Bachelorarbeit, 2019
52 Seiten, Note: 0,9
1 EINLEITUNG UND PROBLEMSTELLUNG
1.1 Einleitung
1.2 Problemstellung
1.3 Wissenschaftliche Frage
2 ZIELSETZUNG
3 GEGENWÄRTIGERKENNTNISSTAND
3.1 Diabetes mellitus
3.1.1 Klassifikation und Beschreibung der einzelnen Diabetes-Typen
3.1.1.1 Typ-l-Diabetes
3.1.1.2 Typ-2-Diabetes
3.1.1.3 Andere spezifische Diabetes-Typen (auch „sekundäre“ Diabetes-Typen)
3.1.1.4 Gestationsdiabetes
3.2 Diabetes mellitus Typ 2
3.2.1 Definition
3.2.2 Diagnose
3.2.3 Pathogenese
3.2.4 Risikofaktoren bei der Entstehung des Diabetes mellitus Typ 2
3.2.5 (Ko-)Morbiditäten
3.2.6 Prävention
3.2.7 Therapie
3.3 Ernährung
3.3.1 Kalorienbedarf undBewertungdes Gesundheitsrisikos
3.3.2 Makronährstoffe
3.3.2.1 Eiweiß
3.3.2.2 Fett
3.3.2.3 Kohlenhydrate
3.3.3 Low Carb und High Carb
4 METHODIK
4.1 Forschungsdesign
4.2 Forschungsdefizit und Forschungsfrage
4.3 Vorgehen bei der Literaturrecherche
4.3.1 Fachdatenbanken, Suchmaschinen und Intemetseiten
4.3.2 Bibliotheken
4.3.3 Suchbegriffe
4.3.4 Angewendete Filter bei der Studiensuche
4.3.5 Ein- und Ausschlusskriterien der Studien
4.3.6 Grafische Darstellung der Literaturrecherche
5 ERGEBNISSE
5.1 Evidenz der eingeschlossenen Studien
5.2 Studienmerkmale
5.3 Auswirkungen auf ausgewählte Parameter
5.3.1 Körpergewicht
5.3.2 Taillenumfang
5.3.3 HbAic
6 DISKUSSION
6.1 Methodendiskussion
6.2 Ergebnisdiskussion
6.3 Schlussfolgerung
7 ZUSAMMENFASSUNG
8 LITERATURVERZEICHNIS
9 ABBILDUNGS-, TABELLEN-, ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
9.1 Abbildungsverzeichnis
9.2 Tabellenverzeichnis
9.3 Abkürzungsverzeichnis
Laut der aktuellen Ausgabe des Diabetes-Atlas, der regelmäßig von der International Diabetes Federation veröffentlicht wird, leiden weltweit ca. 425 Millionen Erwachsene im Alter von 20 bis 79 Jahren an Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit). Dies entspricht einer Prävalenz von 8,8 %. 58 Millionen Diabetes-Erkrankte leben in Europa, 7,5 Millionen in Deutschland. Nach Schätzungen der IDF steigt die Zahl der Diabetes-Erkrankungen bei Erwachsenen bis 2045 weltweit auf 629 Millionen, in Europa auf rund 67 Millionen an. In die oben genannten Zahlen eingeschlossen, ist eine hohe Dunkelziffer nichtdiagnostizierter Fälle. In Europa liegt diese derzeit bei ungefähr 22 Millionen Betroffenen (International Diabetes Federation [IDF], 2017). Ein Grund hierfür - vor allem beim Typ-2-Diabtes - könnte die anfängliche Beschwerdefreiheit dieser Erkrankung sein (Deutsche Diabetes Gesellschaft [DDG], 2013).
Die bei weitem häufigste Form des Diabetes mellitus stellt dabei derzeit der Typ-2-Dia- betes mit über 90 % der gesamten Diabetes-Erkrankungen dar (Robert Koch Institut, 2017). Auch die Zahl dieses Diabetes-Typen wird in Zukunft weiterhin drastisch ansteigen. Dies erklärt sich mit der Zunahme der abdominalen Adipositas, dem modernen Lebensstil, sowie der steigenden Lebenserwartung der heutigen Gesellschaft (Fritsche & Elbelt, 2018,S. 664).
In der Regel manifestiert sich der Typ-2-Diabetes erst jenseits des 40. Lebensjahres, kommt aber auch immer häufiger in denjüngeren Schichten der Bevölkerung der Industrienationen und auch Schwellenländern vor (Danne, Kordonouri & Lange, 2016, S. 1).
