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Bachelorarbeit, 2020
46 Seiten, Note: 2.0
1. Einleitung
2. Annäherung an die Begriffe Medien und Sozialisation
3. Medienwirkung vs. Mediensozialisation
3.1 Medienwirkungen
3.2 Mediensozialisation
4. Mediennutzung zwischen Selbst- und Fremdsozialisation
5. Zeitgeschichte und Generationen
5.1 Generationengestalten
5.2 Generationen und Medien
6. Medienaneignung im Jugendalter
7. Neue Medien und die kommunikative Vernetzung Jugendlicher
8. Aufwachsen in digitalen Welten im Kontext verschiedener Internetdienste
8.1 Internetdienste und der virtuelle Raum des Internets
8.2 Internetsuche
8.3 Soziale Netzwerke
9. JIM – Jugend, Information, Medien Studie 2019 – eine darstellende Zusammenfassung
10. Jugendliche Lebenswelten in der Mediengesellschaft – Identitätskonstruktion und mediale Inszenierung
11. Risiken im Entwicklungsverlauf von Jugendlichen durch Medien
11.1 Auflösung der Identitätsgrenzen
11.2 Konsum- und Anpassungsdruck
11.3 Verschiebungen von Selbst- und Weltbild
11.4 Zeitmanagement
12. Chancen im Entwicklungsverlauf von Jugendlichen durch Medien mit kritischen Verweisen
13. Handlungsorientierte Medienarbeit für eine gesellschaftliche Partizipation
14. Soziale Arbeit in Zeiten der Digitalisierung
14.1 Digitalisierung im Kontext Sozialer Arbeit und die Problemauswirkungen aus der Sicht der Lebensweltorientierung nach Thiersch
15. Medien und die Auswirkungen im Kontext der Schulbildung
15.1 Zeitverdrängungshypothese
15.2 Inhaltshypothese
15.3 Löschungshypothe
15.4 Zusammenfassende Darstellung
16. Fazit
Literaturverzeichnis
Erklärung zur selbständigen Anfertigung
Diese Arbeit fragt nach den Verläufen in der Auseinandersetzung mit symbolischen, sozialen und materiellen Umwelteinflüssen in Sozialisationsprozessen von Jugendlichen. Die dabei zu berücksichtigende Relevanz von Medien stellt den Bezugsrahmen zur Mediensozialisation dar. Die Strahlkraft von Medien, welche eine Verfügbarkeit von Situationen in einer basalen Umwelt bereithält, erzeugt Phänomene der Medienwirkung und der Mediennutzung. Diese werden sozialisationstheoretisch und wirkungsanalytisch in Augenschein genommen. In den Entwicklungsprozessen von Jugendlichen agieren Medien als Sozialisationsagenten, die die Betrachtung einer Selbst- und Fremdsozialisation erfordert, sodass kausale Zusammenhänge im Kontext einer geschlechterspezifischen Sozialisation und soziale Ungleichheiten eine Einordnung finden. Medien stellen sich dabei für Jugendliche als leitend dar. Sie bieten Entwicklungsfelder der Identitätsbildung und Individualisierung an. Schlagworte wie Digitalisierung und Konvergenz werden dabei zu Rate gezogen, sodass Risiken und ressourcenbedingte Chancen in dieser Arbeit diskutiert und kritisch in Augenschein genommen werden können. Zu diesen Bezügen bedarf es einer kontextualen Sozialen Arbeit. Die Förderung von Medienkompetenz scheint sich dabei gradual einzustellen. Soziale Arbeit ist dabei aufgerufen sich als Mittler im rasanten Wandel der Digitalisierung und den sich verändernden Lebenswelten von Jugendlichen zu verstehen. Eine Ressourcenanalyse und das Aufspüren von Orientierungs- und Handlungsrahmen erweisen sich dabei als wegweisende Erkenntnisse. Die gesamtheitlichen Einsichten münden in eine Darstellung der kontextuellen Auswirkungen auf die Schulleistungen von Jugendlichen.
Die vorliegende Bachelorarbeit beschäftigt sich mit dem Thema der Mediensozialisation von Jugendlichen. Sie erhebt den Anspruch, Erkenntnisse darzustellen, welche sich in umfassender Weise mit Sozialisationsprozessen und Wirkprinzipen von Medien im Bereich der jugendlichen Personengruppe darstellen. Dazu werden die Begriffe Medien und Sozialisation erörtert, sodass ein Bezugsrahmen zu den Themenfeldern der Mediensozialisation, der Medienwirkung sowie der Mediennutzung zwischen Selbst- und Fremdsozialisation hergestellt werden kann.
Aus der Überleitung zur Thematik der Medienaneignung im Jugendalter ergibt sich die Notwendigkeit, einer geschichtlichen und begrifflichen Einordnung, um Generationenkontexten mit in Betracht zu ziehen. Diese Darstellung eröffnet dann die Möglichkeit, Generationen und Medien in einen Bezug zu setzen.
Jugendliche wachsen in digitalisierten Welten auf. Der rasante Fortschritt bedingt eine permanente Steuerung und Reflektion. Die Ausbreitung der Entwicklungen verorten sich in dieser Arbeit auf die exemplarisch gewählten Überschriften zum Internet, deren komplexe Angebotsdienste und der Einflussnahme im Kontext der Internetsuche.
