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Masterarbeit, 2020
54 Seiten, Note: 2,0
Jura - Zivilrecht / Handelsrecht, Gesellschaftsrecht, Kartellrecht, Wirtschaftsrecht
A. EINLEITUNG
B. DER DIESELSKANDAL
I. Hintergrund aus dem Europarecht
II. Abschalteinrichtungen in Typ EA 189 Motoren
C. KAUFRECHTLICHE ANSPRÜCHE GEGENÜBER DEM HÄNDLER
I. Vorliegen eines Mangels § 434 I BGB
II. Ansprüche im Gewährleistungsrecht
1. Nachbesserung § 439 I Alt. 1 BGB
a) Softwareupdate als aufgezwungene Nachbesserung
b) Softwareupdate als vertragsgemäßer Zustand der Nachbesserung
aa) Software behebt Mangel
bb) kein vertragsgemäßer Zustand
cc) Beweislast
2. Neulieferung § 439 I Alt. 2 BGB
a) Unmöglichkeit der Neulieferung aus § 275 I BGB
aa) Untergang der Gattung
bb) Lieferung des Folgemodells
cc) Umfang der Beschaffungskosten im Rahmen der Unmöglichkeit
b) Unverhältnismäßige Kosten der Neulieferung
3. Keine Verjährung der Ansprüche
III. Zwischenergebnis
D. DELIKTSRECHTLICHE ANSPRÜCHE GEGENÜBER DEM HERSTELLER
I. Anspruch aus § 826 BGB - vorsätzliche sittenwidrige Schädigung
1. Schaden
a) Vorliegen eines Vermögenschadens
b) Negativer Vertrag als Zweckverfehlung
2. Sittenwidrigkeit
a) Sittenwidriges Herstellerverhalten
b) Situation für Gebrauchtwagen
3. Haftungsbegründende Kausalität
4. Subjektive Voraussetzungen für eine Haftung gemäß §§ 826, 31 BGB
a) Schädigungsvorsatz
b) Haftung einer juristischen Person gemäß § 31 BGB
aa) Zurechnung für die Vorstandsebene
bb) Sekundäre Darlegungs- und Beweislast
5. Rechtsfolge als Schadensersatz aus §§ 249 ff. BGB
a) Keine Anrechnung von Nutzungsvorteilen
b) Kategorisches Bereichungsverbot
c) Kompromisslösung des Vorteilsausgleichs
II. Erwerb nach Offenlegung des Skandals/Verjährung der Ansprüche
E. ABSCHLIEßENDE BEWERTUNG
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„Ich bin bestürzt über das, was in den vergangenen Tagen geschehen ist. Vor allem bin ich fassungslos, dass Verfehlungen dieser Tragweite im Volkswagen Konzern möglich waren“. Mit diesen Worten begann die Rücktrittserklärung von Martin Winterkorn am 23.09.2015.1 Die Verfehlungen des Konzerns umschrieb er als „Unregelmäßigkeiten bei Dieselmotoren“. Was folgte war der Auftakt des größten Industrieskandals der Nachkriegsgeschichte und das ausgerechnet in der Branche, in der die deutsche Ingenieurskunst weltweit angesehen ist. Im Volksmund werden die Motormanipulationen implizit mit dem Volkswagenkonzern verbunden. Doch im Zuge der Aufarbeitung wurde immer deutlicher, dass längst nicht nur Volkswagen in den Fokus der Behörden gerückt ist.2 Die gesamte Autoindustrie sieht sich mit dem Vorwurf konfrontiert, illegale Abschalteinrichtungen zu verwenden um den reellen Stickoxidausstoß zu modifizieren.3 Auch 5 Jahre nachdem die Vorwürfe der breiten Öffentlichkeit präsentiert wurden, beschäftigen sich immer noch zahlreiche Gerichte in ganz Deutschland mit den Verbraucherrechten geschädigter Kunden. Etwa 60000 Individualklagen sind aktuell noch offen. Im Rahmen dieser Masterarbeit wird daher der Versuch unternommen, die Thematik möglichst praxisnah zu sortieren und zu analysieren. So führen die einzelnen Ansprüche durch klassische zivilrechtliche Probleme. Zunächst wird der technische Hintergrund zum „Dieselskandal“ und möglicher Abschalteinrichtungen geklärt, dann folgt eine Betrachtung der kaufrechtlichen Ansprüche, mit dem Fokus auf Durchsetzung möglicher Mängelrechte der Nacherfüllung. Gegenüber dem Hersteller wird ein Anspruch aus dem Deliktsrecht geprüft und damit der Frage nachgegangen, inwieweit VW Millionen Kunden sittenwidrig geschädigt haben könnte. Dabei ist es nicht Ziel der Arbeit sämtliche Verbraucheransprüche zu analysieren, was aufgrund der Vielzahl der Konstellationen kaum zu bewältigen ist. Allerdings deckt der Fokus der Arbeit, mit dem Kauf eines Neuwagens der VW-Gruppe, verkauft durch einen gewerblichen Händler, bereits viele konvergente und auf andere Sachverhalte übertragbare Situationen ab. Ausführungen für Gebrauchtwagen werden an kontextrelevanten Stellen inkludiert.