Zu den wesentlichen bekannten Risikofaktoren für das Auftreten der Erkrankung zählt neben einer genetischen Disposition und höherem Lebensalter insbesondere die ungünstige westliche Lebensweise. Diese charakterisiert sich u.a. durch Bewegungsmangel sowie Überernährung und ist häufig ursächlich für die Entstehung anderer wichtiger chronischer Krankheiten (Hien, Böhm, Claudi-Böhm, Krämer & Kohlhas, 2013, S. 29).
Obwohl die Früherkennung und Behandlung des Typ-2-Diabetes in den letzten Jahren erheblich verbessert wurde, ist die Erkrankung dennoch nach wie vor mit hohen gesundheitlichen Risiken verbunden. Gefäße und Nerven können geschädigt werden und sich in Folge dessen das Risiko für schwerwiegende Folgeerkrankungen erhöhen. Für die Betroffenen bedeutet dies meist eine Einschränkung der Lebensqualität und -erwartung (Robert Koch Institut, 2017).
Trotz regelmäßiger Aufklärung nimmt vor allem die Diabetes mellitus Typ 2-Erkran- kung kontinuierlich zu. Eine der häufigsten Ursache hierfür ist eine falsche Ernährung bzw. Überernährung.
Obwohl heutzutage Informationen zu einem gesunden Lebensstil und den verschiedenen Ernährungsformen leicht im Internet zu finden sind, besteht bei vielen Betroffenen weiterhin Unkenntnis über die richtige Ernährungsweise bei Diabetes mellitus Typ 2. Ein Grund dafür könnte paradoxerweise die große Anzahl an Studien zu diesem Thema sein. Da Studien meist nicht unter gleichen Rahmbedingungen durchgeführt werden - sei es beispielsweise die Auswahl der Probanden oder die untersuchte Ernährungsweise - ergibt sich ein heterogenes Bild. Dies verunsichert viele Betroffene.
Aus der vorangegangenen Problemstellung wird folgende wissenschaftliche Frage abgeleitet: Welche Ernährungsweise hilft dabei, die Diabetes mellitus Typ 2-Erkrankung zu verbessern?
Das Ziel der Arbeit ist die Darstellung der wissenschaftlichen Erkenntnisse von Low Carb- und High Carb-Ernährung in Bezug auf manifesten Diabetes mellitus Typ 2. Betroffene haben so die Möglichkeit zu erfahren, welche Ernährungsweise ihnen dabei hilft, die Erkrankung zu verbessern.
In diesem Kapitel wird nun näher auf den gegenwärtigen Kenntnisstand zu Diabetes mellitus sowie dem Einfluss der Ernährung eingegangen.
In den folgenden Punkten wird Diabetes mellitus nun klassifiziert und die wesentlichen Punkte der einzelnen Typen zur besseren Unterscheidung aufgeführt.
Die Einteilung der verschiedenen Typen des Diabetes mellitus richtet sich nach den zugrunde liegenden Ursachen (Badenhoop, Ramos-Lopez & Weyrich, 2011, S. 52). Bei allen Diabetesformen liegtjedoch ein Missverhältnis zwischen Insulinsekretion und Insulinwirkung vor (Stumvoll et al., 2010, S. 344). Die von der American Diabetes Association 1997 vorgeschlagene und von der World Health Organisation sowie der Deutschen Diabetes Gesellschaft übernommene Diabetesklassifikation (Scherbaum & Martin, 2006, S. 78) ist nachfolgend, mit wesentlichen Punkten zu den einzelnen Typen, aufgeführt.
Der Typ-l-Diabetes ist eine Autoimmunerkrankung, die meist sehr plötzlich auftritt. Durch Zerstörung der insulinproduzierenden ß-Zellen des Pankreas, besteht ein absoluter Insulinmangel. Die Erkrankung kannjederzeit im Laufe des Lebens auftreten, manifestiert sich aber meist im Kindes- und Jugendalter. Von den derzeit 7,5 Millionen Dia- betes-Erkrankten in Deutschland, handelt es sich bei rund 5-10 % um diesen Typen (Fritsche & Elbelt, 2018, S. 654).