Soziale Netzwerke als Bestandteile der Identitätsbildung in Sozialisationsprozessen von Jugendlichen sowie eine einführende Darstellung der aktuellen Studie zu Jugend, Information und Medien erläutern die derzeitigen Lebenswelten Heranwachsender. In diesen Lebenswelten verzeichnen sich Entwicklungen, die durch Medien eine Beeinflussung erleben. Jugendliche sind dabei Risiken ausgesetzt, erhalten aber auch chancengebende Möglichkeiten durch die medialen Inanspruchnahmen. Inwieweit sich diese zugleich auf die Schulbildung auswirken, sodass schulische Leistungen sich entweder negativ oder positiv darstellen, wird in dieser Bachelorarbeit im letzten Drittel beschrieben. Den Rahmen dieses Drittels bildet dabei die Lebensweltorientierung nach Thiersch und Soziale Arbeit als Profession. Ein Fazit bündelt die Erkenntnisse und wagt einen perspektivischen Ausblick.
Die Begriffe Medien und Sozialisation können auf mannigfaltige Weise definiert werden. Die Medien- und Sozialisationsforschung hat lange unterschiedliche Wege beschritten. Ein zielgerichteter Austausch beider Fachrichtungen findet erst seit 2010 statt. (vgl. Lange/Klimsa 2019: S. 65)
Um der Starrheit einer eindimensionalen Definition entgegenzutreten, sodass der Begriff Medien in seiner relativen Ubiquität und Sozialisation mit seiner Einflussnahme ihrer Bestimmung zukommt, werden diese Begriffe hier aufgegriffen, betrachtet und in Bezug gesetzt. Die begriffliche Schärfung stellt dabei zugleich die Behandlung der thematischen Auseinandersetzung mit der Mediensozialisation bereit.
Sozialisation, lat. „Sozialis“ gesellschaftlich, fokussiert sich auf das Individuum. Durkheim beschrieb die Sozialisation als Teil seiner soziologischen Bildungsforschung, die Sozialisation als die Schaffung von Menschen als soziale Wesen, die einer moralischen Disziplin unterliegen. (vgl. Krämer 2013: S. 29) Genauer genommen beschreibt er diesen Prozess als eine Phase, in der das Individuum ein „System von Ideen, Gefühlen und Haltungen [erwirbt], die nicht alleine [sic!] der Einzelperson zugehören, sondern eine oder mehrere Gruppen repräsentieren“ (ebd.). Im Allgemeinen betont also diese Blickrichtung die Internalisierung von Normen und Verhaltenskontrolle und betrachtet die Vergesellschaftung als Restriktion. Im Ursprung wirkt dies äußerlich auf Einzelpersonen und kann eine Manifestierung im Inneren prozesshaft bedingen. (vgl. Krämer 2013: S. 29 ff.)
Der Sozialisationsbegriff beschreibt also einen Prozess der Gesamtheit von gesellschaftlichen Einflüssen, die wiederum eine Persönlichkeitsentwicklung hervorrufen. Es werden Eigenschaften erworben, die gesellschaftliche Relevanz haben und sozialstrukturbildend wirken. Die Eigenschaften haben Auswirkungen auf die Entwicklung und Veränderung des Individuums. Dabei stellt sich die Frage, inwieweit diese Prozesse sozial gesteuert werden und wie Jugendliche eine Befähigung finden, diese Prozesse auch selbst zu steuern. Im Kapitel 13 wird diese Frage erneut aufgegriffen. Die systemtheoretische Betrachtung lenkt den Blick auf Prozesse, welche dazu führen, dass Jugendliche in soziale Systeme hineinwachsen. Sozialisation bedeutet dann, die Gewichtung des Prozesses nicht „auf das lernende Subjekt, sondern auf das Verhältnis zwischen Person und Gesellschaft, auf das wechselseitige Bedingungsverhältnis zwischen psychischen Systemen und relevanten sozialen Systemen“ (Spanhel 2013: S. 32) zu lenken. Der Erwerb von Dispositionen, also die Verfügung von Wertebildern und Weltordnungen im Prozess der Identitätsbildung erzeugt dabei eine sozial strukturbildende Sicherheit. Der Sozialisationsbegriff ist also nach Vollbrecht und Wegener auch als „Folge aktiver Prozesse der Auseinandersetzung mit der symbolischen, sozialen und materiellen Umwelt sowie mit sich selbst“ (Kübler: S. 9) zu verstehen.
Lange und Klimsa bieten eine Sozialisationsdefinition an, welche im Grundsatz darauf zielt, „die Herausbildung eines zugleich gemeinschaftsfähigen und individuell einzigartigen Subjekts im Rahmen gesellschaftlicher Strukturen und Systeme“ (Lange/Klimsa 2019: S. 62) in diesem Prozess zu betrachten. Weiter führen sie auf, dass Sozialisation „nicht im Jugendalter […aufhört], sondern […] ein lebenslanger Prozess der Persönlichkeitsentwicklung in Interaktion mit der Umwelt insgesamt“ (ebd.) ist.
Infolgedessen ist die Behandlung des Medienbegriffs im Prozess der Sozialisation essenziell, um ihre Beziehung zur Sozialisation und zur sozialen Struktur genauer erfassen und den Grad der Sozialisation in Bezug auf die Medien bestimmen zu können. Die Annäherung an den Medienbegriff unterliegt in dieser Ausführung einer stark eingrenzenden Darstellung und dient lediglich der Einführung mit dem Ziel der Basiserkenntnis. Zu diesem Zweck werden die Ebenen der Medienterminologie kurz erörtert. Diese Ebenen zeigen an, dass Medien Entfernungen überwinden können, Mediendarstellungen unterschiedliche Weltreferenzen haben und mit Symbolen codiert werden sowie eine sprachliche Relevanz aufzeigen. Medien erzeugen in ihrer Bandbreite ein weites Spektrum an Einflussnahmen. Die Darstellung des Medienbegriffs soll hier in einem Umfang angewandt werden, sodass der Stellenwert von Medien auf Lebensbereiche und Funktionen von Jugendlichen erfasst werden kann. Die Vermittlungsleistung von Medien hat für diese Gruppe von Individuen einen entsprechend hohen Stellenwert, sodass diese dem Zweck der Bereicherung an Entwicklungsimpulsen dienlich sein kann. Die Entwicklung kognitiver, emotionaler und motivationaler Fähigkeiten sowie die Gleichsetzung mit medienrelevanten Personen gestattet „ein mentales Probehandeln in der Übernahme gesellschaftlicher Rollen und in der Ausgestaltung und Inszenierung der Identität“ (Süss 2004: S. 282).
