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Bachelorarbeit, 2013
23 Seiten, Note: 2,3
1. Einleitung
2. Allgemeine Betrachtungen zu Ritualen in der Grundschule- Schulische Rituale (Versuch einer Begriffsklärung)
2.1 Funktionen von Ritualen
2.2 Wirkungsmöglichkeiten von schulischen Ritualen
3. Die Besonderheiten der Erstklässler und warum Rituale besonders in dieser Klassenstufe eine besondere Rolle spielen
4. Die Wirkung ausgewählter Rituale
4.1 Das freie Arbeitsheft
4.1.1 Interview mit der Klassenlehrerin zum Ritual des Freien Heftes
4.2 Montagmorgenkreis mit Musikbegleitung
4.3 Stundenanfangsritual- Ritual des Tagesstrukturplans
5. Schlussbetrachtung
6. Literaturverzeichnis
(aus Datenschutzgründen werden die Abbildungen nicht angehängt)
Abbildung 1: Die Kinder beim Ritual des Freien Heftes Abbildung 2: Die Klangschale der 1. Klasse
Abbildung 3: Kind an der Tafel
Abbildung 4: Kind beim Vorlesen
Abbildung 5: Die Kinder beim Montagmorgenkreis während des Rhythmik Spiels
Abbildung 6: Die Sitzordnung des Montagmorgenkreises (fester Sitzplan)
Abbildung 7: Text des Liedes
„Die Aufgabe der Umgebung ist nicht, das Kind zu formen,
sondern ihm zu erlauben, sich zu offenbaren.“
Maria Montessori
Kinder in der Grundschule brauchen, gerade zu Beginn der Schulzeit, vor allem Sicherheit und eine solide Vertrauensbasis, um erfolgreich lernen und sich in die schulische Gemeinschaft integrieren zu können. Es wichtig, dass die Kinder durch die Institution Schule nicht in einen Rahmen gedrängt werden, sondern die Möglichkeit bekommen, sich frei zu entfalten, und das in einer sicheren Umgebung.
Rituale wirken hierbei als vertrauensbildende Maßnahmen, da sie sich wiederholende zeitliche und räumliche Orientierungspunkte schaffen, die Kinder im Grundschulalltag benötigen, um nicht in eventuell als chaotisch wahrgenommenen Situationen unterzugehen. Rituale können diese Sicherheit geben.
Rituale haben in der Grundschule einen festen Platz; sie regeln und strukturieren das tägliche Zusammenleben und das Arbeiten von Schülern und Lehrern. Und sie sollten dazu führen, dass die Kinder sich in ihrer Umgebung wohlfühlen, um die Schule nicht als einen Ort des Zwanges, sondern als des Lebens wahrzunehmen. Sie sollten eine Balance von vorgegebener Ordnung und individueller Freiheit ermöglichen.
Im Rahmen meiner bisherigen Schulpraxis, insbesondere während meines integrierten Schulpraktikums in der Grundschule und zahlreicher Hospitationen, habe ich mich intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt und weitgehend positive Erfahrungen mit Ritualen im Unterricht gemacht. In dieser Arbeit sollen die Bedeutung und die Wirkung von Ritualen in einer erstenKlasse untersucht werden.
Es wird versucht zu klären, was Rituale überhaupt sind und wie sie als pädagogische Mittel sinnvoll in den Alltag einer Grundschule integriert werden können.
Miteinbezogen werden als praktischer Teil meine Hospitation in der 1. Klasse der Grundschule am 13.Mai 2013 sowie Erfahrungen aus meinem integrierten Schulpraktikum.
Ziel dieses Teils der Arbeit ist es, die Bedeutung von Ritualen darzustellen sowie herauszuarbeiten, welche nützlichen Funktionen sie erfüllen können, um die theoretischen Implikationen mit den Beobachtungen aus der Praxis abzugleichen.
Darüber hinaus werde ich versuchen zu klären, inwieweit Rituale jeden Einzelnen bei seiner individuellen Entwicklung unterstützen können und darüber hinaus dabei helfen, sich in die Gruppe einzufinden und insgesamt ein Gruppengefühl herzustellen.1
Dabei sollten während der Ausführung von Ritualen jedem Kind Werte wie Geborgenheit, Sicherheit, aber auch Verantwortungsbewusstsein und eigenverantwortliches Handeln vermittelt werden, um das Potenzial von Ritualen vollständig auszuschöpfen.
