Bachelorarbeit, 2021
56 Seiten, Note: 1,7
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Thematische Einleitung
1.1 Bedeutung von Start-ups
1.2 Zielsetzung und Forschungsfragen
1.3 Methodisches Vorgehen
2 Einführung, Theorien und Modelle
2.1 Definitionen
2.1.1 Start-up und Innovation
2.1.2 Wagniskapital
2.1.3 Unterstützungslandschaft
2.2 Status quo Deutschland und Israel
2.2.1 Demografische, akademische, technologische und volkswirtschaftliche Aspekte
2.2.2 Innovationsentwicklung
2.3 Kulturdimensionen nach Hofstede
2.4 Zusammenfassung
3 Analyse und Gegenüberstellung
3.1 Analyse und Gegenüberstellung des Wagniskapitals
3.2 Unterstützungslandschaft
3.2.1 Analyse der Unterstützungslandschaft
3.2.2 Gegenüberstellung der Unterstützungslandschaft
3.3 Kulturdimensionen
3.3.1 Analyse nach Kulturdimensionen
3.3.2 Gegenüberstellung nach Kulturdimensionen
4 Reflexion, Handlungsempfehlungen und Fazit
4.1 Inhaltliche Reflexion
4.1.1 Beantwortung der Forschungsfragen
4.1.2 Handlungsempfehlungen
4.2 Methodische Reflexion
4.2.1 Forschungslimitationen
4.2.2 Anregungen für weitere Forschungen
4.3 Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildung 1: Investitionen in israelische Tech Start-ups
Abbildung 2: Verteilung der Start-ups in Deutschland nach Branchen
Abbildung 3: Wagniskapital - Investitionen pro Kopf nach Länder
Abbildung 4: Wagniskapitalinvestitionen gesamt und in Start-ups
Abbildung 5: Kulturdimensionen Gegenüberstellung nach Länder
Abbildung 6: Bevölkerungsdichte pro Km2 nach Ländern
Abbildung 7: Aktive Soldaten und Reservisten nach Ländern
Abbildung 8: Frauenanteil im Militär nach Ländern
Abbildung 9: Menschen mit tertiären Bildungsabschluss nach Ländern
Abbildung 10: FuE-Ausgaben gemessen am BIP nach Ländern
Tabelle 1: Determinanten zum Erfolg und Wachstum eines Start-ups
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Digitalisierung und Technisierung der Wirtschaft hat neue Möglichkeiten des Marketings, des Produkt- oder Dienstleistungsdesigns sowie der Gestaltung des Handels im Allgemeinen eröffnet. Die Internationalisierung der Märkte führt zu der geografischen Diversifizierung der Wertschöpfungskette, womit Unternehmen aus verschiedenen Ländern nun zu direkten Konkurrenten lokaler Unternehmen werden (vgl. Baumgarten, H., 2008, S. 25 ff.). Durch die Internationalisierung und Digitalisierung der Wirtschaft verändern sich die Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen ebenso weitreichend wie die von Wirtschaftsstandorten. Ein historisches Beispiel für den Niedergang eines Wirtschaftsstandortes ist das Ruhrgebiet. Hier boomte einst die Stahlindustrie und Kohleförderung, bis in den 1980er- Jahren die Zechen geschlossen wurden, da alternative Anbieter aus dem Ausland Kohle und Stahl deutlich günstiger fördern und veräußern konnten (vgl. Niewerth, G., 2016). Der Wirtschaftsstandort Ruhrgebiet wurde von Disruptionen erfasst und ist ein Mahnbeispiel dafür, dass Wirtschaftsstandorte ebenso wie Unternehmen sich dem Markt sowie den technologischen und gesellschaftlichen Veränderungen anpassen müssen, um längerfristig zu bestehen. Innovationen scheinen in diesem Kontext eine maßgebliche Bedeutung zu erhalten. Als Innovation bezeichnet Prof. Dr. Martin Dieter Specht, Professor für Produktionswissenschaften an der BTU Cottbus, folgendes: Eine Innovation bezeichnet „in den Wirtschaftswissenschaften [mit] technischem, sozialem und wirtschaftlichem Wandel einhergehende (komplexe) Neuerungen“ (Specht, D.). Innovative Neuerungen können einerseits in Form neuer Produkte oder Dienstleistungen, alternativer Fertigungskonzepte, Technologien, Software oder anderen Wirtschaftsobjekten durch etablierte Unternehmen auf dem Markt eingeführt werden. Eine weitere betriebswirtschaftliche Struktur, in der innovative Erneuerungen umgesetzt werden können, sind Start-ups. Diese verfügen über agile und wandelbare Strukturen, die noch nicht starr festgelegt wurden, womit sie sich von etablierten Unternehmen abgrenzen. Zudem arbeiten in einem Start-up meist wenige, auf persönlicher Ebene verbundene Personen, die aus intrinsischer Motivation heraus eine oder wenige Ideen verwirklichen möchten. Dementsprechend groß sind die Wachstumsbestrebungen der Gründer und die wirtschaftlichen Potenziale von Start-ups (vgl. Zinke et al., 2018, S. 26 f.). Start-ups wie Uber, Airbnb oder SpaceX, die 2018 jeweils über mehr als 20 Milliarden US-Dollar Venture-Capital verfügten, sind Beispiele für die wirtschaftliche Bedeutung von Start-ups. Im Falle von Uber sind es sogar weit mehr als 60 Milliarden US-Dollar (vgl. Poleshova, A., 2018).