Der Medienbegriff definiert sich allgemein in einer Überwindung von räumlichen, sozialen und zeitlichen Distanzen. Medien gestatten also ein Erleben auf spezifische Weise und stellen eine Verfügbarkeit von Situationen her, die unter den Umständen eines basalen Umwelterlebens nicht bereitstehen würden. Die Relationen aus realen und fiktiven Weltbezügen, also der Idealisierungskonstruktion, verschwimmen zuweilen in der Konstruktion der Ebenen. Medien implizieren in Bezug auf das Erleben gern eine Intransparenz, sodass die „Kodierung auf den repräsentierten Weltausschnitt“ (Krämer 2013: S. 64) nicht immer verstehbar erscheint. Neben der Welt im Sinne realer und fiktiver Tatsachen können sich die Medien auch auf neuropsychologische Erfahrungen und eine legale und geordnete Welt sozialer Beziehungen beziehen. Die Anschluss- und Zugriffsfähigkeit von implizierten Medieninhalten hängt von der Disposition des Nutzers ab. Demzufolge stehen die Repräsentation und Kommunikation als Funktionen der Medien in besonderer Weise im Fokus, da diese überwiegend „als Gefährdungsfaktoren für gelingende Sozialisation“ (Kübler 2010: S. 27) in Betracht zu ziehen sind. Die performative Funktion der Sprache sowie die Darstellung von Inhalten im Bereich der Medien bedarf also eines Verstehens durch den Konsumenten, der damit nicht nur die Rekonstruktion des Bezugsrahmens, sondern auch die Typisierung erkennen und herstellen muss, sodass die Interpretationen von Sachverhalten eine nicht zu starke Abweichung von dem erfährt, als was es intendiert ist. (vgl. Krämer 2013: S. 61 ff.) Somit entwickeln in den Ausführungen von Krämer Medien durch graphische Mittel in Verbindung mit methodischen Verfahren eine Strahlkraft auf den Nutzer.
Es kann daher gesagt werden, dass sich der Begriff "Medien" auf drei verschiedene Ebenen oder Größen bezieht. Erstens ist es ein Begriff, der klare konzeptionelle Merkmale erfordert, sodass Objekte als Medien gruppiert werden können. Die Erweiterung des Begriffs unterzieht sich damit einer eingeschränkten Betrachtung. Zweitens zeigt sich, dass sich das Konzept der Medien in der Geschichte geändert hat, was sich auf die aktuelle Nutzung auswirken kann. Die derzeit zu beobachtende Mehrdeutigkeit der Terminologie wird weniger auf die Tatsache der Konzeptgeschichte zurückgeführt. Vielmehr zeigt sich, dass der Medienbegriff einem Grundkonzept unterliegt, das Diskurse schafft und interdisziplinäre Richtungen aufzeigt. Drittens zeigt der Ausdruck eine Ausdehnung an, die grundlegend über die Definition des Begriffs hinausgeht. Medien als auch der Medienbegriff werden hier als eine vorhergehende Größe verstanden, die konzeptionell nicht sicher erscheint, aber durch Reflexion verwendet werden kann. (vgl. Ramming 2006: S. 9 f.)
Lange und Klimsa sehen Medien als Sozialisationsagenten an und finden dazu eine genuine sozialwissenschaftliche Betrachtungsweise, welche das Handeln mit und über die Medien in Erwägung zieht. Dementsprechend müssen mehrere Referenzen enthalten sein. Erstens bieten die Medien viele symbolische Ausdrücke, die sich auf die Ideen, Denk- und Verhaltensweisen der Menschen auswirken. Zweitens sind sie wichtige Kommunikationsmittel in der zwischenmenschlichen Kommunikation, insbesondere in der Massenkommunikation. Drittens sind sie „Werkzeuge für den Selbstausdruck, der eigenen Meinung und der Interessen genauso wie der Darstellung der eigenen Person“ (Lange/Klimsa 2019: S. 65). Die Gestaltung dessen erfolgt über die „Aneignung von medialen Inhalten und kommunikativen Strukturen“ (ebd.).
Medien können mannigfaltige Eigenschaften, Funktionen und Rollenbilder zugeordnet werden. Wenn diese also im Sinne des Zweckes Freude vermitteln, unterhalten, informieren, Wissen bereit stellen, ablenken, polarisieren, oder auch langweilen, anstößig erscheinen oder abstoßen, wenn sie neues Terrain begehen, problematisches anlangen oder Anerkanntes stützen, wenn ihnen Faszination zugeschrieben wird, wenn man dem Alltag entfliehen kann, sich fiktiven Beziehungen bis hin zu emotionalen Bindungen ergeben kann oder auch in der Handhabung Lernprozessen und Gebrauchsverständnissen unterliegt, können diese Bezugsrahmen bzw. Interaktionen als Medienwirkungen verstanden werden. (vgl. Kübler 2010: S. 17 f.)
