Bachelorarbeit, 2017
50 Seiten, Note: 1,3
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Grundlagen
2.1 Einordnung
2.2 Grundidee
2.3 Ausgestaltungsmerkmale
2.3.1 Umfang und Verbindlichkeit
2.3.2 Obergrenze
2.3.3 Anfängliche Zuteilung und Gültigkeit der Zertifikate
2.3.4 Handelssystem
2.3.5 Aufsicht und Strafen
3 Modellbasierte Darstellung
3.1 Optimales Verschmutzungsniveau einer Ökonomie
3.2 Lizenzlösung
3.2.1 Grundlagen und Darstellung
3.2.2 Bewertung
3.2.2.1 Ökonomische Effizienz
3.2.2.2 Ökologische Effizienz
3.3 Steuerlösung als Alternative
3.4 Vergleich Lizenz- und Steuerlösung
4 Umsetzung am Beispiel des EU ETS
4.1 Ausgestaltung und Funktionsweise
4.2 Entwicklung
4.2.1 Erste und zweite Handelsperiode (2005-2012)
4.2.2 Dritte Handelsperiode (2013-2020)
4.2.3 Preisentwicklung
4.3 Beurteilung
4.4 Geplante Reformen in Phase IV
5 Fazit
Literaturverzeichnis
Mit zunehmender Gewissheit über einen vom Menschen verursachten Klimawandel hat in den letzten Jahren die Anzahl der implementierten, umweltpolitischen Instrumente stark zugenommen. Ein zur Bekämpfung des Klimawandels von Ökonomen propagiertes, marktorientiertes Instrument stellt die Lizenzlösung dar. Diese wird zunächst im Modell vorgestellt, erläutert, in einer Analyse auf die Effizienz hin untersucht und schließlich mit der Steuerlösung verglichen. Dabei wird festgestellt, dass die Lizenzlösung sowohl ein ökologisches als auch ein ökonomisch effizientes Instrument der Emissionsvermeidung darstellt, das zudem die Steuerlösung übertrifft. Neben diesen theoretischen Überlegungen bewertet die Arbeit auch die praktische Umsetzung des bestehenden Emissionshandelssystems in der Europäischen Union. Nachdem die Funktionsweise und Entwicklung des „European Union Emissions Trading System" (EU ETS) erläutert wurden, werden anschließend der Preisverlauf der Zertifikate und seine Ursachen erklärt. In der darauf folgenden Beurteilung zeigt sich, dass das EU ETS noch vor einigen Herausforderungen steht, um die in der Theorie aufgezeigten Effekte zu erzielen.
With increasing certainty about man-made climate change, the number of implemented environmental policy instruments has risen sharply in recent years. The permit solution is a market-oriented instrument that is propagated by economists for the purpose of combating climate change. This solution is first presented, explained, examined in an efficiency analysis and finally compared to the tax solution. It is stated that the permit solution is an ecologically and economically efficient instrument of emission avoidance, which is also superior to the tax solution. In addition the work assesses the practical implementation of the existing emissions trading scheme in the European Union. After first explaining the functioning and development of the European Union Emissions Trading System (EU ETS), the price development of the certificates and their causes are explained. The following assessment shows that the EU ETS is still facing some challenges in order to achieve the effects shown in theory.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Optimales Verschmutzungsniveau
Abb. 2: Lizenzlösung
Abb. 3: Einzelwirtschaftliche Effizienz
Abb. 4: Gesamtwirtschaftliche Effizienz
Abb. 5: Dynamische Effizienz
Abb. 6: Veränderung der Angebotsmenge
Abb. 7: Steuerlösung
Abb. 8: Vergleich Lizenzlösung und Steuerlösung
Abb. 9: Weitzman-Theorem WS < WM
Abb. 10: Weitzman-Theorem WS > WM
Abb. 11: Preisentwicklung Phase I+II
Abb. 12: Preisentwicklung Phase III
Klimaschutz ist eine der zentralen umweltpolitischen Herausforderungen unserer heutigen Zeit. Seit über 300 Jahren nutzen die Menschen gezielt fossile Brennstoffe.1 Rund 80 Prozent der kommerziellen Energieversorgung beruhen aktuell auf der Verbrennung von Kohle, Öl und Erdgas.2 Lagen die energiebedingten CO2-Emissionen weltweit 1990 noch bei rund 22,3 Mrd. Tonnen CO2, so haben sie mittlerweile bereits 34 Mrd. Tonnen jährlich überschritten.3 Dies entspricht einem Anstieg von knapp 50 %. Deutschland ist mit etwa 0,8 Mrd. Tonnen4 zu 3,6 % Prozent an den Emissionen weltweit beteiligt. Bei jeder Verbrennung kohlenstoffhaltiger Energieträger wird zwangsläufig CO2 freigesetzt, das jedoch nur zum Teil in der Vegetation im Humus und im Meer gespeichert werden kann.5 6
Emissionszertifikathandel Quantitative Analysen sind erst seit der Entwicklung leistungsstarker Computer möglich. Auch unter Naturwissenschaftlern wird mittlerweile diskutiert, ob die vermeintliche Klimakatastrophe tatsächlich eintritt und falls ja, inwieweit sie durch menschliche Aktivität in den kommenden Jahrzehnten beeinflussbar ist. Zwar bestehen noch Zweifel an der Zuverlässigkeit und der Exaktheit vonx Modellrechnungen der Klimaentwicklung, jedoch ist man sich seit Beginn der neunziger Jahre international größtenteils einig, dass Handlungsbedarf besteht, die Emissionen derartiger Treibhausgase zu beschränken.
