Bachelorarbeit, 2018
57 Seiten, Note: 5
I Einleitung
II Vorabend der Revolution
1. Kreolen und Europaspanier
2. Die Bourbonischen Reformen
3. Protoaufstände
4. Revolutionen im transatlantischen Kontext
5. Invasion Buenos Aires
6. Invasion Napoleons und Junta-Bildungen
III Die Erste Phase der Unabhängigkeitskriege (1810-1816)
1. Der Beginn der Unabhängigkeitskriege
2. Spannungen mit dem Mutterland
3. Unabhängigkeitsversuche Quitos
4. Die kurzlebige Erste Republik Venezuelas 1810-1812
5. Die Gründe für das Scheitern
6. «La Guerra a Muerte»
7. Der Zusammenbruch der zweiten Republik
8. Die Restauration der spanischen Herrschaft
IV Die Zweite Phase der Unabhängigkeitskriege (1816-1826)
1. Der Brief aus Jamaica
2. Der Kongress von Angostura
3. Die Befreiung Neu-Granadas
4. Die liberale Revolution in Spanien 1820-1823
5. Die Befreiung Venezuelas
6. Die Republik Gross-Kolumbien
7. Die Befreiung Ecuadors
8. «El Protector» und «El Libertador»
9. Die schwierige Befreiung Perus
10. Die Befreiung Hoch-Perus
11. Panamakongress und die Eigenständigkeit Peru und Boliviens
12. Die Auflösung Grosskolumbiens
Fazit
Bibliographie
Anhänge I: Karte
Abbildungsverzeichnis
Mit dem Fall der letzten royalistischen Hochburg in Hoch-Peru endete die dreihundertjährige spanische Kolonialherrschaft auf dem südamerikanischen Kontinent. Mit der Ausnahme von Puerto Rico und Kuba, welche sich ähnlich wie Haiti erst achtzig Jahre später emanzipierten,1 war das spanische Kolonialreich zusammengebrochen. Die Soldaten und Armeen, die bei der Schlacht von Ayacucho die letzten Reste der königlichen Truppen niederschlugen, kämpften unter dem Oberbefehl Simon Bolivars. Unter seiner Führung fanden die sogenannten BolivarStaaten Venezuela, Kolumbien, Ecuador, Peru und Bolivien in die Unabhängigkeit. Der Weg bis zur Schlacht von Ayacucho 1825 war lang gewesen. 15 blutige Jahre dauerte die Unabhängigkeitskampagne von Simon Bolivar, anders als die La-Plata-Staaten, die bereits mit der Mai-Revolution 1810 ihre Unabhängigkeit besiegelten.
Mexiko hatte 1810 zum ersten Mal Wahlen abgehalten und so Tür und Tor zur Freiheit geöffnet.2 Zur Ruhe gelangte es erst nach einer gewaltigen sozialrevolutionären Bewegung unter der Federführung Hidalgos mit einem Kompromiss zwischen der kreolischen Oberschicht und den dort residierenden Europaspaniem, welches in die Unabhängigkeit mit Iturbide als ersten Kaiser mündete.3 Brasiliens Unabhängigkeit erfolgte ebenfalls durch eine Kaiserreichsgründung, welche aber durch das geflohene portugiesische Königshaus erwirkt wurde. Die Unabhängigkeitsbewegung der Bolivar-Staaten übertraf in ihrer kriegerischen Intensität gegen die royalistischen Truppen und im zeitlichen Umfang diejenige der La-Plata Regionen und Neuspaniens. In Vernichtungskriegen wie der «Guerra a Muerte» bekämpften sich Royalisten und Patrioten später gnadenlos. Nach dem Sieg der Kreolen über die royalistischen Truppen brachen die gewaltigen sozialen und politischen Probleme der gerade frisch unabhängig gewordenen Staaten richtig aus, welche unter dem Druck der Unabhängigkeitskriege zurückgehalten wurden. Konsolidierungsprobleme und anarchische Strömungen bildeten ein stetes Merkmal der werdenden Staaten.
Wieso brachen die Unabhängigkeitskriege los und was waren die Motive der Kreolen? Wie war der Verlauf der Unabhängigkeitskriege und mit welchen Problemen der Konsolidierung sahen sich die frisch gegründeten lateinamerikanischen Staaten konfrontiert? Wieso spricht man im Falle Lateinamerikas von einer «unvollendeten Revolution?»
Die Revolution ist ein emotional aufgeladenes Thema und findet in der Tagespolitik vieler lateinamerikanischer Staaten Eingang, allen voran Venezuela. Die Glorifizierung der Heldenmythen verhinderte lange Zeit eine kritische Beleuchtung der Unabhängigkeitskriege. Bis in die 1950er Jahre dominierte das Bild der guten «weissen» Kreolen gegen die «bösen» Spanier. Das ziemlich heterogene Volk nahm eine Statistenrolle ein und gelang unter Führung der Libertadores zu ihrer Freiheit. In den 1960er Jahren erhielt die Historiographie der Lateinamerikaforschung frischen Wind. Es befragte erstmals, was genau die Motive und Ziele der einzelnen Bevölkerungsgruppen waren und welche Zielsetzungen die Anführer hatten. Sozialwissenschaftliche Theorien wie die Dependenztheorie gaben hierfür den wissenschaftlichen Stimulus. Die Heterogenität der Unabhängigkeitsprozesse trat immer mehr in den Vordergrund. Die Fragen nach den grossen Strukturen dominierten bis in die 1980er Jahre. In den 1990er Jahren im Zuge der Demokratisierungswellen traten die Geschichten und Motive der kleinen und nichtprivilegierten Schichten in den Vordergrund. Das Leben der «Anderen» Mestizen, Indios, armen Kreolen und dasjenige der Sklaven bildete den Gegenstand derForschung.4
Die neuste revisionistische Geschichtsschreibung stellt sogar insgesamt die zentrale Vorstellung eines revolutionären Neuanfangs infrage. 1985 formulierte George Reid Andrews die grundsätzliche Frage des Revolutionsbegriffs: «Wie konnte es sein, dass Gewalt von solcher Dauer und solchen Ausmassen, die eine bedeutsame Mobilisierung der Bevölkerung hervorrief... keine grösseren Auswirkungen auf die sozialen und wirtschaftlichen Strukturen der Region hatte? Kurz, warum misslang es den Unabhängigkeitskämpfen, die so oft als Revolution bezeichnet werden, etwas hervorzubringen, das auch nur entfernt einer echten sozialen Revolution nahegekommen wäre?» In diesem Zusammenhang stellt die moderne Geschichtsschreibung sich die Frage, ob überhaupt noch von einer Revolution gesprochen werden kann bzw. ob der Begriff einer «unvollendeten Revolution» der historischen Realität näher käme.5
In jüngster Zeit rückten die Ereignisse in Lateinamerika vor allem in Zuge der globalhistorischen Ansätze und transatlantischen Verflechtungstheorien stärker ins Zentrum.