Wird Deutschland als Wirtschaftsstandort hinsichtlich der Innovationsentwicklung betrachtet, ergibt sich folgendes Bild: Deutschland belegt in einem Ranking über betreute Patente gemessen an der Einwohnerzahl eines Landes den siebten Platz im Vergleich zu anderen NATO-Staaten. 2015 belief sich die Anzahl an betreuten Patenten pro 1.000.000 Einwohner auf 122,93 (vgl. o. V./Patentpilot, 2015, o. S.). In dem Global Innovation Index (GII) wird die Innnovationsfähigkeit der OECD- Länder betrachtet. Hier belegt Deutschland den sechsten Platz im Vergleich zu den anderen Ländern (vgl. Urmersbach, B., 2020d, o. S.). Das Innovationsgeschehen scheint, auf Basis dieser ersten groben Betrachtung, adäquat zu sein, weist jedoch Verbesserungspotenzial auf, da sich Deutschland in keinem Ranking im oberen Bereich einreiht.
In diesem Kontext scheint es dienlich zu sein, andere Länder, deren Innovationsentwicklung höherwertiger ausgeprägt scheint als Deutschlands, zu betrachten und Rückschlüsse auf die Gestaltung des Wirtschaftsstandortes Deutschland zu ziehen. Israel scheint für ebendiese Analyse geeignet zu sein: Israels Hauptstadt Tel-Aviv gilt als „Start-up- Hochburg" und beherbergt 2015 knapp 1000 Start-ups, womit auf 431 Einwohner ein Start-up kommt (vgl. Schmiechen, F., 2015, o. S.). Hinsichtlich der betreuten Patente gemessen an den Einwohnern eines Landes erreicht Israel einen Wert von 155,07, der deutlich höher ist als der Deutschlands (vgl. o. V./Patentpilot, 2015, o. S.).
Aus Perspektive der Gestaltung und Entwicklung des Wirtschaftsstandorts stellt sich an dieser Stelle die Frage, welche Faktoren Israel für Start-ups attraktiv erscheinen lassen und ob diese Aspekte auf den Wirtschaftsstandort Deutschland übertragen werden können. Ferner stellt sich die Frage, welche Aspekte Deutschland bereits adäquat umsetzt und somit keiner Intervention bedürfen.
Aus ebendiesen Fragestellungen heraus ergibt sich das Forschungsobjekt der vorliegenden Bachelorarbeit; Innovationsentwicklung im Vergleich Deutschland und Israel. Das Forschungsobjekt kann aus mannigfaltigen Sichtweisen betrachtet werden (regulatorisch, managementtechnisch, finanziell usw.). Um das Forschungsobjekt einzugrenzen, soll sich die nachfolgende Analyse auf kulturelle Unterschiede sowie die Gestaltung der Finanzierungs- und Unterstützungsangebote beschränken. Folgende konkrete Fragestellungen sollen als roter Faden der Ausarbeitung dienen:
FF1; Können Determinanten und Bedingungsfaktoren der Innovationsentwicklung identifiziert werden?
FF2; In welchem Zusammenhang stehen die Kulturdimensionen, die Unterstützungslandschaft und das Wagniskapital mit der Innovationsentwicklung von Start-ups?
