Bachelorarbeit, 2020
35 Seiten, Note: 1,3
1 Einleitung
2 Soziale Arbeit mit Fußballfans
3 Fußballfans als Adressat/Innen Sozialer Arbeit
4 Zum Stand der Gewaltprävention in der Fansozialarbeit
5 Fansozialarbeit zwischen Prävention und Repression
6 Fazit
7 Literaturverzeichnis
Fußball ist für viele Menschen mehr als nur ein Sport. Er bietet Spannung, Abenteuer und Leidenschaft. Ob man will oder nicht, in unserer Gesellschaft mit dem modernen Sport und seiner Kommerzialisierung, kommt man mit dem Fußball früher oder später in Verbindung.
Für einige mag es lästig sein, dass in der Montagszeitung von den Spielen des vergangenen Wochenende berichtet wird oder die Kollegen sich darüber austauschen. Für andere gehört Fußball zu einer von vielen interessanten Dingen und Beschäftigungen im Leben mit dazu. Doch für eine Vielzahl anderer, vor allem jungen Menschen, bietet Fußball darüber hinaus viel mehr. Er ist Hauptbestandteil ihrer Lebenswelt - ihr Lebensinhalt. „Die eigene Biographie hangelt sich womöglich daran entlang. An der Hand des Vaters zum ersten Mal ins Stadion, der Treffpunkt im Viertel zum Fußballspielen, die Versuche zum Zusammenstellen einer Clique, später dann die Reise in andere Bezirke, Städte und Länder - und alles im Zusammenhang mit dem Fußball“ (Heitmann et al 1995, S. 183). Dabei bietet der Fußball den jungen Menschen die Gelegenheit soziale Kontakte zu knüpfen und das Verlangen nach Spannung in der Gruppe von Gleichgesinnten auszuleben.
Neben diesen positiven Aspekten des beliebten Sports mit seinen leidenschaftlichen Fans gibt es jedoch auch immer wieder Ausschreitungen rund um das Fußballgeschehen. Meist wird in diesem Zusammenhang von Fangruppen berichtet, die sich gewalttätige Auseinandersetzungen mit anderen Fans, Ordnungshütern oder der Polizei liefern. Diesen Gefahren wird mit einer Vielfalt von Maßnahmen entgegengewirkt. Zum einen gibt es Sicherheitsmaßnahmen, die durch bauliche Maßnahmen in Stadien oder den Einsatz von Ordnungs- und Polizeipersonal erreicht werden. Hinzu kommt die sozialpädagogische Arbeit mit den meist jugendlichen Fans, die von Mitarbeiter/innen der ortsanliegenden Fan-Projekte durchgeführt werden.
Der Fußball und seine Fans sind definitiv kein klassisches Arbeitsfeld der Sozialen Arbeit. Zunächst muss erläutert werden, hinter welchem Hintergrund der Einsatz von Sozialarbeiter/Innen gefordert und realisiert wurde. Es gilt also herauszuarbeiten, was Fansozialarbeit leisten kann und soll. Hierbei stellt sich die Frage nach der Einordnung der Arbeit mit Fußballfans innerhalb der Sozialen Arbeit und ihrer Organisation. Wie also treten Sozialarbeiter/Innen mit Fans in Kontakt und nach welchen Prinzipien arbeiten sie?