Schon Thomas Jefferson schrieb während der Haitianischen Revolution von einem «revolutionärem Sturm», der über den Erdball fegte. Mit den Werken von Eric Hobsbawm und Jürgen Osterhammel gerieten transatlantische Verknüpfungspunkte in den Vordergrund6, wie beispielsweise die Voraussetzungen der Französischen Revolution, die mit der Vergrösserung und Modernisierung der produzierten Nahrungsmenge und Produktionsmitteln in den französischen Kolonien erfolgen konnte, die die Vermehrung ärmerer Bevölkerungsschicht bei gleichzeitig bleibenden und sinkenden Löhnen und steigenden Preisen erlaubte. Das gleiche Muster spielte sich in Südamerika ab. Grössere und effektivere Produktionsstätten in Südamerika hatten Auswirkungen auf die Geschehnisse in Europa, deren Folgen wiederum auf den lateinamerikanischen Kontinenten abfärbten. Solche politischen und wirtschaftlichen transatlantischen Vernetzungspunkte lösten die Unabhängigkeitsprozesse aus.7
In den Köpfen der federführenden kreolischen Führerschaft hatte der Unabhängigkeitsgedanke immer stärkere Formen angenommen, bevor er mit der Inthronisierung Ferdinands VII und der reaktionären Kolonialpolitik erfolgreich umgesetzt wurde. Angefangen hatten erste Autonomiebestrebungen bereits Jahrzehnte zuvor. Mit der Durchführung der Bourbonischen Reformen Mitte 18. Jahrhundert, welche das koloniale Machgefüge zwischen Europaspaniem und Kreolen zugunsten der Europaspanier verschoben, beschleunigten die königlichen Reformer den Entfremdungsprozess. Im Spiegel der Unabhängigkeitskriege der Vereinigten Staaten von Amerika gegen die Engländer, der Französischen Revolution und der Haitianischen Revolution, von dessen Republiksverständnis sich aber die Kreolen scharf abgrenzten,8 nahmen die Unabhängigkeitsgedanken in den Köpfen der federführenden Kreolengruppen konkrete Formen an. Jene lieferten der Führerschaft der Revolution die Vorlage dafür, welchem Bild eine Unabhängigkeit Lateinamerikas entsprechen sollte und welchem nicht. Der Funke der Revolution entzündete sich letztendlich an der Frage der Ämterverteilung, in der die Krone Europaspanier bevorzugte.
Drei Jahrhunderte lang verlief die Kompromissherrschaft zwischen Kreolen und dem spanischen Mutterland ziemlich gleichsam. Die Kreolen erwarben umfangreiche Plantagen und liessen die Felder durch die indianischen Arbeitskräfte und durch die später eingeschifften Negersklaven bearbeiten.9 So stiegen kreolische Familien zu Reichtum und Wohlstand auf. Im Gegenzug besetzten die Europaspanier Schlüsselämter in der Politik, wie das Amt des Intendanten und dasjenige des Vizekönigs. In der Handelslandschaft dominierten ebenfalls die von einem Aufstiegsehrgeiz in der Neuen Welt getriebenen Europaspanier. Die militärische Verteidigung der Kolonien lag in der Hand des Mutterlandes. So formte sich die Oberschicht Lateinamerikas, die sich aus einer grösstenteils kreolischen Plantagenbesitzerelite und einem europaspanisch geprägten Handelsbürgertum zusammensetzte, welche den Europaspaniem letztendlich wichtige Schlüsselämter in Politik und Handel überliess, wie auch das Militär. Diese offensichtliche Benachteiligung der Kreolen bei der Regierungsverwaltung und die Handelsprivilegien gegenüber den Europaspaniern war den Kreolen ein Dorn im Auge und lieferte Boden für eine schleichende Entfremdung vom Mutterland.
Der Entfremdungsprozess verstärkte sich durch die Bourbonischen Reformen. Die zunehmende Wahrnehmung der Spanier als Besatzer und die Verhinderung autonomer Selbstverwaltungsmöglichkeiten brachte der charismatische Simon Bolivar auf einen Punkt: «Wie passive Wesen, beschränkte sich unser Schicksal darauf, gehorsam das Joch zu ertragen, das uns unsere Herren mit Gewalt und Strenge auferlegt hatten. Und was am schlimmsten war: Nur in seltenen Ausnahmefällen hätte es ein Amerikaner zum Vizekönig oder Gobemador gebracht, nur eine Handvoll zu Bischöfen und Erzbischöfen, keiner zum Diplomaten, zu Militärs nur in den unteren Rängen; der kreolische Adel, «ohne echte Privilegien», sei nicht der Rede wert gewesen, Richter und Finanziers suche man vergebens, selbst Kaufleute habe es kaum gegeben. Wer wollte es den Lateinamerikanern verübeln, wenn sie eine Tyrannei dieses Kalibers endlich abschütteln wollten?»10
Grassierende Korruption in der kreolischen Bürokratie, lasche Kontrollen bei Zöllen und Waren und Grenzstreitigkeiten in Lateinamerika sorgten für regelmässige Steuerausfälle bei der Krone und erschwerten die Erfassung des eigentlichen Herrschaftsgebietes. Ausserdem benötigte das Königshaus dringend neue liquide Quellen für die Kriege, die sie im Bündnis mit dem bourbonischen Familienpakt führte.11
Die Bourbonischen Reformen, ein Kind des aufgeklärten Absolutismus, zielten auf eine Vereinheitlichung der kolonialen Herrschaft und die Stärkung der europaspanischen Präsenz in Lateinamerika12. Sie versetzten diesem über Jahrhunderte angewachsenen Gleichgewicht einen radikalen Bruch. Mit ihrer Durchführung zielte das iberische Königshaus darauf ab, die Verwaltung der Kolonien effizienter zu gestalten, die unerhörte Korruption bei den von Kreolen besetzten politischen Ämtern zu beenden, die Bindung des Koloniallandes an Spanien zu festigen, um somit die aufgrund sich ausweitender Kriege dringend benötigten Steuerbeträge zu erhöhen. Neben dem Vizekönigreich Neuspanien und dem Vizekönigreich Peru wurde zwei neue Vizekönigreiche gegründet. Rio de la Plata und Neu-Granada. Das Intendantensystem straffte die administrative Struktur, um die Lücke13 zwischen den Cabildos und dem Vizekönig zu schliessen. Dessen Amt wurde ebenfalls von Europaspaniem bekleidet. Die Entfremdung des kreolischen amerikanischen Selbstbewusstseins vom europäischen Festland erfuhr durch die abwertenden Schriften der europäischen Aufklärer zusätzlichen Schub. So attestierten führende europäische Denker wie der französische Naturphilosoph Louis Leclerc Buffon den amerikanischen Tieren eine genetische Degeneriertheit und der Naturphilosoph Cornelius de Pauw übertrug jene auch auf die dort lebenden Menschen, die durch klimatisch bedingte Widrigkeiten in ihrem Wesen schwächer und kleinlicher seien als die europäischen Artgenossen. Beide Vorstellungen fanden durch den Historiker William Robertson grosse Verbreitung auf dem Festland und schufen den Boden für die allgemeine Meinungsbildung der Amerikas. Solche Betrachtungen und Meinungen trafen den Stolz der Kreolen Nord-und Südamerikas. Mit Verweis auf das Erbe der indianischen Hochkulturen strebten die Kreolen danach, solches Gedankengut zu widerlegen und kreierten ein eigenes Selbstverständnis, welches die späteren Autonomiebestrebungen förderte.14
