tz. 3029.
29 Vgl. Peemöller, Volker/Hoffmann, Stefan, Bilanzskandale, S. 29.
30 Vgl. Heuser, Paul J./Theile, Carsten/Pawelzik, Kai Udo, IFRS Handbuch, 5. Aufl., Rz. 5008.
31 Vgl. Lüdenbach, Norbert/Hoffmann, Wolf-Dieter/Freiberg, Jens, IFRS-Kommentar, 15. Aufl., § 32, Rz. 1-2.
32 Zitat: IFRS 10.1.
33 Die von der Abschlusserstellungspflicht ausgenommenen Unternehmen werden IFRS 10.4 aufgezählt.
34 Vgl. Grünberger, David, IFRS 2013, S. 340; Vgl. Lüdenbach, Norbert/Hoffmann, Wolf-Dieter/Freiberg, Jens, IFRS-Kommentar, 15. Aufl., § 32, Rz. 5.
35 Vgl. Lüdenbach, Norbert/Hoffmann, Wolf-Dieter/Freiberg, Jens, IFRS-Kommentar, 15. Aufl., § 32, Rz. 5, 90.
36 Vgl. Grünberger, David, IFRS 2013, S. 341.
37 Vgl. Bohl, Werner/Riese, Joachim/Schlüter, Jörg, Beck’sches IFRS-Handbuch, 4. Aufl., S. 1307 f.
38 rev. = revised (dt. überarbeitet).
39 Das Konsolidierungspaket besteht aus IFRS 10, 11, 12 und der Neufassung (2011) von IAS 27 und IAS 28; Vgl. Bohl, Werner/Riese, Joachim/Schlüter, Jörg, Beck’sches IFRS-Handbuch, 4. Aufl., S. 1297.
40 Vgl. Bohl, Werner/Riese, Joachim/Schlüter, Jörg, Beck’sches IFRS-Handbuch, 4. Aufl., S. 1308 f.; Vgl. Lüdenbach, Norbert/Hoffmann, Wolf-Dieter/Freiberg, Jens, IFRS-Kommentar, 15. Aufl., § 32, Rz. 7.
41 Vgl. Lüdenbach, Norbert/Hoffmann, Wolf-Dieter/Freiberg, Jens, IFRS-Kommentar, 15. Aufl., § 32, Rz. 8.
42 Vgl. KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, IFRS visuell, S. 180.
43 Vgl. KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, IFRS visuell, S. 180.
44 Vgl. KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, IFRS visuell, S. 180.
45 Vgl. Bohl, Werner/Riese, Joachim/Schlüter, Jörg, Beck’sches IFRS-Handbuch, 4. Aufl., S. 1307 f.
46 Vgl. Lüdenbach, Norbert/Hoffmann, Wolf-Dieter/Freiberg, Jens, IFRS-Kommentar, 15. Aufl., § 32, Rz. 7, 21.
47 Vgl. Driesch, Dirk/Riese, Joachim/Schlüter, Jörg/Senger, Thomas, Beck’sches IFRS-Handbuch, 5. Aufl., § 30, Rz. 18-20.
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