Ferner muss definiert werden, wer als Adressat/In dieser sozialpädagogischen Maßnahmen gilt. Hierzu wird zunächst definiert, ab wann man im Kontext des Fußballsports als Fan beschrieben werden kann. Darüber hinaus gibt es verschiedene Ausdifferenzierungsmöglichkeiten. Da es in dieser Arbeit primär um den Gewaltaspekt im Fußball und dessen Prävention geht, werden die Fangruppierungen der Ultras und Hooligans näher erläutert. Diese treten in der Literatur dieses Themas besonders in Erscheinung. Ferner wird herausgearbeitet, ob sich aus ihnen eine Kernzielgruppe der Fansozialarbeit herausbildet. Daraufhin bedarf es einer näheren Betrachtung dieser Gruppierung in Hinblick auf ihren jugendkulturellen Zusammenschluss und die Bedeutung dessen für die gewaltpräventive Arbeit mit ihren Mitgliedern. Im Anschluss wird der derzeitige Stand der Präventionsarbeit mit Fußballfans näher beschrieben. Es wird also erläutert welche Möglichkeiten die Soziale Arbeit hat, von Fans ausgehende Gewalt zu vermindern und um welche Formen von Gewalt es sich hierbei handelt. Um einen konkreteren Einblick in die Arbeit von Fan-Projekten zu gewinnen, werden Projekte mit präventiver Zielsetzung am Beispiel des Dortmunder Fan-Projekts beschrieben. Im Anschluss daran erfolgt eine kritische Auseinandersetzung mit der Bedeutung von Gewaltprävention in Hinblick auf die Gesellschaft. Es stellt sich hier die Frage, ob Fansozialarbeit initiiert wurde, um wirklich den Jugendlichen bei den Problemen ihrer Umwelt zu helfen, oder ob der Einsatz von Sozialarbeit unter dem Druck der Gesellschaft entstand.
Im letzten Teil der Arbeit erfolgt die Betrachtung der Fansozialarbeit in Hinblick auf Möglichkeiten und Grenzen ihrer Lebensweltorientierung. Werden in der Arbeit mit Jugendlichen also alle Aspekte dieser Theorie in ihrer Ganzheitlichkeit ausgeübt oder gilt es Potentiale eine lebensweltorientierte Arbeit mit den jungen Fans noch weiter auszubauen?! Es stellt sich die Frage, ob die Fansozialarbeit die Wirksamkeit ihrer Arbeit unter Betrachtung dieser Theorie selbst zu verantworten hat oder ob eventuelle Grenzen auf Grund struktureller Gegebenheiten erreicht werden. Am Ende dieser Arbeit erfolgt ein Ausblick für die Fansozialarbeit, der aufzeigt, was jugendliche Fans von der Sozialen Arbeit brauchen. Vor allem muss aufgezeigt werden, was Sozialarbeiter/Innen der Fan-Projekte für eine erfolgreiche Arbeit mit Fans aufbringen müssen und was nötig ist, damit sie einen Beitrag zur Gewaltprävention im Fußballsport (weiter) leisten können.
Das Phänomen des Fußballs und seine Fans sind jedem bekannt. Doch der Profifußball hat sich auch zu einem Feld der Sozialen Arbeit entwickelt. Sozialarbeiter/innen widmen sich den Fans und organisieren sozialpädagogische Maßnahmen und Angebote innerhalb von Fan-Projekten. Zielsetzung der sozialpädagogischen Arbeit mit den meist jugendlichen Fans ist zum einen die Gewalteindämmung durch Präventivmaßnahmen und ein Verhindern der Festigung extremistischer Orientierungen. Zum anderen wird die Steigerung des Selbstwertgefühls des Einzelnen sowie eine Stabilisierung der Fangruppierungen angestrebt (vgl. Nationales Konzept Sport und Sicherheit (NKSS) 1992, S. 11f.). Für das Erreichen dieser Ziele ergibt sich für Sozialarbeiter/Innen des Handlungsfeldes der Fansozialarbeit zunächst eine „Teilnahme an der Lebenswelt der Fußballanhänger“ (ebd., S. 12) als Ausgangspunkt zur Kontaktaufnahme und dem Aufbau einer vertauensvollen Beziehung zu den Jugendlichen. Diese liefert die Handlungsbasis für die Durchführung von weiteren Angeboten. Diese Teilnahme erfolgt primär bei der Spielbegleitung der Fans zu Heim- und Auswärtsspielen (vgl. Heitmann et al 1995, S. 183). Hinzu kommen Besuche von Treffpunkten der Fans außerhalb des Stadions (vgl. NKSS 1992, S.12).
Darüber hinaus schaffen die Mitarbeiter/innen der Fan-Projekte Freizeitangebote für die
Jugendlichen, welche nicht zwingend sportbezogen sein müssen (vgl. Klose/ Steffan 1997, S. 32). Bei diesen Aktivitäten ergibt sich eine gruppenpädagogische Beschäftigung mit den Fans, jedoch betreiben die Mitarbeiter/Innen der Fan-Projekte auch Einzelfallhilfe. Neben allgemeiner Sozialberatung oder der Begleitung bei Behördengängen ergeben sich auch hier fußballbezogene Probleme wie Stadionverbote oder gegen Fans eingeleitete Ermittlungsverfahren, bei denen den Jugendlichen Hilfe zugesprochen wird. Die Sozialarbeiter/Innen nehmen in diesem Fall eine gewisse anwaltliche Funktion ein (vgl. Herold 2012, S. 153).