Der Respekt gegenüber Mitmenschen und die Anerkennung von Grenzen sind weitere Werte, die es zu vermitteln gilt.
Sich gegenseitig zuhören und zu warten, bis die bzw. der andere zu Ende gesprochen hat, gibt dem Kind die Sicherheit, dass es die Zeit bekommt, die es benötigt, um sich auszudrücken, ohne das Gefühl zu haben, jeden Augenblick unterbrochen werden zu können. Es gilt, das Selbstvertrauen der Kinder zu stärken, indem den Schülern Verantwortung übertragen wird.
Diese Punkte stehen im Zentrum der vorliegenden Arbeit. Zur ihrer Klärung wird das theoretische mit dem praktischen Vorgehen verbunden. Dazu werden die Beobachtungen bei Ritualen in einer Hospitationsstunde einer ersten Klasse mit theoretischen Überlegungen zum Thema verknüpft. Ritualisierte Abläufe von Schultagen sind ein Charakteristikum des Unterrichts in reformorientierten Grundschulen (vgl. Petersen 2010, S.10).
Schultage sind lang und anstrengend, insbesondere für Schulanfänger, die das Zusammensein mit vielen anderen Kindern in einem engen Raum, von denen sie einen Großteil bis dahin kaum kannten und die ihnen alle unbekannt sind, nicht gewöhnt sind. Viele kommen aus Kindergärten oder Vorschulen, aber es kommen auch Kinder, die weder einen Kindergarten noch eine Vorschule besucht haben. Diese Kinder kennen es nicht, sich in einer Gruppe zu integrieren, und haben auch keine Erfahrung damit, sich Aufmerksamkeit teilen zu müssen. Diese Situation führt häufig zu Problemen, gerade in der ersten Klasse während der Einschulungsphase. Darüber hinaus leiden Sie oft unter den störenden Verhaltensweisen Einzelner und können sich diesen dennoch nicht entziehen (vgl. Petersen 2010, S.33).
In solchen Fällen zieht das Kind sich häufig zurück und kann sich am unterrichtlichen Geschehen kaum noch beteiligen. Dies könnte ein Grund dafür sein, dass sich seit Ende der 1980er Jahre pädagogische Ansätze mehren, die sich mit schulischen Ritualen befassen (vgl. Petersen 2010, S.9), was auf deren steigende Relevanz hinweist und darauf, dass Rituale immer häufiger in das unterrichtliche Geschehen integriert werden.
Die vorliegende Arbeit soll einerseits einen Versuch darstellen, den Ritualbegriff unter wissenschaftlichen Kriterien kritisch zu betrachten; darüber hinaus sollen die erlangten Erkenntnisse mit schulpraktischen Erfahrungen in Verbindung gebracht werden, um zu einem ausgewogenen Fazit bezüglich der Leitfrage der Untersuchung zu kommen.
Ein weiteres Augenmerk soll auf der Initiierung und Überprüfung von Ritualen im schulischen Kontext liegen. Die möglichen Wirkungen sowie die Funktionen von Ritualen sollen diskutiert werden, bevor die Erkenntnisse abschließend zusammengefasst werden.
Die Versuche, den Begriff Ritual, speziell im pädagogischen Sprachgebrauch, zu definieren, ist schwierig, da es davon eine fast unübersehbare Zahl gibt. Oft kommt es dabei zu Verwechslungen von Ritualen mit bloßen Regeln und Gewohnheiten Einige von mir für schlüssig erachtete Definitionen im pädagogischen Kontext werden im Folgenden vorgestellt.
Ich habe mich bewusst für die Definitionen von Petersen und anderen entschieden, die im Folgenden vorgestellt werden, weil diese Autoren Rituale insbesondere in Bezug auf ihren pädagogischen Wert definieren und nicht wie viele andere auf ihre spirituelle Bedeutung beziehen.
Rituale können, was ihre Rhythmisierung, Dauer und Häufigkeit anbelangt, ganz unterschiedlich sein. Sie können nur wenige Minuten in Anspruch nehmen oder sich über einen ganzen Tag, eine ganze Schulwoche, einen Monat oder sogar ein ganzes Schuljahr ausdehnen (vgl. Petersen, S.16). Je häufiger ein Ritual genutzt wird, desto schneller wird es in das eigene Verhaltensrepertoire eines Kindes und der Gruppe aufgenommen und umso schneller wächst die Sicherheit bei seiner Anwendung.