Unruheherden wie der Communero-Aufstand15 in Neu-Granada und die Tupac-Amaru16 Rebellion entfachten das destabilisierende Potenzial der Reformen und den Protest als Symbol der Unzufriedenheit.17 Es waren Vorzeichen dafür, dass das Kolonialgefüge eine radikale Neuausrichtung erfahren würde. Alle rebellierenden Gruppen und Aufständische bewegten sich aber immer in der Gedankenwelt des monarchischen Kolonialsystems. Die Führer forderten noch nicht die absolute republikanische Unabhängigkeit von Spanien, wie sie später Miranda und Bolivar propagierten. Lediglich sollten die spanischen Autoritäten den Kolonien mehr Freiheiten und Autonomie einräumen, sie von Steuern entlasten und die verhassten Indianertribute abschaffen. Noch hinterfragte die Mehrheit der Kreolen die monarchische Kontrolle nicht. Trotz der bereits bestehenden Entfremdungstendenzen aufgrund der Bourbonischen Reformen lautete die Forderung lediglich mehr Beteiligung an der Selbstverwaltung und ein Rückgang der spanischen Präsenz im Handel und Wirtschaft und eine Liberalisierung des Aussenhandels. Zudem fürchteten die Kreolen das explosive sozialrevolutionäre Potenzial bei den Unterschichten und sahen ihre Privilegien und ihren Status durch Krone ausreichend geschützt.
Die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika lieferte den Kreolen die Blaupause dafür, wie eine erfolgreiche republikanische Unabhängigkeitsbewegung erfolgen könnte.18 Mit der Französischen Revolution drang verstärkt aufkläririsches Gedankengut in die Kolonien ein, jedoch stieg auch der Skrupel im Spiegel der blutigen Jakobinerherrschaft vor einem Aufstand der Pardos19 und einer Pardokratie, die selbst Simon Bolivar fürchtete. In Geheimzirkeln und in von kreolischen Freimaurern gegründeten Bünden diskutierten Träger der Unabhängigkeitsidee die Ideen Rousseaus, Voltaires, Jeremy Benthams und anderer Aufklärer, welche das revolutionäre Gedankengut in Europa genährt haben. Während die Unabhängigkeitskriege der Vereinigten Staaten Vorbildscharakter besassen, dienten die vor allem von den Jakobinern verübten Gräueltaten der Französischen Revolution als abschreckendes Beispiel einer Revolution mit radikal sozialrevolutionären Ansätzen. Im Zuge der Französischen Revolution war die haitianische Unabhängigkeitsbewegung ausgebrochen, die letztendlich mit Vertreibung und Massakern an grossen Teilen der weissen Bevölkerung endete. Beide Revolutionen schürten die Ängste der Kreolen vor einer mestizischen indianischen oder eine von Sklaven geführten Aufstandsrevolte, welche das soziale Machtgefüge der Kreolen kippen und in Demagogie enden würde. Aufgrund dieser Tatsache waren die kreolischen Unabhängigkeitsführer später darum bemüht, die Beteiligung der Pardos unter kreolische Aufsicht zu stellen.20 So waren es die kreolischen Eliten, die den Weg der republikanischen Revolutionsprozesse massgebend zeichneten und lenkten und nicht die Pardos oder andere Unterschichtsgruppen.
Im Zuge der Napoleonischen Kriege waren britische Militärmanöver gegen die Hafenstadt Buenos Aires unternommen worden. 1806 landeten britische Stosstruppen am Ufer des heutigen Uruguay. Nach der Vertreibung des handlungsunfähigen Vizekönige Rafael de Sobremonte übernahm der französisch geborene Santiago de Liniers den Widerstand gegen die Briten. Mithilfe der Bonarenser Milizen gelang der Sieg gegen die technisch hochgerüsteten britischen Truppen. Das erfolgreiche Zurückschlagen der Briten sorgte auf psychologischer Ebene für ein Erstarken des lateinamerikanischen Selbstbewusstseins. Es waren Kreolen, die sich ihrer militärischen Schlagkraft bedienten, um ihr Heimatland zu verteidigen und nicht die um Hilfe gebetenen spanische Krone, die aufgrund der Auflösung des Hofes durch Napoleon und ihres schwindenden Status im europäischen Mächtekonzert an militärischer Schlagkraft eingebüsst und die Verteidigung ihrer Kolonien versäumt hatte. Obwohl die Briten den Kreolen freien Handel und andere wirtschaftliche Sicherheiten versprachen, weigerten sich die Kreolen, die Vorschläge anzunehmen. Dieses Verhalten zeigte, dass für die lateinamerikanischen Unabhängigkeitsführer vor allem politische Faktoren zählten und nicht alleine wirtschaftliche.21
Eine radikale Neuauslegung der Beziehung der Kreolen zu ihrem Mutterland kam mit der Invasion Spaniens durch Napoleon 1807, mit dem Napoleon die Aufrechterhaltung der Kontinentalsperre gegen Grossbritannien beabsichtigte. Napoleon zwang den König Karl IV zur Abdankung und liess seinen Bruder Joseph Bonaparte zum König krönen. Seit drei Jahrhunderten war die Quelle der Legitimität und Machtausübung in Lateinamerika der König von Spanien gewesen. Mit seiner Abdankung und der Instandsetzung eines fremden und vom Volke nicht akzeptierten Herrschers war auf einmal der Boden der Legitimität weggefallen und nach kreolischen Selbstverständnis an das Volk zurückgefallen. Die Königsvakanz bot den Kreolen nun die Möglichkeit autonomer Selbstverwaltungsformen.