Die vorliegende Bachelorarbeit wird als Literaturdiskussion aufgelegt. Dementsprechend sollen die Forschungsfragen durch Exzerption literaturwissenschaftlicher Erkenntnisse beantwortet werden. Kapitel 2 dient der Definition essenzieller Begrifflichkeiten. Zudem werden Hofstedes Kulturdimension und Daten zur Innovationsentwicklung sowie demografischer, kultureller und politischer Gegebenheiten der Länder dargestellt. Das Ziel des Kapitels besteht darin, in die Thematik einzuführen und eine Vergleichbarkeit des Status quo beider Länder hinsichtlich des Forschungsobjekts zu erzeugen. Kapitel 3 dient der Analyse und Gegenüberstellung der Länder nach den Kulturdimensionen nach Hofstede sowie dem Wagniskapital und der Unterstützungslandschaft. Die inhaltlichen Analyseergebnisse sollen in Kapitel 4 resümiert und in Form einer methodischen Reflexion hinterfragt werden. Das Ziel des Kapitels besteht in der abschließenden Zusammenfassung jeglicher Erkenntnisse sowie der Offenlegung weiteren Forschungspotenzials.
Dieses Kapitel dient der Einführung in die Thematik. Nachfolgend werden einige Begriffe definiert, die für diese Arbeit bedeutsam sind. Dadurch soll das Verständnis über die verwendeten Begriffe zwischen Leser und Autor einheitlich werden. Weiterhin soll deutlich werden, welche Faktoren einen Einfluss auf die Gründung und das nachhaltige Wachstum von Start-ups haben und in welchem Verhältnis das Wagniskapital und die Unterstützungslandschaft zu den Determinanten stehen. In Kapital 2.2 wird der Status quo der Länder Deutschland und Israel hinsichtlich der Innovationsentwicklung und weiterer gesellschaftlich bzw. wirtschaftlich relevanter Faktoren dargestellt. Es soll deutlich werden, welche Alleinstellungsmerkmale und Charakteristika die Länder aufweisen und welche Bestrebungen diese hinsichtlich der Innovationsentwicklung und Start-ups unternehmen. Kapital 2.3 dient der Darstellung der Kulturdimensionen nach Hofstede, die in Kapital 3 zur kulturellen Analyse beider Länder herangezogen werden.
Prof. Dr. Dr. Ann-Kristin Achleitner, Mitarbeiterin der Technischen Universität München und Inhaberin des Lehrstuhls für Entrepreneurial Finance, definiert Start-ups als „junge, noch nicht etablierte Unternehmen, die zur Verwirklichung einer innovativen Geschäftsidee (häufig in den Bereichen Electronic Business, Kommunikationstechnologie oder Life Sciences) mit geringem Startkapital gegründet werden und i.d.R. sehr früh zur Ausweitung ihrer Geschäfte und Stärkung ihrer Kapitalbasis entweder auf den Erhalt von Venture-Capital bzw. Seed Capital (evtl. auch durch Business Angels) angewiesen sind. Aufgrund der Aufnahme externer Gelder wie Venture- Capital ist das Unternehmen auf einen Exit angewiesen, im Zuge dessen die Kapitalgeber ihre Investments realisieren.“ (Achleitner, A.-K., 2018)
In einer Studie des Institutes für Innovation und Technik, beauftragt durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), beschäftigten sich die Autoren unter anderem mit der Unterstützungslandschaft für Start-ups in Deutschland (vgl. Zinke, G. et al., 2018, S. 12 f.). Zinke et al. (2018) trugen innerhalb der Studie externe und interne Determinanten für eine erfolgreiche Gründung und Wachstum von Start-ups zusammen, die im Folgenden wiedergegeben werden. Die Autoren teilen die Determinanten in externe und interne Faktoren:
Tabelle 1: Determinanten zum Erfolg und Wachstum eines Start-ups
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Quelle: Eigene Darstellung, angelehnt an: Zinke, G. et al., 2018, S. 30 f.) 2.1.2 Wagniskapital
2018 veröffentlichte der Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften e.V. (BVK) folgende Definition für den Begriff Wagniskapital (engl.: Venture Capital): „Eigenkapitalinvestitionen in neu gegründete Unternehmen mit hohem Wachstumspotenzial, wird auch als Wagniskapital bezeichnet und gehört zur Anlageklasse des Private Equity(o. V./Deutscher Bundestag, 2019, S. 5) Private Equity ist laut dem BVK „außerbörsliches Beteiligungskapital für Start-ups und etablierte Unternehmen. Venture Capital ist ein Segment davon und bezeichnet die Finanzierung von Gründungen und jungen Unternehmen. Gleichzeitig für private oder institutionelle Investoren eine Anlageklasse.“ (o. V./Deutscher Bundestag, 2019, S. 5)
Das Bundesministerium für Finanzen (BMF) versteht unter Wagniskapital „die Beteiligung eines Investors an einem Start-up/jungen Unternehmen, das für sein Wachstum Kapital benötigt. Wagniskapitalgeber werden Gesellschafter und partizipieren daher an Chancen und Risiken der Unternehmensentwicklung. Häufig stellen sie den Unternehmen ihr Knowhow zur Verfügung. Davon abzugrenzen ist Venture Debt, eine Form von risikoreichem Kredit, den Banken üblicherweise nicht vergeben würden." (o. V./BMF, 2018, S. 30)
Für die vorliegende Bachelorarbeit soll das Wagniskapital als außerbörsliches Beteiligungskapital definiert werden, das zur Unterstützung von Start-ups investiert wird. Wagniskapital kann dabei von privaten und öffentlichen Investoren stammen.
