Bachelorarbeit, 2013
42 Seiten, Note: 1
1. Einführung
2. Das Medizincontrolling
3. Die Bedeutung von Qualität im Krankenhaus
4. Objektive Qualitätsparameter
4.1 Die Erstellung von Indikatoren zur Messung von Krankenhausqualität
4.2 Zusammengesetzte Indikatoren in der Praxis
5. Subjektive Qualitätsparameter
5.1 Patientenzufriedenheit
5.2 Mitarbeiterzufriedenheit
6. Qualitätsdimensionen im Krankenhaus
6.1 Strukturqualität
6.2. Prozessqualität
6.3 Ergebnisqualität
6.3.1 Mindestmengen und Ergebnisqualität
7. Qualitätsbezogene Controlling-Instrumente im Krankenhaus
7.1 Clinical Pathways
7.2 Benchmarking
7.3 Zertifizierungen
7.3.1 DIN EN ISO 9001
7.3.2 EFQM-Modell
7.3.3 KTQ-Verfahren
7.4 Qualitätsbericht
8. Total Quality Management
9. Qualitätsanreize
10. Fazit
Literaturverzeichnis
Ein hohes Qualitätsbewusstsein ist unabdingbar für ein Krankenhaus in der heutigen, stark ökonomisch geprägten Zeit. Zunehmender Konkurrenzdruck und ein gestiegenes Anspruchsdenken stellen eine große Herausforderung für Krankenhäuser dar. Qualität kann auf unterschiedlichen Ebenen gemessen werden. Im Rahmen der Strukturqualität findet eine Beurteilung der Ausstattung statt, die Prozessqualität umfasst die Bewertung von Abläufen und Therapiemaßnahmen, während die Bestimmung der Ergebnisqualität die Änderung des Gesundheitszustandes der Patienten in den Mittelpunkt stellt. Dabei sind subjektive Parameter, messbar durch Patientenzufriedenheit oder Lebensqualität, mindestens genauso entscheidend wie objektive Parameter im Sinne von klinisch-medizinischen oder wirtschaftlichen Ergebnissen. Eine optimale Qualität in allen Bereichen muss als Ziel angestrebt werden. Zur Qualitätsverbesserung stehen diverse Controlling-Instrumente bereit. Clinical Pathways leisten Hilfe bei der Effizienzsteigerung und Fehlervermeidung im Krankenhaus, indem sie klare Behandlungsleitlinien für ein bestimmtes Krankheitsbild definieren. Benchmarking bietet sich als Instrument zum Krankenhausvergleich an und hilft bei der Aufdeckung eigener Schwächen und dem Aufzeigen von Verbesserungspotenzialen. Zertifizierungen dienen zur Bescheinigung einer gewissen Versorgungsqualität im Krankenhaus. Als Qualitätssiegel sind sie ein Mittel zur besseren Außendarstellung des Krankenhauses und stärken die öffentliche Wahrnehmung einer Gesundheitseinrichtung. Ähnliches passiert mit Qualitätsberichten, die für mehr Transparenz im Gesundheitswesen sorgen und den Patienten einfache Vergleichsmöglichkeiten zusichern.
Krankenhäuser müssen sich in der heutigen Zeit stärker denn je mit ökonomischen Gedanken auseinandersetzen. Gleichwohl muss das Patientenwohl an erster Stelle stehen, deren Ansprüche an Qualität ständig steigen. Konflikte zwischen Wirtschaftlichkeit und Qualitätsfragen stehen auf der Tagesordnung. Um in diesem Spannungsfeld Abhilfe zu schaffen bedarf es dem Einsatz von wirkungsvollen Controlling-Instrumenten, die dazu beitragen die Prozesse in Krankenhaus effektiver zu gestalten und die Qualität zu verbessern. Um solche Verbesserung überhaupt initiieren zu können müssen wir uns zunächst aber mit der Bestimmung der Qualitätsgrößen im Krankenhaus an sich beschäftigen. Qualität kann objektiv messbar sein, aber genauso gut nur subjektiv spürbar sein. Qualität kann sich auf die Ressourcenausstattung, auf die Therapiemaßnahmen, oder den Behandlungserfolg beziehen. Letzteres ist aus Patientensicht natürlich der fundamentalste Qualitätsaspekt. Im Rahmen dieser Bachelorarbeit werden die drei wichtigsten Qualitätsdimensionen (Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität) in Bezug auf das Krankenhaus näher beleuchtet, ihre Möglichkeiten zur Messung genauso wie die damals oftmals verbundenen Schwierigkeiten. Zuallererst werden allerdings das Medizincontrolling und seine Aufgaben, sowie die Bedeutung von Qualität im Krankenhaus erläutert.