Wichtig für Rituale ist, dass sie den Alltag unterbrechen, also nicht zu jeder Zeit und an jedem Ort stattfinden. Dadurch erhalten sie einen besonderen Charakter. Ein Ritual braucht zudem einen klar strukturierten Rahmen, den alle an ihm Teilnehmenden sofort wiedererkennen. Dies schafft Sicherheit, besonders für solche Kinder, die entscheidungsschwach sind und nicht wissen, was sie wann tun sollen, und schon mit Kleinigkeiten überfordert sein können.
Auch Grundschulkinder werden dadurch in die Gestaltung des Unterrichts einbezogen und übernehmen Verantwortung für die Klasse (vgl. Petersen, S. 7).
Rituale fordern somit die Kinder zum Mitdenken und eigenverantwortlichen Handeln auf.
Mit ihrer Hilfe versuchen Bildungsinstitutionen den Kindern und Jugendlichen ihre Ziele, Werte und Normen zu vermitteln (vgl. Wulf 2004, S.14). Rituale werden daher bewusst zur Strukturierung von Unterricht und zur Schaffung eines lebendigen Schullebens eingesetzt (vgl. Kaiser 2004, S. 5).
Die Ritualtheorie des Sozialanthropologen Victor Turner (1989) baut im Wesentlichen auf einer Grundannahme und zwei analytischen Konzepten auf: Erstens erkennt er an, dass Rituale immer einen prozesshaften Charakter haben und demzufolge aus einer zeitlichen Perspektive untersucht werden müssen.
Demnach weisen laut Turner Rituale drei Phasen auf: Die erste ist die Phase der Trennung, also die Einstimmung auf das Ritual, in der sich in unserem Fall die Kinder auf das bald Folgende einstimmen können, um nicht überrumpelt zu werden.
Dies ist eine Phase, in der die Ritualteilnehmer aus ihrem alten Zustand herausgelöst werden. Dies geschieht durch räumliche Veränderungen symbolischer Art, was sie darauf vorbereitet, sich auf neue Dinge einzulassen. Im schulischen Kontext kann dies z.B. durch die Aufhebung der alten Sitzordnung geschehen. Oder, wie es im Folgenden noch gezeigt wird, in Form eines Sitzkreises.
Die Lehrerin wird in den meisten Fällen während eines Rituals vorübergehend zu einem Teil der Klasse, das hierarchische Verhältnis wird dadurch aufgelöst.
Akustische Erkennungszeichen wie z.B. durch einen Gong sorgen dafür, dass bei bestimmten Anlässen nonverbal immer die gleiche Gruppenaktivität ausgelöst wird.
Die Kinder wissen ohne Erklärung sofort, was zu tun ist. Dadurch entsteht der positive Nebeneffekt, dass an Unterrichtszeit gespart wird, weil es nicht jedes Mal einer neuen Erklärung bedarf.
Während meiner Hospitation geschah dies am Montagmorgen in Form eines Sitzkreises und beim „Freien Heft“ geschah dies als räumlich Trennung, die hergestellt wurde in Form des Aufbaus von symbolischen Mauern mithilfe der Schulranzen (siehe Abbildung1).
Abbildung 1: Die Kinder beim Ritual des Freien Heftes
Es ist klar erkennbar, dass sich die Kinder eine Mauer schaffen, um zu verhindern, dass ihre Nachbarn zu ihnen drüber schauen können, und damit keiner außer ihnen lesen kann, was sie schreiben (siehe dazu Kapitel 4.1).
Die zweite Phase, die Grenzüberschreitung oder auch eine Art isolierter Zustand, ist gekennzeichnet vom Erleben der Gemeinschaft. Sowohl der Einzelne als auch die Gruppe können sich in diesem Abschnitt neu erfahren. Gestützt werden die Schüler hierbei von symbolischen und rituellen Handlungen, die sie aus den alltäglichen Leben rausholen und in eine neue, durch die Besonderheit der Rituale geprägte Situation eintauchen lassen, in der sie sich völlig neu erleben, ohne an die Regeln des alltäglichen Lebens gebunden zu sein.
In der dritten und letzten Phase, der Wiedereingliederung, findet das Ritual seinen Abschluss und der alte Zustand wird wiederhergestellt (vgl. Petersen 2010, S. 18–20). Jackel wiederum unterscheidet Rituale hinsichtlich inhaltlicher, organisatorischer und räumlicher Aspekte (vgl. Jackel 1999, S.13). Die inhaltlichen Rituale stellen einen Kontext her, der sich ständig wiederholt und allen Teilnehmern bekannt ist, wie z.B. das Läuten des Ruhegongs (siehe Abbildung 2).