Auch Institutions- und Öffentlichkeitsarbeit gehören zu dem Aufgabenfeld von Fan- Projekten. Hierbei stellt sich die Vermittlungsarbeit als zentral heraus, die zum einen zwischen den Institutionen und zum anderen zwischen ihnen und den Fans stattfindet (vgl. Heitmann et al 1995, S. 189f.). Fansozialarbeit soll in diesem Feld auch als Aufklärungsinstanz helfen, das in der Gesellschaft entstandene Feindbild des Fußballfans abzubauen (vgl. Herold 2012, S.155).
Insgesamt versuchen die Sozialarbeiter/Innen die Jugendlichen in ihrer Lebenswelt zu erreichen und von dort zu schauen, was für sie getan werden kann. Es gilt dabei jedoch immer „sich auch die Strukturen heutiger Lebenswelt, also auf die Ungleichheiten, wie sie sich in der pluralen, vielfältigen Gesellschaft zeigen“ (Thiersch 1995, S. 26) zu beziehen. Es ergibt sich für die Soziale Arbeit mit jugendlichen Fußballfans stets den Blick für das Umfeld und die Gegebenheiten der Adressat/Innen zu haben. Es darf somit nicht genügen diejenigen Probleme lösen zu wollen, die sich innerhalb der Fanszenen entwickeln. Es gilt auch im Einzelnen zu betrachten, was die jungen Menschen veranlasst hat, sich beispielsweise den Problemgruppen im Fußballumfeld anzuschließen (vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft Streetwork/ Mobile Jugendarbeit e.V. 2015, S. 1).
Um das sozialpädagogische Handeln innerhalb der Fan-Projekte besser verstehen zu können, erfolgt zunächst eine Einordnung dieses Handlungsfeldes in die Soziale Arbeit. Es wird beschrieben, was Fansozialarbeit als Handlungsfeld Sozialer Arbeit ausmacht und nach welchen Prinzipien sich die Arbeit der Mitarbeiter/Innen der Fan-Projekte ausrichten. Außerdem gilt es die Entstehung der sozialpädagogischen Fan-Projekte näher zu betrachten. Es stellt sich hierbei die Frage, unter welchen Bedingungen die Fansozialarbeit entstand und welche Forderungen es im Zuge der Auseinandersetzung mit Fans an die Soziale Arbeit gibt.
Zunächst kann die Arbeit von Sozialarbeiter/Innen in Fan-Projekten inhaltlich der Jugendhilfe zugeordnet werden (vgl. Herold 2012, S. 149). Diese wird verstanden als „Gesamtheit der Leistungen, die Jugendlichen zur Erziehung, Bildung und Entwicklung gewährt werden“ (Springer Gabler Verlag). In Bezug auf Fußballfans beschreiben Klose und Steffan die „Unterstützung der Jugendlichen in belastenden Lebenslagen und krisenhaften Situationen“ (1997, S. 31) als Aufgabe der Fansozialarbeit. Um das Vorgehen innerhalb der Projekte weiter differenzieren zu können, gilt es den Blick darauf zu richten, wie die sozialpädagogische Arbeit mit den jugendlichen Fans zustande kommt. Hierbei fällt auf, dass die Begegnungen von Sozialarbeiter/Innen und Fußballfans hauptsächlich an Orten stattfinden, an denen sich die Jugendlichen für gewöhnlich aufhalten (vgl. Schneider 1997, S. 109). Somit kann die Fansozialarbeit als aufsuchende beziehungsweise mobile Jugend- und Sozialarbeit definiert werden. Das Stadion mit der Begleitung bei Heim- und Auswärtsspielen ergibt sich hier als Ort, an dem die Arbeit überwiegend ausgeübt wird.
