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Bachelorarbeit, 2020
59 Seiten, Note: 1,9
1 EINLEITUNG UND PROBLEMSTELLUNG
2 ZIELSETZUNG
3 GEGENWÄRTIGERKENNTNISSTAND
3.1 Chronobiologie und Ernährung
3.1.1 Definition Chronobiologie
3.1.2 Entstehung der Chronobiologie
3.1.3 Zirkadianer Rhythmus
3.1.4 Die Hauptzeitgeber
3.1.5 Wesentliche Hormone des zirkadianenRhythmus
3.1.5.1 Melatonin
3.1.5.2 Kortisol
3.1.5.3 Leptin und Ghrelin
3.1.5.4 Insulin
3.1.6 Chronotypen und Typisierungsmethoden
3.1.7 Einfluss des modernen Lebensstils auf den zirkadianen Rhythmus
3.1.7.1 SozialerJetlag
3.1.7.2 Schichtarbeit und Jetlag
3.2 Übergewicht und Adipositas
3.3 Ursachen
3.3.1 Familiäre Disposition, genetische Ursachen
3.3.2 Lebensstil (z. B. Bewegungsmangel, Fehlernährung)
3.3.3 StändigeVerfügbarkeitvonNahrung
3.3.4 Schlafmangel
3.3.5 Stress
3.3.6 Depressive Erkrankungen
3.3.7 NiedrigerSozialstatus
3.3.8 Essstörungen (z. B. Binge-Eating-Disorder)
3.3.9 EndokrineFaktoren
3.3.10 Medikamente
3.4 Folgen
3.4.1 Gesundheitliche Folgen
3.4.2 Ökonomische Folgen
3.5 Gewichtsreduktion
3.5.1 Definition Gewichtsreduktion
3.5.2 Klassische Bestandteile von Emährungsinterventionen zur Gewichtsreduktion
4 METHODIK
4.1 Allgemeine Literaturrecherche
4.2 Identifikation von relevanten Studien
4.3 Qualität der Studien
5 ERGEBNISSE
6 DISKUSSION
6.1 EvidenzderStudien
6.2 Interpretation der Ergebnisse
6.2.1 ZeitpunktderMahlzeiten
6.2.2 Schlaf
6.2.3 Regelmäßigkeit der Mahlzeiten
6.3 . GRENZEN DER FORSCHUNGSMETHODEN
6.4 . EMPFEHLUNGEN FÜR ZUKÜNFTIGE FORSCHUNG
7 ZUSAMMENFASSUNG
8 LITERATURVERZEICHNIS
9 LITERATURVERZEICHNIS
10 ABBILDUNGS-, TABELLEN-, ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
10.1 Abbildungsverzeichnis
10.2 Tabellenverzeichnis
10.3 Abkürzungsverzeichnis
Die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas ist ein ernstzunehmendes Gesundheitsproblem. Allein in Deutschland sind 54,0 % der Erwachsenen übergewichtig. Männer haben mit 43,3 % häufiger Übergewicht als Frauen (28,8 %) (Robert Koch-Institut, 2017, S.21).
Durch die erhöhte Anzahl von adipösen Personen entstehen erhebliche finanzielle Kosten. Im Jahr 2015 wurden insgesamt 338.207 Euro Krankheitskosten verursacht (Statistisches Bundesamt, 2020). Demgegenüber steht eine Vielzahl an populären Diätkonzepten und wissenschaftlichen Gewichtsreduktionsprogrammen.
Sechsundzwanzig Prozent der Deutschen haben bereits eine Diät ausprobiert; 15 % haben sich mindestens einmal an bestimmte Diätregeln gehalten (Techniker Krankenkasse, 2017, S.50). Dreiundvierzig Prozent der Diäterfahrenen konntenjedoch langfristig keinen Erfolg erzielen (Techniker Krankenkasse, 2017, S.51)
Gewichtsreduktionsansätze wie ,Low Fat‘ und ,Low Carb‘ sind dabei in der westlichen Welt besonders populär. Allerdings liegt deren Fokus überwiegend auf der Umsetzung eines optimalen Nährstoffverhältnisses, indem der Verzehr eines der Makronährstoffe Fett oder Kohlenhydrate deutlich eingeschränkt und somit ein Kaloriendefizit erreicht wird(Flögel, 2011,S. 282).