Abbildung 2: Die Klangschale der 1. Klasse
Die organisatorischen Rituale sind offen für unterschiedliche Inhalte. Ein Beispiel hierfür ist der Montagmorgenkreis oder die Tagesplanung, da hier jedes Mal unterschiedliche Inhalte besprochen werden. Die räumlichen Rituale beinhalten eine bestimmte Art und Weise des Zusammenkommens an einem festgelegten Ort, wie z.B. der Montagmorgenkreis im Gruppenraum der Klasse. Allen Ritualen ist gemein, dass sie feststehende Handlungssequenzen bilden, die nach ganz bestimmten Regeln ablaufen und lange Zeit in dieser Form Gültigkeit haben (vgl. Jackel 1999, S.14). Es werden Handlungssequenzen vorgegeben, die im Zuge des wiederholenden Übens automatisiert werden und dadurch Sicherheit schaffen. So laufen sie nach fest vorgegebenen Mustern immer gleich ab.
Rituale können sinnvolle Unterstützer während der Schulzeit sein, die gerade in der Zeit nach der Einschulung den Kindern helfen, Wohlbefinden herzustellen und psychischen Halt zu gewinnen (vgl. Riegel 2006, S.21). Denn um sich an neue Strukturen zu gewöhnen, bedarf es einer gewissen Zeit, die man den Kindern gewähren muss.
Schulische Rituale sind verhaltensprägend, sie können von Einzelnen, von der Klasse oder vom Lehrer initiiert werden. D.h. jedes Kind kann, wenn es dies für notwendig hält, auf ein Ritual zurückgreifen, z.B. in Form des Ruhegongs. Falls es ihm zu laut wird, kann es den Gong schlagen und so die Ruhe initiieren, die es braucht (vgl. Petersen 2001, S.13).
Besonders in der heutigen Gesellschaft mit veränderten Familienstrukturen, wachsendem Umgang mit elektronischen Medien und einer reizstarken Umwelt verliert der Alltag von Kindern an Struktur und Zuverlässigkeit. Die Schulpädagogik versucht daher verstärkt, Rituale und feste Regeln einzuführen, um dem Schulalltag einen gleichmäßigen Rhythmus zu geben, durch welchen den Kindern Sicherheit und Geborgenheit vermittelt und ihr Wohlbefinden gestärkt werden soll. Sie bringen Gleichmäßigkeit in den Alltag und schaffen feste Punkte, die dem Zusammenleben Halt geben und den Beteiligten das Gefühl vermitteln, einer Gruppe anzugehören (vgl. Combe 2004, S. 107).
„Rituale haben im Leben aller Menschen, aber besonders für Kinder, eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Der bewusste Umgang mit ihnen und ihren entlastenden, aber auch ,erhöhenden‘ Funktionen gehört zu einer lebendigen Schulkultur, die sich stets begründen, umformen, neu fassen und am Leben erhalten muss“ (Oerter 1999, S.6).
Ein Ritual gibt Geborgenheit durch seinen verlässlich immer gleichen und damit vorhersehbaren Ablauf. Darüber hinaus schaffen und verändern Rituale soziale Ordnungen und Hierarchien (vgl. Wulf 2004, S.14). Dies geschieht durch eine Gleichsetzung von Schülern und Lehrern während der Ausführung eines Rituals (siehe hierzu Kapitel 4.1 und 4.2).
Die individuellen Faktoren, die die Durchführung eines Rituals beeinflussen, sind die Motivation, die Leistungsfähigkeit und die Kooperationsbereitschaft des Einzelnen. Jedoch müssen hierfür einige Bedingungen erfüllt werden, da sonst das Potenzial des Ritual nicht völlig ausgeschöpft werden kann. Die Kinder müssen füreinander wichtig werden, damit ihr gegenseitiges Interesse Aneinander wächst. Dadurch fällt es ihnen leichter, sich gegenseitig zuzuhören.