Die aufsuchende Jugend- und Sozialarbeit zeichnet sich durch eine Reihe von ausschlaggebenden Faktoren aus, die sich in der Fansozialarbeit wiederfinden lassen. So beschreibt Kurt Gref die Wichtigkeit der Berücksichtigung der Gruppenstrukturen. Sozialarbeit/Innen sollten sich Gruppierungen annehmen, diese akzeptieren und es somit nicht als Ziel sehen diese auflösen zu wollen (vgl. 1995, S.15). In Bezug auf die Arbeit mit Fans muss hier die Akzeptanz von Fan-Gruppierungen (wie beispielsweise die der Ultras) genannt werden. Damit einher geht die Orientierung an sowie das Verständnis für die Alltagssituation und Lebenslage der Fans (vgl. ebd.). Ein weiterer Aspekt der aufsuchenden Arbeit mit Jugendlichen ist das Verschaffen von Räumen und zwar „im wörtlichen und im übertragenen Sinne: Erlebnis- und Erfahrungsräume“ (ebd., S. 16). Für Anhänger des Fußballsports bedeuten Räume zunächst Treffpunkte und Orte, an denen sie zusammenkommen können, ebenso innerhalb wie außerhalb des Stadions. Jedoch ist damit auch gemeint ihnen Gelegenheiten zu schaffen, sich selbst inszenieren zu können (vgl. Pilz 2010, S. 83).
Fan-Projekte arbeiten hierbei als „unabhängige Einrichtungen der Jugendhilfe“ (NKSS 2012, S. 7). Für die Mitarbeiter/Innen der Projekte ergibt sich dennoch die Zusammenarbeit mit Fan-Betreuer/Innen der Vereine (vgl. Pilz 2006, S. 243). Die Wichtigkeit „aller am Fußballgeschehen beteiligten Gruppen (Vereine, Verbände, Medien, Sicherheitskräfte, Spieler, Fans u.a.)“ (Heitmann et al 1995, S. 193) soll hiermit nicht vernachlässigt werden. Fan-Projekte können vielmehr als 'Drehpunkteinrichtung' verstanden werden, die versuchen mit all diesen Beteiligten im Dialog zu sein (vgl. ebd. / vgl. Schneider 1997, S. 107). Koordiniert werden alle deutschen Fan-Projekte durch die Koordinationsstelle Fanprojekte (kurz: KOS), die 1993 gegründet wurde, „um die sozialpädagogisch arbeitenden Fanprojekte inhaltlich zu begleiten, zu koordinieren und bei der Einrichtung weiterer Projekte mitzuwirken“ (NKSS 2012, S. 10).
Der Sport Fußball hat eine lang zurückgehende Geschichte. So gab es schon zahlreiche Vorformen dessen, was heute als populärer und beliebter Sport in unserer modernen Gesellschaft die Zuschauer begeistert. Seinen Ursprung findet Fußball während des Mittelalters in England (vgl. Schulz 1986, S. 20). Mitte des 19. Jahrhunderts gelangte der Sport nach Deutschland, wo er besonders nach dem Erste Weltkrieg die Massen begeisterte (vgl. Sommerey 2010, S. 28f.). Obwohl Fußballspiele und Zuschauer seit jeher zusammen einhergehen, wird mit Fans noch nicht sehr lange sozialpädagogisch gearbeitet. So beschreibt auch Herold im Jahre 2012 die Fansozialarbeit als „noch relativ junges sozialpädagogisches Praxisfeld“ (S. 142 ).