Die Berücksichtigung eines zeitlich geordneten, d. h. an der Chronobiologie ausgerichteten Essverhaltens zur Wiedererlangung eines normalen Körpergewichts, findet jedoch oftmals nur geringe Berücksichtigung. Die Mahlzeiten erfolgen oftmals unregelmäßig und häufig wird spät abends noch etwas gegessen (Gill & Panda, 2015, S. 789-798), was nicht dem zirkadianen Rhythmus entspricht. Das zirkadiane System bereitet Organismen darauf vor, sich zu bestimmten Zeiten zu ernähren, werden diese zeitlichen Beschränkung der Nahrungszufuhr nicht eingehalten, können viele schädliche Folgen für die Gesundheit auftreten. Z.B. produzieren Fruchtfliegen, die zur "falschen" Zeit gefüttert werden weniger Eier (Xu, DiAngelo, Hughes, Hogenesch, & Sehgal, 2011, S. 639). Des Weiteren wird angenommen, dass insbesondere die Desorganisation des zirkadianen Systems und der Verlust der zeitlichen Beziehungen zwischen den zirkadianen Rhythmen zur Entwicklung bestimmter chronischer Erkrankungen beitragen (Mukherji, et al., 2015, S. E6692). Außerdem wurde in einer Studie an Mäusen berichteten, dass im Vergleich zu Tieren, die die gleiche Diät nur in der dunklen, aktiven Phase gefüttert bekamen, nur eine Woche einer fettreichen, zuckerreichen Diät, die auf die helle oder inaktive Phase beschränkt war, zu einem höheren Nahrungsmittelkonsum, weniger Körperliche Aktivität und einer erhöhten Fettansammlung in der Leber führte (Yasumoto, et al., 2016, S. 714-727).
Somit stellt sich die Frage: Liefert die Chronobiologie Hinweise darauf, dass der Lebensmittelauswahl sowie der Nahrungsaufnahme zu bestimmten Zeiten zur Aufrechterhaltung und Wiedererlangung eines gesunden Körpergewichts eine entscheidende Bedeutung beigemessen werden sollte? Wie lautet somit die zeitliche Empfehlung für die Nahrungsaufnahme? Ein Sprichwort welches bis heute diskutiert wird lautet: „Morgens essen wie ein Kaiser, mittags wie ein König, abends wie ein Bettler“. Dieses Konzept spiegelt den Grundgedanken wieder, dass neben der Menge und dem Inhalt der Nahrung auch der Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme entscheidend für das Wohlbefinden eines Organismus ist. Im Rahmen dieser Bachelor-Thesis soll auf Grundlage der Ernährung, der zirkadianen Rhythmik und Chronobiologie ein Überblick in Form einer Literaturrecherche gegeben werden.
Das Ziel dieser Bachelorarbeit ist es, darzustellen, inwiefern die Chronobiologie Einfluss auf die Gewichtsreduktion haben kann. Hierbei werden aktuelle Studien betrachtet und die Relevanz des Essensrhythmus im Hinblick auf die Gewichtsreduktion geprüft. Am Ende steht die Beantwortung der Frage, ob die Chronobiologie ein sinnvoller Ansatz für Gewichtsreduktionsprogramme sein kann.
Im ersten Teil dieser Arbeit wird der theoretische Hintergrund der Chronobiologie, das zirkadiane System, erarbeitet, um ein Grundverständnis für die Thematik zu herzustellen. Im weiteren Verlauf wird auf Ernährungs- und Lebensstilfaktoren eingegangen, um die Entstehung von Adipositas und Interventionsansätze veranschaulichen zu können. Abschließend wird ein Überblick über die derzeitige Studienlage zur zirkadianen Ernährung als mögliches Diätverfahren gegeben und daraufhin resümierend die Hypothese beantwortet.
Es gibt immer mehr Hinweise und Daten darüber, dass die menschliche Ernährungsweise einen wesentlichen Einfluss auf den zirkadianen Rhythmus ausübt. In den nachfolgenden Abschnitten werden dazu einzelne Aspekte genauer betrachtet.
Unter dem Begriff Chronobiologie (griech. chronos: Zeit, Biologie: Lehre von der belebten Natur) wird die zeitliche Organisation biologischer Prozesse eines Lebewesens verstanden. Hierbei werden sowohl die natürlichen exogenen (äußeren) Rhythmen (Tag/Nacht, Ebbe/Flut, Sommer/Winter) als auch die endogenen (inneren) Rhythmen (Hormone wie Melatonin) berücksichtigt, abgebildet und in Verhaltensweisen und biologischen Prozessen erfasst. Die Chronomedizin wurde entwickelt, um den veränderten physiologischen Zustand des Körpers im Verlauf unterschiedlicher Rhythmen therapeutisch besser einbeziehen zu können (Harder & Oster, 2019, S. 1015).
Der Forschungszweig der Chronobiologie wurde im 20. Jahrhundert gegründet. Zu dieser Zeit entdeckte der Verhaltensphysiologe Gustav Kramer, dass Zugvögel eine Art ,innere Uhr‘ besitzen. Sie konnten durch die Orientierung an der Sonne ihre optimale Flugrichtung bestimmen. Des Weiteren stellte der Mediziner und Physiologe Jürgen Aschoff fest, dass der zirkadiane Rhythmus eines Organismus durch die Lichtintensität beeinflusst werden kann. Somit initiierte Aschoff I960 gemeinsam mit zwei weiteren Forschern das erste ,Cold Spring Harbor Symposium for Biological Clocks‘, was als Geburtsstunde der Chronobiologie gesehen werden kann (Abbruzzese, 2011, S. 133).
Die Forscher entwickelten eine Basis aus Regeln, Prüfsteinen und Konzepten, mit deren Hilfe sie in Zukunft die Mechanismen der biologischen Rhythmen und deren Verbreitung analysieren wollten.