Der zweite Teil der Bachelorarbeit konzentriert sich dann auf geeignete Controlling-Instrumente, um gezielte Qualitätsverbesserungen im Krankenhaus voranzutreiben. Hierzu werden Clinical Pathways, das Konzept des Benchmarking, Zertifizierungsverfahren und Qualitätsberichte im Detail betrachtet. Es sollen die Vorzüge und der wertvolle Beitrag dieser Instrumente zu verbesserten Abläufen und steigender Gesamtqualität im Krankenhaus klar aufgezeigt werden. Abschließend wird die Idee des Total Quality Managements und ihre Sinnhaftigkeit für ein Krankenhaus aufgegriffen und auf die Möglichkeit von Qualitätsanreizen eingegangen.
Der Gesundheitssektor befindet sich in einer Phase der Veränderungen. Mit dem Einzug von betriebswirtschaftlichen Denkweisen ins Krankenhaus und der Forderung nach effizienteren Strukturen wird ein Controlling unerlässlich. Vor allem wenn man bedenkt, dass der Gesundheitssektor nach wie vor ein Wachstumsmarkt ist, da die Menschen in Zukunft noch länger leben werden. (Schirmer, 2003, S. 162)
Für ein erfolgreiches Gesundheitsmanagement sind laut Schirmer (2003, S. 164) deshalb folgende Faktoren entscheidend:
- Patientenorientierung als oberste Priorität im Krankenhaus und wesentliche Erfolgsvoraussetzung
- Sicherstellung eines hohen Standards an medizinischer Qualität
- Regelmäßige Überprüfung der Abläufe und Prozesse auf ihre Effizienz
- Vergleich der eigenen Ergebnisse mit denen der Konkurrenten (Benchmarking) um Verbesserungspotenziale zu entdecken
- Integration von ökonomischen Betrachtungsweisen
- Einstellung von qualifizierten Managern und Controllern
Das Medizincontrolling folgt grundsätzlich den gleichen Prinzipien wie das Controlling in einem Wirtschaftsunternehmen. Der Unterschied liegt darin, dass die Verantwortungsträger für die Leistungserstellung im Krankenhaus Ärzte sind, die in der Regel nicht das notwendige betriebswirtschaftliche Fachwissen mitbringen. (Hecht/Schlepper, 2002, S. 55) Lanz definierte Controlling folgendermaßen: „Controlling ist der gesamte Prozess der Zielfestlegung, Planung und Steuerung im Erfolgs- und leistungswirtschaftlichen Bereich.“ (Lanz, 1989, S. 41) Controlling ist grundsätzlich Aufgabe der Führungskräfte. Controller unterstützen die Manager mit wertvollen Informationen und Instrumenten bei der Entscheidungsfindung. Das Controlling ist verantwortlich für Soll-Ist-Vergleiche und soll helfen bei Abweichungen die nötigen Korrekturmaßnahmen einzuleiten. Controller sorgen außerdem für erhöhte Transparenz von Ergebnissen, Prozessen und Strategien und üben eine wichtige Koordinationsfunktion aus. Die Aufgaben und Tätigkeiten von Controllern lassen sich auch auf Gesundheitseinrichtungen übertragen. (Hecht/Schlepper, 2002, S. 55)
Das Medizincontrolling hat die Aufgabe Methoden, Instrumente und Verfahren für eine optimale Patientenversorgung im Krankenhaus bereitzustellen. Dabei spielen medizinische, pflegerische und betriebswirtschaftliche Überlegungen eine Rolle. Ein Medizincontrolling beurteilt die Strukturen, Prozesse und Ergebnisse im Krankenhaus. Bezogen auf die medizinische Qualität hilft das Controlling bei der Definition von Qualitätsstandards, überwacht deren Einhaltung und unterstützt die Erreichung mit diversen Instrumenten. Auch bei der Optimierung der Leistungsprozesse legt das Controlling Standards fest z.B. in Form von klinischen Behandlungspfaden (Clinical Pathways). Außerdem sind Patienten- und Mitarbeiterorientierung von besonderer Relevanz für das Krankenhauscontrolling. (von Eiff, 2000, S. 11)