Jedoch gab es auch früher schon Ausschreitungen, die zu gewalttätigen Ereignissen mit verletzten oder getöteten Fußballfans führten. Die ersten Fan-Projekte sind daher unter Handlungsdruck vor dem Hintergrund solcher Vorkommnisse entstanden (vgl. Schneider 1997, S. 110). Doch nicht nur die tatsächlichen Ausschreitungen, sondern auch die Berichte darüber führten zur vermehrten Auseinandersetzung mit der Thematik. „Zunehmende mediale Darstellungen von abweichenden Verhaltensweisen in Fußballkontexten untermauerten eine Eingriffsnotwendigkeit“ (Kathöfer et al 2013, S. 30). 1982 wurde in dem „Gutachten 'Sport und Gewalt' erstmals ein zielgruppenorientierter Einsatz von Sozialarbeitern in der Fanszene gefordert“ (Pilz 2010, S. 80). Es ergab sich „die Einsicht, dass ordnungspolitische und strafverfolgende Maßnahmen bei der Bewältigung der Fanproblematik allein nicht mehr ausreichten“ (Herold 2012, S. 143). Es entstanden nun die ersten Fan-Projekte in Bremen, Hamburg, Mannheim, Bielefeld, Frankfurt, Hannover, Karlsruhe und Dortmund, die sich der sozialpädagogischen Arbeit mit den meist jugendlichen Fans annahmen (vgl. Pilz 2010, S. 80). Eine feste Einbindung von Fan-Projekten und somit von Sozialarbeiter/Innen in den Fußball erbrachte jedoch erst das 'Nationale Konzept Sport und Sicherheit' (NKSS),
welches 1992 verabschiedet wurde. Neben ordnungspolitischen Maßnahmen waren nun auch sozialpädagogische Maßnahmen wichtig für die Frage der Sicherheit im Fußball. Den Fan-Projekten kann hierbei jedoch nicht die Rolle zugeschrieben werden durch ihre Maßnahmen die Gegebenheiten für gewalttätiges Verhalten seitens der Fußballfans vollends zu beseitigen. Zu diesen Ausschreitungen kommt es auf Grund vielzähliger Faktoren, die nur bedingt direkt mit dem Fußballgeschehen in Verbindung stehen (vgl. Pilz et al 1982, S. 18). Pilz spricht in diesem Zusammenhang von „strukturellen Bedingungen gewaltförmigen, auffälligen Verhaltens Jugendlicher“ (2006, S. 238) und daraus resultierenden Konflikten, die die Fansozialarbeit nicht ohne weiteres lösen kann (vgl. ebd.). Vielmehr ergibt sich daraus die Aufgabe der Sozialarbeiter/Innen sich für Veränderungen der strukturellen Gegebenheiten der jungen Fans einzusetzen (vgl. ebd., S. 239). Für die Arbeit mit Fußballfans gilt es hierbei, sich den Entwicklungen der Zuschauerszene anzupassen. So galt es früher ausschließlich Fan-Projekte in Städten mit Vereinen der 1. Bundesliga zu initiieren (vgl. NKSS 1992, S. 11). In den Folgejahren gab es jedoch eine Verlagerung der Gewaltproblematik in die unteren Spielklassen, in denen radikalen Fans das Ausleben von Gewalt einfacher gelang. In einer Fortschreibung des NKSS von 2012 heißt es dann: „Das NKSS gilt für die Bundesliga, die 2. Bundesliga, die 3. Liga und die Regionalligen“ (2012, S. 5). Diese beiden unterschiedlichen Beschreibungen der Durchführungsweite von Fan-Projekten zeigt, dass die Fansozialarbeit ein Praxisfeld der Sozialen Arbeit ist, welches sich erst vor kurzem verstärkt ausgebaut hat und stets im Wandel abhängig von den Gegebenheiten ist.
Fußball als „Sport für die breite Masse“ (2013, S. 24) begeistert nicht nur viele Menschen von Zuhause aus, sondern es kommt auch zu großen Versammlungen von Fans. Anders herum stellt sich auch das Publikum selbst dar als ein Bestandteil, den der Sport zur Inszenierung braucht (vgl. ebd.). Es stellt sich jedoch die Frage, inwieweit Soziale Arbeit ins Spiel kommt und ob sozialpädagogische Maßnahmen für die Gesamtheit aller Fans gelten oder ob sie speziell auf bestimmte Gruppierungen ausgelegt werden. Neben Alter und Geschlecht der Fans spielt auch die Frage nach Ausdifferenzierungen der Fans eine Rolle, denn es gibt verschiedene Gruppierungen, die sich in der vorliegenden Literatur besonders bezüglich der Gewaltbereitschaft voneinander abgrenzen. Die Frage danach, welcher der Fans zu Adressat/Innen Sozialer Arbeit werden, unterliegt in dem Handlungsfeld der Fansozialarbeit dem Standard der Freiwilligkeit. Somit stellen die Mitarbeiter/Innen der Fan-Projekte Angebote zur Verfügung, ob die Jugendlichen sie nutzen wollen, wird ihnen überlassen (Bundesarbeitsgemeinschaft Streetwork/Mobile Jugendarbeit e.V. 2015, S. 1). Allgemeines Ziel ist es, die sozialpädagogischen Projekte für Jugendliche auszurichten, die von anderen Angeboten der Jugendsozialarbeit nicht erreicht werden (vgl. NKSS 1992, S. 8). Dies „gilt im besonderen Maße für die Problemgruppen der gewaltbereiten und gewaltsuchenden Personen“ (ebd.). Jedoch muss hierfür zunächst differenziert werde, wer zu diesen gezählt werden kann.