Der Anstoß für die Dieselproblematik und die damit in Verbindung gebrachte Luftverschmutzung findet sich bereits im Jahr 2001. Das Programm „saubere Luft für Europa“ stellte den Schutz der EU-Bürger durch Senkung von Schadstoffen und Emissionswerten in den Vordergrund, um die Lebensqualität in Europa zu verbessern.4 Im Zuge der Richtlinie 2007/46/EG wurde ein europaweites Typengenehmigungsverfahren für Fahrzeuge geschaffen, welches unter anderem als Ziel hatte, die Stickoxidemissionen bei Dieselfahrzeugen deutlich zu reduzieren. Zusätzlich entstanden eine Reihe von unmittelbar bindenden Verordnungen für das jeweilige Dieselfahrzeug. Für leichte Personenkraftfahrzeuge gilt die Verordnung Nr.715/2007.5 Bevor ein leichter Personenkraftwagen in Deutschland zugelassen werden kann, erhält dieser eine Typgenehmigung der Euronorm, abhängig des Schadstoffausstoßes. Gemäß Art 3, Nummer 29 der Richtlinie 2007/46/EG ist in Deutschland das Kraftfahrtbundesamt6 für eine Genehmigung zuständig. Vorrangig werden dabei Emissionsgrenzwerte oder der Kraftstoffverbrauch überprüft. Der Emissionstest erfolgt im Rahmen des Abschnittes 5.3.1.2 Regelung 83 der Wirtschaftskommission für Europa (UNECE) über einen Rollprüfstand und nicht im freien Verkehr.
Im September 2014 veröffentlichte der International Council on Clean Transportation (ICCT) eine Studie zum Thema Stickoxidausstoß von Dieselfahrzeugen. Ziel der Studie war es zu zeigen, dass die in Amerika zugelassen Modelle aufgrund der strengeren Vorschriften, einen wesentlich geringeren Stickoxidausstoß aufweisen würden.
Stattdessen überschritten die Dieselfahrzeuge des Autokonzerns VW die amerikanischen Höchstwerte teilweise um den 35-fachen Wert.7 Beim getesteten NOx-Wert handelt es sich um eine Sammelbezeichnung für eine Reihe von Stickstoffoxiden. Diese Stoffe finden sich im Abgas und entstehen als Zwischenprodukt der Verbrennung.8 Die US-amerikanische Environmental Protection Agency (EPA) informierte die Öffentlichkeit im September 2015 über die Anschuldigungen in Verbindung mit der Volkswagengruppe. Es wurde der Vorwurf geäußert, dass eine manipulierte Abschalteinrichtung eingesetzt wurde, in der das Fahrzeug erkennen würde, dass es einem Emmissionstest unterzogen wird. Der Wolfsburger Konzern berief sich zunächst auf einen Softwarefehler. Doch auch eine Rückrufaktion brachte keine reellen Verbesserungen der Werte, sodass am 22.09.2015 die Problematik öffentlich bekannt gegeben wurde. Weltweit waren über 11 Millionen Dieselmotoren vom Typ EA 189 betroffen.9 Eine Abschalteinrichtung ist, entgegen dem Wortlaut, kein physischer Bestandteil des Autos, sondern eine Software, die alle möglichen Parameter wie Motordrehzahl, Temperatur, und z.B. Getriebegang ermittelt, um die Wirksamkeit der Abgasreinigungssysteme automatisch dem normalen Fahrzeugbetrieb anzupassen und somit den Emissionsausstoß verringert.10 Zusätzlich kann die Software erkennen, ob sich das Auto im Straßenverkehr oder auf einem Rollprüfstand befindet. Im Fall der VW-Motoren wurde dies jedoch missbraucht und die Software änderte das Emissionskontrollsystem während des Tests und passte sich dem Prüfstand an. Die Folge war eine verstärkte Abgasrückführung sowie geringerer Stickoxidwert, um die geforderten Abgaswerte einzuhalten. Im alltäglichen Fahrzeugbetrieb war diese Regulierung hingegen nicht aktiv, was zu den grenzüberschreitenden Werten führte.11 Gemäß Art. 5 II VO (EG) Nr. 715/2007 ist diese Form der Abschalteinrichtungen verboten, da die tatsächlich gemessenen Grenzwerte auch dem Verhalten im Straßenverkehr entsprechen müssen.