Aufgrund der Rotation der Erde um ihre eigene Achse verändern sich Umweltbedingungen und es gibt den Wechsel von Tag und Nacht. Gleichzeitig kreist die Erde auch um die Sonne und somit entstehen die Jahreszeiten. Für viele Lebewesen ist es entscheidend, bestimmte Veränderungen schon im Vorhinein zu kennen, um das eigene Überleben zu sichern. Äußere Gegebenheiten wie Temperatur, Lichtmenge, Nahrungsangebot und Schutz vor Fressfeinden ändern sich über den Tag hinweg; die Anpassung daran bringt somit revolutionäre Vorteile (Podbregar, 2012, S.100). Allerdings beeinflussen den Organismus nicht nur äußere, sondern auch innere Gegebenheiten. Dabei wurde schon im 18. Jahrhundert das Bestehen eines endogenen Zeitsystems entdeckt: Der französische Astronom Jean Jacques Ortous de Mairan beobachtete, dass die Pflanze Mimosa ihre Blätter trotz fehlenden Sonnenlichts tagesrhythmisch öffnete und wieder schloss. Des Weiteren konnten Aschoff et al. durch ein Bunkerexperiment, bei dem Versuchspersonen drei bis vier Wochen ohnejegliche Tageszeitorientierung leben mussten, beweisen, dass der Mensch ebenfalls über einen endogenen zirkadianen Rhythmus verfügt und dass der interne Tag-Nacht-Rhythmus bei den meisten Menschen nicht genau 24 Stunden, sondern zwischen 24,7 und 25,2 Stunden andauert (Abbruzzese, 2011, S. 133). Somit wurde der zirkadiane Rhythmus (lat. circa: ungefähr, lat. dies: der Tag) ungefähr so lang wie ein Tag entdeckt.
Der Organismus verfügt über unterschiedlichen Rhythmen: der zirkadiane Rhythmus, die Periode des ultradianen Rhythmus (lat. ultra: über) ist kürzer als 24 Stunden; das Ereignis findet dabei mehrmals täglich statt. Beispiele für den ultradianen Rhythmus sind der Herzschlag, die Atmung und die Ausschüttung von Hormonen bei Tier und Mensch. Schließlich die Periode des infradianen Rhythmus (lat. infra: unter) dauert länger als 24 Stunden. Ein Beispiel ist hier der Menstruationszyklus der Frau (Grundbegriffe der Chronobiologie, 2009, S. 282).
Das zirkadiane Synchronisationssystem des Menschen misst die äußere Zeit und besitzt außerdem einen endogenen Rhythmus. Der äußere Tag beeinflusst den endogenen Rhythmus, und die Zeitinformation muss an alle weiteren, nichtzentralen zirkadianen Systeme des Körpers weitergegeben werden.
Die zirkadianen Rhythmen sind zum Großteil Ausdruck der Aktivität organismusinterner Oszillatoren (,Uhren‘) mit definierten Oszillationsperioden. Der Rhythmus dieser Oszillatoren liegt nicht genau bei 24 h und wird von ,Zeitgebem‘ der Umgebung synchronisiert. Hierbei werden Zeitinformationen der inneren Uhr verarbeitet.
Der wichtigste Zeitgeber ist dabei der Tag-Nacht-Wechsel. Ohne den äußeren LichtZeitgeber würde die innere mit ihrer eigenen, internen Zyklendauer ticken (Czeisler et al., 1999, S. 2178). Blinde Menschen können sich deshalb nicht mit dem 24-Stunden- Rhythmus des Tages synchronisieren (Allen, 2019, S. 73-79), denn der sonnenbedingte Hell-Dunkel-Wechsel spielt beim Stellen der inneren Uhr eine entscheidende Rolle. Dies wird u. a. ersichtlich durch die natürliche durchschnittliche Aufwachzeit (ohne äußere Zwänge) innerhalb einer Zeitzone von Ost nach West, die um fast genau vier Minuten pro Längengrad später wird. Dieses Phänomen entspricht dem Ost-West-Lauf der Sonne (Roenneberg, Kumar, & Merrow, The human circadian clock entrains to sun time, 2007, S. 44-45). Im Winter sind die inneren Uhren der meisten Menschen oftmals später eingestellt als im Sommer (Hadlow, Brown, Wardrop, & Henley, 2014, S. 246).
Die wichtigsten endogenen Oszillatoren, die unabhängig von externen Zeitgebern einen zirkadianen Rhythmus generieren, befinden sich im Zentralennervensystem (ZNS), speziell im suprachiasmatic nucleus (SCN) des Hypothalamus (Born & Birbaumer, 2019, S. 805). Der SCN enthält 15-20.000 Neuronen, die die Eigenschaft haben, mit einem auf 24 Stunden basierenden Rhythmus zu schwingen.