Als Ursache gelten genetische Dispositionen, äußere Faktoren (z.B. verschiedene Virus- infektionen) sowie hormonale Störungen. Charakteristische Symptome der Erkrankung - die meist sehr plötzlich einsetzen - sind (Schmeisl, 2009, S. 4):
- Quälender Durst
- Polyurie (häufiges Wasserlassen)
- Ungewollte Gewichtsabnahme
- Müdigkeit und Abgeschlagenheit
- Verschlechterte Wundheilung
- Wadenkrämpfe
- Sehstörungen
- Azetongeruch in der Ausatemluft
Diese Symptome treten allerdings erst in Erscheinung, wenn ca. 80 % der ß-Zellen zerstört sind (Schmeisl, 2009, S. 3).
Eine Insulintherapie ist bei diesem Diabetes-Typen immer erforderlich und die tägliche Insulinsubstitution aufgrund des absoluten Insulinmangels lebensnotwendig. Dazu muss der Kohlenhydratgehalt der verzehrten Nahrungsmittel abgeschätzt werden, um somit die Insulindosis anpassen zu können (Fritsche & Elbelt, 2018, S. 655).
Der Typ-l-Diabetes wird nicht mit einer besonderen Diät behandelt. Für Erkrankte gelten die gleichen Emährungsempfehlungen wie auch für die Allgemeinheit (siehe Kapitel 3.3) (Fritsche & Elbelt, 2018, S. 657).
Wie in der Einleitung bereits erwähnt, handelt es sich bei den meisten Diabetes-Krankheitsfällen um einen Typ-2-Diabetes. Dabei kann das Leben der Betroffenen durch Begleit- und Folgeerkrankungen in gravierender Weise beeinflusst werden (Robert Koch Institut, 2017).
Da er früher meist erst nach dem 40. Lebensjahr auftrat, wurde er auch als „Altersdiabetes“ bezeichnet. Diese Bezeichnung istjedoch nicht mehr aktuell (Danne, Kordonouri & Lange, 2016, S. 1).
Die Diagnose eines Typ-2-Diabetes ist meist nur ein Zufallsbefund im Rahmen von anderen Erkrankungen (z.B. arterielle Hypertonie). Die auftretenden Symptome sind bei diesem Diabetes-Typen häufig viel unspezifischer oder weniger klar ausgeprägt als bei Erkrankten des Typ-l-Diabetes, weshalb er oft lange Zeit unerkannt bleibt (Breuch, Müller & Oser, 2010, S. 37). Bei älteren Patienten werden außerdem manche DiabetesSymptome auf das fortschreitende Alter bezogen und die Erkrankung aus diesem Grund nicht sofort diagnostiziert (DiabetesinformationsdienstMünchen, 2018).
Symptome, die auf einen Typ-2-Diabetes hinweisen können, sind beispielsweise:
- Müdigkeit, Leistungsschwäche, Antriebsarmut (Diabetesinformationsdienst München, 2018)
- Psychische Veränderungen (z.B. depressive Verstimmungen) (Hien, Böhm, Claudi-Böhm, Krämer & Kohlhas, 2013, S. 42)
- Konzentrationsschwäche und Vergesslichkeit (Diabetesinformationsdienst München, 2018)
- Polyphagie (krankhaft gesteigerter Appetit/krankhaft gesteigerte Nahrungsaufnahme) (Hien, Böhm, Claudi-Böhm, Krämer & Kohlhas, 2013, S. 2)
- Juckreiz (Diabetesinformationsdienst München, 2018)
- Infektionsneigung (Hien, Böhm, Claudi-Böhm, Krämer & Kohlhas, 2013, S. 43)
Andere spezifische Diabetes-Typen bzw. sekundäre Diabetes-Typen werden als Typ-3- Diabetes zusammengefasst. Die Formen unterscheiden sich teilweise diagnostisch und therapeutisch von den beiden oben genannten Diabetes-Typen. Unter die Gruppe der spezifischen Diabetes-Typen fallen (Preisler, 2012, S. 405 f.):
- Genetische Defekte der Betazellfunktion (u.a. Mitochondriale DNA)
- Genetische Defekte der Insulinwirkung (u.a. Leprechaunismus, Rabson-Men- denhall- Syndrom)
- Erkrankungen des exokrinen Pankreas (u.a. Pankreatitis, Trauma/Pankreatekto- mie)
- Endokrinopathien (u.a. Akromegalie, Glukagonom)
- Medikamente und Chemikalien (u.a. Vacor, Pentamidin, Nikotinsäure)
- Infektionen (u.a. Rötelnembryopathie, Zytomegalievirus-Infektion)
- Ungewöhnliche Formen des immunvermittelten Diabetes (u.a. „Stiff-man-Syn- drom“, Anti-Insulinrezeptor-Antikörper-Syndrom)
- Andere genetische Erkrankungen und Syndrome mit Assoziationen zum Diabetes (u.a. Friedreich-Ataxie, Wolfram-Syndrom)
Ebenfalls stellt der Gestationsdiabetes (auch Schwangerschaftsdiabetes genannt) eine Form des Diabetes mellitus dar. Er beschreibt eine erstmals während der Schwangerschaft auftretende oder diagnostizierte Glukosetoleranzstörung und entwickelt sich bei ca. 4-6 % aller Schwangeren (meist in der 24. bis 28. Schwangerschaftswoche). Laut Definition verschwindet der GDM mit dem Ende der Schwangerschaft (Breuch, Müller & Oser, 2010, S. 12).