Die Auswirkungen und Konsequenzen im weiteren Sinne sollten so verstanden werden, dass sie sich auf alle Veränderungen im Einzelnen und in der Gesellschaft beziehen, die hauptsächlich auf das Zusammenspiel von Medieninformationen und anderen Faktoren zurückzuführen sind. (vgl. Lange/Klimsa 2019: S. 50 f.) Die Herstellung dessen erfolgt über Massenmedien, deren vordergründige Kommunikation „Beschreibungen und Selbstbeschreibungen der Gesellschaft“ (Jäckel et al. 2019: S. 2) anzubieten versucht. Die demgemäß geschaffene Realität durch Massenmedien erreicht eine Medienwirkung, die zuweilen eine rezeptive Wahrnehmung der Wirklichkeit bedarf. Das bedeutet, aufgrund von Nutzung, Aneignung, Empfindung und Gebrauch von Medien, also der Rezeption als immanente Voraussetzung für Medieneffekte, wurde die Medienakzeptanz in die jeweiligen Lebenswelten der Individuen mit ihren sozialen und psychologischen Zusammenhängen integriert. Diese Medienwirkungen sind je nach Situation enger und einflussreicher im Alltag spürbar, bis dahin, dass sie diesen stark bestimmen. Das tägliche Leben und der Lebensstil werden immer medialer und auch die Häufigkeit der Verwendung von Medien nimmt zu, sodass diese „gewissermaßen als konvergentes und konsentiertes Kontinuum sozialen Lebens, [sic!] genutzt werden“ (Kübler 2010: S. 19).
Diese längerfristigen Wirkungen lassen sich unterscheiden in beabsichtigte und unbeabsichtigte Erzeugungen von Nebeneffekten. Im Bereich der Lernmedien profitieren deren Nutzer und Nutzerinnen von Wirkungseffekten, die eine Nachhaltigkeit beanspruchen, während Massenmedien unbeabsichtigte Nebeneffekte darstellen. Einige Professionen, sozialwissenschaftliche Diagnosen sowie die Individuen in ihren Lebenswelten beschäftigen sich mit diesem Wirkungsdiskurs. Die Einschätzung, die dem Thema der Medienwirkung zugrunde liegt, ist häufig auffallend. Während man selbst eine Haltung der Immunität vor medialen Einflüssen vor sich herträgt, besteht die Einschätzung, dass andere, im Speziellen Kinder und Jugendliche, einer negativen Beeinflussung dieser ausgesetzt sind. Dieser Third-Person-Effekt (medienpsychologisches Phänomen verzerrter Wahrnehmung) liegt einem Bedürfnis zugrunde, welches nach der Stärkung des Selbstwerts und dem sog. Optimistic Bias (kognitive Voreingenommenheit) strebt. (vgl. Lange/Klimsa 2019: S. 48 ff.)
Für die sich in diesem Fall anbietende Ausführung zum Thema Wirkung insbesondere der Betrachtung auf Medien, verweisen Lange und Klimsa auf Koschel und Bilandzic, die zusammenfassend erläutern, dass die Untersuchungen in der Medienwirkungsforschung Konsequenzen der Mediennutzung aufzeigen, die nicht nur in eine „einzelne Botschaft, ein Medium oder eine bestimmte Rezeptionssituation gebunden sind. Unter Wirkungen oder Folgen im weitesten Sinne des Wortes versteht man alle Veränderungen bei Individuen und der Gesellschaft, die meist in Interaktion mit anderen Faktoren – auf Medienbotschaften zurückzuführen sind“ (Koschel/Bilandzic 2016: S. 117, zitiert nach Lange/Klimsa 2019: S. 50).
Dementsprechend kann die Medienwirkung aus unterschiedlichen Blickwinkeln, dem sozialisationstheoretischen Gesichtspunkt, also inwieweit Medienwirkungen auf Sozialisationsfaktoren auszumachen und bewertbar sind oder dem wirkungsanalytischen Aspekt, der herauszufinden versucht, wie Medien Entwicklungsverläufe und die gelingende Teilhabe von Jugendlichen beeinflussen können, betrachtet werden.
In der Begriffsannäherung zur Sozialisation konnte schon erörtert werden, dass die Prozesse der Auseinandersetzung mit der symbolischen, sozialen und materiellen Umwelt einhergehen. Somit befasst sich die Mediensozialisation auch mit der Rolle der sozialen Entwicklung von Individuen. Die Auseinandersetzung mit den vielfältigsten Medien, welche der kulturellen Entfaltung, Bildung und Unterhalten dienen, steht im sozialisatorischen Sinne dem Ziel gleich, sich eine gewisse Form der Medienkompetenz anzueignen. Eine weitere Bedeutung von Medien im Kontext der Sozialisation ist die Bewältigung von Entwicklungsaufgaben mit der Zielsetzung einer gesellschaftlichen Identitätsbildung.
In der Mediensozialisationsforschung befasst man sich somit mit grundlegenden Fragen, um zu klären, wie der Umgang, also der Erwerb von Medienkompetenz, mit Medien gelingen kann und welche Formen sich dabei unterscheiden lassen. Des Weiteren geht es in der Blickrichtung auf die Medieneffekte um die Frage, wie sich Sozialisationsprozesse förderlich bzw. schädlich durch Medien verändern. Beim Aspekt der Medienkompetenz werden alltägliche Entwicklungen in den Blick genommen, die sich ohne Steuerung vollziehen, aber auch steuernde Rahmen, welche die Reflektion des medialen Konsums ermöglichen sollen. Die Beziehung zwischen Selbst- und Fremdsozialisation wird im nächsten Kapitel erneut aufgegriffen. Die Erforschung im Kontext der Medieneffekte greift auf, inwieweit „Medien als Katalysatoren oder intervenierende Variablen“ (Süss 2004: S. 66) in vielzähligen sozialen Hintergründen zu analysieren sind. Dabei werden Einflussnahmen der Medien auf Lebenswelten, zwischenmenschliche Beziehungen oder auch Peers gesammelt. Ein weiterer Aspekt der Analyse bezieht sich auf die Untersuchung von „Wirkungen auf Werthaltungen und Verhaltenstendenzen wie Leistungsbereitschaft, Gewaltbereitschaft oder Hedonismus“ (ebd.).