Es findet sich in der Literatur keine einheitliche Definition für den Begriff Unterstützungslandschaft oder Unterstützungsangebote für Start-ups. In dem vorliegenden Kontext sollen unter dem Begriff Unterstützungslandschaft Akteure, Strukturen und Angebote zusammengefasst werden, die Start-ups in der Gründungs-, Wachstumsund Etablierungsphase unterstützen, jedoch keine reinen Förderinstrumente darstellen. Die Akteure, Strukturen und Dienstleistungen, die in der vorliegenden Bachelorarbeit thematisiert werden, werden im Folgenden beschrieben.
Unter Inkubatoren werden öffentliche oder privatwirtschaftliche Initiativen verstanden, die Dienstleistungen für Gründer anbieten, die sich in einem frühen Stadium der Gründung befinden und meist über kein festes Team oder geregelte Strukturen verfügen. Die Aufgabe von Inkubatoren ist es, Teams zu festigen, Ideen voranzubringen und die ersten Schritte des Start-ups bis zur erfolgreichen Gründung zu begleiten. Inkubatoren werden auch Brutkasten genannt (vgl. Zinke, G. et al., 2018, S. 48 f.). Akzeleratoren haben die Aufgabe, das Start-up beim Wachsen zu unterstützen, indem sie Investoren finden bzw. die Investitionsfähigkeit eines Start-ups erhöhen. Akzeleratoren kommt somit die Aufgabe der Wachstumsbeschleunigung zu (vgl. Schäfer, A./Horn, G. A./Wohltmann, H.-W., 2018, o. S.).
Technologie- und Gründungszentren sind Einrichtungen zur Unterstützung von Start-ups, in denen sich unterschiedliche Akteure räumlich zusammenfinden und -arbeiten können. Coworking-Spaces beschreiben (Groß-) Büroräume, in denen Start-up-Teams ganze Räume oder Arbeitsplätze anmieten können. Marklabs stellen das handwerkliche Gegenstück zu Coworking-Spaces dar. In Marklabs werden Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt, in denen materielle Innovationen konzipiert und verwirklicht werden können. Wie bei den Technologie- und Gründungszentren ist die Vernetzung von Akteuren ein zentrales Ziel der Coworking-Spaces und der Marklabs (vgl. Zinke, G. et al., 2018, S. 70 ff.).
Gründer- und Businessplan-Wettbewerbe sind von privatwirtschaftlichen Organisationen oder öffentlichen Akteuren veranstaltete kompetitive Wettbewerbe für Start-up-Gründer. Der Gewinner der Wettbewerbe wird meist mit monetären oder immateriellen Gütern belohnt. Business-Angels sind private Geldgeber, die sich in Business-Angels-Netzwerken zusammenschließen und meist in der frühen Gründungsphase monetäre Hilfestellung leisten. Company-Builder sind dagegen Abteilungen bereits etablierter Investmentunternehmen, die nach Investitionsmöglichkeiten in Start-ups suchen und eine proaktive Rolle bei dem Aufbau eines Start-ups einnehmen. Crowdfunding-Plattformen wiederum sind Internetseiten, auf denen Start-ups Ideen präsentieren und privaten Investoren die Möglichkeit gegeben wird, in diese zu investieren und Anteile bzw. Dividende als Gegenleistung erhalten (vgl. Zinke, G. et al., 2018, S. 96 ff.).