Zwar bestehen Ausnahmen, dass solche Einrichtungen zum Schutz des Motors die Abgasreinigung temporär deaktivieren können. Jedoch machte ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundetages deutlich, dass diese Ausnahmen im Sinn und Zweck der Verordnung zu ermitteln sind. Hier ist das vorrangige Ziel im Umwelt- und Gesundheitsschutz zu sehen und darf nur engen Ausnahmen unterliegen. Ferner würde ein Interpretationsspielraum zugunsten anzunehmender Motorschäden, den Hersteller geradezu ermächtigen, seine Motoren so zu konzipieren, höhere Emissionswerte zu rechtfertigen.12 Im Fall der VW-Motoren handelt es sich allerdings um eine Software, die allein dazu dient, den Testzyklus zu manipulieren und niedrigere Emissionswerte vorzutäuschen. Auch der BGH urteilte, dass die Software keinerlei Funktion enthält, die möglicherweise eine Abschalteinrichtung für Motorenschutz rechtfertigt und deshalb keine Ausnahme darstellen kann, weil sie dem Zweck der Verordnung zuwider- laufe.13 Wann eine solche Abschalteinrichtung illegal ist, wird inzwischen auch auf höchster europäischer Ebene diskutiert. Die Generalanwältin des EuGH kommt in ihrem Schlussantrag ebenfalls zu dem Ergebnis, dass sich diese Einrichtung nur rechtfertigen lasse, sofern direkte Motorschäden zu erwarten sind. Die Motoren des Typs EA 189 enthalten damit eine Umschaltlogik, die weder mit deutschem noch europäischen Recht vereinbar sind.14 Im Zuge des gesellschaftlichen Diskurses hat sich dafür der Begriff der „Schummelsoftware“ etabliert.15
Für die Käufer solcher Dieselmotoren ergeben sich dabei eine Reihe von rechtlichen Fragen. Die vertraglichen Ansprüche werden vorliegend nur in Verbindung mit den Händlern geprüft. Gegenüber VW als Hersteller würden sich diese allein aus einem Direktvertrieb der Fahrzeuge ergeben. Der klassische Autokauf wird aber in der Regel über einen Einzelhändler abgeschlossen. Selbst eine Konstellation in der Autohäuser als exklusive Vertriebspartner agieren, ermöglicht keine direkten vertraglichen Ansprüche gegenüber dem Autokonzern.16
Damit der Käufer mögliche Gewährleistungsrechte in Anspruch nehmen kann, muss die Sache bei Gefahrübergang mangelhaft sein. Die Abschalteinrichtung und die damit verbundenen höheren Emissionswerte könnten einen solchen Mangel darstellen. Gemäß § 434 I S. 1 BGB ist eine Sache mangelhaft, wenn sie von der vereinbarten Beschaffenheit abweicht. Eine Beschaffenheitsvereinbarung über mögliche Emissionswerte ist aber regelmäßig nicht Bestandteil eines Kaufvertrages und daher als möglicher Mangel ungeeignet.17 Liegt eine explizite Vereinbarung nicht vor, wird ein Mangel angenommen, wenn die Sache von der üblichen Beschaffenheit abweicht und sich damit nicht für die übliche Verwendung eignet (§ 434 I S. 2 Nr. 2 BGB).18 Ein solches Abweichen könnte gegeben sein, da ein Kunde nach objektiven Kriterien erwarten kann, dass ein Fahrzeug die zugelassen Abgaswerte nicht nur aufgrund einer unzulässigen Software einhält.19 Dazu muss aber festgestellt werden, dass erhöhte Emissionswerte nichts an der Verkehrstauglichkeit des Fahrzeuges ändern. Eine gewöhnliche Verwendung eines Fahrzeuges ist gegeben, sofern seine Zulassung nicht gehindert wird und außerdem in Zukunft die Gefahr einer möglichen Nutzungseinschränkung nicht besteht.20 Vorrangig kommt es somit auf die Betriebserlaubnis an. Da die verwendete Abschalteinrichtung unzulässig ist und eine Zulassung über das Typengenehmigungsverfahren der VO (EG) Nr. 715/2007 verhindern würde, fehlt es bereits an der üblichen Beschaffenheit. Für zugelassene Fahrzeuge kann das KBA nach § 5 I FZV die Halter des Fahrzeuges verpflichten, den Mangel des Fahrzeuges zu beseitigen und ggfs. bei Verweigerung die Stilllegung veranlassen.21 In diesem Zusammenhang versendete das KBA am 14.10.2015 eine Umrüstungsanordnung per Softwareupdate für etwa 2,5 Millionen VW-Fahrzeuge und machte die latente Gefahr der Stilllegung immanent.22 Unabhängig davon stellt der BGH klar, dass sich der Mangel vor der Umrüstungsanordnung gefestigt hat, da bereits die Aussicht auf mögliche Betriebsuntersagungen als ein „Grundmangel“ vorhanden war.23 Diese Gefahr hat zur Folge, dass es an einer gewöhnlichen Verwendung i.S.d. § 434 I S. 2 Nr. 2 BGB fehlt und somit ein Sachmangel vorliegt. Zweifelslos lag dieser Mangel auch bei Gefahrübergang vor, da die Abschalteinrichtungen während der Fertigung eingebaut wurden.
