Bachelorarbeit, 2020
39 Seiten, Note: 1,7
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Interessengruppen als Feld der Neuen Politischen Ökonomie
2.1 Definition von Interessengruppen
2.2 Einfluss von Interessengruppen
2.3 Interaktion zwischen Interessengruppen
2.3.1 Wettbewerb
2.3.2 Kooperation
3. Rolle von Interessengruppen in Industriestrategien
3.1 Grundzüge von Industriestrategien
3.2 Anwendung auf die Wasserstoffwirtschaft in Deutschland
3.2.1 Relevante Interessengruppen und deren Ziele
3.2.2 Wechselwirkung zwischen Interessengruppen und Politikern
3.2.3 Das Rentenstreben der Interessengruppen
3.3 Politikempfehlungen für die Wasserstoffwirtschaft
3.4 Kritik
4. Fazit
Anhang
Literaturverzeichnis
CO2 Kohlenstoffdioxid
BMWi Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung
BMU Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit
BMZ Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
NWS Nationale Wasserstoffstrategie
BDI Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.
TWh Terawattstunden
EEG Erneuerbare-Energien-Gesetz
Abbildung 1: Kosten des Rent-Seeking Quelle: Tullock, 1991, S.605
Abbildung 2: Welche Verbände werden am häufigsten gefragt?
Abbildung 3: Endenergieverbrauch 2018 nach Sektoren und Energieträgern
Abbildung 4: Produktion von Wasserstoff: Kosten und Kostentrends
Abbildung 5: Governance-Struktur der Nationalen Wasserstoffstrategie
Eine der größten Herausforderung, vor der die Welt aktuell und auch in den kommenden Jahren steht, ist der Klimawandel. Die wirtschaftlichen Aspekte und Folgen sind deshalb Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Untersuchungen. Ein vielbeachteter Bericht in diesem Kontext ist, der Stern-Report, der unter der Leitung von Nicolas Stern (2006) entstand. Der Report zeigt, dass die globale Erwärmung zu wesentlichen Teilen durch das Emittieren von Treibhausgasen wie Kohlenstoffdioxid (CO2) verursacht wird.
„There is now an over-whelming body of scientific evidence that human activity is causing global warming, with the main sources of greenhouse gases, in order of global importance, being electricity generation, land-use changes (particularly deforestation), agriculture and transport.“ (Stern 2006, 1)
CO2 entsteht beispielsweise, wenn zur Energieerzeugung fossile Energieträger wie Erdöl oder Kohle verbrannt werden. Die Energieerzeugung durch erneuerbare Energien verursacht zwar keine CO2 Emissionen, jedoch stehen diese Energien nicht dauerhaft zur Verfügung.
Die Herausforderung, vor der die Welt zukünftig steht besteht darin, den weltweit ansteigenden Energiebedarf mit der Reduktion von CO2 Emissionen zu verbinden.
Ein alternativer Energieträger, der CO2-frei hergestellt, aber trotzdem einfach zu lagern und transportieren ist, ist Wasserstoff. Als vielfältig einsetzbarer Energieträger kann er beispielsweise als Treibstoff für Autos und Flugzeuge, bei der Stahlherstellung oder beim Heizen von Gebäuden genutzt werden. Außerdem ermöglicht er die Speicherung erneuerbarer Energien. Aufgrund der Chance, die Klimaschutzziele gleichzeitig mit industrieller Wertschöpfung zu erreichen, gibt es weltweit viele Unternehmen, Konzerne und Länder, die in einer Wasserstoffwirtschaft Chancen für zukünftiges Wirtschaftswachstum sehen.
Die Wasserstoffwirtschaft in Deutschland wird im Rahmen dieser Arbeit genauer untersucht. Der Fokus liegt auf den verschiedenen Interessengruppen, die Einfluss auf die politischen Entscheidungsträger nehmen. Einleitend erfolgt im folgenden zweiten Kapitel die Einordnung von Interessengruppen in das politische System. Anschließend werden Interessengruppen definiert und deren Einfluss erklärt.
Abschließend folgt die Darstellung wie Interessengruppen miteinander interagieren.