Eine Wechselwirkung zwischen verschiedenen Proteinen beeinflusst die innere Uhr. Von Bedeutung ist insbesondere die Interaktion zwischen den Proteinen PER (Period) und CRY (Cryptochrome). Der PER/CRY-Proteinkomplex wird im Bindungsbereich durch ein Zinkion entscheidend stabilisiert. Dieses ist vermutlich nur unter bestimmten physiologischen Bedingungen präsent, sodass dieser Regulationsmechanismus die äußeren Faktoren, wie bspw. der Tag-Nacht-Wechsel, die innere verstellen können (Schmalen et al., 2014, S. 1203-1215). Wahrscheinlich tickt injeder Zelle des Körpers eine eigene zirkadiane Uhr (Mohawk, Green, & Takahashi, 2012) in Form von spezifischen Genen, die ihre Genexpression gegenseitig über Rückkopplungsschleifen steuern. So konnten in Tierstudien zirkadiane Uhren im Verdauungssystem nachgewiesen werden (Sadacca, Lamia, deLemos, Blum, & Weitz, 2010, S. 120-124). Diese Gene werden Clock-Gene genannt und vom SCN synchronisiert (Stenvers, Jonkers, Fliers, Bischop, & Kaisbeek, 2012, S. 359-376).
Im Jahr 2017 erhielten die Wissenschaftler Jeffrey C. Hall, Michael Rosbash und Michael W. Young für die Identifizierung der Uhrengene und das grundlegende Verständnis von Mechanismen für die Erzeugung und Aufrechterhaltung zirkadianer Rhythmen den Nobelpreis für Physiologie und Medizin. Sie entdeckten, dass ein wichtiges Uhrenprotein der Fliege seine eigene Genexpression in einer Art Rückkopplungsschleife beeinflusst. Auch beim Menschen spielen diese entdeckten PERIOD-Gene und -Proteine (PER1-3) eine herausragende Rolle in der Regulation der zirkadianen Uhr (Riddle, Mezias, Foley, LeSauter, & Silver, 2017, S. 1357-1367). Des Weiteren erhält der SCN regelmäßig Rückmeldung über die Uhrzeit des Körpers und seiner einzelnen Gewebe, indem alle Stoffwechselaktivitäten des Körpers einander Rückkopplung über die innere Zeit geben. Dabei finden auch Rückkopplungen an den SCN statt (Remi, 2019).
Diese Rückkopplungen erfolgen außerdem sowohl durch die Zirbeldrüse als auch durch soziale Faktoren. Dadurch kann eine zirkadiane Rhythmik auch ohne direkte Lichtinformation aufrechterhalten werden. Ohne einen Zeitgeber stellt sich ein freilaufender Rhythmus mit einer Periodendauer von etwa 25 Stunden ein. Dabei bleibt zunächst die Synchronisation der untergeordneten zirkadianen Systeme mit dem SCN erhalten. Erst nach einigen Wochen kann diese nicht mehr gewahrt werden und es kommt zu einer fortschreitenden Störung zwischen der Rhythmik des SCN und den anderen Rhythmusoszillatoren, die in einer Desynchronisation endet (Rodenbeck, Chronobiologie, 2010, S. 1-5).
Auch endokrmologische Prozesse zeigen einen zirkadianen Rhythmus auf. Die Ausschüttung aller Hormone erfolgt dabei zeitlich getaktet. Im folgenden Abschnitt werden relevante Botenstoffe erläutert.
Ein wichtiger Botenstoff für den zirkadianen Rhythmus ist Melatonin. Die Netzhaut des Auges nimmt Lichtimpulse auf, die über Nervenzellen von der Retina an den SCN weitergegeben werden. Anschließend wird in der Zirbeldrüse, im Darm und in der Netzhaut des Auges Melatonin gebildet und unter dem Einfluss von Dunkelheit freigesetzt (Pail et al., 2011, S. 152-162). Die Melatoninkonzentration erreicht gegen drei Uhr morgens das Maximum, wobei die Ausschüttung durch Tageslicht gebremst wird. Melatonin übersetzt die äußere Information Tag = Licht und Nacht = Dunkelheit in ein endogenes Signal und steuert somit den Tag-Nacht-Rhythmus des menschlichen Körpers (Grundbegriffe der Chronobiologie, 2009, S. 284-285). Ein Mangel an Melatonin wird mit Schlafstörungen, Störungen der allgemeinen Befindlichkeit sowie Depressionen in Verbindung gebracht (Obayashi, Saeki, Kataoka, & Morikawa, 2015, S. 3090 -3096). Des Weiteren kann die Melatonin sublimentierung ein schnelleres Einschlafen begünstigen (Kräuchi, Cajochen, Werth, & Wirz-Justice, 1999, S. 36-37). Es reichen sehr geringe Dosen aus (~1 mg), um die oben erwähnten Wirkungen von Melatonin zu erzielen. Häufig wird Melatonin aufgrund der Zeitgeberwirkung bei Jetlag eingesetzt, auch bei blinden Personen mit zirkadianen Schlafstörungen, wo gewöhnliche Schlafmittel kaum Wirkung zeigen und Licht als Zeitgeber nicht wirken kann (Arendt & Rajaratnam, 2008, S. 267-269).
Auch Kortisol scheint einen eindeutigen zirkadianen Rhythmus aufzuweisen.