Um seine Gewährleistungsrechte durchzusetzen, steht dem Verbraucher ein 2-stu- figes Gewährleistungssystem gemäß § 437 BGB zur Verfügung. Auf der 1. Stufe kann eine Mängelbeseitigung in Form der Nacherfüllung (§§ 437 Nr. 1, 439 I BGB) geltend gemacht werden. Die Stufe der Nacherfüllung hat grundsätzlich Vorrang und stellt zunächst den einzigen Käuferanspruch dar. Als sogenanntes Wahlrecht hat der Käufer dabei die Entscheidung, ob er eine Mängelbeseitigung als Nachbesserung oder die Neulieferung des Fahrzeuges wünscht. Auf der 2. Stufe der Gewährleistungsrechte kann der Verbraucher weitere Rechte wie den Rücktritt oder die Minderung verlangen. Hiervon kann allerdings erst Gebrauch gemacht werden, wenn eine erfolgslose Frist gesetzt wurde.24 Ob und in welcher Form die Rechte der Nacherfüllung bei Abgasmanipulierten Fahrzeugen überhaupt durchsetzbar sind, ist umstritten und wird im Folgenden analysiert. Schadensersatzansprüche sind von der Prüfung ausgenommen, da der Einsatz der Software durch den Hersteller erfolgte und damit dem Autoverkäufer in der Regel nicht zuzurechnen ist.
Der Nachbesserungsanspruch ist auf eine Reparatur der Sache gerichtet. Vorliegend soll dieser Anspruch auf eine Nachbesserung durch das Update, welches VW zusammen mit dem KBA konzipiert hat, befriedigt werden. Aus Sicht des Verbrauchers, dürfte die Motivation, sich für eine Nachbesserung zu entscheiden zunächst wenig attraktiv wirken. Zum einen stellt die Neulieferung wohl die lukrativere Wahlform dar, zum anderen zeigt das die Menge der bisher eingereichten Klagen.25 Möglicherweise ist diese Wahlmöglichkeit aber bereits entfallen.
So bezog sich die Entscheidung des BGHs auf ein Fahrzeug, bei dem die Umrüstung nicht vollzogen wurde.26 Dadurch ergibt sich ein praktisches Problem für die meisten Verbraucher. Ein Softwareupdate ist aufgrund der einzuhaltenden Frist, aus Angst vor der Stilllegung, bereits von fast allen Käufern durchgeführt worden. Daher muss diskutiert werden, welche Auswirkungen das auf die weiteren Gewährleistungsrechte haben könnte. Hier zeigt sich bereits die erste Divergenz der Rechtsprechung zum Dieselskandal. So wird von einigen Oberlandesgerichten vertreten, dass durch das Update der Mangel behoben wurde.27 Gestützt wird dies durch den Bescheid des KBA vom 20.12.2016. Darin wird festgehalten, dass durch das Update die unzulässigen Abschalteinrichtungen entfernt worden sind und es keine Gefahr mehr bezüglich einer Stilllegung gibt.28 Damit wäre die Argumentation des BGHs, den Sachmangel alleine aufgrund der Stilllegungsgefahr zu begründen, nicht mehr anwendbar und eine übliche Nutzung wäre gewährleistet. In Folge der Annahme einer vollständigen Behebung des Mangels, könnte sich eine bindende Wirkung ergeben. Das würde für den Verbraucher bedeuten, dass ihm anfänglich keine Wahlmöglichkeit eingeräumt worden wäre und ihm die tatbestandsmäßigen Vorrausetzungen sämtlicher anderer Gewährleistungsrechte wie das Recht auf die Wahl der Neulieferung des Fahrzeuges verwehrt blieben. Demnach sei das Wahlrecht kein Selbstzweck, sondern müsse dem übergeordneten Interesse der Mängelbeseitigung dienen, welches befriedigt worden wäre.29 Dagegen könnte einzuwenden sein, dass der Nachbesserungsanspruch aus § 439 I Alt. 1 BGB voraussetzt, dass sich der Verbraucher bewusst für das Softwareupdate entschieden hat.30 So hat der BGH, unabhängig vom Dieselskandal, bereits geurteilt, dass ein ungewolltes Softwareupdate keine Nachbesserung darstellt.31 Ob dieses Recht, möglicherweise konkludent, ausgeübt wurde, muss regelmäßig prozessrelevant festgestellt werden, da sich die individuellen Umstände für eine Updatedurchführung schwer bestimmen lassen. Ferner kann sich eine Bindung an die Nacherfüllungsform nur aus dessen Erfüllung gemäß § 362 I BGB ergeben, da das Wahlrecht als ius variandi konzipiert ist und im Grundsatz ermöglicht, die Nacherfüllung nachträglich zu ändern.32 Sofern also die Nachbesserung durch das Softwareupdate, nicht den ursprünglichen Vertragszustand fachgerecht wiederherstellen könnte, besteht für den Verbraucher die Möglichkeit der Änderung des Nacherfüllungsanspruches und somit die Wahlmöglichkeit der begehrten Neulieferung. Einige Oberlandesgerichte entziehen sich dabei der eigenen Entscheidungsfindung, indem sie ohne jegliche Überprüfung das genehmigte Update durch das KBA als Mängelbeseitigung ansehen.33 Aber dieser Diskussion bedarf es zwingend. So kann die Behebung des Sachmangels nicht alleine auf den möglichen Erhalt der Betriebserlaubnis gestützt werden, sondern bedarf einer Auseinandersetzung mit einer Wirksamkeit und möglicherweise entstandenen Nachteilen durch das Softwareupdate.