Beim Schutz des Weltklimas handelt es sich um ein globales öffentliches Gut, das durch Kumulation bestimmter Gase beeinträchtigt wird und bei dem Zeitpunkt und Ort der Schadstoffemissionen praktisch unerheblich für den ausgelösten Schaden sind.7 Damit ist klar, dass eine internationale Kooperation zur Beschränkung der Schadstoffe unabdingbar ist. Es handelt sich um ein globales Problem, welches nicht auf nationalstaatlicher Ebene gelöst werden kann.8
Aufgrund dieser drohenden Gefahr wurden innerhalb der letzten Jahre zahlreiche Emissionshandelssysteme implementiert. Allen voran das Handelssystem der EU, welches 2005 ins Leben gerufen wurde. Die Thesis ist in drei Bereiche gegliedert. Im ersten Teil werden die Grundlagen gebildet. Dazu wird der Emissionshandel in das umweltpolitische Instrumentarium eingeordnet und die ihr zugrunde liegende Idee dahinter erläutert. Außerdem werden die möglichen Ausgestaltungsmerkmale aufgezeigt. Im zweiten Teil findet eine Darstellung des Emissionshandels im Modell statt. Dazu wird zunächst durch die Abbildung des optimalen Verschmutzungsniveaus die Notwenigkeit von Umweltinstrumenten aufgezeigt. Anschließend wird die Lizenzlösung, unter die der Emissionshandel fällt, dargestellt und anhand der ökonomischen und ökologischen Effizienz bewertet. In dem darauffolgenden Vergleich mit der Steuerlösung werden die Effizienzen der Steuer- und Lizenzlösung kritisch gegenübergestellt. Nachdem der Emissionshandel in der Theorie analysiert wurde, wird im dritten Teil die praktische Umsetzung am Beispiel des europäischen Emissionshandels dargestellt. Im Anschluss an die Betrachtung der generellen Funktionsweise und der ersten beiden vergangenen Handelsperioden werden die aktuell laufende Phase und dessen Reformen veranschaulicht. Anhand dieser Grundlage und der Preisentwicklung der drei Perioden findet anschließend eine Beurteilung des EU- Emissionshandels statt. Außerdem werden die geplanten Reformen für die zukünftige vierte Handelsperiode aufgezeigt. In dem Fazit folgt zum Schluss eine Zusammenfassung der Theorie und Praxis des Emissionshandels.
Im Folgenden soll der Emissionshandel in das umweltpolitische Instrumentarium eingeordnet werden, um es von anderen Maßnahmen abzugrenzen. Um den Emissionshandel im Modell und in der Praxis darzustellen, muss zunächst anhand der Erläuterung der Grundidee und der Ausgestaltungsmerkmale eine Basis hierfür geschaffen werden.