Die Rahmenbedingungen in einem Krankenhaus unterscheiden sich allerdings deutlich von jenen in einem Industrie- oder Dienstleistungsbetrieb. Neben den vielen rechtlichen Bestimmungen gilt es auch die personellen Rahmenbedingungen zu beachten. Im Krankenhaus sind keine Betriebswirte beschäftigt, sondern Ärzte. Der Controller muss deren Vertrauen gewinnen und auf die Notwendigkeit einer korrekten Leistungserfassung hinweisen. Hier müssen Controller und Ärzte eng zusammenarbeiten. Selbiges gilt für die Pflegekräfte, die für einen einwandfreien Behandlungsablauf verantwortlich sind. (Hecht/ Schlepper, 2002, S. 56)
Ein Primärziel des Controlling im Krankenhaus ist die Optimierung der Leistungsprozesse, um die Produktivität zu steigern und die Qualität zu erhöhen. Dafür ist das Controlling auf die Mitarbeit aller Ärzte, Pfleger und Verwaltungsangestellte angewiesen. Das Controlling hat die Aufgabe Doppelarbeiten ausfindig zu machen und zu eliminieren, die internen Abläufe effizienter zu gestalten und die Prozesskosten zu verringern. Auf Basis von gegebenen Ist-Daten sollen Soll-Werte festgelegt und anvisiert werden. Das entscheidende Augenmerkt muss allerdings auf das Qualitätsmanagement gelegt werden. Hier sind auch die Kosten ein wichtiger Faktor, der Einfluss auf die Qualität und damit die Patientenzahl hat. (Schirmer, 2003, S. 163)
Das Medizincontrolling muss als Verknüpfung von betriebswirtschaftlichem Controlling mit medizinischen Kenntnissen verstanden werden. Die wichtigsten Aktivitäten sind hier zusammengefasst:
- Analyse von medizinischen Daten und Kennzahlen
- Erarbeitung von Benchmarkingdaten zum externen Leistungsvergleich
- Unterstützung bei der Erstellung von klinischen Behandlungspfaden (Clinical Pathways)
- Optimierung der Prozesse zwischen Medizin, Pflege und Verwaltung
- Erstellung von Abweichungsanalysen
- Organisation des Berichtwesens (Pfeuffer et al., 2005, S. 29)
Die aktuellen Gesundheitssysteme sind geprägt von rasch ansteigenden Kosten, welche die Krankenhäuser zusehends in Bedrängnis bringen. Zusätzlich wird die Effektivität der Krankenhausleistungen in Frage gestellt und die Qualitätsanforderungen von Seiten der Patienten wachsen kontinuierlich. Gesetzliche Reformen sind nötig und wurden auch teilweise bereits umgesetzt z.B. in Form von fallbezogenen Entgeltsystemen (Diagnosis Related Groups) in vielen Staaten der Erde. Das Ziel muss mehr Transparenz, mehr Effizienz und mehr Qualität lauten. Der Qualitätsaspekt wird dabei zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor im Gesundheitsmarkt im Kampf um die Gunst der Patienten. (Ebner/Köck, 1996, S. 74)