Eine Feststellung und Behandlung ist hier von großer Bedeutung, da es sonst möglicherweise zu Schädigungen des Kindes im Mutterleib kommen kann. Dazu zählen u.a. erhöhte Frühgeburtenrate, Makrosomie, Entwicklungsverzögerungen und intrauteriner Fruchttod (Hien, Claudi-Böhm & Böhm, 2014, S. 49 f).
Drei Behandlungsmöglichkeiten finden beim GDM Anwendung: gesunde und vollwertige Ernährung, körperliche Betätigung (z.B. Schwimmen, Spaziergänge, Treppensteigen, leichtes Hanteltraining der Arme) sowie medikamentöse Therapie (in der Regel Insulintherapie). Für die Betroffenen besteht nach der Schwangerschaft ein erhöhtes Risiko, innerhalb von 10 Jahren einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln. Dies kann jedoch durch einen guten Lebensstil (gesunde und vollwertige Ernährung, regelmäßige körperliche Aktivität, Vermeidung von Übergewicht) deutlich verringert werden. Bei den Ernährungsempfehlungen gelten für die Betroffenen die gleichen Vorgaben zur gesunden und vollwertigen Ernährung wie auch für die Allgemeinheit (siehe Kapitel 3.3). Ebenfalls sollte bei bestehendem Übergewicht nur eine sehr geringe Gewichtszunahme von wenigen Kilo in der gesamten Schwangerschaft erfolgen bzw. sogar eine moderate Kalorienreduktion angestrebt werden (Körber, Bolz & Briese, 2016, S. 11).
Rund 75 % der an GDM erkrankten Frauen können mit einer Kombination aus Ernährungsberatung bzw. -Umstellung und Bewegung behandelt werden (Derwahl & Lehmann, 2014, S. 210).
Nachfolgend wird Diabetes mellitus Typ 2 definiert, Diagnosekriterien dieses DiabetesTypen aufgezeigt und Pathogenese, Risikofaktoren bei der Entstehung, (Ko-)Morbiditä- ten, Prävention sowie aktuelle Therapie der Erkrankung beschrieben.
Beim Diabetes mellitus Typ 2 handelt es sich um „eine heterogene, multifaktorielle Erkrankung“ (Fritsche & Elbelt, 2018, S. 665). Gekennzeichnet ist sie durch „eine chronische Hyperglykämie infolge einer Insulinresistenz in Verbindung mit einem Insulinsekretionsdefizitunterschiedlichen Ausmaßes“ (Fritsche& Elbelt, 2018, S. 664).
Damit ein Typ-2-Diabetes frühzeitig diagnostiziert werden kann, sollte regelmäßig an Vorsorgeuntersuchungen teilgenommen werden. Besonders wichtig ist dies bei Zutreffen einer oder mehrerer Risikofaktoren aus Tabelle 1. Auch bei Auftreten von DiabetesSymptomen (siehe Kapitel 3.1.1.2) sollte eine Untersuchung stattfmden (DDG, 2013).
Die Diagnose stellt der Arzt anhand von Blutwerten. Dabei werden die Parameter HbAic-Wert, Nüchtemblutglukose, Gelegenheitsblutglukose und oraler Glukosetoleranztest bestimmt (Deutsches Zentrum für Diabetesforschung, 2019a). In den nachfol- genden Abbildungen sind die Werte aufgezeigt, bei denen die Diagnosen „Diabetes“ und „kein Diabetes“ vorliegen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Messwerte, bei denen die Diagnose „Diabetes“ nicht vorliegt (eigene Darstellung; nachLeitlinie der DDG, 2013)
Der klinisch manifeste Diabetes mellitus Typ 2 wird sowohl durch eine Insulinsekretionsstörung als auch durch eine Insulinresistenz der wesentlichen Zielgewebe (Skelettmuskel, Leber und Fettgewebe) charakterisiert (Gallwitz & Schleicher, 2018, S. 162).