In Reaktion auf die Invasion Spaniens, die Abdankung des Königs Karl IV und die Inthronisierung Joseph Bonapartes begannen überall in Spanien sich Juntas zu bilden, die im Namen des rechtmässigen Thronerben Ferdinand VII den Widerstand in Form von Guerillas gegen die Franzosen aufnahmen. Diese Juntas, spontan organisierte Selbstverwaltungseinheiten, bildeten den Kern der spanischen Widerstandsbewegung und lieferten den Kreolen die Vorlage für zahlreiche Gründungen eigener Juntas lateinamerikanischen Schlages. In Spanien bildete sich die Cortes, eine Art Exilregierung der nicht von den Franzosen kontrollierten Gebieten mit parlamentarischen Regierungsstrukturen. Die Cortes-Regierung verabschiedete die Verfassung von Cadiz, welche in ihrem Wesen liberal ausgerichtet war, aber an der Stellung der Kirche, der Monarchie als Herrschaftsform und den Kolonien nicht rüttelte. Den kreolischen Vertretern machte die Verfassung Zugeständnisse in Form von mehr Selbstverwaltungsmöglichkeiten, der Aufhebung lästiger Handelsschranken und Steuerabgaben. Trotz des mässigeren Kurs in der Amerikapolitik der Cortes herrschten immer noch enorme Spannungen zwischen Kreolen und Europa-Spanier, denn in der verhassten Ämterverteilung und der Repräsentation lateinamerikanischer Abgeordneter22 liessen sich die spanischen Cortes-Räte keine Konzessionen abkupfem.
Die Junta von Caracas stellte für die Initiierung der Unabhängigkeitsbewegung ein Hort der Revolution dar. Mit den Junta-Bildungen öffneten sich auch Tür und Tor für Vertreter radikalen Schlages, die die Abspaltung vom monarchischen Mutterland forderten. Die Eliten23 von Neu-Granada waren sich der spanischen Präsenz in Bürokratie, Handel und Militär mehr als überdrüssig. Sie wehrten sich ebenfalls gegen die nach Blutlinienkriterien erfolgten Ämterverteilungen und engagierten sich früh in der Formung der Neugranadinischen Unabhängigkeitsbewegung.24 So schrieb der jesuitische Gelehrte Juan Pablo Viscardo y Güzman25 nach seiner Verbannung über das kreolische Selbstbewusstsein und die spanische Bevormundung: «Für was uns (Kreolen) so grausam in dem man von Union und Gleichheit spricht? Wenn man von Gleichheit und Union spricht wie in der Fabel diejenigen von Tieren, dann hat sich das spanische Königreich den Platz eines Löwen gesichert»26 Lokale Cabildo- und Junta-Organe27 übernahmen in der Zeit der Abwesenheit des spanischen Monarchen die Regierungsverwaltung der eigenen Provinzen in Lateinamerika. Zwar regierte man immer noch im Namen Ferdinands VII, aber die kreolische Führerschaft nutzte die Absenz, um mehr Autonomiezugeständnisse zu bekommen und insbesondere den Aussenhandel zu anderen europäischen Kolonialmächten zu öffnen. Im mittelamerikanischem Raum sorgte die Schrift von Francisco Severo Maldonado «El despertador»28 ebenfalls für Aufbruchsstimmung und für heftige Kritik am spanischen Kolonialsystem.29
Für die folgenden Ereignisse und Entwicklungen lassen sich zwei grosse Etappen unterscheiden. Die erste Etappe umschliesst die Ereignisse von 1810-1815, als die in fast allen Regionen ausgebrochenen Unabhängigkeitsbewegungen erfolgreich unterdrückt wurden und die spanische Herrschaft zumindest formal wiederhergestellt war. In der zweiten Etappe bis Mitte der 1820er Jahre erreichten praktisch alle ehemaligen spanischen Kolonien Südamerikas ihre Unabhängigkeit.
Die lateinamerikanische Unabhängigkeitsbewegung hatte drei zentrale Ausgangspunkte: das Vizekönigreich Neuspanien (Mexiko), im nördlichen Südamerika die Generalkapitanie Venezuela, Teil des Vizekönigreichs Neu-Granada und im südlichen Südamerika die Hauptstadt des Vizekönigreichs Rio de la Plata Buenos Aires. Von Venezuela gelangte die Bewegung über die Anden nach Neu-Granada (Kolumbien) und pflanzte sich bis zur Audiencia von Quito (Ecuador) fort. Von dort bewegte sie sich nach Peru und schliesslich nach HochPeru (Bolivien). Durch die Bewegung in Buenos Aires wurden die anderen Teile des Vizekönigreichs zur Reaktion veranlasst. Der Kampf weitete sich schliesslich auf die Generalkapitanie Chile aus und erreichte schliesslich ebenfalls Peru, wo die beiden Unabhängigkeitsbewegungen aufeinandertrafen. Symbolisch kamen der Venezolaner Simon Bolivar und der Bonarenser José de San Martin in Guayaquil zusammen.30
Francisco de Miranda, Sohn wohlhabender venezolanischer Plantagebesitzer, war seit geraumer Zeit damit beschäftigt, den Funken der Revolution auf dem lateinamerikanischen Kontinent zu entfachen. Als Vorläufer der Unabhängigkeitsbewegung forderte er schon sehr früh die Lossagung von Spanien. Die Zeit für seine ambitionierten Umsturzversuche war aber noch nicht reif. Ausserdem teilte Miranda die gleiche Furcht wie die meisten anderen Kreolen vor einer Massenerhebung der indianischen und Mischlings-Unterschicht nach haitianischem oder französischem Vorbild. Diese Furcht bremste die meisten Vorläufer der Unabhängigkeitsbewegungen wie diejenige des Tupac-Amaru Aufstands, die letztendlich alle an der Furcht der kreolischen Oberschicht vor einem sozialen Erdbeben scheiterten. Aus diesem Grund misslang der erste Umsturzversuch Mirandas, als er mit seinem Expeditionskorps 1806 in Venezuela landete.31
Die Situation in Spanien spitzte sich indessen weiter zu. Der von den Cortes mit exekutiven Vollmachten ausgestattete Regentschaftsrat, der in der Abwesenheit Ferdinands VII, die Regierungsgeschäfte übernahm, liess zwar zahlreiche Gedanken der Aufklärung wie die Menschenrechte, Gleichheitsforderungen und die Herrschaft des Rechts mit der Verfassung von Cadiz in die Kolonialpolitik einfliessen, forderte aber gleichzeitig von den Kolonien die Loyalität zur Krone und die finanzielle Beteiligung am antifranzösischem Widerstand. Dies erregte den Unmut vieler Kreolen. Zudem entfachte die einseitige Ämterpraxis der Krone weiterhin den Zorn vieler Kreolen.