aa) Software behebt Mangel
Gemäß § 439 I BGB muss die Sache in den vertragsgemäßen Zustand geführt werden und der üblichen Beschaffenheit entsprechen, was bedeutet, dass die festgelegten Abgasgrenzwerte des Zeitpunktes, in dem der Vertrag geschlossen worden ist, als Maßstab herangezogen werden müssen.34 Aus technischer Sicht können die Softwareupdates in die Motorensteuerung eingreifen und die vorhandenen Abschalteinrichtun- gen deaktivieren. Sie sind jedoch nicht dazu geeignet, signifikante Änderungen vorzunehmen, um den Emissionsausstoß deutlich zu verringern. Ein solches Update ist folglich nur sinnvoll für Motoren, in denen die Abgasnachbehandlungstechnik bereits integriert ist und aufgrund von unzulässigen Abschalteinrichtungen für Leistungszuwächse abgeschaltet wurde.35 Diese Nachrüstung wäre im Fall der Typ EA 189 Motoren möglich, da die Einhaltung der Werte im Testmodus impliziert, dass das technische Grundgerüst im Motor vorhanden ist. Laut KBA wurden durch das Softwareupdate sowohl die Abschalteinrichtung entfernt, als auch die Emissionswerte gesenkt, um die Normwerte einzuhalten. In diesem Zusammenhang veröffentlichte es eine Studie am 20.01.2020. Demnach wurden im Realbetrieb Einsparung bis zu 41 % des NOx Ausstoßes erreicht. Das Update übertreffe damit die Erwartungen und würde die geforderten Emissionen einhalten.36 Auch der ADAC kam zum Ergebnis, dass durch das Update die versprochenen Verbesserungen von VW umgesetzt worden sind und es keine signifikanten Nachteile geben würde.37 Sofern diese Daten zutreffend sind, würde das die effizienteste und kostengünstigste Form der Nacherfüllung darstellen.
bb) kein vertragsgemäßer Zustand
Zu einem gänzlich anderen Ergebnis kommt das Umweltbundesamt. Demnach wiesen die getesteten Fahrzeuge nach dem Update immer noch zu hohe Emissionen auf. Im Test wurde der NOx-Grenzwert teilweise um das 3-fache überschritten. Als eine weitere Folge des Updates sind zudem der höhere Kraftstoffverbrauch und gestiegene CO2 Werte aufgezeigt worden.38 Diese Messunterschiede lassen sich möglicherweise damit begründen, dass Ingenieure von VW eine Kontrolle des Updates selbstständig vorgenommen haben und es ohne Überprüfung vom KBA, auf Wirkungsweise oder Langzeitschäden, genehmigt wurde, um den Herstellungsprozess der Software zu verkürzen.39 Bedenken wurden auch dahingehend geäußert, dass sich der höhere Kraftstoffverbrauch oder eine verringerte Motorenleistung im Gesamtkontext möglicherweise negativ auf die Lebensdauer des Motors auswirken. So könnten sich eine Reihe von Folgeproblemen ergeben, deren Ausmaße kaum abzuschätzen sind. Sämtliche Komponenten sind auf ihre Langlebigkeit und Leistung mit aktiver Abschalteinrichtung getestet worden und somit wäre die reelle Lebensdauer nach dem Update kaum noch ein Anhaltspunkt. Fest steht, dass einzelne Bereiche der Abgasrückführung im Ergebnis deutlich öfter betätigt werden und so zwangsläufig höheren Verschleiß oder eine größere Ausfallwarscheinlichkeit bedeuten.40 VW versichert dagegen seine Herstellerkulanz, aber dies stellt keine verbindliche Rechtsgrundlage dar. In diesem Zusammenhang verweist ein Gutachten im Auftrag der Bundesregierung darauf, dass die mögliche und zugleich damit effektivste Nachrüstung der Dieselmotoren nur durch den Einbau von SCR-Katalysatoren möglich ist.41 Dieser Einbau von einer zusätzlichen Komponente für die Abgasreinigung würde geschätzt 3000€ pro Fahrzeug kosten und wird aus Sicht von VW vehement ignoriert. Hinzu tritt der wahrscheinliche Wertverlust solcher Autos auf dem freien Markt, deren Image wohl nicht durch ein Softwareupdate aufgewertet wurde. Gerade der Hintergrund, dass deutsche Großstädte Fahrverbote für einige Dieselfahrzeuge verhängt haben, lässt viele Leute an der dauerhaften Nutzungsmöglichkeit zweifeln und sorgt so für Unsicherheiten und Vertrauensverluste gegenüber Dieselautos, was sich in einer möglichen geringeren Nachfrage widerspiegelt.42 Viele Gerichte sehen in den genannten Problemen Folgeschäden der Software, die im Bereich des Möglichen sind und damit keinen vertragsgemäßen Zustand wiederherstellen würden.43