Diese beiden Defekte können sich gegenseitig verstärken und führen bei gleichzeitigem Vorliegen, in Wechselwirkung mit Umweltfaktoren (z.B. Adipositas), zur Entstehung des manifesten Diabetes mellitus Typ 2. Erste Hinweise auf eine Insulinresistenz können bereits Jahrzehnte vor der klinischen Manifestation zu finden sein (Kellerer, Henni- ge & Häring, 2006, S. 105). Nach Gallwitz & Schleicher (2018, S. 163) lässt sich eine 10/52 verminderte Insulinsekretion in Risikogruppen ebenfalls schon lange vor Manifestation nachweisen.
Durch die erwähnte Insulinresistenz kommt es zunächst zu einer kompensatorischen Mehrsekretion von Insulin (regulatorische Hyperinsulinämie). Dies erklärt sich mit der Fähigkeit der gesunden ß-Zelle des Pankreas, sich an Änderungen der Insulinwirkung anzupassen (Stumvoll et al., 2010, S. 342). Die Hyperinsulinämie dient so der Normalisierung der sonst erhöhten Blutzuckerwerte (Mehnert & Standl, 2000, S. 256). Im weiteren Verlauf kann diese Hyperinsulinämiejedoch nicht mehr aufrecht erhalten werden, da die ß-Zellen des Pankreas nur über eine begrenzte Synthese- und Sekretionskapazität verfügen. Der Blutglukosespiegel steigt folglich an und der manifeste Diabetes mellitus Typ 2 tritt auf (Hien, Böhm, Claudi-Böhm, Krämer & Kohlhas, 2013, S. 28-30).
Es gibt einige Risikofaktoren, die das Entstehen eines Typ-2-Diabetes und die damit verbundene Insulinresistenz begünstigen können. Diese sind entweder beeinflussbar oder nicht beeinflussbar (Landgraf et al., 2018). Die Risikofaktoren lassen sich aus Tabelle 1 entnehmen.
Tab. 1: Risikofaktorenbei der Entstehung eines Diabetes-Typ-2 (Landgraf et al., 2018)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Auch im Rahmen des metabolischen Syndroms tritt zumeist ein Typ-2-Diabetes auf. Das metabolische Syndrom beschreibt das gemeinsame Vorkommen verschiedener kardiovaskulärer Risikofaktoren wie Dyslipoproteinämie, arterieller Hypertonie und gestörter Glukosetoleranz in Verbindung mit einer viszeralen Adipositas (Fritsche & Elbelt, 2018, S. 661-663).
Oft gehen mit dem Diabetes zahlreiche Erkrankungen einher. Die häufigste Begleiterkrankung des Typ-2-Diabetes ist Hypertonie (Bluthochdruck). Weiterhin zählen hierzu Hyperlipidämie (Fettstoffwechselstörung), Myokardinfarkt (Herzinfarkt) und Apoplex (Schlaganfall). Auch kann eine arterielle Verschlusskrankheit der Beinarterien, diabetische Neuropathie (Nervenkrankheit), diabetische Nephropathie (Nierenkrankheit), diabetische Fußkrankheit, sowie Retinopathie (Erkrankung der Netzhaut) auftreten. In sehr geringem Maße besteht außerdem die Gefahr der Erblindung, Amputation (von Fußteilen oder des gesamten Fußes) und Notwendigkeit einer Dialyse (Nierenersatztherapie) (Breuch, Müller & Oser, 2010, S. 4).
Die Prävention des Diabetes-Typ-2 umfasst die Punkte Umstellung der Ernährung bzw. Vermeidung von Übergewicht und vermehrte körperliche Aktivität.
Bei Übergewicht gilt es deshalb eine Gewichtsabnahme anzustreben (idealerweise bis zu einem Body-Mass-Index < 25,0 kg/m2). Ist diese erreicht, geht es darum das Gewicht zu stabilisieren. Die Ernährungsempfehlungen zur Prävention von Diabetes-Typ-2 beinhalten die gleichen Punkte, wie auch die Empfehlungen zur gesunden und vollwertigen Ernährung des Menschen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (siehe Kapitel 3.3).