Die erste Stadt, die eine Lancierung der Unabhängigkeit wagte, war die Audiencia von Quito. Sie setzte den Vorsitzenden und Generalkapitän der Audiencia ab und gründete eine erste Regierungsjunta, die noch im Namen des abgesetzten König Ferdinand VII waltete, um die Interessen der Kreolen besser durchsetzen zu können. Die erste Junta genoss zu wenig Unterstützung in der Bevölkerung und musste schliesslich vor den vizeköniglichen Truppen aus der royalistischen Hochburg in Lima kapitulieren. Nach einer blutigen Auseinandersetzung von gefangengenommenen Patrioten arbeiteten schliesslich Bevölkerung und Patrioten zusammen, sich vom spanischen Regentschaftsrat loszusagen. Der Republik von Quito wurde ein Verfassungsentwurf vorgelegt, der allerdings die Rückkehr von Ferdinand VII als Monarchen und damit die Möglichkeit einer konstitutionellen Monarchie offenhielt. Die von der Junta unterhaltenen Truppen waren letztendlich zu schwach, um einem erneuten Sturm der royalistischen Truppen aus Lima standhalten zu können. Da die anderen Provinzen NeuGranadas damit beschäftigt waren, selber Unabhängigkeitserklärungen zu formulieren, konnte Quito nicht mit militärischer Hilfe rechnen. 1812 befand sich die Audiencia wieder unter Gewalt der vizeköniglichen Truppen aus Lima. Der erste Versuch einen eigenen Staat im Gebiet Neu-Granadas zu bilden war gescheitert.32
Mit der sich zunehmend verschlechterten politischen Lage im spanischen Mutterland forderten die Kreolen Venezuelas, die Mantuanos, immer stärker die Bildung einer eigenen Junta in Venezuela. Ihr Ziel war konservativ. Die Mantuanos wollten einerseits Freihandel, und andererseits wollten sie ihren Herrschaftsanspruch im Innern gegenüber anderen sozialen und ethnischen Gruppen sowie gegenüber den anderen Regionen des nur schwach integrierten Generalkapitanats durchsetzen. Das schien mittlerweile besser ohne als mit dem Segen der spanischen Autoritäten möglich.33
Aufgrund der Erosion staatlicher Macht befürchteten die Kreolen, dass soziale Unruhen unter den afroamerikanischen Bevölkerungsteilen ausbrechen könnten. Konnte der Generalkapitän Venezuelas 1809 noch die Gründung einer Junta unterdrücken, so musste er sich dem Druck der Kreolen 1810 beugen. Der Cabildo von Caracas rief die Gründung einer Junta zum Wahrung der Rechte Ferdinands VII (Junta Conservadora de los Derechos de Fernando VII.) aus. Der Generalkapitän, von einer Menschenmenge niedergeschrien, ergab sich schliesslich dem Volkswillen und begab sich mit Intendanten und anderen spanischen Amtsträgem in Exil. Dem Regentschaftsrat in Cadiz sprach manjegliche Autorität ab. Gleichzeitig erhielt man den Eindruck aufrecht, dass die Gründung der Junta letztendlich eine Treuebekundung zum vakanten König Ferdinand VII sei. Die Kreolen sahen in der Gründung einer eigenen Junta nicht einen revolutionären Bruch mit dem Mutterland, sondern vielmehr die Ausübung des natürlichen Rechts der gleichberechtigen Provinz Venezuela, eine eigene Junta zur Vertretung der gemeinsamen venezolanischen Interessen gründen zu dürfen, bis der König zurückkehre. Viele Europaspanier schlossen sich dieser Sichtweise an, entsprach sie doch der in Spanien selbst verbreiteten Absicht, wo im Falle der Abwesenheit eines Monarchen die Souveränität an das Volk zurückfällt.34
Die Frage, an wen konkret nun die Souveränität zurückfallen sollte, lösten die Kreolen pragmatisch. Die Junta setzte sich aus Mitgliedern der Oberschicht von Caracas zusammen, zu der auch Europaspanier zählten. Durch populäre Massnahmen versuchte die Junta eine Massenbasis zu schaffen. Man lockerte Handelsbeschränkungen, schaffte die alcabala35 auf Grundnahrungsmittel, ebenso den Indianertribut und den Handel mit Sklaven ab. Durch die Umwandlung der Audiencia in eine reine Gerichtsinstanz reformierte das Gremium die Verwaltung. Um internationale Unterstützung zu erhalten, entsandte man diplomatische Missionen nach England und in die Vereinigten Staaten, zu denen auch der damals junge Kreole Simon Bolivar zählte. Schliesslich rief die Junta Wahlen zu einem Kongress in ganz Venezuela aus, der im Jahr 1811 zusammentreten sollte. Dies war die Antwort der Junta auf die Aktivitäten der Cortes-Regierung, die ebenfalls in den nicht von französischen Truppen besetzten Gebieten Spaniens zu Wahlen aufrief.36
Die umfangreichen Wahlausrufe waren Massnahmen, um die separatistischen Tendenzen in der Provinz zu begegnen, die sich seit der Gründung der Junta in Caracas zugespitzt hatten. Viele Regionen und Städte Venezuelas waren nämlich keineswegs bereit, den Vorgaben der Kreolen aus Caracas zu folgen. Komplexe regionale und lokale Rivalitäten verhinderten ein gemeinsames Vorgehen. Die Frage der Ethnienangehörigkeit sorgte zusätzlich für Zündstoff und Zersplitterung, sodass sich viele indigene Gemeinschaften gegen die Unabhängigkeit wandten. So hielten ganze Provinzen in Venezuela dem spanischen Regentschaftsrat die Treue. Andere wiederum schlossen sich Caracas an. Hier zeigen sich schon im frühen Stadium der Unabhängigkeitsbewegung Zersplitterungsmerkmale unter den Patrioten, die aufgrund von rassischer und sozialer Herkunft, Lokalität, Region und ideologischer Ausrichtung37 oftmals unterschiedlicheja sogar zuwiderlaufende Interessen zeigten. Dies war ein gewichtiger Grund, wieso die Unabhängigkeitsbildung in Südamerika allgemein so schwerfällig erfolgte und teilweise auch nach der Unabhängigkeit blutige Bürgerkriege nach sich zog. Der spanische Druck auf die Venezolaner nahm zu, da der Regentschaftsrat auf die Befolgung der Anweisungen pochte. Hierzu veranlasste der Regentschaftsrat die Blockierung der Häfen und nahem weitgehende Konzessionen im Freihandel aufgrund der Handelskreise in Cadiz wieder zurück.38