Meetups und Hackathons stellen individuelle und dynamische Veranstaltungsformate dar, die meist frei zugänglich sind und auf Informationsaustausch und Vernetzung zwischen den Akteuren abzielen. Sie unterscheiden sich von Messen dadurch, dass Meetups und Hackathons meist einmalig abgehalten werden. Start-up-Messen sind meist jährlich abgehaltene Veranstaltungsformate, auf denen Start-ups ihre Ideen präsentieren können. Start-up-Messen zielen insbesondere auf das Verbreiten einer Idee ab. Informationsplattformen stellen Internetplattformen dar, die insbesondere auf den Informationsaustausch zwischen Akteuren abzielen. Auf diesen Internetseiten können sich Start-up-Gründer über die Dienstleistungen anderer Akteure informieren oder die eigene Idee vor anderen Akteuren digital präsentieren (vgl. Zinke, G. et al., 2018, S. 100 ff.).
In diesem Kapitel werden Zahlen, Daten und Fakten zur Demografie, Hochschulbildung, Technologieaffinität, Volkswirtschaft und Innovationsentwicklung bezogen auf das Gründungsgeschehen von Start-ups beider Länder betrachtet. Das Kapitel verfolgt das Ziel, eine Vergleichbarkeit des aktuellen Status quo zu ermöglichen.
Auf eine tabellarische Darstellung der in dem Kapital aufgeführten Daten wurde wegen des Forschungsrahmens verzichtet. Die, bezogen auf das Forschungsobjekt bedeutsamsten, Tabellen sind im Anhang aufgeführt. Hinsichtlich der demografischen Eigenschaften der Länder wurden folgende Daten konstatiert: Zwischen 2014 bis 2019 stieg die Gesamtbevölkerungszahl Israels von 8.222.700 (2014) auf 9.200.000 (2019) (vgl. o. V./IsraelNetz, 2020, o. S.). Dabei waren 27,7 % (2014) respektive 27,89 % (2019) der Gesamtbevölkerung unter 14 Jahren (vgl. Urmersbach, B., 2020d, o. S.). Die Bevölkerungsdichte Israels betrug 324 Einwohner pro km2 im Jahr 2018 (vgl. o. V./Jewisch Virtual Libary, 2002, o. S.).
Deutschland und Israel unterscheiden sich hinsichtlich der Wehrpflichtregelungen. In Israel ist jeder taugliche Mann für 30 Monate, taugliche Frauen für 24 Monate zum Dienst verpflichtet. 2017 belief sich die Anzahl aktiver israelischer Soldaten auf 160.000 sowie 630.000 Reservisten. Der Frauenanteil im israelischen Militär liegt Stand 2017 bei 33 % (vgl. Ultsch, C., 2017, o. S.). Ein Alleinstellungmerkmal des israelischen Militärs scheint ein hoher Grad an Technologisierung zu sein. So stellt German Trade & Invest, unterstützt durch das BMWi, heraus, dass der Dienst junger Menschen in den Technologieeinheiten des israelischen Militärs praktische Erfahrungswerte schafft, die jene junge Menschen nach dem Wehrdienst in Start-ups einfließen lassen können (vgl. Sturminski, W., 2018a, o. S.; o. V./ BWI).
In Deutschland herrscht keine Wehrpflicht, weswegen die Anzahl von Soldaten bezogen auf die Gesamtbevölkerung signifikant niedriger ist als in Israel. In Deutschland dienten 2020 175.453 Berufs- und Zeitsoldaten sowie 8072 freiwillige Soldaten. Der Frauenanteil in der Bundeswähr belief sich 2018 auf 12,1 % (vgl. Rudnicka, J. 2020a, o. S.; Rudnicka, J. 2020b, o. S.). Ebenso scheint die Bundeswehr hinsichtlich des technischen Know-hows sowie dem Grad an Digitalisierung und Technisierung weniger gut aufgestellt zu sein als die israelische. 2018 berichtet das Handelsblatt von politischen und bundeswehrinternen Widerständen gegen Digitalisierungsbestrebungen der damaligen Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (vgl. Riedel, D., 2018, o. S.). 2014 belief sich die Gesamtbevölkerung Deutschlands auf 80.800.000, 2019 auf 83.300.000. Die Bevölkerungsdichte betrug 233 Einwohner pro km2 im Jahr 2019 (vgl. o. V./DeStatis, 2020a, o. S.). Bezüglich der Altersstruktur konstatiert das Statistische Bundesamt (DeStatis) 2014 einen Anteil von 18 % junger Menschen unter 20 bezogen auf die Gesamtbevölkerung. 2019 belief sich der Wert weiterhin auf 18 % (vgl. o. V./DeStatis, 2019, o. S.).