cc) Beweislast
Ein Blick auf diese Ergebnisse lässt eine rein technische Bewertung als Laie kaum zu. Hinzu tritt die Vielzahl von unterschiedlichen Gerichtsentscheidungen. Allerdings stellt sich die Frage, warum seit Jahren über die Möglichkeit der Nachbesserungsform debattiert wird, wenn eine Software das ganze Problem scheinbar ohne Kompromisse in der Leistung hätte beheben können. Das wirkt vor dem Hintergrund interessant, dass VW dann die Abschalteinrichtungen in Millionen von Autos verwendet hat und bewusst mögliche Milliarden als Schadensersatzforderung in Kauf genommen haben könnte, obwohl es die Alternative einer zulässigen optimierten Software gab.44 Das KBA lässt mit seinen exklusiv für die Hersteller positiven Resultaten und der fragwürdigen Nachkontrolle als Genehmigungsbehörde kaum eine seriöse Bewertung zu. Diese Frage ist ohne Einsicht in den Quellcode der Software wohl nicht abschließend zu klären und eine Veröffentlichung ist aus unternehmensstrategischer Sicht äußerst unwahrscheinlich. Jedoch ist es möglich, sich dem Problem, ohne den technischen Aspekt weiter zu sezieren, juristisch zu nähern. Für die Annahme der Mangelbeseitigung durch die Software, ergeben sich daneben Auswirkungen auf die Beweislast. So trifft diese für das Erlöschen einer Forderung grundsätzlich den Schuldner.45 Allerdings sieht § 363 BGB eine Beweislastumkehr vor. Demnach geht die Pflicht der Darlegungslast für Sachmängel auf den Gläubiger über, sofern er die Leistung als Erfüllung angenommen hat. Folglich müsste der Käufer darlegen, dass etwaige Folgeschäden oder weiterhin existierende Mängel auch nach dem Versuch der Mängelbeseitigung vorhanden sind und die Nachbesserung fehlgeschlagen sei.46 Da sich wie aufgezeigt sogar technische Gutachten widersprechen, kann der Kläger in der Regel nur bloße Vermutungen hinsichtlich höherem Verbrauch, Emissionswerten oder technischer Folgeschäden äußern, die ein aussagekräftiges Ergebnis zugunsten einer andauernden Mängelannahme verhindern. Die Annahme der Erfüllung kann in den Abgasfällen aber nicht alleine aus der Tatsache heraus angenommen werden, weil das Auto bewusst in die Werkstatt gegeben wurde. Vielmehr muss berücksichtigt werden, dass sich der Käufer in einer Zwangslage befand und er sein Auto aufgrund der Anordnung und der möglichen Stilllegungsgefahr in die Werkstatt gab.47 Dazu berichteten viele Kunden von Aufforderungen, die einen Druck bezüglich einer Updatedurchführung aufbauen sollten. Teilweise wurden diese Updates bei jedem möglichen Termin in der Werkstatt ohne Aufforderung durchgeführt.48 Zudem scheint fraglich wie der Verbraucher ein umfassendes Update und deren Wirksamkeit als Erfüllung beurteilen soll, wenn er keinen technischen Einblick in diesen Prozess hat und sogar Bundesbehörden über die Wirksamkeit streiten. Diese Diskussion erzeugte dabei größtes mediales Interesse, sodass davon ausgegangen werden muss, dass der Kunde die Mängelbeseitigung nicht aufgrund des Werkstattbesuches angenommen habe und danach Restzweifel verblieben sind.49 Durch diese konkreten Vorbehalte bezüglich der Folgeprobleme, kann das durchgeführte Update nicht als akzeptierte Leistungserfüllung angesehen werden. Das bedeutet, dass die Beweislast für die vollständige Mangelbehebung ausnahmsweise beim Verkäufer verbleibt.50 Dieser müsste dann nachweisen, dass das aufgespielte Update vollständig dazu geeignet gewesen ist, die Ordnungsmäßigkeit der Nachbesserung zu gewährleisten. In dieser Konstellation ließ z.B. das OLG Köln folgerichtig die als Nachteil entstandenen Behauptungen des Verbrauchers gelten, da der Verkäufer diese ebenso wenig widerlegen konnte, wie der Verbraucher sie im Zuge seiner ursprünglichen Beweislast hätte belegen können. Diese