In einer ersten groben Unterscheidung lassen sich ordnungsrechtliche, suasorische und ökonomische Instrumente in der Umweltpolitik differenzieren. Das Ordnungsrecht regelt über Ge- und Verbote Verhaltensspielräume der Akteure. Bei suasorischen Instrumenten wird versucht, z. B. über Bildung und Erziehung, Einfluss auf die Handlungsweise zu nehmen. Ökonomische Instrumente wiederum zielen darauf ab, über die Beeinflussung von KostenNutzen Relationen durch Preismechanismen Einfluss auf die Akteure zu nehmen. Zu den ökonomischen Instrumenten gehören sowohl die Lizenz- als auch die Steuerlösung.9
Allerdings erweisen sich die suasorischen Instrumente teilweise als unwirksam und Auflagen des Ordnungsrechts sind häufig mit Ineffizienzen verbunden. Mit diesen weichen Instrumenten können die anspruchsvollen Ziele des Klimaschutzes nur schwer erreicht werden. Dagegen sind ökonomische Instrumente beim Klimaschutz jedoch von herausragender Bedeutung,10
Bei ökonomischen Instrumenten soll umweltschädliches Verhalten verteuert und so ein Lenkungseffekt erzielt werden. Hierbei wird zwischen zwei Lösungen, der Preis- und der Mengenlösung, unterschieden.11 Bei der Preislösung werden Umwelt beeinträchtigende Aktivitäten verteuert, indem sie mit einer Abgabe oder einer entgangenen Subventionszahlung belastet werden. Unter das Modell der Preislösung fällt die Steuerlösung, während sich die Lizenzlösung dagegen der Mengenlösung zuordnen lässt. Emittenten sind hierbei verpflichtet, Emissionsberechtigungsscheine (Zertifikate) für jede Einheit des emittierten Schadstoffes vorzuweisen. Die Regierung gibt eine konkrete Menge für eine bestimmte Emission vor. Die bei der Preislösung problematische Festlegung einer Abgabenhöhe, dem Steuersatz, entfällt und der Gesetzgeber kann das Umweltziel direkt beeinflussen.12
Weiterhin wird bei ökonomischen Umweltpolitikinstrumenten zwischen Internalisierungsansätzen (First-Best-Solution) und standardorientierte Instrumenten (Second-Best-Solution) differenziert. Handelbare Emissionszertifkate sind letzterer Kategorie zuzuordnen, da sie nicht die exakte Internalisierung externer Kosten, sondern allein die kostenminimale Erreichung eines gegebenen Umweltziels anstreben.13
Das Konzept der handelbaren Emissionsrechte geht zum größten Teil auf den US- amerikanischen Ökonomen Dales zurück. Zwar bestand in der Wissenschaft weitgehend Einigkeit darüber, dass die von Menschen verursachten Treibhausgasemissionen zu einer Erderwärmung führen und so einen Klimawandel verursachen, ein fundierter ökonomischer Ansatz zur Vermeidung und Verringerung von Treibhausgasemissionen war jedoch bis dahin nicht vorhanden.14
Dales veröffentlichte im Jahr 1968 sein Werk „Pollution, Property and Prices" und legte damit einen ersten ökonomischen Ansatz zur Etablierung eines Emissionshandelsmarktes vor.15 Die Idee des Emissionshandelns von John Dales baut nicht auf einem Allokationsprogramm, wie die Theorien von A.C. Pigeou16 oder R. Coase17, auf, vielmehr handelt es sich um ein im politischen Prozess formuliertes Umweltziel.18 Die Kernaussage seines Werkes ist, dass der Klimaschutz nicht allein mit ordnungspolitischen und ordnungsrechtlichen Mitteln wie Zwangsmaßnahmen und Verbotsgesetzen durchgesetzt werden kann. Dales geht davon aus, dass das Problem fehlender Eigentumsrechte ein Grund für das Auftreten negativer Effekte ist. Daher versucht er, öffentliche Güter durch die Vergabe von Nutzungsrechten zu privatisieren. So können diese für den Preismechanismus nutzbar gemacht und damit transferierbar werden.19 Im Gegensatz zu dem Ansatz von Coase, der von einem „Recht auf eine intakte Umwelt" ausgeht, ist beim Emissionshandel nur das „Recht zur Verschmutzung der Umwelt" käuflich zu erwerben. Dies begründet Dales damit, dass die Umwelt Charaktereigenschaften eines öffentlichen Gutes