Mit der Zunahme an Transparenz im Krankenhaus steigt auch der Druck auf den Leistungserbringer hohe Qualität anzubieten. Eine Unterteilung in leistungsschwache und leistungsstarke Kliniken kann aufgrund der vorliegenden Daten problemlos erfolgen. Unter diesem Aspekt sowie den fallbezogenen Entgeltsystemen in vielen Ländern ist eine verstärkte Tendenz Richtung Kundenorientierung festzustellen. Es ist sogar bereits von einem Wettstreit um die Patienten die Rede. Die stärkere Wettbewerbssituation veranlasst Krankenhäuser zunehmend dazu die vorhandenen Überkapazitäten abzubauen, so ist z.B. die Bettenanzahl in deutschen Kliniken in den letzten Jahren rückläufig. Umso entscheidender ist es unter den neuen Rahmenbedingungen einen hohen Auslastungsgrad anzupeilen. Dieser kann in erster Linie durch eine hohe Qualität der Leistungen erzielt werden. Ein hoher Auslastungsgrad führt in der Regel zu einer Verbesserung der Effizienz, d.h. positiven Skalenerträgen, da die Fixkosten auf eine größere Anzahl von Patienten aufgeteilt werden können. Die eingesparten Kosten durch den Kapazitätsabbau können somit für Investitionen und Innovationen verwendet werden, die wiederrum positive Auswirkungen auf die Behandlungsqualität haben. Eine hohe Patientenzufriedenheit rückt als Erfolgsfaktor zunehmend in den Mittelpunkt. Auf der anderen Seite werden angestrebte Qualitätszuwächse zusehends bedroht vom anwachsenden Kostendruck, festgelegten Verweildauergrenzen und dem hohen Aufwand für die Dokumentation des gesamten Behandlungsablaufs. (Lachmann, 2011, S. 38)
Im Gesundheitswesen wird traditionell zwischen Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität differenziert. Dabei hängt die Strukturqualität eines Krankenhauses vorwiegend von dessen Ausstattung mit Ressourcen ab, während die Prozessqualität durch die diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen bestimmt wird. Am Ende der Kette steht dann die Ergebnisqualität, welche den Erfolg oder Misserfolg einer durchgeführten Behandlung ausdrückt. Auf diese drei wesentlichen Qualitätsaspekte wird im Rahmen dieser Arbeit noch näher eingegangen und auch deren Messmöglichkeiten behandelt. Mit dem Begriff der Sozialqualität hat sich allerdings noch ein weiterer Qualitätsmaßstab entwickelt. Darunter versteht man besonders die Unternehmenskultur eines Krankenhauses, die vom Kunden explizit wahrgenommen wird und als wichtige Voraussetzung und treibende Kraft zur Verbesserung aller anderen Qualitäten gilt. Der verstärkte Konkurrenzdruck im Krankenhaussektor fordert immer mehr die Erstellung eines eigenen Markenprofils. Das Krankenhaus als Marke soll beispielsweise mit hoher Behandlungsqualität und Menschlichkeit gleichgesetzt werden. Auch in dieser Beziehung stellt die Sozialqualität einen bedeutenden Wettbewerbsfaktor dar. (Lachmann, 2011, S. 39)
Auch das Drängen der privaten Krankenhäuser auf den Gesundheitsmarkt hat die Wettbewerbssituation zusätzlich verschärft. Krankenhäuser müssen mit einem begrenzten Budget auskommen und trotzdem optimale Leistungen anbieten. Patienten sind heute in der Lage, genau zu entscheiden, welches Krankenhaus ihren Ansprüchen genügt und welches nicht. Damit einher gehen ständig neue Anforderungen an ein Qualitätsmanagement. Qualitätsverbesserungen müssen fortlaufende Analysen zu Grunde liegen. Dazu zählt die Evaluierung von finanziellen und medizinischen Kennzahlen, aber genauso die regelmäßige Erhebung der Patienten- und Mitarbeiterzufriedenheit. (Vagts et al., 2008, S. 156 ff.)