Behauptungen stehen auch nicht der Wahrheitspflicht aus § 138 I ZPO entgegen, da es klare Anhaltspunkte für Folgeschäden gibt und es sich nicht um Spekulationen handelt, die ins Blaue geraten sind.51 Im Ergebnis ist es daher vertretbar, dass die Software keinen vertragsgemäßen Zustand herstellt und damit keine Bindung an die Wahl der Nachbesserung entstehen kann. So muss inkludiert werden, dass 5 Jahre nach dem eigentlichen Skandal, immer noch Gerichte auf der fehlenden Feststellungsmöglichkeit wegen der divergenten Informationslage beharren. Auch vor dem Hintergrund, dass der Hersteller die Zweifel bezüglich der Wirksamkeit nicht beseitigen wollte, scheint eine Entscheidung zugunsten der Verbraucher angemessener. Es ist auch nicht ersichtlich, inwieweit VW diese Software überarbeiten würde. Da bisher keine mögliche Alternativen, wie die Hardwarenachrüstungen von Katalysatoren, in Aussicht gestellt wurden, ist die Nacherfüllungsform der Nachbesserung endgültig fehlgeschlagen.52 Daraus folgt, dass der Verbraucher im Zuge seiner Gewährleistungsrechte eine mögliche Neulieferung verlangen kann - selbst wenn das Softwareupdate ausgeführt worden ist, entsteht dadurch kein Hindernis.53
Wie eingangs erwähnt, ist die Neulieferung für den Verbraucher wohl die attraktivste Form der Nacherfüllung. So hat diese ebenfalls den vertragsgemäßen Zustand als Ziel, was sich durch die Ersatzlieferung eines Neuwagens realisieren lässt. Da es sich beim Autokauf eines Verbrauchers um einen Gebrauchsgüterkauf gemäß § 474 I BGB handelt, muss der Käufer im Zuge der Nacherfüllung gemäß § 475 III S. 1 BGB keinen Wertersatz für die gezogene Nutzung an den Verkäufer zahlen. Somit würde er im Falle der Neulieferung zwar den alten Wagen an den Händler zurückgeben (§§ 439 V, 346 I BGB), muss sich die gefahrenen Kilometer aber nicht wertmindernd anrechnen lassen. Damit ist der Gesetzgeber dem europäischen Einfluss der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nachgekommen.54 Allerdings gibt es auch hier Probleme die eine solche Nacherfüllung scheitern lassen könnten.
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1 Spiegel, VW-Chef Winterkorn tritt zurück, zuletzt abgerufen am 06.05.2020, (https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/volkswagen-chef-martin-winterkorn-tritt- zurueck-a-1054419.html).
2 Volkswagen fortlaufend als VW abgekürzt.
3 Führ, NVwZ 2017, S. 265-273 (267).
4 EU-Kommission, Das Programm „Saubere Luft für Europa" (CAFE), S. 6.
5 Berkemann, ZUR 2019, S. 643-650 (643).
6 Kraftfahrbundesamt fortlaufend als KBA abgekürzt.
7 ICCT, Bericht - In-Use Emissions Testing of Light-Duty Diesel Vehicles United States , S. 78.
8 Borgeest, Manipulation von Abgaswerten, S. 5.
9 Volkswagenag, Ad-hoc Mitteilung vom 22.09.2015, zuletzt abgerufen am 06.05.2020, (https://www.volkswagenag.com/de/news/2015/9/Ad_hoc_US.html).
10 Borgeest, Manipulation von Abgaswerten, S. 29; Vgl. Artikel 3 Nr. 10 der Verordnung 2007/715/EG.
11 EPA, Pressemitteilung 18.09.2015, zuletzt abgerufen am 06.05.2020, (https://www.epa.gov/sites/production/files/2015-10/documents/vw-nov-caa-09-18-15.pdf); Ifsen, JA 2016, S. 1-6 (2).
12 Wissenschaftliche Dienste, Ausarbeitung - Abschalteinrichtungen in Personenkraftwagen, S. 14.
13 BGH, 08.01.2019 - VIII ZR 225/17 = NJW 2019, 1033 (1034).
14 Generalanwalt beim EuGH, Schlussantrag Sharpston, 30.04.2020 - C-693/18.
15 Gutzeit, JuS 2019, S. 649-656 (649).
16 OLG München, 03.07.2017 - 21 U 4818/16 = NJW-RR 2017, 1238 (1238).
17 OLG Hamm, 05.01.2017 - 28 U 201/16 - juris Rn. 28.
18 Jauernig/Berger BGB § 434 Rn. 8-9.
19 Furhmann & Schäfer, ZfW 2018, S. 243-251 (244); Witt, NJW 2017, S. 3681-3686 (3682).
20 BGH, 08.01.2019 - VIII ZR 225/17 = NJW 2019, 1033 (1033).
21 Gutzeit, JuS 2019, S. 649-656 (651).
22 Kraftfahrt-Bundesamt.de, Pressemitteilung vom 16.10.2015, zuletzt abgerufen am 13.05.2020, (https://www.kba.de/DE/Presse/Archiv/Abgasthematik/vw_inhalt.html).