Es handelt sich dabei um ein Nebennierenrindenhormon, das aus Cholesterin gebildet wird. Kortisol zählt zu den Stresshormonen und ist in der Lage, Glukose bereitzustellen. Des Weiteren beeinflusst Kortisol die Glukoseproduktion in der Leber und den Proteinabbau in der Skelettmuskulatur. Im Normalfall liegt der Kortisolspiegel am Morgen am höchsten, am Abend bei etwa 50 % und fällt nachts auf ca. 20 % des Morgenwertes ab (Hubl, 2019, S. 1394). Auch der Spiegel dieses Hormons kann durch Licht, Schlaf und Nahrungsaufnahme moduliert werden; durch die Einnahme einer Mahlzeit kann der Kortisolspiegel bspw. ansteigen (Dodt, Hansen, Uthgenannt, Born, & Fehrn, 2009, S. 460466). . ..
Leptin und Ghrelin sind im Gehirn an der Regulation der Nahrungsaufnahme beteiligt und werden im Hypothalamus und im Hypophysenzwischenlappen gebildet.
Die Leptinkonzentration im Blut weist einen zirkadianen Rhythmus auf; hierbei sind die Maximalwerte während der Nacht zu messen und die minimalen Werte während des Tages (Sinha et al., 1996, S. 1344-1347). Leptin weist eine appetithemmende Wirkung auf, wobei der nächtliche Anstieg das Hungergefühl bremst und somit einen ungestörten Schlaf ermöglicht (Bodosi et al., 2004, S. R1071-R1079). Bei chronischem Schlafmangel ist die Serumkonzentration des Leptins deutlich vermindert und führt zu vermehrtem Hungergefühl (Keller, Hader, Zeeuw, & Rasche, 2007, S. 313-318). Ghrelin ist das Gegenstück zum Leptin und führt zu einer Steigerung des Hungergefühls (Dzaja et al., 2004, S. E963-E967). Bereits kurz nach der Nahrungsaufnahme fällt der Ghrelinspiegeljedoch rasch wieder ab.
Die Bauchspeicheldrüse stellt Insulin in den sogenannten Beta-Zellen her. Nach einer Kohlenhydratzufuhr steigt der Blutzuckerspiegel an und das Insulin transportiert das über die Nahrung aufgenommene Glukose aus dem Blut in die Zellen.
Für die Regulation der Glykogenspeicherung spielt das Insulin eine entscheidende Rolle, denn es aktiviert den Glukose-Transport durch die Membran der Muskel- und Fettgewebezellen. Neben dem Transport des Zuckers aus dem Blutkreislauf in die Zellen reguliert Insulin außerdem den Fett- und Eiweißhaushalt.
Je nachdem, was und wann der Mensch isst, steigt und sinkt sein Blutzuckerspiegel über den Tag verteilt. Sowohl der Insulin- als auch der Blutzuckerspiegel unterliegen demnach ständigen Schwankungen (Dr. Lütke, Dr. Neufang-Sahr, Erdmann, Prof. Scherbaum, & Abratis, 2018). Damit der Blutzucker nicht zu schnell und zu stark abfällt, wird das Hormon Glukagon ausgeschüttet. Dieses sorgt dafür, dass der Blutzucker rasch wieder steigt. Auch bei mangelnder Nahrungsaufnahme wird Glukagon freigesetzt und setzt Energie aus dem Depot in der Leber frei, um Unterzuckerungen zu vermeiden (Die Bauchspeicheldrüse - die Blutzucker-Zentrale, 2020). Des Weiteren liefern Zwischenmahlzeiten nicht nur zusätzliche Kalorien, sondern verhindern auch das Absinken des Insulinspiegels und somit einen Fettabbau zwischen den Mahlzeiten. Ein hoher Insulinspiegel gilt dabei als stärkster Hemmfaktor des Fettabbaus. Bei Essenspausen von bis zu fünf Stunden sinkt der Insulinspiegel, und Fett aus den Depots kann verbrannt werden (Semler, 2010, S. 296).
Der Zeitpunkt der zirkadianen Rhythmik ist individuell verschieden. Der sogenannte ,Chronotyp‘ oder die Tagespräferenz hängt von Verhaltensmustem ab, die auf zirkadian gesteuerte biologische Prozesse hinweisen (Roenneberg et al., 2007, S. 44-45).
Dabei wird zwischen dem Morgenchronotyp (Lerche), der früher aufsteht und früher zu Bett geht, und dem Abendchronotyp (Eule) unterschieden.
Beim Morgenchronotyp ist im Vergleich zum Abendchronotyp hinsichtlich der Höchstwerte von Kortisol sowie der Körpertemperatur eine Vorverschiebung von ca. einer Stunde festzustellen (Abbruzzese, Chronobiologie des Hormon- und des Immunsystems, 2011, zitiert nach Bailey & Heitkemper, 2001, S.135). Des Weiteren findet die Melatoninausschüttung beim Morgenchronotyp früher statt als bei Abendtypen und seine Körpertemperatur sinkt im Vergleich während der Nacht stärker (Abbruzzese, Chronobiologie des Hormon- und des Immunsystems, 2011, zitiert nach Duffy, Rimmer, & Czeisler, 2001, S. 135). In der Gesamtbevölkerung ist der Morgenchronotyp am häufigsten vertre- tenjedoch übt das Lebensalter Einfluss auf das zirkadiane System aus. Während Jugendliche und Adoleszente überdurchschnittlich häufig dem Abendtypus zugeordnet werden können (Rodenbeck, 2020, S. 4), ist bei zunehmendem Alter der Morgentypus häufiger anzutreffen (Fischer, Lombardi, Marucci-Wellman, & Roenneberg, 2017, S. e0178782). Der Zeitpunkt von Ereignissen oder die Planung von Arbeit, Schule oder Prüfungen kann bestimmte Chronotypen begünstigen oder beeinflussen (Rae, Stephenson, & Roden, 2015, S. 1339-1349).