Die körperliche Aktivität sollte auf min. 30-45 Minuten täglich gesteigert werden. Hierfür eignet sich besonders eine Mischung aus Kraft- und Ausdauertraining. Durch Muskelaufbautraining wird u.a. die Stoffwechsellage verändert und der Blutzuckerspiegel reguliert (Hien, Claudi-Böhm & Böhm, 2014, S. 41). Beide Trainingsarten zeigen ebenfalls signifikante Effekte auf das Herz-Kreislaufsystem (Edel et al., 2006).
Die körperliche Aktivität hat außerdem großen Einfluss auf die Gewichtsabnahme bzw. -stabilisation. Der Energieverbrauch wird dadurch gesteigert und in Folge dessen kann leichter ein Kaloriendefizit erzielt bzw. die Energiebilanz beeinflusst werden (Hien, Claudi-Böhm & Böhm, 2014, S. 41).
Wird die Diagnose „Diabetes mellitus Typ 2“ gestellt, so ist eine den Leitlinien entsprechende Therapie anzustreben. Dafür sind in der Nationalen Versorgungs-Leitlinie die Zielwerte bzw. Zielkorridore vorgegeben, die darüber informieren welche optimalen Werte im Regelfall erreicht werden sollten (DDG, 2013).
Neben diesen Behandlungszielen aus medizinischer Sicht werden außerdem - und dies stellt das übergeordnete Ziel der Leitlinie dar - gemeinsam mit Arzt und Erkrankten Therapieziele für die Parameter Lebensstil, Blutdruck, Glukosestoffwechsel, Lipidstatus und Körpergewicht individuell vereinbart. Aus diesem Grund kann es vorkommen, dass für einen Erkrankten die Therapieziele auch ober- oder unterhalb der medizinisch definierten Bereiche liegen.
Diese individuell vereinbarten Ziele können sich (je nach Lebenssituation) stetig verändern und hängen von verschiedenen Faktoren ab. Zu diesen Faktoren zählen (DDG, 2013):
- Patientenpräferenz
- Komplikationen der Behandlung
- (Ko-)Morbiditäten
- Alter und Lebenserwartung
- Lebensqualität
- Kulturelle Voraussetzungen
- Psychosoziale Umstände
- Möglichkeiten und Fähigkeiten des Erkrankten
In Abhängigkeit von Alter und Begleiterkrankungen sind in der Leitlinie zur Therapie des Typ-2-Diabetes allgemeine Behandlungs- und Therapieziele festgehalten. Diese sind (DDG, 2013):
- Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Lebensqualität
- Kompetenzsteigerung der Betroffenen im Umgang mit der Erkrankung und deren Komplikationen
- Verminderung eines Krankheitsstigmas
- Behandlungszufriedenheit
- Förderung der Einhaltung der gemeinsam von Patient und Arzt gesetzten Therapieziele
- Reduktion des Risikos für kardiale, zerebrovaskuläre und weitere makrovaskuläre Folgekomplikationen (renal, periphere arterielle Verschlusskrankheit)
- Vermeidung und Behandlung der mikrovaskulären und neurologischen Folgekomplikationen (Erblindung, Dialyse, Neuropathie)
- Vermeidung und Behandlung des diabetischen Fußsyndroms
- Vermeidung und Behandlung von Symptomen durch die Verbesserung der Stoffwechseleinstellung
- Behandlung und Verbesserung von Begleiterkrankungen
- Minimierung der Nebenwirkungen der Therapie (z.B. schwere Hypoglykämien, starke Gewichtszunahme) und der Belastung des Patienten durch die Therapie (Medikalisierung, Polypharmazie, Medikamenteninteraktion)
- Reduktion von Morbidität und Mortalität
Die Behandlung eines Diabetes mellitus Typ 2 beginnt mit der Basistherapie. Diese umfasst die Bausteine Schulung, Ernährungstherapie, Steigerung der körperlichen Aktivität, Raucherentwöhnung und Stressbewältigung (Deutsches Zentrum für Diabetesforschung, 2019b). Blutzuckersenkende Mittel kommen erst zur Anwendung, wenn nach ca. drei bis sechs Monaten das individuell vereinbarte HbAlc-Ziel nicht erreicht wird.