23 BGH, 08.01.2019 - VIII ZR 225/17 = NJW 2019, 1133 (1135).
24 MüKoBGB/Westermann BGB § 437 Rn. 8.
25 van Lück, VuR 2019, S. 8-14 (9).
26 BGH, 08.01.2019 - VIII ZR 225/17 = NJW 2019, 1133 (1134).
27 OLG Frankfurt, 31.03.2020 - 13 U 134/19 = BeckRS 2020, 8866, Rn 64; OLG Braunschweig, 13.06.2019 - 7 U 289/18= DAR 2019, 517 (517); OLG Koblenz, 06.06.2019 - 1 U 1552/18 = NJW 2019, 2246 (2248); OLG Dresden, 01.03.2018 - 10 U 1561/17 = NZV 2018, 269 (270).
28 Vgl. OLG Frankfurt, 18.11.2019 - 13 U 253/18 = BeckRS 2019, 30853, Rn. 34.
29 Vgl. OLG Koblenz, 06.06.2019 - 1 U 1552/18 = NJW 2019,2246 (2247); Riehm, ZIP 2019, 589596 (596).
30 MüKoBGB/Westermann BGB § 439 Rn. 7; BeckOK BGB/Faust BGB § 439 Rn. 30.
31 BGH, 24.10.2018 - VIII ZR 66/17 = NJW 2019, 292 (295).
32 BGH, 24.10.2018 - VIII ZR 66/17 = NJW 2019, 292 (295); MüKoBGB/Westermann BGB § 439 Rn. 4.
33 OLG Frankfurt, 18.11.2019 - 13 U 253/18 = BeckRS 2019, 30853, Rn. 34.
34 MüKoBGB/Westermann BGB § 439, Rn. 12.
35 Hüning, NZV 2019, 27-32 (29).
36 Kraftfahrt-Bundesamt.de, Bericht - Wirksamkeit von Software-Updates zur Reduzierung von Stickoxiden bei Dieselmotoren, S. 133.
37 ADAC, VW-Schummel-Diesel: Was bringen die Softwareupdates?, zuletzt abgerufen am 24.05.2020,(https://www.adac.de/rund-ums-fahrzeug/tests/ecotest/test-vw-updates- schummelsoftware/).
38 Umweltbundesamt.de, Pressemitteilung vom 11.09.2019, zuletzt abgerufen am 18.05.2020, (https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/reale-stickoxid-emissionen-von- diesel-pkw-nach-wie).
39 Handelsblatt, Volkswagen: Zweifelhaftes Vorgehen bei Software-Updates, zuletzt abgerufen am 08.06.2020,(https://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/dieselaffaere-volkswagen- zweifelhaftes-vorgehen-bei-software-updates-/25327090.html).
40 Hüning, NZV 2019, 27-32 (29).
41 Hüning, NZV 2019, 27-32 (29); DERC, Studie über das Potential einer Realisierung einer Hardware-Nachrüstung für Dieselfahrzeuge, S. 12.
42 VG Stuttgart, 26.07.2017 - 13 K 5412/15 = ZUR 2017, 620 (620).
43 OLG Köln, 02.04.2020 - 18 U 60/19 = BeckRS 2020, 6371, Rn. 27; OLG Köln, 27.03.2018 - 18 U 134/17 - juris Rn. 46; Heese, JZ 2020, 178-189 (187).
44 Gutzeit, JuS 2019, S. 649-656 (653); Ring, SVR 2018, S. 219-222 (221).
45 BeckOK BGB/Dennhardt BGB § 363 Rn. 1; Palandt/Grüneberg, §§ 363, 364 Rn. 1.
46 BGH, 09.03.2011 - VIII ZR 266/09 = NJW 2011, 1664 (1664).
47 OLG Köln, 27.03.2018 - 18 U 134/17 - juris Rn. 20; LG Hamburg, 07.03.2018 - 329 O 105/17 = DAR 2018, 273 (276).
48 Furhmann & Schäfer, ZfW 2018, S. 243-251 (246).
49 Servatius, ZIP 2019, 955-957 (956).
50 OLG Köln, 27.03.2018 - 18 U 134/17 - juris Rn. 22; OLG München, 20.06.2017 - 8 U 1706/17= BeckRS 2017, 159094; MüKoBGB/Westermann BGB § 439 Rn. 12; Servatius, ZIP 2019, 955-957 (955).
51 BGH, 28.01.2020 - VIII ZR 57/19 = NJW 2020, 1740 (1741); MüKoZPO/Fritsche ZPO § 138 Rn. 8.
52 Vgl. Gutzeit, JuS 2019, S. 649-656 (652); Ring, SVR 2018, S. 219-222 (221).
53 MüKoBGB/Westermann BGB § 439 Rn. 26; Servatius, ZIP 2019, 955-957 (957).
54 MüKoBGB/S. Lorenz BGB § 475 Rn. 17.