Bruttoinlandsprodukt und Arbeitslosenquote Israels Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf steigt konstant mit kurzen Stagnations- und Rückgangsphasen seit 1980. Derzeit (Stand 2020) liegt Israels BIP pro Kopf bei 41.559 US-Dollar im Jahr (vgl. Urmersbach, B., 2020a, o. S.). Israels Gesamt-BIP liegt 2020 bei 383,43 Milliarden US-Dollar (vgl. Urmersbach, 2020b, o. S.). Für Deutschland liegen dem Autor lediglich Daten aus dem Jahr 2019 vor. 2019 belief sich Deutschlands BIP pro Kopf auf 41.508 Euro. Das gesamte BIP Deutschlands umfasst 3.449,10 Milliarden Euro (vgl. o. V./DeStatis, 2020b, o. S.).
Die Arbeitslosenquote in Deutschland lag 2019 bei 5,0 % und bei 5,9 % im Jahr 2020 (vgl. o. V./ Statista Research Department, 2020, o. S.). Israels Arbeitslosenquote lag 2019 bei 3,8 % und 2020 bei 5,99 % (vgl. Urmersbach, B., 2020c, o. S.).
Bildungssystem, Technikaffinität und Ausgaben für FuE Israels Anteil junger Erwachsener (25-34 Jahre) mit tertiären Bildungsabschluss liegt bei 47 %, Deutschlands dagegen bei 33,3 %. Bezüglich des Anteils junger Selbstständiger in Israel existieren keine Daten. Deutschlands Wert, 2,2 % Selbstständige bezogen auf alle Beschäftigte, wurde von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) konstatiert. Damit reiht sich Deutschland auf dem vorletzten Platz der 30 aufgeführten OECD-Länder ein. Bezüglich der Technikaffinität beider Länder wurde konstatiert, dass 2019 92,9 % der deutschen Haushalte über digitale Endgeräte verfügten. In Israel sind es 78,8 % der Haushalte (vgl. o. V./OECD, 2020a, o. S.). Zu den Ausgaben für FuE am BIP wurden 2015 Werte von 4,27 % für Israel und 2,88 % für Deutschland konstatiert (vgl. Wagenfeld, F., 2018, o. S.).
Hinsichtlich der Beschäftigungen im IKT-Sektor sowie dem Forschungspersonal im öffentlichen Technologiesektor in Israel veröffentlichte die OECD keine Angaben. Lediglich die Daten Deutschlands sind bekannt. Wegen der Unzulänglichkeit der Informationen werden die entsprechenden Dimensionen hier nicht aufgeführt.
In diesem Unterkapitel sollen Indikatoren betrachtet werden, die die Innovationsentwicklung von Start-ups darstellen. Deshalb sollen einige Indikatoren bzw. Werte verglichen werden, die die Innovationsentwicklung von Start-ups beschreiben könnten. Anschließend (in Kapitel 2.4) werden die ermittelten Daten zusammengefasst und interpretiert.
Der Global Innovation Index (GII) ist eine Kennzahl, mit der die Innovationskraft von Ländern beschrieben werden kann. Der GII reicht von 0 = keine, bis 100 = höchstmögliche Innovationskraft. Nach dem Index zu urteilen, platziert sich Deutschland (GII-Wert = 56,55) auf dem neunten Platz der weltweit innovationsfähigsten Länder. Mit jenem Wert platziert sich Deutschland nur wenig innovationsschwächer als die ersten acht Länder des Indexes. Den Index führt die Schweiz mit einem GII-Wert von 66,08 an (vgl. Urmersbach, B., 2020d, o. S.). Israel ordnet sich auf Platz 12 mit einem GII- Wert von 53,66 ein (Dutta, S./Lanvin, B./Wunsch-Vincent, S., 2020, S. xxxiii.).
Wie in der Einleitung bereits deutlich herausgestellt wurde, wird Israel als höherwertiger Standort für die Start-up-Gründungsfreundlichkeit im Vergleich zu Deutschland bewertet. Dementsprechend kontrovers erscheint das GII-Länderranking hinsichtlich der formulierten Annahmen. Es wird deutlich, dass das Länderranking nach dem GII, in dem Deutschland einen besseren Platz belegt als Israel, nicht dazu verwendet werden kann, die Start-up-Freundlichkeit von Ländern darzustellen. Diese Hypothese lässt vermuten, dass die allgemeine Innovationskraft von Ländern nicht mit der Fähigkeit, Start-up-Gründungen zu unterstützen, gleichgesetzt werden kann.