Der Begriff Fan ist von dem englischen Wort 'fanatic' (zu deutsch: Fanatiker) abzuleiten. Im Allgemeinen können Fans als leidenschaftliche Anhänger/Innen angesehen werden, die sich in ihrer Freizeit auf ein bestimmtes Objekt wie zum Beispiel dem Fußball fokussieren (vgl. Roose et al 2010, S. 10). Besonders kennzeichnend hierbei ist die Emotionalität der Fans gegenüber diesem Objekt (vgl. ebd., S. 11).
Es gilt nicht jeder als Fan, der mit dem Fußball an einem Punkt seines Lebens in Kontakt kommt. Denn die Autoren beschreiben eine Abgrenzung gegenüber Zuschauern, die sich nur gelegentlich dem Fußball annehmen (vgl. Roose et al 2010, S. 13). Doch nun gilt es zu definieren, wann ein Fan als 'Normalo'1 gilt und wann 1 'Normalo' hier gemeint als einfacher, unauffälliger Zuschauer (vgl. Sommerey 2010, S. 39) Fußballbegeisterte zu Gruppierungen zählen, die als gewaltbereit oder gar gewaltsuchend aufgefasst werden. Die verschiedenen Typen von Fans können nach Heitmeyer und Peter hinsichtlich der Orientierung, also dem, was sie sich vom Fußball erhoffen, unterteilt werden (vgl. 1988, S. 32f.). So wird dem unauffälligen Fan eine Konsumorientiertheit zugeschrieben. „Der Normalo möchte Teil eines Spektakels sein, er möchte im Stadion etwas erleben, wovon er lange und oft erzählen kann“ (Sommerey 2010, S. 39). Zwar ist auch er begeistert von Fußball und sympathisiert sich mit dem Sport, doch ist es nur eine von mehreren Freizeitaktivitäten, die nicht die gesamte Aufmerksamkeit und die alltägliche Lebensgestaltung einnimmt (vgl. Heitmeyer/Peter 1988, S. 57). Daraus ergibt sich folglich eine weniger starke Emotionalität seitens des Fans, weshalb die sogenannten 'Nomalos' nicht auffallend in Auseinandersetzungen verstrickt sind.
Anders als die 'normalen Fans' treten Ultra-Anhänger als sehr homogene Gruppe auf, die außerordentlich strukturiert und organisiert ist (vgl. Winands 2015, S. 75). Ihr Ziel ist es durch Choreographien, Sprachgesänge, Kurvenshows oder ähnlichen Stimmung in die Ränge des Stadions zu bringen (Pilz 2012, S. 63). Außerdem nimmt der Fußball weitaus mehr Platz in ihrem Leben ein, denn ein Ultra „verkörpert die Ultra-Mentalität nicht nur am Spieltag, sondern idealerweise in jeder Minute seines Lebens“ (Langer 2012, S. 120). Die damit verbundene hohe Identifikation und große Emotionalität sieht Langer als möglichen Auslöser der Gewalt, die von Ultras ausgeübt wird (vgl. ebd.). Jedoch kann es nicht verallgemeinernd so dargestellt werden, dass von ihnen stets Gewalt ausgeht. Nach Sommerey kann man unter Ultras sowohl friedliche, gewaltbereite als auch gewaltsuchende Fans finden (vgl. 2010, S. 42). Zudem muss die Art und Motivation, die zur Gewalt führt, genauer betrachtet werden. So werden Gewaltvorkommnisse ihrerseits nicht beschrieben als lustvolle oder geplante Gewalt, sondern kann als reaktiv und instrumentell bezeichnet werden. Gemeint ist damit, dass die Gruppierungen Gewalt nur anwenden „als Antwort auf staatliche Interventionen und Repressionen“ oder als „Mittel zum Zweck, um zum Beispiel das eigene Revier gegenüber Angriffen zu verteidigen“ (Herold 2012, S. 147).