Darauf aufbauend wird im dritten Kapitel die Rolle von Interessengruppen in Industriestrategien untersucht und auf die Wasserstoffwirtschaft in Deutschland angewendet. Hier erfolgt abschließend eine Politikempfehlung und die Kritik an bisher veröffentlichten Maßnahmen zur Förderung der Wasserstoffwirtschaft in Deutschland. Abschließend erfolgt im vierten Kapitel ein Fazit über die Ergebnisse der Arbeit.
Das folgende Kapitel setzt sich mit den staatlichen Akteuren innerhalb der Neuen Politischen Ökonomie auseinander und konzentriert sich dabei auf die Interessengruppen. Die Grundannahme der Neuen Politischen Ökonomie ist der Methodologische Individualismus, bei dem davon ausgegangen wird, dass Wähler, Politiker und Bürokraten hauptsächlich eigennützige Interessen verfolgen. Genutzt werden deshalb ökonomische Instrumente, um Probleme in der Politikwissenschaft zu bewältigen (Tullock 2017). So können durch den Einsatz der Wirtschaftsmethodik politische Theorien empirisch getestet werden, wodurch die Aussagen präziser und realistischer werden.
Interessengruppen spielen eine wichtige Rolle in Demokratien, denn Sie geben dem Einzelnen die Möglichkeit, sich im politischen Diskurs einzubringen und den politischen Entscheidungsträgern (zu relativ niedrigen Kosten) die Präferenzen und Bedürfnisse der Bürger kennen zu lernen (L. Sandy Maisel und Jeffrey M. Berry 2010). Durch den direkten Einfluss verschiedener Interessengruppen auf politische Entscheidungsträger nehmen sie eine entscheidende Rolle im politischen Entscheidungsprozess ein. Es sollte deshalb darauf geachtet werden, dass Anliegen, die in der Vergangenheit nicht stark vertreten wurden, z.B. Umweltaspekte, nicht unterschätzt werden.
Der Autor Enrico Schöbel definiert Interessengruppen als:
„Organisierte Gruppen (z.B. Verbände), die nicht demokratisch legitimiert sind, jedoch versuchen, den Willensbildungsprozess der staatlichen Entscheidungsträger zu beeinflussen, um spezifische Interessen durchzusetzen, z.B. gruppenspezifische Privilegien zu erwirken (Rent- Seeking).“ (Schöbel 2018, abgerufen am 05.06.2020)
Die primäre Funktion von Interessengruppen besteht also darin, die gemeinsamen Interessen von Einzelpersonen zu fördern (Olson 2004). Beispielsweise haben die Mitglieder einer Gewerkschaft ein gemeinsames Interesse an höheren Löhnen und Aktionäre ein gemeinsames Interesse an höheren Dividenden und Aktienkursen.
Interessengruppen unterscheiden sich unter anderem in Struktur und Umfang ihrer Aktivitäten. Neben großen und einflussreichen Verbänden wie dem Verband der Automobilindustrie gibt es auch kleinere Verbände wie den Deutschen Wanderverband, der die Interessen der Wanderer in Deutschland vertritt. Interessengruppen bieten Wählern die Möglichkeit sich im politischen Diskurs einzubringen und Einfluss auf die politischen Entscheidungsträger zu nehmen. Für politische Entscheidungsträger bieten sie die Möglichkeit, die Präferenzen der Wähler kennenzulernen, außerdem den kostengünstigen Zugang zu Fachwissen, den sie selbst nur unter großem Aufwand bekommen können.
Thomas Märtz (1990) hat Interessengruppen und Gruppeninteressen in einer Demokratie untersucht und erklärt, wieso es wichtig und aktuell ist, sich mit dem Thema ausführlicher auseinanderzusetzen.