Schlussfolgernd kann Mediensozialisation aus unterschiedlichsten Ansätzen und Dimensionen betrachtet werden. Der Begriff unterliegt keiner prägnanten Theorie, welche sich den vielfältigen Darstellungen hinsichtlich ihrer Vitalität, Chance, Vielfalt und Komplexität annähern könnte. Nachfolgend sollen dennoch einige Zugänge und Aspekte skizziert werden. In dem anfänglichen Sozialisierungsprozess, der zuerst in der Mutter-Kind-Dyade stattfindet und sich später auf die gesamte Familie ausdehnt, lernt das Kind wesentliche kognitive, sprachliche und soziale Fähigkeiten. Durch dessen entstehende Existenz erfolgt die zunehmende Eroberung und Intensivierung der familiären Bindungskonstrukte. Die weiterführende Sozialisierung erfolgt in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen, wie zum Beispiel Berufsausbildungsstätten oder Kindertageseinrichtungen. Diese sozialen Institutionen repräsentieren die gesellschaftlichen Rahmen und die sozialen Anforderungen. Sie helfen dem Einzelnen die notwendigen Qualifikationen und sozialen Komponenten zu entwickeln. (vgl. Kübler 2010: S. 23 f.)
Die „tertiären Zonen“ (ebd.) im Prozess der Sozialisierung sind dahingehend eher informell und entsprechend der Situation gestaltet. Dienlich erscheinen diese für junge Menschen, um ihre Identität zu personalisieren und zu etablieren und um den Individuen in der Sozialisation zu helfen, sich vom Rahmen der Eltern- und Schulanforderungen zu unterscheiden. Beziehungen, Freundschaften und Peergroups sind zunehmend in die Freizeit, den Konsum und die Medien von Teenagern involviert und haben ein dementsprechendes Mitspracherecht. Sie spielen vornehmlich die Rolle als „diffuse Katalysatoren – wobei in der vielfach akzentuierten Jugendphase der Grat zwischen gesellschaftlich gelingender und riskanter oder gar scheiternder und abweichender Sozialisation mitunter recht schmal ausfällt“ (Kübler 2010: S. 24).
In Laufe der Entwicklungsprozesse agieren Medien als „Sozialisationsagenten“ (ebd.), sodass man in diesem Zusammenhang bzw. mit dieser Blickrichtung von einer hybriden Sozialisation ausgehen könnte. Von Kindesbeinen an beeinflussen Medien die Alltagsstrukturen, weisen Richtungen in der Ausgestaltung von Beziehungen und Rollen oder lenken Aufmerksamkeitsrichtungen mit dem Ziel einer Interessenentwicklung. Somit ist die Begriffsfindung der „Sozialisationsagenten“ von Kübler treffend gewählt, da die elementare Begleitung der Medien auf eine Perzeption und Aneignung zielt, welche unwissentlich Einfluss auf die „kognitive Entwicklung und Fähigkeiten der jungen Rezipienten“ (Kübler 2010: S. 24) nimmt. In diesem Zusammenhang verlaufen die Diskurse unter dem Begriff der Fremdsozialisation.
Im Grunde genommen ist Sozialisation immer Selbstsozialisation, solange sie betonen möchte, dass das Individuum eigenständig und unabhängig von traditionellen Sozialisationsinstanzen wie Familie, Schule oder Peer-Groups bestimmt wird. In der Sozialisationsforschung der 80er Jahre unterliegt der Begriff der Selbstsozialisation noch keiner konzisen breiteren Theorie. Damals wurde lediglich unter dem Begriff der geschlechterspezifischen Sozialisation die Selbstsozialisation im Unterscheidungskriterium der männlichen und weiblichen Sozialisation verortet. Mit den Erkenntnissen von damals wurde von Bilden beschrieben, dass die Selbstsozialisation eher bei Jungen eine vornehmliche Rolle spielte, hingegen die Mädchen weniger damit zu tun hatten. Begründet wurde diese These damit, dass die „abendländische Geschichte […] die Herausbildung des Individuums als handlungsfähiges Subjekt, als „autonomen" Akteur (Unternehmer, Abenteurer, „faustischen" Forscher...) bisher hauptsächlich für das männliche Individuum“ (Bilden 1980: S. 792 f., zitiert nach Zinnecker 2000: S. 275) vorsieht. Weiter ging man davon aus, dass vom Ursprung des Individuums an, der Prozess beginnt, der die „Vergesellschaftung von Männern eher als Subjekt, als zur Unabhängigkeit ermutigter Akteur, als eigenständiges anerkanntes Individuum“ (ebd.) ansieht. Kurzgefasst wurden die Jungen zu dieser Zeit eher zur Selbständigkeit encouragiert als die Mädchen. Heute gilt Selbstsozialisation als planvolles Handeln, welches für alle gesellschaftlichen Geschlechterrollen gilt. Der Verlauf der Selbstsozialisation ist also als Tätigkeit zu verstehen, welche durch Zinnecker mit dem Konzept von Hurrelmann eine handlungstheoretische Verortung erfährt. Zinnecker gliedert die Selbstsozialisierung demnach in drei aufeinanderfolgende Schritte. Der erste Schritt besteht darin, dass das Kind die Dinge sich selbst und seiner Bedeutung zuschreibt. Der zweite Schritt besteht darin, dass Kinder ihre eigene Verhaltenslogik entwerfen. Der dritte Schritt stellt sich so dar, dass sie ihre eigenen Ziele für ihr Verhalten festlegen. Abschließend muss betont werden, dass Selbstinteraktion nicht nur als Einzel-, sondern auch als Gruppenaktivität verstanden wird. (vgl. Zinnecker 2000: S. 279 f.)