Es liegen eine Vielzahl von objektiv zu erfassenden Qualitätsparametern im Krankenhaus vor, auf die vor allem in Kapitel 6 noch näher eingegangen wird. In erster Linie gehören dazu aber Mortalitätsraten und Komplikationsraten. Um diese zwischen Krankenhäusern vergleichbar zu machen ist jedoch zwingend eine Risikoadjustierung nötig d.h. vor allem das Alter der Patienten ist bei der Beurteilung solcher Kennzahlen zu berücksichtigen. In Sachen Krankenhausvergleiche gelten die USA als Vorreiter. Hier wird ähnlich wie bei Universitäten die Krankenhausqualität anhand von ausgewählten Kennzahlen bewertet, es werden Rankings erstellt und diese veröffentlicht. (Neubauer/Nowy, 2003, S. 281) Im folgenden Abschnitt werden einige solcher Indikatoren zur objektiven Qualitätsbestimmung in verschiedenen Staaten vorgestellt. Zunächst will ich allerdings die Vorgehensweise bei der Erstellung von Qualitätsindikatoren näher erläutern.
Um die Qualität von Gesundheitseinrichtungen messen und vergleichen zu können, liegen eine Vielzahl von Informationen vor. Es ist möglich einzelne Kennzahlen zu errechnen, die aber nie das komplexe Leistungssystem eines Krankenhauses widerspiegeln können. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, ist es notwendig zusammengesetzte Indikatoren („Composite Indicators“) zu entwickeln, welche verschiedene Kennzahlen zu einem aussagekräftigen Wert zusammenfassen. Zusammengesetze Indikatoren erfüllen damit den Zweck, die Gesamtqualität von Krankenhäusern abzubilden und vergleichbar zu machen und somit eine Reihung der Krankenhäuser vorzunehmen. (Jacobs et al., 2007, S. 383)
Die Vorteile solcher Indikatoren bestehen also darin, dass sie sich nicht auf einzelne Teilbereiche beschränken. Stattdessen müssen Krankenhäuser auf allen Ebenen hohe Qualität ausweisen. Durch den Vergleich mit den „Best Performern“ kommen schließlich vorhandene Defizite ans Licht und es werden Anreize zur Verbesserung gesetzt. Zusammengesetzte Indikatoren haben aber auch ihre Nachteile. Durch die Zusammenfassung von einzelnen Kennzahlen kann es passieren, dass leistungsschwache Teilbereiche im Krankenhaus übersehen werden. Außerdem fällt es dadurch schwerer die genauen Quellen für eine schwache Leistung zu identifizieren. Ein entscheidender Faktor bei der Einführung solcher Indikatoren ist die Gewichtung. Diese kann starken Einfluss auf das Verhalten von Krankenhäusern nehmen, die ihren Fokus dann gezielt auf die stärker gewichteten Teilbereiche lenken, um in den Rankings besser abzuschneiden. Ein weiteres Problem besteht in den Messschwierigkeiten von bestimmten Leistungen, die dann oftmals nicht inkludiert werden und das Endergebnis verzerren können. (Jacobs et al., 2007, S. 385)
Der wichtigste Schritt bei der Erarbeitung von zusammengesetzten Indikatoren besteht in der Festlegung der Kennziffern, die einbezogen werden und solcher, die nicht berücksichtigt werden. Die ausgeschlossenen Kennzahlen können dabei genauso wichtig sein wie die einbezogenen Messgrößen. Grund für den Ausschluss ist vielfach die nicht einheitliche Messbarkeit. Weiters gilt es bei der Zusammensetzung die Wahl zwischen Prozess- und Ergebniskennzahlen zu beachten. Die Ergebnisqualität bewertet, ob die medizinische Versorgung ein bestimmtes Resultat erreicht hat, während die Prozessqualität misst, ob die Behandlung angemessen durchgeführt wurde. Die Konzentration auf Ergebnis- oder Prozessqualität kann die Endresultate wesentlich beeinflussen. Unter gewissen Umständen, z.B. bei der Behandlung von chronischen Krankheiten, kann die Prozessqualität von weitaus größerer Bedeutung sein. Auch der Korrelation zwischen einzelnen Indikatoren gilt es Beachtung zu schenken. Stark zusammenhängende Kennziffern können zu einer Art Mehrfachgewichtung führen und eine Verzerrung der Endergebnisse zur Folge haben. (Jacobs et al., 2007, S. 387 f.).