In der Junta von Caracas selber richteten sich auch Stimmen gegen die Junta. Eine Gruppe von radikalen Unabhängigkeitsbefürwortern, die zumeist der städtischen Mittelschicht entstammten, die von aber auch von einigen Mitgliedern der Oberschicht wie durch denjungen Bolivar ergänzt wurde, drückte ihren Unmut gegenüber dem Mutterland mehrfach aus. In der Patriotischen Gesellschaft (Sociedad Patriotica) hatten diese Stimmen eine institutionelle Basis. Auf deren Grundlage engagierten sie sich für die Aufhebung des Einreiseverbots Mirandas, der 1810 wieder in sein Heimatland zurückkehren konnte. Dieser Schritt wurde von vielen Mitgliedern der traditionellen moderat eingestellten kreolischen Oberschicht misstrauisch beäugt, da sie Miranda weiterhin für einen gefährlichen Agitator hielten. Umgehend begann Miranda mit einer intensiven Propaganda mit dem Ziel der endgültigen Loslösung Venezuelas von Spanien.39
Im Jahre 1811 trat ein Kongress zusammen, an dem sich Vertreter von sieben Provinzen beteiligten. Das Anliegen einer republikanischen Unabhängigkeit fand aber kein Gehör. Die Abgeordneten widmeten sich zunächst dem Erhalt der sozialen Ordnung. In einer Erklärung zu den «Rechten des Volkes» (Derechos del Pueblo) teilten sie die Bürgerschaft auch streng nach Besitzkriterien in die zwei Klassen der Wahlberechtigten und der Nichtwahlberechtigten ein, was vor allem die grosse Zahl der afroamerikanischen Bevölkerung betraf wie auch die Pardos miteinschloss. Die Versammlung verabschiedete die Bestimmung im Konsens, denn das primäre Anliegen der Radikalen war der politische Bruch mit Spanien. Sozialrevolutionäre Ansätze fürchteten sie genauso wie der Rest der antirepublikanischen kreolischen Elite. Die Loslösung vom Mutterland erreichten sie schliesslich am 5. Juli 1811, als die von den radikalen Aktivisten eingeschüchterten moderaten Abgeordneten für die Unabhängigkeit einer «amerikanischen Konföderation» der «Vereinigten Provinzen von Venezuela» stimmten und eine entsprechende Erklärung vorbereiteten. Die Unabhängigkeitserklärung umfasste viele historische Aspekte, wie zum Beispiel den Verweis auf die 300-jährige Unterdrückung sowie das natürliche Recht auf Souveränität.40
Mit dieser Basis erarbeitete der Kongress die erste Verfassung Venezuelas und verkündete sie im Jahr 1811. Das Dokument sah ein föderalistisches System mit einer schwachen Exekutive vor. Es orientierte sich im Aufbau stark am Verfassungsmodell der Vereinigten Staaten. Privilegien des Adels und von Korporationen wurden ebenso abgeschafft wie der Sklavenhandel, nicht jedoch die Sklaverei an sich. Im Gegenteil, zur Kontrolle der Sklaven bildeten die Verfassungsväter eine Nationalgarde. Ferner führten sie strenge Gesetzte gegen Landstreicherei ein, die eine Bedrohung für die in den Ebenen der Llanos lebenden Tagelöhner und Viehhüter darstellten. Für die nichtweissen Bevölkerungsteile Venezuelas war die Verfassung ein Affront, der den sozialen Beharrungswillen der weissen Ober- und Mittelschicht ausdrückte.41
[...]
1 Ada Ferrer. Race, Nation, and Revolution, 1868-1898. The University of North Carolina Press. Chapel Hill and London, 1999. S.48.
2 Richard A. Warren. Vagrants and Citizens. Politics and the Masses in Mexico City from Colony to Republic. Scholarly Resources. Wilmington, Delaware, 2001. S.14.
3 Peter Gaurdino. The Time of Liberty. Popular Political Culture in Oaxaca, 1750-1850. Duke University Press. Durham andLondon, 2005. S.122ff.
4 Stefan Rinke. Revolutionen in Lateinamerika. Wege in die Unabhängigkeit. 1760-1830. C.H. Beck. München, 2010. S.14.
5 Stefan Rinke. Revolutionen in Lateinamerika. Wege in die Unabhängigkeit. 1760-1830. C.H. Beck. München, 2010. S.15.
6 Stefan Rinke. Revolutionen in Lateinamerika. Wege in die Unabhängigkeit. 1760-1830. C.H. Beck. München, 2010. S.16.
7 R. R. Palmer. The Age of Democratic Revolution. A Political History of Europa and America, 1760-1800. Princeton University Press. Princeton, New Jersey, 1959. S.442-43.
8 Antonino de Francesco and Manuela Albertone (Ed.). Rethinking the Atlatnic World. Europe and America in the Age ofDemocratic Revolutions. Palgrave Macmillan. Great Britain, 2009. S.289.
9 Stefan Rinke. Revolutionen in Lateinamerika. Wege in die Unabhängigkeit. 1760-1830. C.H. Beck. München, 2010. S. 26.
10 Norbert Rehrmann. Simon Bolivar. Die Lebensgeschichte des Mannes, der Lateinamerika befreite. Verlag Klaus Wagenbach. Berlin, 2009. S. 21.
11 Inge Buisson, Herbert Schottelius. Die Unabhängigkeitsbewegungen in Lateinamerika, 1788-1826. Klett Cotta Verlag. Stuttgart, 1980. S.14.
12 Das Intendantensystem füllte die Lücke, die zwischen dem Vizekönig und den zahlreichen unteren Beamtenstellen klaffte. Das neu geschaffene Amt des Intendanten erfüllte in Lateinamerika die Aufgabe eines Aufsehers. Sie sollten nach den Vorstellungen der Krone Auswüchse der Korruption beseitigen, das Wirtschaftsleben in Einklang mit dem Reformprogramm fördern und gleichzeitig geregelte fiskalische Einnahmen sicherstellen. Das Schwergewicht im Alltag lag zumeist auf Finanzfragen. Neben der Schaffung des Intendantensystems existierten bereits ältere Institutionen wie dasjenige der Audiencias. Der Kompetenzbereich dieser königlichen Appellationsgerichte, die sich in Fragen der Rechtsprechung und der Beratung von hohen Regierungsbeamten engagierten, blieb über die Dauer der Kolonialherrschaft ziemlich gleich. Im Falle der Vakanz des Vizekönigs, übernahmen sie sogar dessen Regierungsgeschäfte. Der einzige Raum an lokaler Selbstverwaltung blieb den Kreolen nur in Form der Ratskollegien der Städte, der «Cabildos» übrig. Jene unterstanden aber auch der Aufsichtskontrolle des Intendanten. Ständeversammlungen oder Städtetage existierten nicht in Lateinamerika, da die Krone ängstlich um die Präventionjeglicher Selbständigkeitstendenzen und damit die Erhaltung der spanischen Herrschaft bemüht war.