Ebenso ist es wichtig die Handlungen der Fans nicht ausschließlich aus dem Blickwinkel der Gesellschaft zu betrachten, sondern sich auf ihre Ebene zu begeben. Unter den Gruppierungen ist es vielmehr Gang und Gebe sich während der Spieldauer zu beschimpfen oder bedrohen, es gehört für sie zum Erlebnis Fußball schlichtweg dazu (vgl. Langer 2012, S. 120). Außerdem muss hinzugefügt werden, dass auf diese Demonstration von Macht nur selten konkrete gewalttätige Handlungen folgen (vgl. ebd., S. 121). Doch trotzdem haben Anhänger der Ultra-Gruppierungen mit Stigmatisierungen zu kämpfen, die den Fans sicherlich ebenfalls Zündstoff geben, weiter brisant auf Interventionen und Sanktionen zu reagieren. Denn so werden bereits Personen, die nur ein einziges Mal auffällig werden, in der 'Datei Gewalttäter Sport' dokumentiert und geraten somit in den Fokus der Polizei (vgl. ebd., S. 125).Doch nicht nur aus ordnungspolitischer Sicht werden Ultras oft aus einem kritischen Blickwinkel betrachtet, denn auch die Gesellschaft guckt problematisch auf die meist Jugendlichen. Begründet werden kann diese Sichtweise durch negative Darstellungen in den Medien, in denen Ultras meist mit Pyrotechnik, Vandalismus und Gewalttaten zusammengebracht werden. Laut Herold wird die „Beschäftigung mit ihnen fast ausschließlich aus der Problemperspektive betrieben, wobei die umfangreichen Ressourcen dieser Jugendkultur völlig unerwähnt bleiben“ (2012, S. 148). Im Umkehrschluss kann also daraus geschlossen werden, dass ein Gewaltimage erst von außen erzeugt wird, das allerdings nicht von den jungen Fans selbst initiiert und ausgelebt wird (vgl. ebd.). Außerdem besteht auf Grund eben dieses Images die Gefahr, dass sich zudem vorwiegend gewaltorientierte Personen den Gruppen anschließen (vgl. Langer 2010, S. 73).
Eine andere, weitaus übergeordnete Rolle spielt Gewalt bei Hooligans. Diese werden als „junge Männer bezeichnet, die sich in Gruppen im Umfeld von Fußballspielen oder anderen Großveranstaltungen Schlägereien mit rivalisierenden Gruppen oder auch örtlichen Ordnungskräften liefern“ (Bliesener 2009, S. 319). Anders als bei Ultras werden diese gewalttätigen Auseinandersetzungen teilweise im Vorfeld geplant und an verabredeten Orten ausgeübt (vgl. ebd.).
Diese Gruppe von Fans kann neben der Bereitschaft Gewalt ausüben zu wollen sogar zugeschrieben werden, Gewalt regelrecht zu suchen. Ihnen wird nach Heitmeyer und Peter im Vergleich zu den 'Normalos' keine Konsumorientiertheit, sondern eine Erlebnisorientiertheit zugeordnet. Sie benutzten den Fußball und Großveranstaltungen Von der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) bundesweit geführte Datei zur
Registrierung & Beobachtung Fußball-Gewalttäter eher, um Spannung für sich zu erzeugen (vgl. 1988, S. 32).
Jedoch beschreibt Pilz den Prozess der Ablösung der Gewaltvorkommnisse der Hooligans vom eigentlichen Geschehen der Fußballspiele (vgl. 2012, S. 60). Da sich diese Gruppierung vom Fußball zu lösen scheint, wird es ebenso schwieriger sein, über eben dieses Thema an sie heranzukommen und mit ihnen präventiv sozialpädagogisch arbeiten zu können. Denn nach dem NKSS wird hierfür als Ausgangspunkt „eine möglichst sportnahe Arbeitsweise“ (1992, S. 11) vorausgesetzt.
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