aufweist. Vollständige spezifische Eigentumsrechte sind somit für ihn nicht durchsetzbar. Stattdessen soll eine Höchstgrenze an Emissionen vom Staat vorgeschrieben werden. Im Idealfall ist jedoch das absolute Emissionsbudget nicht vom Staat hoheitlich vorbestimmt, sondern von den Grenzkosten der Emissionsvermeidung abhängig.20 Die Festsetzung einer bestimmten Emissionsmenge entspricht dem ordnungsrechtlichen Ansatz der Auflagenpolitik, da durch den regulierenden Eingriff des Staates in Form von Geboten bzw. Verboten die Wirksamkeit des Instrumentes „Auflage" sichergestellt wird. Innerhalb der gewählten Höchstgrenzen kann sich der einzelne Akteur überlegen, ob es für ihn kostengünstiger ist, die für die verursachte Umweltverschmutzung zu bezahlen oder durch Investition in Umweltschutzmaßnahmen diese Kosten zu vermeiden. Durch die Berücksichtigung der Opportunitätskosten der Emittenten werden insgesamt ein allokationseffizientes Ergebnis sowie die Minimierung der volkswirtschaftlichen Vermeidungskosten erreicht.21
Der Handel mit Emissionsrechten kombiniert die Vorteile von drei umweltökonomischen Instrumenten, während sich die Nachteile der einzelnen Instrumente umgehen lassen.22 Zunächst wird die starre ökonomische Ineffizienz der Auflagenpolitik ausgespart. Außerdem können die zum Teil ökonomische und ökologische Ineffizienz und die Planungsunsicherheit für Unternehmen reduziert werden, die durch das trial-and-error-Prinzip der Steuerlösung von Pigou und die hohen Transaktionskosten der Verhandlungslösung nach Coase entstehen.23 Die ökonomische und ökologische Effizienz des Emissionshandels wird in Punkt 3.2.2 genauer betrachtet. Durch die Emissionsrechte sollen mit minimalen volkswirtschaftlichen Kosten ein vom Staat vorgegebener Umweltstandard erreicht werden.24 Der Handel mit Emissionsrechten stellt somit in der Theorie ein effektives Instrument zur kostenoptimalen Realisierung umweltpolitischer Ziele dar.25
Die spezifischen Eigenschaften des Marktes für CO2-Verschmutzungsrechte unterscheiden sich von denen anderer Finanzmärkte: Es sind besonders viele Entscheidungen über regulatorische Rahmenbedingungen zu treffen, die weitreichende Auswirkungen auf den Handel und somit den Preis haben. Die unterschiedlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten eines Emissionshandelssystems sollen im Folgenden dargestellt und sowohl aus der ökonomischen und ökologischen Sicht als auch aus der Gerechtigkeitsperspektive betrachtet werden.
In einem Emissionshandelssystem muss nicht nur der Umfang der einbezogenen Schadstoffe und Emittenten, sonder auch die Verbindlichkeit der Umsetzung festgelegt werden. Zunächst wird auf den Umfang der Schadstoffe eingegangen. Da Effizienzgewinne am größten sind, wenn sich die marginalen Minderungskosten stark unter den Emittenten unterscheiden, sollten alle Schadstoffe einbezogen werden. Minderungskosten bezeichnen hier die zusätzlichen Kosten bzw. Einsparungen, die sich durch den Einsatz von Technologien mit geringerem Schadstoffausstoß gegenüber dem jeweils vorherrschenden Stand der Technik im Betrachtungszeitraum ergeben.26 Marginale Kosten, auch Grenzkosten genannt, sind diejenigen Kosten, die durch die Produktion einer zusätzlichen Mengeneinheit eines Produktes entstehen.27 Auch aus der Wettbewerbsperspektive sollten sämtliche Schadstoffe berücksichtigt werden, um einen effizienten und breiten Markt zu schaffen. Aus ökologischer Sicht werden die größten Umwelteffekte erzielt, wenn alle Schadstoffe mit einfließen, und somit alle Emissionen begrenzt werden. Obwohl CO2 zwar das mengenmäßig wichtigste Treibhausgas im Bereich der globalen Erwärmungseffekte ist, dürfen andere Treibhausgasemissionen nicht vernachlässigt werden, da diese einen stärkeren Einfluss pro Gewichtseinheit auf den Klimawandel haben. So entspricht beispielsweise