Start-up-Gründungen unterscheiden sich unter anderem von Innovationen etablierter Unternehmen darin, dass die Gründer meist aus intrinsischer Motivation heraus eigene Konzepte und Ideen umsetzen möchten und nicht direkt auf Umsatzsteigerung und etablierte Unternehmensziele hinaus sind. Meist streben Start-up-Gründer nicht nach einem alternativen Beschäftigungsverhältnis, sondern eher nach der Möglichkeit, eigene Ideen innerhalb agiler Strukturen umsetzen zu können. Ergänzend konnte beobachtet werden, dass Start-up-Gründer zuweilen rational und strategisch agieren. So strebt jeder fünfte Gründer danach, sein Start-up bereits in der Gründungsphase an etablierte Unternehmen zu veräußern (vgl. Zinke, G. et al., 2018, S. 28).
Israels sogenannte „Start-up-Hochburg" ist Tel-Aviv. 2015 kam auf 431 Einwohner ein Start-up. Rund 1000 der insgesamt 3400 Start-ups Israels waren 2015 in Tel-Aviv zu finden. Es werden zunehmend mehr neue Startups dort gegründet; die Zahl neu gegründeter Start-ups ist zwischen 2012 und 2014 um rund 40 % gestiegen (vgl. Schmiechen, F., 2015, o. S.). Ab 2015 ist eine Stagnation bis hin zum Rückgang der Neugründungen erkennbar: Die Start-up-Neugründungen gingen von 1005 im Jahr 2014 auf 943 im Jahr 2015, auf 932 im Jahr 2016 und auf 700 im Jahr 2017 zurück. Wahrscheinlich kann dieser Rückgang der Neugründungen nicht als Indiz eines schwächelnden Start-up-Wirtschaftsbereiches gewertet werden, sondern eher als Indiz für eine Phase, in der die hohe Anzahl an bereits gegründeten Unternehmen weiter etabliert und gefestigt wurde. Stand 2018 verfügte Israel über 7374 Start-ups, von denen ein Großteil in Tel-Aviv ansässig war (vgl. Struminski, W., 2018a, o. S.). Dementsprechend scheint der Fokus der Akteure weg von dem Neugründen hin zur aktiven Unterstützung junger Unternehmen zu gehen.
Besondere Bedeutung kommt Tel-Aviv hinsichtlich der Tech-Start-ups zu. Stand 2018 wurden ca. 2200 bis 2700 der insgesamt 7347 Start-ups als Tech-Start-ups identifiziert. Demensprechend hoch scheint die Dichte der technologieversierten Start-ups in Tel-Aviv zu sein. Stand 2015 verfügt die Stadt über 10,5 % der weltweit gemeldeten „Artificial Intelligence(AI)“-Start-ups (vgl. Puri-Mirza, A., 2020, o. S.). Nachfolgende Abbildung 1 zeigt die Investitionshöhen in junge Unternehmen, unter Berücksichtigung verschiedener Technologiebereiche, im Jahr 2019. Es ist zu erkennen, dass dem Bereich Cybersicherheit (1.000 Mio. US-Dollar) gefolgt von Fintechs (636 Mio. US-Dollar) die meisten Investitionen zugekommen sind. Der digitalen Gesundheit (346 Mio. US-Dollar), Industrie 4.0 (346 Mio. US-Dollar) und der Telekommunikation (258 Mio. US-Dollar) kamen ebenfalls hohe Summen zu (vgl. Heumann, P., 2019, o. S.).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Investitionen in israelische Tech Start-ups
(Quelle: Heumann, P., 2019, o. S.)
Ein weiterer Indikator zur Messung der Innovationsentwicklung eines Landes sind die Patentanmeldungen. Eine Patentanmeldung ist nicht gleichzusetzen mit einem tatsächlich umgesetzten und wirtschaftlich tragbaren Start-up, jedoch als Indikator zur annähernden Beschreibung der Innovationsbestrebungen eines Landes geeignet. 2015 betrug die Anzahl betreuter Patente in Israel 155,07. Damit belegt Israel den dritthöchsten Platz im Vergleich zu anderen NATO-Staaten. Deutschland belegt in dem Ranking den siebten Platz mit 122,93 betreuten Patenten pro 1.000.000 Einwohner (vgl. o. V./Patentpilot, 2015, o. S.).