Durch die begriffliche Einordnung der Selbstsozialisation kann nun die Mediennutzung der „Sozialisanden“ (Süss 2004: S. 67) in Bezug gesetzt werden, sodass die Unterscheidung der Selbst- und Fremdsozialisation Konturen gewinnt.
Die Mediennutzung als Selbstsozialisation verweist darauf, dass die Sozialisanden bestrebt sind, die Auswahl der Medieninhalte und Medienangebote selbst zu wählen. Autonomie- und Rezeptionsprozesse werden dadurch freigesetzt. Die Auswahl derer erfolgt durch Interessens- und Handlungsabwägungen. Fremdsozialisation bedeutet in diesem Zusammenhang die Steuerung des Medienumgangs und die Darbietung entsprechender Inhalte durch Institutionen und andere Personen. Die Interessensabwägungen und der Benefit vom Mediennutzen durch die Anwendung stehen häufig im Spannungsfeld zwischen Selbst- und Fremdsozialisation. (vgl. Süss 2004: S. 67 f.)
Selbstsozialisation fußt auf Rahmenbedingungen, die aus den Lebensräumen von Heranwachsenden herzuleiten sind. In „mediengesättigten Haushalten“ (Süss 2004: S.68) erhalten Kinder und Jugendliche eine frei verfügbare Medienausstattung, deren regulierbarer Umgang zuweilen nur durch finanzielle und kulturelle Gründe gesteuert wird. Nicht jeder Haushalt ist in der Lage, die Bedürfnisse und Interessen der Heranwachsenden zu befriedigen. Die Verfügbarkeit von Medien reguliert sich über den Preis. Hier kann beispielsweise die Nutzung von Smartphones benannt werden, welche zur uneingeschränkten Nutzung mit monatlichen Abschlägen verbunden sind. Ein weiterer Faktor der Intensität der Mediennutzung ist das tageszeitliche Budget für eine Medienzuwendung. Neben institutionellen Rahmen, wie z.B. Schule und Vereine, bleibt eine relativ breite Spanne an Zeit, in welcher die Medien als andere freizeitliche Aktivitäten genutzt werden können. Hier braucht es Strategien, welche die Strukturierung des Tages im Kontext der Mediennutzung steuerbar machen. Die Ambivalenz von Selbst- und Fremdsozialisation wird dabei insofern deutlich, als dass „Parallelhandlungen bei der Medienrezeption“ (ebd.) nach den Ausführungen von Süss, welcher eine Kohortenanalyse von Kirchhöfer anführte, sich hinsichtlich einer „Entstrukturierung der Medienzuwendung“ (ebd.) dahingehend auswirken kann. Die einflussgebende Möglichkeit im Rahmen der Fremdsozialisation verdeutlicht Süss an dieser Stelle nicht. Andere Einflussnahmen darauf unterliegen der Wahrnehmung von Handlungsmöglichkeiten, die Bewertung derer und einer Abwägung dessen, welche objektiven Voraussetzungen eine optionale Entscheidung hinsichtlich eines Für und Widers erleichtern oder erschweren. (vgl. Süss 2004: S. 68 f.)
Die Abwägung bzw. die Wahrnehmung von Medieninhalten wird bereichert durch die Annahme, dass Heranwachsende in der Selbstsozialisation Medieneinhalte themenbezogen kopieren. Auf dieser Grundlage entwickeln sie Handhabungskompetenzen, die ihnen dabei helfen, Medieninhalte so zu rezipieren, dass die eigene Identität damit angesprochen und entwickelt wird. Die Entwicklung der Handhabungskompetenzen unterliegt allerdings auch Grenzen. Der anfängliche Zugang zu visuellen Medien und später zu auditiven Medien, welche förderlich für die Sprachentwicklung sein können, kann eigenständig erfolgen. In der weiterführenden Entwicklung bedarf es Hilfestellungen von außen (z.B. beim Lesen und Schreiben). Schlussfolgernd, also inwieweit diese Zugänge allen Heranwachsenden zur Verfügungen stehen, unterliegt die Selbstsozialisation einer gewissen Kategorisierung in „Medienreiche und Medienarme“ (ebd.). Das heißt, dass die Form und Anzahl an Informationen, welche durch Medien bereitgestellt werden, gewisser Barrieren, Privilegien und Differenzen unterliegen. So konstatiert Süss als Ergebnis der Wissenskluftforschung, dass „die Bildung und die Interessen der Menschen ihren Medienzugang und ihre Medienaneignung in einer Art beeinflussen, dass sich soziale Ungleichheiten verschärfen können“ (ebd. S. 69). Die Priorisierung und der Umgang im Sinne der Mediennutzung führt folglich mitunter bei Heranwachsenden innerhalb ihrer Peers zu unzweckmäßigen und missbräuchlichen Mustern. Bereiche, welche hier exemplarisch benannt werden, wie beispielsweise Sucht, ständige, gleichförmige Wiederholung von Verhaltensweisen oder Illusionsbildungen im Sinne der Ich-bezogenen oder umweltlichen Idealisierung, verweisen auf mögliche Handlungsverläufe von kollektiver Selbstsozialisation, um aufzuzeigen, dass in dieser Hinsicht die Fremdsozialisation eine gewichtige Rolle erhält. (vgl. ebd. 68 ff.)