ein Kilogramm Lachgas 300 Kilogramm CO2-Äquivalent. Weitere Nicht-CO2-Treibhausgase können jedoch vereinzelt ausgeschlossen werden, wenn deren Überwachung nicht garantiert werden kann, die Verwaltungskosten die potenziellen Effizienzgewinne überschreiten oder es bereits Regelungen zu diesen Schadstoffen gibt. In diesem Fall sollte der Fokus auf den in Bezug auf die gesamten globalen Erwärmungseffekte relevantesten Schadstoffen liegen, um ökologische Effekte zu maximieren und Verwaltungskosten zu optimieren. Auch die Perspektive der Gerechtigkeit ist zu berücksichtigen, denn nur so wird Gleichheit und das Verursacherprinzip erfüllt.28 Das Verursacherprinzip ist ein Grundprinzip der Umweltpolitik und besagt, dass die gesamten sozialen Kosten einer ökonomischen Aktivität von denjenigen Wirtschaftssubjekten zu tragen sind, die sie auch verursachen.29 Die Anwendung des Verursacherprinzips als ein Kriterium für soziale Gerechtigkeit erlaubt es, historische Verantwortlichkeiten zu berücksichtigen. Wenn also nur die Abdeckung ausgewählter Treibhausgase (THG) gewährleistet wäre, würden Emittenten dieser Gase gegenüber denjenigen, die nur unberücksichtigte THG ausstoßen, trotz der Gesamtverantwortlichkeit benachteiligt werden.30
Für das Emissionshandelssystem muss außerdem der Umfang der Einbeziehung der Emittenten festgelegt werden. Dabei wird zwischen dem Upstream- und Downstream-Ansatz unterschieden. Während bei dem Upstream-Ansatz die Emissionen auf der Ebene des Eintritts in das Wirtschaftssystem abgedeckt werden (z. B. fossile Brennstofferzeuger oder Importeure), sind bei dem Downstream-Ansatz die tatsächlichen Emissionen des Endverbrauchers einzubeziehen.31 Bei Upstream-Systemen lassen sich bis zu 100 % der Gesamtemissionen erfassen, während sich der Anteil bei Downstream-Systemen in der Regel nur auf etwa 50 % beläuft. Darüber hinaus sind Upstream-Systeme, aufgrund der niedrigeren Anzahl an Marktteilnehmern, einfacher zu überwachen. Damit können ökologische Ziele genauer erreicht werden und das Verursacherprinzip wird im größeren Umfang erfüllt. Außerdem führt eine geringere Anzahl an Marktteilnehmern zu niedrigeren Verwaltungskosten. Aus ökonomischer Sicht ist jedoch trotzdem der Downstream-Ansatz aus Wettbewerbsgründen vorzuziehen, da der Kohlenstoffmarkt hier liquider ist.32 Insgesamt kann festgestellt werden, dass der Upstream-Ansatz aus ökologischer Sicht und der Gerechtigkeitsperspektive bevorzugt wird, während die ökonomische Sicht für einen Downstream-Ansatz spricht.33
Anschließend muss festgelegt werden, ob das Handelssystem freiwillig oder verpflichtend sein soll. Aus ökonomischer Perspektive würden nur Emittenten mit niedrigen marginalen Minderungskosten am CO2-Markt teilnehmen, denn nur sie erwarten Gewinne aus dem Verkauf von überschüssigen Emissionsrechten. Dies würde einen Markt mit Angebot jedoch ohne Nachfrage nach Zertifikaten schaffen und damit eine effiziente Zuteilung verhindern.34 Wenn im Falle der freiwilligen Teilnahme weitere Anreize für potenzielle Teilnehmer vorgesehen sind, kann diese Art von Subventionen zu erhöhten finanziellen Belastungen für den Staat, zu Wettbewerbsverzerrungen und somit zu Wohlfahrtsverlusten führen. Aus der Umweltperspektive betrachtet, neigen freiwillige Emissionshandelssysteme zu weniger strengen Zielen (z. B. spezifische individuelle Intensität), um den Teilnehmern einen Anreiz zu geben. Darüber hinaus sind Strafen kaum durchsetzbar, da Emittenten sie vermeiden könnten, indem sie nicht am System teilnehmen. Mit verpflichtenden Systemen auf der anderen Seite können ehrgeizige Ziele erreicht werden. Das liegt unter anderem daran, dass Emittenten zum Klimaschutz verpflichtet sind und ihnen bei Unterdeckung harte Strafen drohen. Aus Sicht der Gerechtigkeit würde lediglich die verbindliche Teilnahme die Einhaltung gewährleisten und damit im Einklang mit der Generationengerechtigkeit stehen.35