Nachdem die einzelnen Indikatoren der Leistungsmessung bestimmt worden sind, folgt als nächster Schritt die Entscheidung über die Kombination der Kennzahlen. Die Gewichtung kann dabei gleichmäßig erfolgen oder bestimmten Indikatoren einen höheren Wert beimessen. Eine Methode der Gewichtung könnte beispielsweise anhand des aufgewendeten Budgets im jeweiligen Messbereich stattfinden. Weiterhin kann eine Anpassung der Indikatoren aufgrund von externen Faktoren notwendig sein. Dabei spielt z.B. die Zusammensetzung der Bevölkerung eine entscheidende Rolle. So wird es ein Krankenhaus im ländlichen Gebiet mit unterschiedlichen Patienten zu tun haben als eine Klinik in einer Großstadt. Der zusammengesetzte Indikator soll schlussendlich auch Aufschluss darüber geben, wie effizient die Ressourcen in einem Krankenhaus genutzt werden. Dazu genügt eine Gegenüberstellung der erbrachten Leistung mit den dafür eingesetzten Ressourcen (Kosten). Dies kann Auswirkungen auf die zukünftige Verteilung der Budgets haben. Eine Sensitivitätsanalyse zum Schluss kann dabei helfen, den Indikator auf seine Robustheit zu überprüfen. Ziel ist es, herauszufinden, wie sich eine Änderung der miteingerechneten Kennziffern oder ihrer Gewichtung auf den Indikatorwert niederschlagen würde und damit das Ranking eines Krankenhauses beeinflusst. Eine Sensitivitätsanalyse ist empfehlenswert, wird in der Praxis aber kaum durchgeführt. (Jacobs et al., 2007, S. 390-394)
An dieser Stelle folgt nun eine Auflistung von verschiedenen „Composite Indicators“ auf internationaler Ebene (USA, Kanada, Großbritannien). Das Interesse gilt dabei vor allem den einbezogenen Kennziffern sowie deren Möglichkeiten zur Gewichtung.
USA: Im Jahr 2000 haben Jencks et al. (S. 1670-1676) in den USA eine Bewertung der Qualität von Krankenhäusern mit Hilfe eines zusammengesetzten Indikators vorgenommen. Dazu wurden 22 Kennziffern aus sechs Fachrichtungen zusammengetragen. Sechs Messgrößen stammten dabei aus dem Bereich akute Herzinfarkte, zwei betrafen Herzversagen, drei Schlafanfälle, sieben Kennzahlen bezogen sich auf Lungenentzündungen, eine auf Brustkrebs sowie drei auf Diabetes. Der Fokus bei der Auswahl der einzelnen Indikatoren lag mehr bei der Prozessqualität denn auf der Ergebnisqualität. Die Messgrößen wurden allesamt gleich gewichtet. Anhand des errechneten Indikators wurde anschließend eine Reihung der Versorgungsqualität nach Bundestaaten durchgeführt. Im Jahr 2003 erhoben Jencks et al. (S. 305-312) die Daten noch einmal, um zu zeigen, wie sich die Qualität sowohl in absoluten als auch relativen Zahlen geändert hat. Dafür wurde jeder einzelne der 22 Indikatoren als auch der zusammengesetzte Indikator auf Staatsebene verglichen. Man fand heraus, dass es bei der Reihung der Staaten in den drei Jahren kaum Verschiebungen gegeben hatte. Die leistungsstärksten Bundesstaaten konzentrierten sich nach wie vor auf den Norden und die weniger bevölkerungsreichen Staaten der USA. Generell konnte aber eine Verbesserung der Qualität in 20 der 22 ausgewählten Indikatoren nachgewiesen werden.