13 Inge Buisson, Herbert Schottelius. Die Unabhängigkeitsbewegungen in Lateinamerika, 1788-1826. Klett Cotta Verlag. Stuttgart, 1980. S.14.
14 Hans-JoachimKönig. Kleine GeschichteLateinamerikas. PhilippReclamjun. Stuttgart2009. S. 148.
15 Der Communero-Aufstand in Neu-Granada ist nicht mit dem Communero-Aufstand im La-Plata Gebiet zu verwechseln. Zwar waren beide Aufstände Ausdruck des langsamen Erwachens eines kreolischen Selbstbewusstseins, jedoch lagen sie in ihren konkreten Motiven und in ihrer zeitlichen Dimension auseinander. Der Communero-Aufstand in Rio de la Plata richtete sich gegen die von der Krone geförderten jesuitischen Siedler, welcher deren Auflösung und Vertreibung forderte. Weiter ging es um Steuerreduktionen und die Herabsetzung von Handelsschranken, deren Verkehr vom Hafen in Buenos Aires abhängig war. Der Communero- Aufstand in Neu-Granada war hingegen eine kausale Folge der Bourbonischen Reformen, der sich vor allem gegen die erhöhte Steuerlast richtete und sich gegen die Hierarchisierung zugunsten der Europaspanier wehrte.
16 Die Tupac-Amaru Revolte bildete eine Indigenenbewegung mit stark sozialrevolutionärem Ansatz. Tupac- Amaru war mit dem Namen José Gabriel Condorcanqui auf die Welt gekommen. Als Sohn eines wohlhabenden aber früh verstorbenen Kaziken kam Tupac Amaru auf eine Jesuitenschule, wo er sich durch überdurchschnittliche schulische Leistungen hervortat und seine jesuitischen Lehrer beeindruckte. Als Abkömmling von Mestizen und Indios konnte er von der sozialen Mobilität innerhalb der kreolischen Schicht profitieren und war nicht an das Klassensystem gebunden. Dank seiner umfangreichen Liegenschaften knüpfte er früh den Draht zu anderen Quechua-Gemeinden, was ihm später als Grundlage für seinen Aufstand gegen die Beamten des Vizekönigreichs Peru diente. Mit dem Unterschied zu anderen Protounabhängigkeitsaufständen zeichnete sich der Tupac-Amaru Aufstand durch seine hohe Anzahl von mestizischen und indianischen Aufständischen aus, die gegen das Joch der durch die Bourbonischen Reformen verstärkten Indianertribute auflehnten. Der Name Tupac Amaru ist dem letzten Hochkönig der Inkas entlehnt, den die Spanier durch Vierteilung hinrichten liessen. Dasselbe Hinrichtungsvorgehen wurde beim Hühnen Tupac Amaru II verwendet, der jedoch der enormen Zugkraft der vier Pferde standhielt. Nach erfolgloser Vierteilung wurde er letztendlich enthauptet.
17 Bernhard Giesen. Nationale und kulturelle Identität. Studien zur Entwicklung des kollektiven Bewusstseins in derNeuzeit. Suhrkamp Verlag. Frankfurt amMain, 1991. S.30.
18 Bernard Bailyn. Atlantic History Concept and Contours. Harvard University Press. Cambridge, Massachusetts, 2005. S. 108.
19 In der hoch heterogenen Bevölkerung Lateinamerikas stand der Rassenbegriff “Pardo” für all diejenigen Individuen, die nach strengen Ethnienkriterien weder reine Mestizen (Indianisch-europäisch), noch Mulatten (afrikanisch-europäisch) noch Zambos (afrikanisch-indianisch) waren. Ein Beispiel für eine Pardo-Volksgruppe waren die Lianeros, ein Reiter- und Hirtenvolk, welches die venezolanischen Hochebenen «Llanos» bevölkerte. Aufgrund ihrer militärischen Schlagkraft und Blutrünstigkeit waren die Lianeros gefürchtete Krieger während der Unabhängigkeitskriege.
20 Vgl. Peter Gleichmann, Johan Goudsblom und Hermann Korte. Materialien zu Norbert Elias’ Zivilisationstheorie. Surhkampf taschenbuch Verlag. Frankfrut am Main, 1977. S.328
21 Charles W. Amade, Arthru P. Whitaker and Bailey W. Diffie. Causes of Spanish-American Wars of Independence, in Jouranl oflnter-American Studies. Cambridge University Press. Cambridge, I960. S.128.
22 Bei einer Bevölkerungsverteilung von 16 Millionen in Lateinamerika und 11 Millionen in Spanien räumten die Cortes den Kreolen eine begrenzte Anzahl an Abgeordneten für die Wahl zu den Cortes ein, die in keinem Bezug die demographischen Bevölkerungsverhältnisse widerspiegelte.
23 Es herrschte aber auch reichlich an Diskussionsstoff unter den Eliten. Die Frage um die Unabhängigkeit Cundinamarcas, wo sich das Zentrum der einflussreichstem und angesehensten kreolischen Familien befand wie auch die eine der wichtigsten Schalt-und Waltstellen der spanischen Institutionen auf dem Kontinenten sorgte immer wieder für die gespaltene Meinungen des kreolischen Lagers, ein Verhaltensmerkmal der kreolischen Führerschaft, welches sich durch die gesamte Unabhängigkeitsperiode trug und Simon Bolivar immer wieder an den Rand der Verzweiflung brachte. So weigerten sich die Eliten Cundinamarcas ihre bürokratische Führerrolle aufzugeben wie auch sich von ihrer Cundinamarca Währung zu trennen und der Union der Vereinigten Provinzen Neu-Granadas beizutreten.
24 Victor M. Uribe-Uran. State and Society in Spanish America during the Age of Revolution. Scholarly Resource. Wilmington, Delaware, 2001. S.66.