Das politisch gegebene Umweltziel und damit die Obergrenze, auch „Cap" genannt, muss eine Knappheit schaffen, um ein Preissignal für die interne Emissionsniveau-Optimierung des einzelnen Emittenten zu setzen.36 Größere Knappheit erhöht die Anreize zur Innovation und Entwicklung einer effizienteren Produktion und emissionsmindernden Technologie. Ökologisch gesehen muss die Grenze den Bedürfnissen des globalen Klimaschutzes entsprechen, z. B. die durchschnittliche globale Temperatur unter plus 2 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu halten.37 Mit dem Budget-Ansatz38 kann eine zulässige Emissionsgesamtmenge von 1.100 Milliarden Tonnen Kohlendioxidäquivalente39 für den Zeitraum von 1990 bis 2050 berechnet werden. Damit bleiben aufgrund der Emissionen in der Vergangenheit für den Zeitraum von 2010 bis 2050 nur 600 Milliarden Tonnen Emissionen übrig. Wenn intra- und intergenerationale Gerechtigkeit gelten soll, ist das "Kontraktion & Konvergenz" -Konzept40 vorzuziehen, in der die Gesamtzahl der Emissionszertifikate vom Status quo zu einem ökologisch verträglichen Niveau (Kontraktion) gesenkt und die Pro-KopfEmissionsrechte weltweit angeglichen werden (Konvergenz). Dies würde zu einer starken Abnahme der Obergrenze für Industrieländer führen, während weniger entwickelte Länder ihre Emissionen erhöhen könnten.41
Man unterscheidet bei der Zuteilung zwischen kostenloser Zuteilung und Kauf. Die wichtigsten Verfahren der kostenlosen Zuteilung sind das Grandfathering, sowie die Vergabe der Emissionsrechte anhand einer Benchmark. Beim Grandfathering- Verfahren werden einem Emittenten die Emissionsrechte im Ausmaß der bisherigen Emissionen zugeteilt. Bei der Vergabe anhand einer Benchmark erfolgt die Zuteilung in der Regel nicht anhand von historischen Emissionsmengen. Hier wird der Output in der Produktion oder der geforderte Reinigungsgrad wie z. B. die Emissionsmenge pro Kubikmeter Abluft herangezogen. Die Zuteilungsmenge richtet sich bei dem Benchmark-Verfahren also danach, wie viel der Emittent produziert. Die Benchmark kann sich beispielsweise am Stand der Technik oder an Durchschnittsemissionswerten pro produzierte Einheiten ausrichten. Sie kann aber auch unter verteilungspolitischen Aspekten durch die normgebende Instanz festgelegt werden.42 Eine Orientierung an historischen Größen ist möglich, aber nicht zwingend. In diesem Fall wird teilweise auch von einem modifizierten Grandfathering gesprochen.43
Anstelle der kostenlosen Zuteilung kann auch ein Verkauf der Emissionsrechte stattfinden. Dieser Verkauf kann entweder als Auktion oder durch die Bestimmung eines festen Preises erfolgen. Im Gegensatz zur kostenlosen Allokation ergibt sich bei einem Verkauf bereits ein Zertifikatspreis auf dem Primärmarkt.44 Aus ökonomischer Sicht kann nur die Versteigerung von klar definierten Eigentumsrechten an Emissionen ein sofort wirksames optimales Knappheitssignal setzen und so zu einer effizienten Neuzuteilung auf einem wettbewerbsfähigen Markt führen.45 Bei einem Festpreisverkauf kann ein anfangs optimales Preissignal kaum erreicht werden, da die Behörde die gesamten Emissionsminderungskosten nicht kennt, die notwendig sind, um den optimalen Preis zu bestimmen.46 Das Gleiche gilt für die kostenlose Zuteilung, wobei hier die Ungewissheit der Preisentwicklung sogar noch höher ist. Außerdem steigen bei dieser Zuteilungsmethode die administrativen Kosten aufgrund der Komplexität des Verteilungsschemas. Des Weiteren kann es bei der kostenlosen Zuteilung zu sogenannten Windfall Profits kommen. Da ein Zertifikat auch einen Produktionsfaktor darstellt, bewerten Unternehmen diese gratis zugeteilten Zertifikate mit deren Opportunitätskosten, die dem Zertifikatspreis auf dem Sekundärmarkt entsprechen. Die Berücksichtigung von Opportunitätskosten für Zertifikate erhöht die Grenzkosten der Produktion, die wiederum über höhere Verkaufspreise auf die Konsumenten weitergegeben werden. Dadurch entstehen zusätzliche Gewinne, sogenannte Windfall-Profits. Ein entscheidender Vorteil der kostenlosen Zuteilung gegenüber dem Verkauf ist jedoch die deutlich höhere Akzeptanz der Emittenten.47