„Die wachsende Zahl begünstigender staatlicher Regulierungen, Subventionen und Steuerermäßigungen wird zunehmend als zentrales Problem für die Funktionsfähigkeit marktwirtschaftlicher Prozesse erkannt. Diese Maßnahmen führen nicht nur zu allokativen Wohlfahrtsverlusten und distributiven Ungerechtigkeiten, sondern bewirken auch Anreize, Ressourcen aus produktiven Verwendungen in die Erzeugung und Verteidigung von staatlichen Regelungen zu investieren, die politisch garantierte Renten versprechen.“ (Märtz 2018, 7)
Neben Märtz (1990) erklären auch Ekelund und Tollison (2001), dass Interessengruppen zu einem Hindernis für das Wirtschaftswachstum werden können. Wachstum und Entwicklung leiden darunter, wenn immer mehr Ressourcen für das Transferstreben bereitgestellt werden, anstatt in die Produktion und Wertschöpfung investiert zu werden (Ekelund und Tollison 2001). Auch Gordon Tullock hat sich mit dem Thema Wohlfahrtskosten, Monopolen und Tarifen auseinandergesetzt. Auf ihn geht die Theorie des „Rent- Seeking“ zurück, wobei der Begriff des „Rent-Seeking“ erst später durch Krueger (1974) eingeführt wurde (Tullock 1991). Rent-Seeking wird vom Autor Hagen Krämer definiert als das:
„Streben von Interessengruppen, Unternehmen und anderen Marktakteuren nach der Erschließung, Verteidigung oder Verbesserung von Einkommenserzielungschancen im Marktbereich mithilfe politisch erwirkter Privilegien.“ (Krämer 2018, abgerufen am 24.08.2020)
Wenn angenommen wird, dass Interessengruppen im Wettbewerb zueinanderstehen und um das Monopol konkurrieren, dann werden die aufgewendeten Ressourcen, um das Monopol zu erreichen, als Soziale Kosten bezeichnet, denn sie werden aus gesellschaftlicher Sicht gesehen verschwendet. Dies resultiert daraus, dass die aufgewendeten Ressourcen dem Sozialprodukt nichts hinzufügen und ihre Opportunitätskosten einen Produktionsverlust für die Gesellschaft darstellen (Tollison 1982).
Die Interessengruppen sind bereit, Ressourcen in der Größe des gepunkteten Rechtecks (vgl. Abbildung 1) aufzuwenden, um das Monopol zu erlangen (Tullock 1991). Abbildung 1 zeigt die Kosten des Rent-Seeking nach einer Darstellung von Tullock und veranschaulicht dabei den Monopolfall.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 : Kosten des Rent-Seeking Quelle: Tullock, 1991, S.605
Die Abbildung lässt sich folgendermaßen erklären, dass auf der Abszisse die Menge eines Gutes und auf der Ordinate der Preis desselben Gutes abgebildet ist. Zu Marktbedingungen wären die Kosten gleich dem Preis, hier dargestellt durch die Linie PP. Wenn die Nachfrage durch die Linie DD dargestellt wird, ergibt sich, dass die Menge Q des Gutes zum Preis von P verkauft wird. Dies ändert sich im Monopolfall, dann würden Q´ Einheiten zum Preis von P´ verkauft werden (Tullock 1991).
Bevor man die Mittel und den Umfang des Einflusses von Interessengruppen verstehen kann, muss zuallererst geklärt werden, worauf diese typischerweise Einfluss nehmen. Als einer der wesentlichen politischen Akteure einer Demokratie nehmen Interessengruppen direkten Einfluss auf politische Entscheidungsprozesse. „Politische Entscheidungsprozesse finden in unterschiedlichsten Bereichen der Gesellschaft statt“ (Tietz-Weber 2007, 11), wobei sich als gemeinsames überall auftretendes Merkmal erkennen lässt, dass es ein „Gegen- und Miteinander unterschiedlicher Akteure“ (Tietz-Weber 2007, 1) ist. „Der politische Entscheidungsprozess lässt sich in drei unterschiedliche Ebenen, die Prozess-, Akteurs- und Umweltebene, unterteilen“ (Tietz-Weber 2007, 10). Im Folgenden werden die einzelnen Ebenen kurz angesprochen, für weitere und detailliertere Ausführungen wird dabei auf das Buch von Susanne Tietz-Weber: „Interessengruppen und Rechnungslegungsregeln“ (2007, S. 10 ff.) verwiesen. Die Prozessebene beschreibt die Phasen von der Erkennung eines Problems, über das Agenda Setting, die Entscheidungsvorbereitung bis hin zu dem Entscheidungsvorgang und seiner Umsetzung. Die Akteursebene beschreibt die handelnden Akteure, also Individuen und Gruppen von Individuen. Daneben sind noch die äußeren Umstände zu erwähnen, die der Umweltebene zugeschrieben werden beispielsweise das existierende Wahl- und Rechtssystem (Feldhoff, 1992 , S. 1 zitiert nach Tietz-Weber 2007). Besonderer Fokus soll in dieser Arbeit auf die Einflussmöglichkeiten von Interessengruppen gelegt werden. Da Interessengruppen über Spezialwissen verfügen und dieses im Rahmen einer gezielten Informationspolitik einsetzen, um Ihren Einfluss zu steigern, sind sie besonders auf der Prozessebene aktiv.