Fremdsozialisation bewegt sich im Feld der handlungsorientierten Medienpädagogik, verfolgt aktuelle Diskurse der Medienerziehung und richtet sich nach Bildungszielen aus. Mit der Annahme, dass aufgrund verschiedenster alltagsästhetischer Ausrichtungen, also Werterahmen oder Grundorientierungen im Kontext von soziokulturellen Milieus Heranwachsende einen unterschiedlichen Umgang mit Medien erleben, sodass die Selbststeuerung der Sozialisanden keinem reflektiertem medienpädagogischen Konzept unterliegt, ergibt sich die Frage, inwieweit eine externe Steuerung das Medienhandeln beeinflussen kann. Nicht selten bestimmt in modernen Gesellschaften „das Medienhandeln der Kinder den Medienalltag der Eltern“ (ebd. S. 70). Der Medienalltag in Familien verzeichnet damit sich gegenseitig bedingende Sozialisationsprozesse, welche sich im Verlauf dahingehend entwickeln, als dass sich Eltern einer Verunsicherung hinsichtlich der anzustrebenden Sozialisationsziele ihrer Kinder ausgesetzt fühlen, die auf vermittelte gesellschaftliche Individualisierungen fußen. In diesem Feld verengt sich dann die Orientierung auf eine Vermeidung von denaturierten Entwicklungen. Dabei sollen Selbst- und Fremdgefährdungen ausgeschlossen werden. Die Definition bzw. der Grad der Gewichtung dessen obliegt den Eltern meist selbst. Entsteht dabei nicht ausreichend reflexives Verhalten seitens der Eltern, ergibt sich ein breiter Spielraum zur Selbststeuerung für die Heranwachsenden. Schlussfolgernd bieten ihnen Medien Orientierungshilfen und begleiten deren Lebenswelt. Sie stehen aber auch für Bewältigungsaufgaben, z.B. bei der Abgrenzung oder Differenzierung von Inhalten, welche bewältigt werden müssen. (vgl. Süss 2004: S. 70 f.)
Das besondere Verhältnis zu Medien ist in der Betrachtung der Generationengestalten ein zentrales Merkmal. So soll in diesem Kapitel ein kurzer geschichtlicher Abriss Darstellung finden, um so den Medienbezug im Jugendalter im nächsten Kapitel besser einordnen zu können.
In der Vergangenheit, also mit Beginn des 16. Jahrhunderts, wurde die Kindheit und die damit verbundenen Sozialisationsprozesse eher als nicht relevant angesehen. Kinder wurden wie Erwachsene behandelt. Einen Bildungsanspruch gab es erst ab dem 17. Jahrhundert mit dem Aufschwung der Schulen. Die Kindheit galt fortan als definierte Phase zum Erwachsenenalter. Allerdings war dieser Anspruch lange Zeit eher den Jungen vorbehalten, da Zweifel an der Bildsamkeit bzw. der Intelligenz der Mädchen vorherrschten. (vgl. Süss 2004: S. 41)
Die Untersuchungen der Generationengestalten ist auf mehrere Epochen verteilt zu betrachten. Fend, so wie es Süss in seiner Darstellung heranzog, untersuchte dabei verschiedenste Formen der Existenzbewältigung, sodass zentrale Merkmale in der Generationendefinition eine Verdeutlichung fanden. Der Wechsel bzw. die Umformung von Epoche zu Epoche, von Generation zu Generation, schlug sich auf die Lebensentwürfe der Individuen nieder. Beginnend mit einer traditionell-konservativen Haltung in der Nachkriegszeit mit dem Blick auf eine sich aufbauende Zukunftsperspektive kam es in den 1960er Jahren eher zu einer Gesellschaft, welche nach Veränderung, weg von einer konservativen Welt, strebte. Die nächste Generation, welche in der Jahrtausendwende zu verorten ist, also die Kinder der vorangegangenen Generation, strebt wieder mehr in die konservative Richtung, ohne dabei politische Ambitionen zu verfolgen. Sie sind familienorientiert und leistungsbereit. (vgl. Süss 2004: S. 42) Die heutige Jugendgeneration, welche im Rahmen einer unsicheren Gesellschaft für eine gute Perspektive eintritt, zeichnet sich beispielsweise in den „fridays for future“ (Jugendbewegung für mehr Klimaschutz) Bewegungen ab.
Der Generationenbegriff ist somit differenziert zu betrachten. Die Familienforschung beschreibt den Begriff unter Verwendung der Beziehung zwischen Eltern und Kindern und ihren Nachkommen. Unterschiedliche Perspektiven, welche hier stark verkürzt in Augenschein genommen werden, sollen lediglich einer skizzenhaften Darstellung für den Anspruch der ganzheitlichen Befassung dienen.
Die Mikroperspektive, welche die benannte Verwendung der Beziehung darstellt, untersucht den Gruppencharakter von Familien, also die „Generationenbeziehung innerhalb der Lebenswelt der Beteiligten“ (ebd.). Die Makroperspektive hingegen verfolgt die gesamtgesellschaftliche Bedeutung, welche auf der Annahme fußt, dass eine Generation einer „Geburtskohorte“ (ebd.) gleicht. Das heißt, dass ein „bestimmtes Ereignis zu einem gleichen oder ähnlichen historischen Zeitpunkt“ (Krämer 2013: S. 238) vorherrscht. Die damit hergestellte Vergleichbarkeit der Generationenverhältnisse hinsichtlich ihrer Erfahrungen und der Verarbeitung dieser bietet die Möglichkeit der Darstellung von gesellschaftlichen Entwicklungen. Die Generationeneinheit wird dabei in vielen Studien in einem Umfang von 10 Jahren zusammenfasst. (vgl. Süss 2004: S. 42)
Die sich daraus ergebenden Ergebnisse zeigen auf, dass der gesellschaftliche Wandel in immer kürzeren Intervallen stattfindet. Exponentielle Entwicklungskurven in Bereichen der Informations- und Kommunikationstechnologie sowie der Medien können verzeichnet werden. Die Zyklen der sozialen und politischen Entwicklungen verlaufen in diesem Zusammenhang langsamer, erleben aber durch den Technologieanstieg eine Prägung. In der Generationentheorie beschäftigt man sich mit der Frage, inwieweit Prägungen der Individualität in bestimmten Zeitabschnitten vorhanden sind. Tiefenpsychologisch steht für eine solche Phase die Kindheit, hingegen weiterführende Ansätze sehen das Jugendalter als relevant ansehen. Grob begründet dies mit der Aussage, dass wenn „ein Individuum zu gewissen politischen Positionen gefunden [hat], passen sich die Prozesse der Informationsaufnahme und -verarbeitung sukzessive an und wirken im Sinne einer Bestätigung und Verstärkung dieser Positionen. Prozesse selektiver Informationsaufnahme erfolgen bezogen auf Medien, auf politische Parteien und Akteure und deren Deutungsangebote und bezogen auf soziale Beziehungen im Nahfeld“ (Grob 2009: S. 332). Die Bedeutung von Medien im Jugendalter kann also als Eigenschaft der Generationengestalten verstanden werden.