In einem Emissionshandelssystem muss außerdem über die Gültigkeit der Zertifikate entschieden werden. Dabei kommt es auf die Einbeziehung von Banking und Borrowing an. Banking bezeichnet das Aufsparen von Emissionsrechten für einen späteren Zeitpunkt, während Borrowing die gegenwärtige Nutzung von zukünftigen Emissionsreduzierungen bezeichnet.48 Aus ökologischer Sicht steht dem Banking nichts entgegen, während Borrowing die Gefahr birgt, dass das bereits in Anspruch genommene Emissionskontingent in der Zukunft nicht wie vereinbart eingespart wird, wie zum Beispiel im Falle einer Insolvenz. Aus ökonomischer Sicht gewähren beide intertemporale Flexibilität und ermöglichen es den Emittenten, Unterschiede in den Grenzkosten zu nutzen und so Emissionssenkungen im Laufe der Zeit zu optimieren. Aus der Gerechtigkeitsperspektive betrachtet, kann Borrowing intergenerationale Gerechtigkeitsanforderungen verletzen.49
Zunächst muss der Marktplatz für Emissionsrechte festgelegt werden. Aus ökonomischer Sicht sollte die Zuteilung auf einem bereits etablierten Marktplatz gehandelt werden, um die Setup-Kosten zu minimieren. Der Handel sollte so weit wie möglich IT-basiert sein.50 Börsenhandel sowie direkter bilateraler oder vermittelter Handel sollten möglich sein, um Angebot und Nachfrage nach Emissionsrechten besser zu koordinieren und somit Informationskosten senken zu können.51 Letztendlich sollte der Markt sowohl aus Gesichtspunkten der Gerechtigkeit, als auch aus ökonomischer Sicht, für alle Emittenten leicht und gleichermaßen zugänglich sein, um dem Gleichstellungsprinzip zu folgen und Wettbewerbsverzerrungen sowie eine Erhöhung der Transaktionskosten zu verhindern.
Außerdem muss über die Möglichkeit von Marktinterventionen, wie beispielsweise Sicherheitsmechanismen oder Preislimiten, entschieden werden. Aus ökonomischer Sicht sind diese abzulehnen, da sie die optimale Zuteilung von Emissionsrechten und Minderungsmaßnahmen verhindern, wodurch die Kosten steigen. Darüber hinaus wird die ökologische Wirksamkeit sowie die generationsübergreifende Gerechtigkeit gefährdet, wenn zusätzliche Emissionsberechtigungen bei Erreichen eines Preislimits ausgegeben werden und diese zusätzlichen Zuteilungen nicht ex ante in der Obergrenze enthalten sind.52
Aus ökologischer, ökonomischer und gerechter Perspektive, ist eine zuverlässige Überwachung notwendig, um die Einhaltung von Vorschriften zu gewährleisten. Nur dies führt zu realen Emissionsreduktionen, Effizienzgewinnen und dem Schutz künftiger Generationen, wobei die Kosten nach dem Verursacherprinzip getragen werden.53 Wenn am Ende einer Periode eine Unterdeckung an Zertifikaten aufgewiesen wird, müssen daraus schwere Strafen folgen.54
Strafen agieren als ex post für die Verletzung der Regularien, die Emittenten von der Nichteinhaltung ex ante abhalten. Geldbußen müssen zur Prävention von Missbrauch deutlich höher sein als der Zuteilungspreis. Darüber hinaus darf aus ökologischer Sicht ein Mangel an Zertifikaten nicht später als in der nächsten Nachprüfungsperiode vollständig entschädigt werden, um die Einhaltung der Obergrenze nicht zu gefährden.55
Nachdem nun mit den Grundlagen eine Basis geschaffen wurde, soll die Lizenzlösung in der Theorie anhand von Modellen dargestellt werden.
[...]
1 Vgl. Ströbele, Wolfgang, 2005, S. 325.
2 Vgl. Statista: Verteilung der weltweiten Energieerzeugung nach Energieträger im Jahr 2014, URL und Zugriff siehe Lit.-Verz.