Kanada: Das Maclean‘s Magazine (MM), eine weit verbreitete kanadische Zeitschrift, publiziert jährlich einen Gesundheitsbericht, in welchem die kanadischen Regionen anhand ihrer Versorgungsqualität gereiht werden. Der zusammengesetzte Indikator erreicht dabei einen Spitzenwert von 89.5 im Raum Vancouver, während Huntsville (Ontario) mit einem Wert von 73.4 an letzter Stelle liegt. (Jacobs et al., 2007, S. 397)
Der Maclean‘s-Bericht setzt sich aus 15 Leistungsindikatoren aus sechs Kategorien zusammen:
1. Ergebnisse: z.B. Lebenserwartung bei Geburt; Überlebenschancen eines Herzinfarktes
2. Schwangerenvorsorge: z.B. Verhältnis von untergewichtigen Babys unter 2500 g
3. Gesundheit: z.B. Hüftfrakturen; Einweisungen wegen Lungenentzündungen und Grippen bei Personen über 64
4. Altenfürsorge: z.B. Einsatz von künstlichen Hüft- bzw. Kniegelenken
5. Effizienz: z.B. Abweichungen von der erwarteten Verweildauer (frühere Entlassungen)
6. Ressourcen: z.B. Ärzte und Spezialisten pro 100.000 Einwohner
Innerhalb der sechs Kategorien wurden die einzelnen Indikatoren mit Hilfe von Expertenmeinungen gewichtet. Die Kategorien selbst wurden einer folgenden Gewichtung unterzogen: Ergebnisse (0.2), Schwangerenvorsorge (0.2), Gesundheit (0.2), Altenfürsorge (0.1), Effizienz (0.2) und Ressourcen (0.1). (Jacobs et al., 2007, S. 398)
Großbritannien: Im Jahr 2000 hat die britische Fernsehanstalt Channel 4 Wissenschaftler damit beauftragt die gesundheitlichen Präferenzen der Bevölkerung zu erheben. Dafür hat man sechs Gesundheitskennzahlen ausgewählt um sie anhand der öffentlichen Meinung gewichten zu lassen. Folgende Indikatoren standen zur Auswahl:
1. Anzahl an Krebstoten pro 100.000
2. Anzahl an Todesfällen wegen Herzerkrankungen pro 100.000
3. Anzahl an Personen auf Krankenhaus-Wartelisten pro 1.000
4. Prozentsatz der Bevölkerung auf Wartelisten für mehr als 12 Monate
5. Anzahl an Hüftoperationen pro 100.000
6. Anzahl an Todesfällen aufgrund von vermeidbaren Krankheiten (z.B. Tuberkulose oder Asthma) pro 100.000
2000 Menschen aus England, Schottland und Wales wurden nach ihren Präferenzen befragt. Um diese zu ermitteln bekam jeder 60 Chips, die er wie ein Budget auf die sechs Indikatoren verteilen konnte. Anhand der Aufteilung der Chips wurde dann der zusammengesetzte Indikator gewichtet. (Jacobs et al., 2007, S. 399)
Ein weiteres Beispiel für einen zusammengesetzten Index ist auch das Star Rating System in Großbritannien. Dabei werden die staatlichen Krankenhäuser in vier Kategorien eingeteilt, wobei drei Sterne hochwertige Leistung bedeutet, und null Sterne auf ein sehr niedriges Leistungsniveau schließen lässt. Die Bewertung der Krankenhausqualität erfolgt dabei nach vier Kriterien: Regierungsziele, klinische Schwerpunkte, Patientenschwerpunkte sowie Kapazität und Fähigkeiten. Bei den Regierungszielen wird beurteilt, ob sie erreicht wurden, teilweise erreicht wurden oder deutlich nicht erreicht wurden. In den restlichen Kategorien wird eine optimale Leistung mit 5 Punkten belohnt und eine ungenügende Leistung mit einer 1 versehen. Das Star Rating System wird mit Belohnungen und Bestrafungen für die involvierten Krankenhäuser verknüpft. Ein 3-Sterne-Voting bedeutet weitestgehende finanzielle als auch entscheidungstechnische Autonomie für die Krankenhäuser. Somit liefert ein solches System Anreize für Kliniken eine hohe Qualität zu gewährleisten. (Jacobs et al., 2007, S. 401)