In der Diabetesschulung setzen sich die Betroffenen aktiv mit ihrer Erkrankung auseinander (Breuch, Müller & Oser, 2010, S. 39) und bekommen Unterstützung im eigenverantwortlichen Umgang mit dem Diabetes (Fritsche & Elbelt, 2018, S. 666). Inhalte dieser Schulungen sind beispielsweise die Grundlagenvermittlung der Diabetes-Erkrankung (u.a. Pathogenese, Behandlung sowie Prävention von Folgeerkrankungen), praktische Fertigkeiten wie Selbstkontrolle von Gewicht und Informationen zu den anstehenden Kontrolluntersuchungen (Breuch, Müller & Oser, 2010, S. 39).
Ziel der Emährungstherapie ist es, eine gesunde und vollwertige Ernährungsweise zu vermitteln. Dazu gehören vor allem Kenntnisse über Kohlenhydratauswahl und optimale Fettzusammensetzung. Ebenfalls wird bei übergewichtigen bzw. adipösen Erkrankten eine Gewichtsreduktion angestrebt. Damit Erfolge erzielt werden können, werden die bisherigen Ernährungsgewohnheiten und -vorlieben des Erkrankten berücksichtigt. Im Rahmen des Therapiebausteins „körperliche Aktivität“ wird den Betroffenen regelmäßige Bewegung im Alltag und die Teilnahme an individuell passenden Bewegungspro- grammen nahegelegt (Fritsche & Elbelt, 2018, S. 666). Durch die so gesteigerte Insulin- sensitivität und der Verbesserung des insulinunabhängigen Einstroms von Glukose in die Muskelzelle, stellt dieser Therapiebaustein einen vergleichbaren Stellenwert wie blutzuckersenkende Tabletten dar (Piper, 2013, S. 468). Voraussetzung für körperliche Aktivität ist allerdings die Sporttauglichkeit der Erkrankten. Gerade bei älteren Patienten muss diese streng überprüft werden. Geschieht dies nicht, kann es im schlimmsten Fall bei vorgeschädigtem Gefäßsystem durch übertriebene muskuläre Arbeit zu weiteren Schädigungen kommen (Mehnert & Standl, 2000, S. 260).
Die Eigenmotivation des Patienten lässt sich während der Therapie erheblich steigern, indem seine Wünsche zu den verschiedenen Therapiebausteinen durch das Behandlungsteam berücksichtigt werden (Hrynio, 2012, S. 107).
Essenziell (= unentbehrlich) für die Gesunderhaltung des menschlichen Körpers ist eine adäquate Ernährung (Biesalski, 2018, S. 52). Dazu zählt insbesondere eine ausgeglichene Kalorienbilanz, mit Zufuhr der benötigten Nährstoffe Eiweiß, Fett und Kohlenhydrate sowie Vitamine und Mineralstoffe in ausreichender Menge und ausgewogenem Verhältnis (Leitzmann etal., 2001, S. 117).
Empfehlungen zur gesunden und vollwertigen Ernährung des Menschen wurden von der DGE herausgegeben und beinhalten folgende Punkte:
- Lebensmittelvielfalt nutzen und abwechslungsreich essen. Dabei sollten überwiegend pflanzliche Lebensrnittel bevorzugt werden (Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. [DGE], 2019).
- Drei Portionen Gemüse und zwei Portionen Obst täglich verzehren. Bei geringer Kaloriendichte (vor allem bei Gemüse) kann so eine gute Sättigung erlangt werden (DGE, 2019). Ebenfalls senkt die Zufuhr von rund 400 g Gemüse und Obst am Tag das Risiko von NCDs (non communicable diseases) und sichert eine bedarfsgerechte Zufuhr von Vitaminen, Mineralien und Ballaststoffen (Nieß & Erichson, 2018,S. 424).
- Vollkomvarianten der Lebensrnittel wie Brot, Reis oder Nudeln wählen. Diese enthalten mehr Nährstoffe als Produkte aus Weißmehl. Außerdem sättigen sie aufgrund des höheren Ballaststoffanteils länger (DGE, 2019).
- Milch und daraus hergestellte Produkte täglich, Fisch ein- bis zweimal pro Woche und nicht mehr als 300-600 g Fleisch pro Woche verzehren (DGE, 2019).