Der Chronotyp wird durch den genetischen Hintergrund, das Alter, das Geschlecht und die Umgebung (z. B. Lichtexposition) bestimmt (Roenneberg et al., Epidemiology of the human circadian clock, 2007 S. 429).
Die individuellen Chronotypen können dabei leicht zugeordnet werden, z. B. mit Hilfe von Fragebögen, die einfache Fragen zu Schlaf- und Wachzeiten stellen.
Insbesondere der Fragebogen zur Bestimmung der individuellen zirkadianen Phasenlage von Home und Östberg, der ,Morningness-Eveningness-Questionnaire‘ (MEQ), konnte sich hier durchsetzen (Horne & Österberg, 1976). Seine Validierung erfolgte durch 48 Probanden, die über drei Wochen ihre Schlafzeiten dokumentierten und tagsüber in einem halbstündigen Abstand ihre Mundtemperatur prüften.
Der aus 19 Items bestehende Fragebogen wurde anhand der Rhythmen von Körpertemperatur, Aktivität, Kortisol, Melatonin, Leistungsfähigkeit und Wachheit erstellt und weist eine hohe Reliabilität auf (Milia, Adan, Natale, & Randler, 2013, S. 1261-1271). Er wurde in mehrere Sprachen übersetzt und wird heute weltweit am häufigsten zur Ermittlung des Chronotyps verwendet. Hierbei werden die Befragten gebeten, anzugeben, wann sie z. B. das Aufwachen oder Einschlafen präferieren. 2003 wurde ein neuer Fragebogen entwickelt, um Informationen über die tatsächliche zeitliche Planung des täglichen Schlafs und der Aktivität zu sammelmder Munich ChronoType Questionnaire (MCTQ) (Roenneberg, Wirz-Justice, & Merrow, Life between Clocks: Daily Temporal Patterns of Human Chronotypes, 2003, S. 80-90). Die aus 19 Fragen bestehende Skala untersucht die Wach- und Schlafzeiten sowohl an Arbeits- als auch an freien Tagen, die Energieniveaus während des Tages, die Schlaflatenz und -trägheit sowie die Tageslichteinwirkung. Die einzelnen Teilnehmer werden gebeten, sich selbst subjektiv als einen der möglichen Chronotypen zu bewerten, die von extrem früh (diese ziehen es vor, viel früher aufzustehen als andere) bis extrem spät reichen. Diese Informationen werden kombiniert, um die Tageszeit zu bestimmen, zu der sich der Befragte wahrscheinlich am wachsten fühlen wird, wonach er objektiv in eine Chronotypen- kategorie eingeordnet wird (Zavada, Beersma, Beersma, Daan, & Roenneberg, 2005, S. 267-278).
Das Phänomen der regelmäßigen, wöchentlichen Änderungen der Schlafzeit wird als sozialer Jetlag bezeichnet (Wittman, Dinich, Merrow, & Roenneberg, 2006, S. 497-509).
Der menschliche Schlaf wird oftmals von der sozialen Zeit, vor allem vom Arbeitsplan, beeinflusst. Dies wird offensichtlich, wenn die Schlafdauer getrennt von Arbeits- und freien Tagen analysiert wird; hierbei ist der Schlaf an freien Tagen signifikant länger als in der Arbeitswoche. Diese Abweichung istbeijungen Erwachsenen am ausgeprägtesten und nimmt mit zunehmendem Alter stetig ab.
Die vorzeitige Unterbrechung des Schlafens, z. B. durch einen Wecker, führt insbesondere bei späteren Chronotypen zu Schlafverlusten, da die zirkadiane das Einschlafen beeinflusst. Um diese Schlafverschuldungen auszugleichen, verschlafen diese Menschen in der Regel an freien Tagen (Roenneberg, Allebrandt, & Merrow, 2012, S. 939-943).