„Interessengruppen, Wissenschaftler, staatliche Institutionen und Parteien versuchen durch gezielte Informationsgewinnung und -bereitstellung den Entscheidungsprozess zu Ihren Gunsten bzw. in ihrem Sinne zu beeinflussen.“ (Tietz-Weber 2007, 11)
Interessengruppen bringen sich besonders in der Entscheidungsvorbereitung ein, in der es darum geht, Informationen bereit zu stellen, um daraus später einen Lösungsvorschlag auszuarbeiten der später auch umgesetzt werden kann (Tietz- Weber 2007). Durch Ihren direkten Einfluss auf die politischen Entscheidungsträger und auf staatliche Institutionen, denen Interessengruppen beispielweise beratend zur Seite stehen, wird häufig der Vorwurf laut, dass wirtschaftliche Machtgruppen in Ihrer Macht begrenzt werden sollten, was schon Walter Eucken betonte als er forderte, dass der Staat sich dagegen wehren sollte, dass einzelne Gruppen „über die Institutionen und Verfahren Partikularinteressen als vermeintliches Gemeinwohl“ (Eucken, 2004, S.335 zitiert nach Jarre 2005, 342) durchsetzen können. Auch der amerikanische Politikwissenschaftler Elmer Schattenschneider kritisierte den pluralistischen „Himmel“ (gemeint ist das pluralistische System, in dem alle Gruppen theoretisch gleichberechtigt sind (Woyke 1992)) damit, dass der „himmlische Chor mit einem starken Akzent der Oberschicht singt" (Schattschneider, 1960, S. 35 zitiert nach L. Sandy Maisel und Jeffrey M. Berry 2010) und machte damit deutlich, dass sich das Interessengruppensystem nicht auf alle Ebenen der Gesellschaft bezieht sondern gewisse Teile mehr Einfluss haben als andere.
Jede Gruppe verfügt über knappe Ressourcen und muss selbst entscheiden wie sie diese einsetzt um die gruppenspezifischen Interessen Ihrer Mitglieder bestmöglich zu vertreten (Berry 2015). Interessengruppen stehen verschiedene Einflussmöglichkeiten zur Verfügung. Sie können ihr Fachwissen entweder der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen, in der Hoffnung, dass dadurch der Druck auf die Politiker erhöht wird, oder aber den Politikern, die damit besser einschätzen können, welche Themen für ihre Wähler relevant sind, um ihre Chancen auf eine Wiederwahl zu erhöhen (Tietz-Weber 2007). Als weitere Einflussmöglichkeiten sind Parteispenden und auch die von Gewerkschaften häufig genutzte Methode des Streiks zu nennen. Schließlich sind noch die Faktoren zu nennen, die ebenfalls wichtig für den erfolgreichen Einfluss von Interessengruppen sind. Ein wesentlicher Aspekt dabei ist die Organisations- und Konfliktfähigkeit. Während es bei der Organisationsfähigkeit darum geht, die Ressourcen der Gruppen zu organisieren und einzusetzen, um die Gruppe zu etablieren, geht es bei der Konfliktfähigkeit darum, glaubhaft damit zu drohen eine, (für die entsprechende Funktionsgruppe) wichtige Leistung z.B. die Produktion von Gütern zu stoppen d.h. zu streiken (Offe 1970).
Im vorangehenden Abschnitt wurden die knappen Ressourcen angesprochen unter deren Prämisse Interessengruppen arbeiten, um Ihr Einkommen in Form von politischen Renten zu steigern. Ein wichtiger Aspekt ist, dass Interessengruppen mit anderen Interessengruppen desselben Politikfeldes um dieselben politischen Renten konkurrieren. Deshalb ist es wichtig zu untersuchen, welche strategischen Entscheidungen die Interessengruppen treffen, um Ihre Ziele im politischen System zu erreichen (Hojnacki 1997). Ein entscheidender Aspekt, der im Folgenden herausgearbeitet wird, ist dabei, wann es für Interessengruppen vorteilhaft ist als Teil einer Allianz zu arbeiten oder Ihre Interessen allein zum Ausdruck zu bringen, dies wurde von der Autorin Marie Hojnacki (1997) untersucht.