25 Die Wissenschaft streitet sich darüber, wie massgebend der intellektuelle Einfluss derjesuitischen Beteiligung an der Unabhängigkeitssache war, bildeten die Jesuiten wiederholt Gegenstand für zahlreiche heftige Diskussionen, da sie unter dem Protektorat der Krone standen. Die Jesuiten waren eine wirtschaftlich einflussreiche und mächtige Minderheit in Südamerika und hatten mit ihrem Know-How sehr früh die ersten wirtschaftlichen und intellektuellen Strukturen für die Kolonien geschaffen. Das intellektuelle Engagement für die republikanische Unabhängigkeit gingjedoch nie über Einzelpersonen hinaus.
26 Ruben Vargas Ugarte S.J. La Carta a los Espanoles americanos de Don Juan Pablo Viscardo y Guzman. Compatctus. Lima 1971. S. 118.
27 Ein Cabildo ist eine aus gewählten Vertretern bestehende lokale Versammlung, die in Südamerika vor allem mit Plantagenbesitzem und dem Handelsbürgertum bestückt wurde. In ihm wurden Anliegen der kreolischen Schicht besprochen und auch Pläne zur autonomen Selbstverwaltung geformt. Die Juntas, in ihrem Aufbau ähnlich wie die Cabildos, und Cabildos bildeten die ersten Horte der Unabhängigkeitsbewegung. In ihr fanden zahlreiche Schriften der aufklärerischen Denker Eingang.
28 Mit dem «Grito de Dolores» initiierte der Priester Hidalgo mit seinem Helfer Morelos einen riesigen Masseaufstand gegen die spanische Krone. In diesem riesigen Massenheer, fanden sich Anhänger jeglicher sozialen Schichten. Kreolen, Mestizen und Indios. Sie alle hatten unterschiedliche Forderungen. Während die nicht-privilegierten Schichte sozialrevolutionäre Forderungen stellten, ging es den kreolischen Trägem der Hidalgo-Revolution in erster Linie um die administrative Unabhängigkeit vom spanischen Königshaus, die Absetzung des Vizekönigs von Neuspanien und die Unabhängigkeitserklärung Mexikos. An den Privilegien und der sozialen Stellung wollten sie aber nicht rütteln. So verlor dann der Aufstand auch an Kraft. Die vom Massenheer verübten Massakern spezifisch an Weisse Mitglieder der gegnerischen kreolischen Schicht in den Grossstädten liess viele abgeschreckte Kreolen, die anfangs die Bewegung von Hidalgo und Morelos unterstützten, zu den Spaniern überlaufen. Sie zogen die Ihnen soziale Sicherheit gewährende spanische Abhängigkeit dem blind wütenden Rassenhass der Unterschichten vor. Nach der Niederschlagung des HidalgoAufstandes wurden die Führer hingerichtet. Der Riss mit Spanien erfolgte aber dennoch. Letztendlich nicht so blutig wie in anderen Teilen Lateinamerikas. Man arrangierte sich mit den herrschenden Europaspaniem und fand zu einer pragmatischen Kompromisslösung. Der opportunistische Augistin de Iturbide, der die Niederschlagung des Hidalgo-Aufstandes bewerkstelligte, schuf mit seinem Plan de Iguala ein monarchisches Staatsmodell, nach dem ein Kaiser europäischen Hintergrundes Mexiko regieren sollte. Schliesslich erklärte sich das Kaiserreich Mexiko unabhängig.
29 Francisco Severo Maldonado. El Despertador Americano. Direccion de Publicaciones. Mexico, 2010. S.18-19.
30 Karin Schüller. Einführung in das Studium der iberischen und lateinamerikanischen Geschichte. Aschendorffsche Verlagsbuchhandlung GmbH & Co., Münster, 2000. S. 121.
31 Charles F. Walker. Smoldering Ashes. Cuzco and the Creation of Republican Peru, 1780-1840. Duke University Press. Durham andLondon, 1999. S.16.
32 Hans-Joachim König. Kleine Geschichte Lateinamerikas. Philipp Reclamjun. Stuttgart 2009. S.233.
33 Stefan Rinke. Revolutionen in Lateinamerika. Wege in die Unabhängigkeit. 1760-1830. C.H. Beck. München, 2010. S. 154.
34 Stefan Rinke. Revolutionen in Lateinamerika. Wege in die Unabhängigkeit. 1760-1830. C.H. Beck. München, 2010. S. 154.
35 Die Alcabala war eine Grundnahrungssteuer, die im Rahmen der Bourbonischen Reformen eingeführt worden war.
36 Stefan Rinke. Revolutionen in Lateinamerika. Wege in die Unabhängigkeit. 1760-1830. C.H. Beck. München, 2010. S. 155.
37 Unter den Patrioten gab es zwei grosse Fraktionen. Die Unitaristen, die die Stärkung eines Zentralstaates befürworteten und sich meist nach europäischen Vorbildern der Aufklärung richteten und die Föderalisten, die mehrheitlich von Caudillos, mächtigen und charismatischen Einzelpersonen, durchsetzt war und die Eindämmung der staatlichen Macht befürworteten, um die eigenen parallellstaatlichen Machtprivilegien zu sichern. Dieser ideologische Zwist würde den Kontinenten Jahrzehnte später in Bürgerkriegen beinahe auseinanderreissen.
38 Stefan Rinke. Revolutionen in Lateinamerika. Wege in die Unabhängigkeit. 1760-1830. C.H. Beck. München, 2010. S. 155.
39 Stefan Rinke. Revolutionen in Lateinamerika. Wege in die Unabhängigkeit. 1760-1830. C.H. Beck. München, 2010. S. 156.
40 Stefan Rinke. Revolutionen in Lateinamerika. Wege in die Unabhängigkeit. 1760-1830. C.H. Beck. München, 2010. S. 156.
41 Stefan Rinke. Revolutionen in Lateinamerika. Wege in die Unabhängigkeit. 1760-1830. C.H. Beck. München, 2010. S. 157.
Der GRIN Verlag hat sich seit 1998 auf die Veröffentlichung akademischer eBooks und Bücher spezialisiert. Der GRIN Verlag steht damit als erstes Unternehmen für User Generated Quality Content. Die Verlagsseiten GRIN.com, Hausarbeiten.de und Diplomarbeiten24 bieten für Hochschullehrer, Absolventen und Studenten die ideale Plattform, wissenschaftliche Texte wie Hausarbeiten, Referate, Bachelorarbeiten, Masterarbeiten, Diplomarbeiten, Dissertationen und wissenschaftliche Aufsätze einem breiten Publikum zu präsentieren.
Kostenfreie Veröffentlichung: Hausarbeit, Bachelorarbeit, Diplomarbeit, Dissertation, Masterarbeit, Interpretation oder Referat jetzt veröffentlichen!
Kommentare