In der folgenden Abbildung ist ein beispielhaftes Schlaftagebuch einer Person mit starkem sozialem Jetlag abgebildet. An Werktagen ist die Schlafzeit dieser Person (dunkelgrau) an den Wochenenden ist die Schlafzeit (hellgrau). An Werktagen wird der Schlaf an beiden Enden verkürzt: Die innere der Person erlaubt es ihr nicht zur optimalen Zeit einzuschlafen und am Morgen wird der Schlaf durch den Wecker vorzeitig abgebrochen. Die Folge: chronischer Schlafmangel, der nur zum Teil am Wochenende aufgeholt werden kann.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der Chronotyp wird im Laufe der Pubertät und der Adoleszenz progressiv später (Rodenbeck, 2020); diese Entwicklungsveränderungen im zirkadianen Zeitablauf führen in Kombination mit der Tatsache, dass die Schulzeiten nicht auf den allgemein späten Chronotyp von Teenagern abgestimmt sind (Roenneberg, Allebrandt, & Merrow, 2012, S. 939-943), zu einem Höhepunkt des sozialen Jetlags gegen Ende der Adoleszenz. Deshalb weisen Teenager im Vergleich zu allen anderen Altersgruppen die größte Abweichung in der Schlafdauer zwischen freien und Arbeits- bzw. Schultagen auf. Obwohl der soziale Jetlag während der Adoleszenz am akutesten ist, hält er typischerweise während des gesamten aktiven Arbeitslebens bis zur Pensionierung an (Roenneberg, Allebrandt, & Merrow, 2012, S. 939-943).
Durch den Einfluss des modernen Lebensstils nimmt die Zuverlässigkeit externer Zeitgeber immer weiter ab. Künstliche Beleuchtung, Ernährung, Klimatisierung, Wechsel von Jahreszeit und Zeitzonen, Nachtarbeit, Weck- und Schlafmittel, hormonale Ausschaltung des Menstruationsrhythmus sind Beispiele von Veränderungen der naturgegebenen Zeitordnung. Mit der Entwicklung von künstlichem Licht hat sich nicht nur die effektiv nutzbare Zeit eines Tages und damit die menschliche Aktivitätsphase verlängert, es wird sogar eine komplette Umkehrung von Schlaf- und Wachphasen möglich - z. B. bei Schichtarbeit - was auch als Chronodisruption betitelt wird (Harder & Oster, Zirkadiane Rhythmen -Wie beeinflussen sie unserLeben? 2019, S. 1014-1017).
In vielen Bereichen sind wechselnde Arbeitsschichten heute aus wirtschaftlichen, technologischen und versorgungstechnischen Gründen unvermeidbar. Im Jahr 2018 haben 5,0 % der Erwerbstätigen nachts gearbeitet (Statistisches Bundesamt, 2020).
Wechselschichten, Früh- und Nachtschichten erfordern Wachheit und Aktivität zu Tageszeiten, zu denen die innere den Organen Ruhephasen vorgibt und die Umwelt ,Nacht‘ anzeigt; bei Nachtarbeit ist es zudem erforderlich, zu einer Zeit zu schlafen, in der die äußeren Zeitgeber ,Tag‘ signalisieren. Nachtschichtarbeiter schlafen und arbeiten somit gegen ihre innere und gegen den natürlichen Hell-Dunkel-Rhythmus des 24-Stunden-Ta- ges. Auf lange Sicht kann dies zu einer Desynchronisation zwischen dem zirkadianen System des Organismus und den Zeitgebern in der Umwelt führen (Schichtarbeit in der modernen Industriegesellschaft und gesundheitliche Folgen, 2010, S. 88-89). Bei einer andauernden Chronodisruption, z.B. durch Schichtarbeit, ist mit schwerwiegenden Folgen zu rechnen: Es entsteht ein erhöhtes Risiko für zahlreiche chronische Erkrankungen (Kecklund & Axelsson, 2016, S. 1-13). Studien belegen bspw., dass die Störung des zirkadianen Rhythmus durch Schichtarbeit zu einem metabolischen Syndrom führen kann (Puttonen, Viitasalo, & Härma, 2012, S. 343-348). Des Weiteren konnte ein Zusammenhang zwischen verminderter Schlafdauer und Gewichtszunahme belegt werden. Eine durchschnittliche Schlafdauer von weniger als sechs im Vergleich zu sieben bis acht Stunden pro Nacht geht dabei mit einem um etwa 60 % erhöhten Adipositasrisiko einher (Hall etal.,2008, S. 635-643)
Die gleiche Problematik tritt bei einem Jetlag auf. Nach einem Flug in eine andere Zeitzone stimmen Lebensrhythmus und äußere Signale plötzlich nicht mehr mit der inneren überein. Somit geraten die körperlichen Rhythmen durcheinander.
Jedoch kann sich die ,innere Uhr‘ nach einer gewissen Zeit erneut an die äußeren Bedingungen anpassen, aber immer nur um wenige Stunden auf einmal. Einige der vielen unterschiedlichen Zyklen und Rhythmen im menschlichen Körper benötigen mehr Zeit, um sich komplett anpassen zu können. Bei einem Jetlag kann es somit zwischen wenigen Tagen und einigen Wochen dauern, bis Umwelt und Körper wieder synchron sind (Pod- bregar, 2012, S. 107).
Übergewicht und Adipositas sind definiert als eine über das Normalmaß hinausgehende Vermehrung des Körperfetts nach den Leitlinien der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (2020) und werden von der WHO als eigenständige Krankheiten eingestuft (World Health Organization, 2000). Weltweit ist die Prävalenzrate für Übergewicht und Adipositas zwischen 1980 und 2012 bei Erwachsenen um 27,5% und bei Kindern um 47,1% gestiegen, bei insgesamt 2,1 Milliarden Menschen, die als übergewichtig oder adipös gelten (Ng, et al., 2014, S. 766-781 ). Dieser Anstieg war sowohl in Industrie- als auch in Entwicklungsländern zu beobachten. Allerdings ist die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas in allen Altersgruppen in den Industrieländern höher als in den Entwicklungsländern (Ng, etal.,2014, S. 766-781).