In Ihrer Arbeit verdeutlicht Hojnacki, dass es nicht nur wichtig ist zu verstehen wie einzelne Abgeordnete oder politische Institutionen auf die Lobbyarbeit von Interessengruppen reagieren, sondern auch zu verstehen wie sich Gruppen verhalten um ihren politischen Einfluss auszubauen und warum sie sich für bestimmte Strategien der Interessenvertretung entscheiden.
Sie schlussfolgert, dass Interessengruppen auf der Grundlage, wie sie ihre Erfolgschance am ehesten erhöhen darüber entscheiden, ob sie allein oder mit anderen zusammenarbeiten. Erfolg wird dabei von jeder Interessengruppe verschieden definiert. Für einige Gruppen bedeutet Erfolg konkret, dass sie die von ihnen vertretene öffentliche Politik verwirklichen. Für andere bedeutet er, dass ein Thema den Entscheidungsträgern zur Kenntnis gebracht wird. Und für noch andere Organisationen kann der Erfolg langfristig gesehen werden, so dass ihre unmittelbareren Ziele darin bestehen, Informationen zu erhalten oder Beziehungen zu anderen Gruppen aufzubauen, in der Hoffnung, dass diese Beziehungen ihre späteren Interessenvertretungsbemühungen unterstützen werden (Hojnacki 1997).
In der existierenden politikwissenschaftlichen Literatur lässt sich die Entstehung des Wettbewerbs zurückführen auf einen Interessenkonflikt zwischen den Gruppen bzw. wenn Gruppen glauben, dass ihre Interessen durch die Interessen anderer Gruppen bedroht sind (Axelrod 1967). Deutlich wird dies anhand der Ausführungen von Gary Becker (1983), der seinen Überlegungen in einem Modell zwei Interessengruppen zugrunde legt. Betreibt eine Gruppe erfolgreiches Lobbying und schafft es dadurch gruppenspezifische Privilegien in Form von Subventionen zu erwirken, dann müssen diese Subventionen durch entsprechende Steuern der anderen (unterlegenen) Gruppe finanziert werden (Holyoke 2009). Ergänzend hierzu ist die Ausführung Beckers hilfreich, der sich mit dem Wettbewerb von Interessengruppen auseinandergesetzt hat, dass der Erfolg des Lobbyings nicht nur vom Erfolg des eigenen Lobbyings abhängig ist, sondern vielmehr vom relativen Erfolg im Vergleich zur anderen Interessengruppe (Becker 1983). Wenn der eigene Erfolg also vom relativen Erfolg zu anderen Interessengruppen abhängig ist, dann ist es für Interessengruppen rational Ressourcen aufzuwenden, um selbst besser dazustehen. Gleichzeitig ist es aber auch rational Ressourcen aufzuwenden, um den Einfluss konkurrierender Interessengruppen zu vermindern, beispielsweise durch das öffentliche diskreditieren und in Frage stellen von Kompetenz und Expertise. Unter dem Gesichtspunkt von Wohlfahrtsaspekten der Gesellschaft können die Aufwendung dieser Ressourcen als verschwendet angesehen werden, außerdem könnten alle Interessengruppen, bei reduzierten Ausgaben, bessergestellt werden. Eine weitere Möglichkeit besteht darin zusammenzuarbeiten, dies wird im Folgenden Abschnitt näher erläutert.
Als rationale politische Akteure streben Interessengruppen danach, ihren eigenen Nutzen zu maximieren und stehen damit im Wettbewerb zu anderen Interessengruppen desselben Politikfeldes. Sie versuchen ihre knappen Ressourcen möglichst effizient einzusetzen, um einen größtmöglichen politischen Einfluss zu erreichen. In manchen Situationen kann es für die Interessengruppe jedoch von Vorteil sein mit anderen zusammen zu arbeiten, anstatt ihre Ziele allein zu verfolgen. Ein Ansatz, um besser zu verstehen wieso sich Interessengruppen zu Koalitionen zusammenschließen ist der, anzunehmen, dass Interessengruppen mit ähnlichen Zielen Koalitionen bilden um Kosten, Informationen und Fachwissen zu teilen (Jeffrey M. Berry 1977). Je nachdem, ob es sich um eine Einigung über Grundsätze oder (nur) um eine Einigung für die erfolgreiche Verabschiedung eines einzelnen Gesetzes handelt wird zwischen langfristigen und kurzfristigen Koalitionen unterschieden (L. Sandy Maisel und Jeffrey M. Berry 2010).