Die Untersuchungen zur Mediennutzung im Kontext der Mediengenerationen gehen davon aus, dass bestimmte „Zusammenhänge zwischen der Zugehörigkeit zu einer Alterskohorte und Nutzungsformen“ (Pietraß / Schäffer 2011: S. 326) von Medientechniken bestehen. So liegt eine oft implizite oder explizite Generationenthese vor, die ein zeitdiagnostisches Label als Ergebnis haben kann. Süss (2004) gibt anhand von zwei anschaulichen Beispielen einen plastischen Eindruck wie Alterskohorte und deren Nutzungsverhalten von Medien einzuordnen sind. Kurz zusammengefasst benennt er zwei unterschiedliche Zeitklammern, die sich in den Bezeichnungen der „Fernsehgeneration“ und der „Net-Generation“ widerspiegeln. Er bezieht sich dabei auf die Untersuchungen von Paiser (Fernsehgeneration) und Opaschowski (Net-Generation). Die Fernsehgeneration verortet sich in jene Kohorte, welche sich im Unterschied zu älterer Kohorte, die mehr den Printmedien zuzuordnen ist, vorwiegend mit dem Medium Fernsehen aufwuchs. Diese These, dass die Fernsehgeneration weniger liest als die ältere Kohorte kann laut Kohortenanalyse allerdings nicht unterstrichen werden. (vgl. Süss 2004: S. 76) Kritisch an dieser Kategorisierung ist meines Erachtens, dass die pauschale Einordnung zu kurz gedacht ist. Inwieweit sich Kohorten darauf begrenzen lassen, sei an dieser Stelle offengelassen. Eine kritische Betrachtung wird auch von Süss vorgenommen, indem er den Befund aus der Kohortenanalyse bzgl. der Bindungen ans Fernsehen respektive der Printmedien zu den Generationen darstellte, welche aufzeigte, dass die jüngeren Kohorten weniger lasen und dennoch das Fernsehen nicht intensiver nutzten als ältere Kohorten. Die Erklärung zu diesem Befund liefert er gleich mit, indem er mutmaßt, „das[s] für die Fernsehgeneration das Fernsehen eine größere Selbstverständlichkeit darstellt als für die älteren Generationen, welche das Aufkommen des neuen Mediums miterlebt hatte[n]“ (ebd.). Dennoch dienen diese Beispiele der besseren Veranschaulichung, wohin sich das Medienverhalten einzelner Generationen entwickelt, sodass der Titel dieser Arbeit eine weitere Untermalung erfährt. Die Fernsehgeneration ist also einer Mediengeneration zuzuordnen, welche noch vor der Net-Generation zu verorten ist. Im Diskurs zur Net-Generation geht es um den Umgang bzw. die Nutzung mit dem Medium Internet. Es zeichnet sich allerdings ein ambivalentes Bild dessen, was interaktive Medien, im speziellen das Internet, bieten bzw. bewirken, ab. Diesem Leitmedium der Jugendphase wird eine besondere Relevanz zugeschrieben. Die Lebenswelten von Jugendlichen erhalten dadurch Dynamiken, welche Risiken und Chancen offenbaren. Die Sozialisationshypothese von Inglehart soll dies bestätigen, indem er die generationsspezifische Zeitverzögerung für die Dynamik von Wertänderungen als wichtig benennt, da die nicht in Frage gestellten Grundannahmen weitesgehend die allgemeinen Bedingungen einer Entwicklungsperiode widerspiegeln. (vgl. Inglehart 1998: S. 53)
Auch für die Net-Generation ist von Relevanz, dass sie das Medium Internet in ihrer Einführung bewusst miterlebt haben. Diese Generation wird als „unabhängig und autonom, emotional und intellektuell offen“ (Süss 2004: S. 77) beschrieben und macht von ihrer freien Meinungsäußerung Gebrauch. Dem gegenüber steht eine Verortung der Net-Generation, welche mit Wagnissen einhergeht. „Es handle sich um eine Kurzzeit-Konzentrations-Kultur, um eine Konfettigeneration, um genervte Einzelgänger mit Sprachauffälligkeiten und es würden durch das Internet unsystematische Lernvorgänge gefördert“ (ebd.), führt Süss aus und bezieht sich dabei auf Opaschowski, der die „Generation @“ kritisch und kontrovers beleuchtete. Diese Annahmen liegen einige Zeit (knapp 30 Jahre) zurück, sodass heute diese These sich einer Überprüfung stellen sollte. Sie stammt aus einer Zeit, in der das Internet noch in seiner Einführung stand, bietet allerdings eine Grundlage für die Aufnahme einer zu hinterfragenden Haltung. Dieses Medium bietet also viel Platz für Annahmen und birgt die Gefahr der unscharfen und einseitigen Betrachtungen, da in der rasanten Entwicklung Forschungsergebnisse mitunter veraltet wirken.
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