- Gesundheitsfördernde Fette benutzen. Zu bevorzugen sind pflanzliche Fette wie z.B. Rapsöl. Diese liefern nicht nur die lebensnotwendigen Fettsäuren, sondern auch Vitamin E. Der Verzehr von versteckten Fetten, die z.B. in fettem Fleisch, Wurst, Käse und Süßwaren zu finden sind, sollte zudem reduziert werden (DGE, 2019).
- Zucker und Salz einsparen. Stattdessen Kräuter zum Würzen bevorzugen (DGE, 2019).
- Ungefähr 1,5 Liter Flüssigkeit durch Getränke täglich zuführen. Idealerweise sind hierzu Wasser oder andere kalorienfreie Getränke (z.B. ungesüßter Tee) zu wählen. Diese liefern keine Energie und tragen somit auch nicht zur Entstehung von Übergewicht und Diabetes mellitus Typ 2 bei (DGE, 2019). Alkoholische Getränke werden nicht mit in die zugeführte Flüssigkeitsmenge eingerechnet (Schmeisl, 2009, S. 102).
Beim Punkt „Trinkmenge“ gilt es generell, eine ausgeglichene Wasserbilanz anzustreben (d.h., Wasseraufnahme und -abgabe sollen sich die Waage halten). Da auch Nahrungsmittel Wasser enthalten und eine geringe Menge bei der Oxidation der Nährstoffe im Organismus entsteht, muss nicht der komplette Flüssigkeitsbedarf durch Getränke gedeckt werden (Schek, 2013, S. 101). Von der täglich ausgeschiedenen Flüssigkeitsmenge entfällt unter Normalbedingungen der größte Teil auf den Urin (1.400 ml). Danach folgen Verluste über Haut (350 ml), Lunge (350 ml), Schweiß (100 ml) und Stuhl (100 ml). Insgesamt kommt so ein Wasserverlustvon 2.300 ml zustande (Morlion, 2018, S. 207).
- Schonend zubereiten. Dadurch können wichtige Nährstoffe zum Großteil erhalten werden (DGE, 2019).
Zwei Punkte, die weniger mit der Ernährung an sich, sondern mit dem Ernährungs- und Bewegungsverhalten zu tun haben und deshalb ebenfalls eine wichtige Rolle spielen, sind:
- Achtsam essen und genießen. Dadurch kann das Genuss- und Sättigungsempfinden erheblich gefördert werden (DGE, 2019).
- Auf das Gewicht achten und in Bewegung bleiben. (DGE, 2019).
Wie in den vorherigen Kapiteln bereits erwähnt, ist körperliche Aktivität sowie eine adäquate Ernährung ebenfalls für die Prävention und Behandlung verschiedener Diabetesformen (z.B. Diabetes mellitus Typ 2) von großer Bedeutung.
Der Kalorienbedarf des Körpers setzt sich aus verschiedenen Faktoren zusammen. Dazu zählen Grundumsatz, Leistungsumsatz und nahrungsinduzierte Thermogenese (Leitz- mann et al., 2001, S. 9).
Die Kalorienzufuhr durch die Nahrung sollte dem Kalorienbedarf des Körpers angepasst sein. Dies istjedoch heutzutage immer seltener der Fall. Zu viele Menschen nehmen deshalb - aufgrund überhöhter Kalorienaufnahme und Bewegungsmangel - an Körpermasse zu und sind übergewichtig bzw. adipös (Bischoff, 2018, S. 628).
Die Körpermasse wird international durch den Body-Mass-Index definiert und klassifiziert. Er wird berechnet, indem das Körpergewicht durch die Körpergröße zum Quadrat dividiert wird (WHO, 2000). Die aktuelle Klassifikation des Körpergewichts von der WHO bei Erwachsenen mittels BMI lassen sich aus Tabelle 2 ablesen.
Tab. 2: Gewichtsklassifikation bei Erwachsenen anhand des BMI (nach World Health Organization, 2000, S. 9)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Neben dem BMI beeinflusst insbesondere auch die Fettverteilung das allgemeine Gesundheitsrisiko bzw. das Diabetesrisiko. Unterschieden wird dabei zwischen subkutanem und viszeralem Fettgewebe. Subkutanes Fett dient dem Körper in erster Linie als Energiespeicher (Bischoff, 2018, S. 622). Viszerales Fett hingegen wird eher als endokrines Organ verstanden. Es ist metabolisch aktiver und die Expression bzw. Sekretion von Entzündungsmediatoren sowie Hormonen ist höher, als bei subkutanem Fettgewebe (Müller& Bosy-Westphal, 2018, S. 305).
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