Koalition bieten den einzelnen Interessengruppen nicht nur die Möglichkeit Kosten, Informationen und Fachwissen zu teilen, sie signalisieren politischen Entscheidungsträger auch, dass gewisse Themen besonders relevant für (viele) Teile der Gesellschaft also auch für Ihre Wähler sind, die hinter den Interessengruppen stehen (Mahoney 2007).
Wenn Interessengruppen sich zu einer Koalition zusammenschließen, entstehen ihnen aber auch Kosten. Die Interessengruppen müssen Geld und Zeit aufwenden und möglicherweise auch manche Standpunkte zu einzelnen Punkten verändern, um mit der Koalition auf einer Linie zu sein.
Ein entscheidender Faktor ist deshalb, dass der Nutzen der Koalitionsgemeinschaft die entstehenden Kosten übertrifft. Ansonsten gibt es für die Interessengruppen den Anreiz sich von der Koalition abzugrenzen (Mahoney 2007).
Ein wichtiger Erfolgsfaktor von Koalitionsgemeinschaften ist zudem, ob Gruppen Teil des Bündnisses sind, die als essenziell für das Erreichen des Ziels angesehen werden (Hula 1999). Wenn erfolgversprechende Gruppen Mitglied der Koalitionsgemeinschaft sind, ist dies auch nützlich für die Rekrutierung neuer Mitglieder. Sowohl Hojnacki (1997) als auch Hula (1999) kommen in Ihren Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass es in jeder Koalitionsgemeinschaft Mitglieder gibt, die zentral oder nebensächlich sind.
Abschließend ist noch ein Aspekt wichtig, der darüber mitentscheidet, ob Interessengruppen sich zusammenschließen. Bisher wurde deutlich, dass Interessengruppen evaluieren ob ein Zusammenschluss dafür sorgt, dass Sie Ihre Ziele schneller und effizienter erreichen. Interessengruppen werden deshalb möglichst viele Informationen über das frühere Koalitionsverhalten des potenziell Verbündeten sammeln. Wenn eine Interessengruppe in der Vergangenheit schon in anderen Koalitionen erfolgreich gearbeitet hat, verfügt sie über wissen, dass sie in die zukünftige Koalition mit einbringen kann. Außerdem wird angenommen, dass Interessengruppen, die häufig Teil einer Koalition waren, ein besseres Verständnis darüber haben wie Koalitionsgemeinschaften funktionieren was zu einer höheren Erfolgschance führen kann (Hojnacki 1997).
Nachfolgend werden einige Kritikpunkte an Koalitionsgemeinschaften von Interessengruppen dargelegt. Die Forscher Hanegraaf und Pritoni (2019) stellen in Ihrem Forschungsartikel die Koalitionsbildung von Interessengruppen als Waffe der Schwachen dar. Sie argumentieren damit, dass Interessengruppen sich vor allem dann zu Koalitionsgemeinschaften zusammenschließen, wenn sie eine schwache politische Position und geringe finanzielle Ausstattung haben. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass einzelne Verbände, ähnlich zu Monopolen in der Wirtschaft, eine so dominante Stellung einnehmen, dass dadurch der Wettbewerb zwischen Interessengruppen verhindert wird (Jarre 2005). Diese dominierende Stellung können Interessengruppen auch nutzen, um sich weitere politische Renten zu sichern. Den Ausführungen von Becker (1983) folgend können aus dem Wettbewerb zwischen Interessengruppen Wohlfahrtseffekte für die Gesellschaft entstehen, weshalb er schlussfolgert, dass es wichtig ist, diesen Wettbewerb zu fördern. Im Rahmen dieser Arbeit wird an dieser Stelle darauf verzichtet, detaillierter auf wettbewerbsfördernde Maßnahmen, wie die Unterstützung von Gegenverbänden oder die Zerschlagung von Interessengruppenkoalitionen einzugehen. Weitere Probleme, die innerhalb von Koalitionsgemeinschaften entstehen können, sind Verteilungskämpfe, die um das von der Gemeinschaft erreichte, Kollektivgut entstehen.
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