Im Mittelpunkt bei der Erfassung von subjektiven Qualitätsparametern steht der Patient. Krankenhäuser müssen ihr Leistungsanbebot vermehrt nach den Ansprüchen ihrer Patienten richten, denn die subjektive Bewertung der Qualität durch den Patienten wird zum entscheidenden Erfolgsfaktor. Patientenzufriedenheit, Lebensqualität und Mitarbeiterzufriedenheit gehören zu den wichtigsten subjektiven Qualitätsparametern. (Perleth/Schwartz, 2002, S. 296)
Die Standardmethode zur Erhebung der Patientenzufriedenheit ist die Patientenbefragung. Dies geschieht normalerweise mit Hilfe von Fragebögen oder persönlichen Interviews. Ziel der Befragungen ist es Probleme und Schwachstellen im Krankenhaus aufzudecken, um diese schnellstmöglich zu beheben. Die Patientenzufriedenheit kann sowohl durch die Einschätzung der medizinischen Versorgung als auch durch die Beurteilung des Behandlungserfolges ermittelt werden. Die Auswertung der Ergebnisse kann Auskunft über mögliche Versorgungsmängel geben. (Perleth/Schwartz, 2002, S. 297)
Andreas Pira (2000, S. 152) beleuchtete die Frage, wie Patientenzufriedenheit bezüglich Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität ermittelt werden kann. Hinsichtlich der Strukturqualität ist es für den Patienten in der Regel kein Problem, die Ausstattung des Zimmers oder die Qualität der Verpflegung zu bewerten. Problematischer wird es bei der Beurteilung der Qualifikation des Krankenhauspersonals oder der Versorgung des Spitals mit technischen Geräten. Hier dürfte ein Mangel an Fachwissen und Vergleichswerten eine Einschätzung der Strukturqualität aus Patientensicht unmöglich machen. Im Zuge der Bewertung der Prozessqualität kommt der Einschätzung des Patienten schon eine größere Rolle zu. Vor allem nicht-medizinische Prozesse müssen den Erwartungen des Patienten gerecht werden. Aber auch die medizinische Prozessqualität ist aus dem Patientenblickwinkel bewertbar. So sind Meinungen bezüglich Aufklärung vor einem Eingriff, Betreuung während der Behandlung, Mitspracherechte usw. einholbar. Besonders im Bereich der Ergebnisqualität sind Krankenhäuser stark auf die Urteile der Patienten angewiesen, da sich hier die Änderung des Gesundheitszustandes häufig nicht objektiv messen lässt.
Auch die Mitarbeiterzufriedenheit spielt eine entscheidende Rolle für die erbrachte Leistung eines Krankenhauses. Das Qualitätsmanagement ist abhängig von zufriedenen und motivierten Mitarbeitern. Bestimmte Faktoren und Strukturen im Krankenhaus können jedoch beim Personal demotivierend wirken und zu einer Minderung der Qualität führen. Motivationssteigerungen können z.B. durch die Mitsprache der Mitarbeiter bei wichtigen Entscheidungen erreicht werden. Des Weiteren fördern flache Hierarchien, eine anständige Vergütung und eine abwechslungsreiche Tätigkeit die Mitarbeitermotivation. Auch eine gute Ausstattung mit Ressourcen, angemessene Anforderungen und die Chance auf persönliche Weiterentwicklung wirken sich positiv auf die Mitarbeiterzufriedenheit aus. Ebenfalls von Vorteil wäre die Existenz einer Corporate Identity, die breite Zustimmung unter den Mitarbeitern erfährt. (Perleth/Schwartz, 2002, S. 297)
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