In Deutschland kann eine ähnliche, wenn auch nicht ganz so zentralisierte räumliche Verteilung von Start-up-Neugründungen konstatiert werden. So wurden 17,7 % der deutschen Start-ups (Hauptsitze) Berlin zugeordnet. 19,1 % der Hauptsitze befinden sich in dem Bundesland Nordrein-Westfalen, 12,3 % in Baden-Württemberg. Wird die Fläche der Bundesländer in die Betrachtung miteinbezogen, wird deutlich, dass die Hauptsitzdichte der Start-ups in Berlin deutlich höher ist als in allen anderen Städten oder Bundesländern. Somit kann Berlin als deutsches Pendant zur israelischen Start-up-Hochburg Tel-Aviv betrachtet werden (vgl. Rudnicka, 2020c, o. S.).
Hinsichtlich der Start-up-Verteilung nach Branchen in Deutschland kann auf eine ähnliche, wenn auch nicht so stark technikversierte Verteilung wie in Israel geschlossen werden. So wurde 2018 konstatiert, dass 19,4 % der deutschen Start-ups im Bereich IT bzw. der Softwareentwicklung, 12 % in dem Bereich Software as a Service, 9,1 % im Bereich Industrielle Technologien und Hardware sowie 6,8 % im Bereich E-Commerce tätig waren (vgl. Zinke, G. et al., 2018, S. 28). In der folgenden Abbildung 2 sind die Daten verdeutlicht:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Verteilung der Start-ups in Deutschland nach Branchen (Quelle: Zinke, G. et al., 2018, S. 28)
Das Kapitel dient der Darstellung der beiden, in der vorliegenden Arbeit verwendeten Theorien, die zur Begründung der unterschiedlichen Innovationsentwicklung zwischen Deutschland und Israel herangezogen werden. Die Kulturdimensionen nach Hofstede werden herangezogen, um einen Vergleich der beiden Länder auf kultureller Ebene zu ermöglichen.
Die Grundidee hinter dem Konzept der Kulturdimensionen ist, dass universelle Themen bzw. Kategorien existieren, die für alle Kulturen der Welt gleichermaßen relevant sind. Jede Kultur setzt sich mit ähnlichen Problemen auseinander und versucht, Antworten bzw. Lösungen für diese Probleme zu finden. Basierend auf dieser These entwickelten die US-amerikanischen Soziologen Parsons und Shils (1951) und die US-amerikanischen Anthropologen Kluckhohn und Strodtbeck (1961) universelle Kategorien. Diese Annahme der universellen Wertvorstellungen impliziert, dass es möglich sein muss, alle Kulturen miteinander zu vergleichen, sobald ihre Vorstellungen bezüglich der jeweiligen Kategorien bzw. Wertvorstellungen bekannt sind (Thomas, A./Utler, A. 2013, S. 42). Diese Überlegungen waren die Ausgangsbasis für viele Kulturdimensionskonzepte (Hofstede, 2001; Schwartz, 1994; Hall, 1977). Dabei ist der Niederländer Geert Hofstede der bekannteste Vertreter der wissenschaftlichen Untersuchungen kultureller Wertorientierungen.
In den 1960er- und 1970er-Jahren führte Hofstede zahlreiche Fragebogenerhebungen in mehr als 70 Ländern durch. Insgesamt nahmen über 116.000 Mitarbeiter eines multinational agierenden Unternehmens teil. Aus diesem Grund bezogen sich die Fragen hauptsächlich auf Wertvorstellungen im Arbeitsleben (vgl. Hofstede, G., 2001, S. 41). Aus den gesammelten Informationen extrahierte Hofstede vier grundlegende Kulturdimensionen, die er 1980 um eine fünfte erweiterte. Die fünf Dimensionen werden im Folgenden dargestellt. Dabei verfügt jede Dimension über zwei Extrempole, die Hofstede mit den Werten 0 bis 100 beziffert (vgl. Hofstede, G., 2001, S. 13). Jede Kultur bekommt auf Basis der Ergebnisse der Fragenbogenerhebungen eine Zahl zugeordnet, die es möglich macht, die Kulturen miteinander zu vergleichen.
Die verschiedenen Kulturdimensionen sind für die vorliegende Bachelorarbeit von Bedeutung, da die Fragestellung untersucht wird, inwiefern sich kulturelle Unterschiede zwischen Israel und Deutschland auf die Innovationsentwicklung der jeweiligen Länder auswirken. Die kulturellen Unterschiede, die anhand der verschiedenen Skalen bewertet werden können, sind potenzielle Treiber bzw. Hürden für die Innovationsentwicklung. Im Folgenden werden die sechs Kulturdimensionen aufgeführt:
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