Indikator (BMI) Das am häufigsten verwendeten Maß zur Definition von Übergewicht und Adipositas ist der Body-Mass-Index (BMI), der mit dem Verhältnis von Körpergewicht zum Quadrat der Körpergröße (kg/m2) berechnet wird.
Untergewicht ist unterhalb des Wertes von 18,5 einzuordnen. Als Normalgewicht ist der Wert zwischen 18,5 und 24,9 kg/m2 definiert. Ab einem BMI von 25 kg/m2 wird von Übergewicht gesprochen. Ein BMI von 30 kg/m2 kennzeichnet die Grenze zur Adipositas, die weiter in drei Schweregrade unterteilt wird. Mit der nachfolgenden Tabelle kann ein Ergebnis beurteilt werden.
Tabelle 1: Gewichtsklassifikation anhand des BMI für Erwachsene (Weltgesundheitsorganisation, 1998)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Aussagekraft des BMI istjedoch bezüglich der Bewertung des Gesundheitszustandes begrenzt. Denn bei Betrachtung der Risikofaktoren ist nicht nur die Menge des Körperfettes zu berücksichtigen, sondern auch die Fettverteilung (Donahue, Bloom, Abbott, Reed, & Yano, 1987, S. 821-824). Des Weiteren deutet ein erhöhter BMI nicht immer auf eine erhöhte Körperfettmenge hin. Kraftsportler erreichen bei geringem Körperfettanteil und erhöhter Muskelmasse ebenfalls einen erhöhten BMI (Ode, Pivamik, Reeves, & Knous, 2007, S. 403-409). Ohne erhöhte körperliche Aktivität ändert sich die Fettverteilung im Körper mit zunehmendem Alter. Vor allem Muskel- und Knochenmasse nehmen über die Jahre kontinuierlich ab, während sich die Menge der abdominalen Fettreserven erhöht (Gallagher et al., 1996). Der BMI bleibt hiervonjedoch unbeeinflusst. Zusätzlich unterscheidet sich die Körperfettmasse der unterschiedlichen Ethnien (Deurenberg-Yap, Schmidt, van Staveren, & Deurenberg, 2000, S. 1011-1017), sodass diese Klassifikation nur für die weiße europäische Bevölkerung gilt. Deshalb ist ein weiteres Messverfahren wie die Messung des Taillenumfangs empfehlenswert. Hierbei wird durch die umfangsmessung der Taillie ebenfalls der Körperbau miteinbezogen.
Der Taillenumfang wird zwischen dem unteren Ende der Rippen und dem oberen Ende des Beckens gemessen. Liegt der Wert bei Frauen bei > 88 cm bzw. bei Männern bei > 102 cm, handelt es sich um eine abdominale Adipositas (Weltgesundheitsorganisation, 2000).
Adipositas entsteht durch ein Energieungleichgewicht zwischen konsumierten und verbrannten Kalorien, was einen Energieüberschuss und somit eine positive Energiebilanz bedeutet, die zu Übergewicht führt. Ein solches Energieungleichgewicht kann dabei das Ergebnis tiefgreifender sozialer und wirtschaftlicher Veränderungen sein (Hubry & Hu, 2014, S. 673-689). Die genaue Ursache der Adipositas erkrankung ist unbekannt; es scheintjedoch eine Beziehung zwischen biologischen, psychosozialen und verhaltensbezogenen Faktoren zu bestehen, zu denen die genetische Beschaffenheit, der sozioökonomische Status und kulturelle Einflüsse gehören (Deutsche Adipositas Gesellschaft, 2019 - 2020).
Nach den Leitlinien der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (2020) sind vor allem folgende Punkte als ursächlich anzusehen:
Hierbei stellt Adipositas eine neuroendokrinologische Störung dar, die entsteht, wenn bestimmte Umweltfaktoren auf eine genetische Prädisposition treffen. Es wird angenommen, dass diese Prädisposition sowohl den Metabolismus als auch das Verhalten beeinflusst (Hebebrand & Hinney, 2009 zitiert nach Hebebrand, Bamman, & Hinney, Genetische Ursachen der Adipositas, Zum Stand der Forschung, 2010, S. 674). In Familien-, Adoptions- und Zwillingsstudien wurde belegt, dass die Vererbung vorwiegend beim Energieverbrauch sowie bei der Hunger- und Sättigungsregulation eine Rolle spielt (Wirth, 2015, S. 362). Zum Beispiel wurde bei Zwillingsstudien eine Heritabilitätsrate (Maßzahl für den vererbbaren Anteil eines Erscheinungsbildes) von 80 % bewiesen (Hjelmborg et al., 2012). Des Weiteren gibt es einzelne monogenetische Syndrome oder Erkrankungen, die unter anderem zu Adipositas führen können (Xia & Grant, 2013, S. 178-190).
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