3 Vgl. Statista: Weltweiter CO2 Ausstoß in den Jahren 1960 bis 2015, URL und Zugriff siehe Lit.- Verz.
4 Vgl. Statista: Höhe der CO2 Emissionen in Deutschland in den Jahren 1990 bis 2015, URL und Zugriff siehe Lit.-Verz.
5 Vgl. Ströbele, Wolfgang, 2005, S. 325.
6 Vgl. Schlatterer, Florian, 2013, S. 11.
7 Vgl. Ströbele, Wolfgang, 2005, S. 326.
8 Vgl. Schlatterer, Florian, 2013, S. 7 f.
9 Vgl. Michaelis, Peter, 1996, S. 5 ff.
10 Vgl. Wiesweg, Maik, 2009, S. 15 f.
11 Vgl. Hartmann, Nuria, 2014, S. 27.
12 Vgl. Wiesweg, Maik, 2009, S. 19 f.
13 Vgl. Rudolph, Sven, 2005, S. 27 f.
14 Vgl. Lueg, Barbara, 2007, S. 13.
15 Vgl. Dales, John, 1968, S. 797 f.
16 1920 entwickelte Arthur Cecil Pigou eine Lenkungszweckssteuer, die nach ihm als Pigeou-Steuer benannt wurde.
17 1960 entwickelte Ronald Coase eine Verhandlungslösung zur Internalisierung externer Effekte.
18 Vgl. Lueg, Barbara, 2007, S. 13.
19 Vgl. Bonus, Holger, 1995, S. 301 ff.
20 Vgl. Gerner, Daria, 2012, S. 3.
21 Vgl. Rudolph, Sven, 2005, S. 26 f.
22 Vgl. Kabelitz, Klaus, 1983, S. 15.
23 Vgl. Lueg, Barbara, 2007, S. 14.
24 Vgl. Wicke, Lutz, 1989, S. 345.
25 Vgl. Gerner, Daria, 2012, S. 3.
26 Vgl. Rudolph, Sven et al., 2011, S. 9.
27 Vgl. Jakob, Martin/ Nutter, Sharon, 2003, S. 829 f.
28 Vgl. Rudolph, Sven et al., 2011, S. 9.
29 Vgl. Nellinger, Ludwig, 1993, S.194.
30 Vgl. Rudolph, Sven et al., 2011, S. 10.
31 Vgl. Gerner, Daria, 2012, S. 77.
32 Vgl. Wackerbauer, Johann, 2003, S. 8.
33 Vgl. Rudolph, Sven et al. 2011, S. 10.
34 Vgl. ZEW/ Öko Institut., 2001, S. 13.
35 Vgl. Rudolph, Sven et al., 2011, S. 10.
36 Vgl. Baumol, William/ Oates, Wallace, 1971, S. 42 ff.
37 Vgl. Rudolph, Sven et al., 2011, S. 10.
38 Vgl. WBGU, 2009, S .21 ff.
39 Maß, bei dem Treibhausgase hinsichtlich ihrer Klimaschädlichkeit zur Vergleichbarkeit in CO2 umgerechnet werden.
40 Vgl. Meyer, Aubrey, 2000, S. 1 ff.
41 Vgl. Rudolph, Sven et al., 2011, S. 12.
42 Vgl. Wiesweg, Maik, 2009, S. 24 f.
43 Vgl. Fromm, Oliver/ Hansjürgens, Bernd, 1998, S.152.
44 Vgl. Schlatterer, Florian, 2013, S. 77.
45 Vgl. Rudolph, Sven et al., 2011, S. 13.
46 Vgl. Schlatterer, Florian, 2013, S. 78.
47 Vgl. a.a.O., 2013, S. 76 ff.
48 Vgl. Graichen, Patrick/ Requate, Till, 2005, S. 44 f.
49 Vgl. Rudolph, Sven et al., 2011, S. 14.
50 Vgl. a.a.O., 2011, S. 15.
51 Vgl. Stavins, Robert, 1995, S. 145 f.
52 Vgl. Rudolph, Sven et al., 2011, S. 15 f.
53 Vgl. Wicke, Lutz, 1989, S. 349.
54 Vgl. Hartmann, Nuria, 2014, S. 30.
55 Vgl. Rudolph, Sven et al., 2011, S. 16.
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