Rituale dienen in erster Linie der Orientierung, indem sie sonst undurchsichtige Abläufe strukturieren. Sie bringen Ordnung und Sicherheit in den Tagesablauf. Oerter weist darauf hin, dass die durch wiederkehrende und dadurch vorhersagbare Handlungsabläufe entstehende Ordnung vermeiden hilft, dass die Schüler permanent unerwarteten Ereignissen ausgesetzt sind. Durch Ausschaltung dieser unsicheren Phasen gewinnen sie an Selbstbewusstsein und Selbstsicherheit und erfahren Geborgenheit (vgl. Oerter 1999, S.7). Auch Jackel betont, dass Rituale als verinnerlichte Handlungsschemata Vertrauen des Menschen in seine Fähigkeiten erzeugen und der Stärkung individueller Sicherheit, des Selbstwertgefühls und der Ausbildung der Identität dienen. Kollektive Rituale wirken gruppenintegrierend und erzeugen ein Wir-Gefühl, sie geben Sicherheit und wirken entspannend. Der mit der Zeit automatisierte Bewegungs- und Sprachverlauf setzt Ressourcen frei für emotional positives Befinden durch das Gefühl der Gruppenzugehörigkeit und ein Gefühl des Eingebunden-Seins (vgl. Jackel 1999, S.15).
Im Folgenden sollen die allgemeinen Wirkungsmöglichkeiten von Ritualen dargestellt werden bevor im darauffolgenden Kapitel 3 ausgewählte Rituale auf ihre Wirkungen hin untersucht werden.
Kaiser führt aus, dass Rituale durch ihre immer gleichen Handlungsabläufe für alle Teilnehmer ein Zugehörigkeitsgefühl zur Gruppe erzeugen, indem sie einen gemeinsamen Bezugspunkt stiften (Kaiser 2004 S. 5). Auf die Schule bezogen bedeutet dies, dass Rituale ein Sich-wohl-Fühlen, ein Sich-zugehörig-Fühlen und ein Sich-sicher-Fühlen herstellen können.
Schulische Rituale prägen das Verhalten, sie können von Einzelnen, von der Klasse oder von der Lehrerin initiiert werden, sich im weiteren Verlauf der Durchführung verfestigen und bei bestimmten Anlässen immer wieder genutzt werden. Neben spontaner Entstehung sind auch gezielte Versuche von Lehrerseite zu beobachten, mit der Klasse Rituale für bestimmte Anlässe zu erfinden und damit eine eigene Klassen- und Schulkultur zu erfinden (vgl. Petersen 2010, S.10).
Einmal etabliert, lösen bestimmte Anlässe ohne weitere Initiierung spezifische Handlungsweisen einer Klasse aus, die, unterstützt durch eine eigene Symbolik und Ästhetik, ihr charakteristisches Gepräge erhält und der Gruppe durch eine immer gleiche Dramaturgie einen selbst zu gestaltenden Handlungsspielraum sichert.
Jeder weiß um den Ablauf und seine eigene Rolle im Prozess vom Anfang bis zum Ende. Schulische Rituale sind besonders dann erfolgreich und dynamisch, wenn sie die bestehende hierarchische Struktur vorübergehend auflösen, durch einen geschützten und von allen respektierten Rahmen neue Erfahrungen und Gruppenbeziehungen ermöglichen und abschließend eine geordnete Rückkehr in den alten Zustand sicherstellen (vgl. Petersen 2010, S.11). Dadurch, dass jedes Kind im Rahmen eines Rituals eine bestimmte Aufgabe und Rolle hat, wird es in deren Ausübung immer sicherer. Es fühlt, dass es etwas besonders gut kann, wodurch ein Aufbau von Selbstvertrauen stattfindet.
Es kann auf diese Weise ermutigt werden, sich weiteren Aufgaben zu stellen, weil es weiß, dass es diese erfüllen wird, wenn es genug Zeit darin investiert. Dies führt zu wachsenden Kompetenzen der Kinder
Langfristig sollten die Rituale die Vormachtstellung der Lehrer einschränken, indem sie die Möglichkeiten der Kinder ausweiten. Dadurch, dass die Lehrer Verantwortung abgeben, bekommen die Schüler die Gelegenheit, Freiräume selbstständig zu nutzen, weil sie mutiger und sicherer in der Gruppe und im Umgang mit Raum und Zeit werden. Der positive Effekt eines Rituals wird umso deutlicher, je häufiger es angewendet und von den Kindern aufgenommen wird.
[...]
1 Im Rahmen dieser Untersuchung fehlt der Raum, sich von den Gefahren, die Rituale bergen, ausführlich abzugrenzen. Der Kürze halber beziehe ich mich im Folgenden nur auf ihre produktive Nutzung.