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Examensarbeit, 2011
51 Seiten, Note: 1,2
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Unterrichtliche Problemstellung
1.2. Vorhabensbeschreibung und Aufbau der Arbeit
2. Theoretische Grundlagen des Unterrichtsmodells
2.1. Pädagogisch-psychologische Einordnung des Konzepts des Selbstgesteuerten Lernens und die Bedeutung für die berufliche Bildung
2.2. Das 4-Stufen-Modell Grows
2.2.1. Das Problem der Divergenz zwischen „Learner Stages“ und „Teacher Styles“
2.2.2. Das gestufte Modell zunehmender Selbststeuerung als Grundlage für Unterrichtsentwicklung
2.3. Psychologische Voraussetzungen für selbstgesteuertes Lernen in der Person der/des Lernenden
2.3.1. Motivation
2.3.2. Lernstrategien
2.3.3. Metakognition
2.4. Selbstgesteuertes Lernen lernen durch metakognitive Reflexion
2.5. Das Lerntagebuch als praktisches Instrument zur Stimulierung metakognitiver Reflexion
3. Entwicklung und Erprobung des Unterrichtsmodells
3.1. Die Lerngruppe
3.1.1. Einordnung der Unterrichtserfahrungen der Schüler/innen nach dem 4-Stufen-Modell nach Grow
3.1.2. Der FEME-Test zur Einordnung der metakognitiven Einstellungen der Schüler/innen
3.2. Die gestufte Gestaltung der Unterrichtsreihe
3.3. Die „Nuggets“ als Stützinstrumente des selbstgesteuerten Lernens
3.4. Das Lerntagebuch und die zugehörigen Leitfragen
3.5. Ergebnisse des ALK-I-Tests
4. Ergebnisse des Unterrichtsversuchs
5. Reflexion des Unterrichtsversuchs und Weiterentwicklungsmöglichkeiten
Literatur
Anhang: Das Unterrichtsmodell „Turn“
Abbildung 1: Kontinuum Selbstgesteuerten Lernens
Abbildung 2: Zyklisch-interaktives Modell selbstgesteuerten Lernens (Gurlitt/Nückles 2010)
Abbildung 3: Zusammenhang zwischen "Nuggets" und lernrelevanten Faktoren nach Müller (2008)
Abbildung 4: Tagebucheintrag
Tabelle 1: "The Staged Self-Directed Learning Modell" (Grow 1991, S. 129; vgl. auch Konrad/Traub 1999, S. 86 ff.)
Tabelle 2: "Match and Mismatch between Learner Stages and Teacher Styles" (Grow 1991, S. 137)
Tabelle 3: "Applying the Staged Self-Direction Model to a Course" (Grow 1991, S.143)
Tabelle 4: Leitfragen für Lerntagebücher (Gurlitt/Nückles 2010, S. 45)
Tabelle 5: Einordnung der Unterrichtserfahrung mit Hilfe der Lernertypenbeschreibung Grows (n=13)
Tabelle 6: Ergebnisse der metakognitiven Selbsteinschätzung mit Hilfe des FEME-Tests (N=10)
Tabelle 7: Lernsituationen im Vergleich
Tabelle 8: Ausgangswerte der Lerngruppe im ALK-I-Test (n=10)
Tabelle 9: Veränderung der Testergebnisse im ALK-I-Test über die gesamte Lerngruppe (n=10)
Tabelle 10: Veränderung der Testergebnisse im ALK-I-Test bei einzelnen Schüler/inne/n (n=10)
Tabelle 11: Items zum Unterrichtsmodell TURN (n=10)
Tabelle 12: Items zur Lernform SGL im Allgemeinen (n=10)
Selbstgesteuertes Lernen (SGL)[1] ist eine Herausforderung für Schüler/innen. Eine Herausforderung nicht allein in dem Sinne, dass den Schüler/inne/n individuelle Lernwege im Unterricht eröffnet, Verantwortung für das eigene Lernen übertragen und seitens der Lehrenden der eigeninitiative, freudige Umgang mit Widerständen stimuliert werden soll (vgl. Müller 2008). In der Selbststeuerung als unterrichtsorganisatorisches Leitbild an sich liegt eine Herausforderung für die Lernenden. Nicht ohne Grund fragen Gurlitt/Nückles (2010) „Kann man >>Lernen lernen<< lehren?“. Lehren deshalb, weil die individuellen Lernkompetenzen einer typischen Lerngruppe nun einmal ebenso heterogen sind wie bspw. die Kompetenzen im Fach Biologie und entsprechend der Bedarf besteht, Schüler/innen individuell in ihrer Lernkompetenz zu fördern, will man die Lerner/innen/autonomie im Sinne selbstgesteuerten Lernens mit entsprechenden Freiheitsgraden versehen und damit einhergehend Erfolge in der individuellen Entwicklung der Fachkompetenzen verbuchen. Damit wird das Prinzip des Selbstgesteuerten Lernens selbst zum Lerngegenstand und mit jenem Axiom konfrontiert, für das es selbst eine Lösung sein will und kann: Die Heterogenität der Lernenden.
Diese kurz gefasste Schlussfolgerung ist eine Zusammenführung von Erfahrungen aus insgesamt drei Unterrichtsprojekten, in denen ich mit verschiedenen Klassen im Laufe meines Vorbereitungsdienstes in unterschiedlichen Facetten selbstgesteuerten Unterricht ausprobierte. Die Unterrichte verliefen aus meiner Sicht in unterschiedlichem Maße erfolgreich, lassen sich aber ex post durch folgende Punkte gemeinsam charak-terisieren:
I. Die Schüler/innen wurden zur Anwendung verschiedener metakognitiver Stützinstrumente angehalten (bspw. die schriftliche Dokumentation der Planung und die anschließende Reflexion des Lernvorhabens).
II. Die Unterrichte verlangten von Vornherein einen hohen Grad an Selbststeuerung auf Seiten der Schüler/innen (d.h. offene Aufgabenstellungen, keine festgelegte Makrosequenz der Lernsituationen usw.).
III. Jede Lerngruppe teilte sich nach kurzer Zeit in drei Peergroups auf, jene
a. die mit der Übertragung der Verantwortung für das eigene Lernen leicht bis völlig überfordert waren und die Offenheit mehr als Bedrohung und weniger als Chance für das eigene Lernen wahrgenommen haben.
b. die sich zunächst im Umgang mit den Stützinstrumenten schwer taten, sie aber nach und nach als Zugewinn für das eigene Lernen verstanden.
c. die ohnehin sehr selbstgesteuert lernen und die Arbeit mit den Stützinstrumenten als wenig gewinnbringende Zusatzbelastung betrachteten.
Eine theoretische Einordnung dieser Beobachtungen lässt sich mit (1991) vornehmen, der in einem Beitrag die Harmonie („Match“) zwischen „Learner Stages“ und „Teacher Styles“[2] als notwendige Bedingung für Lernerfolg im Unterricht thematisiert. Hierbei bezieht er sich auf die Entsprechung von Selbstlernkompetenz der Schüler/innen und der eher fremd- bzw. eher selbstgesteuerten Gestaltung des Unterrichts seitens der Lehrperson. Eben diesem „Matching“ wurde im Rahmen der vergangenen Unterrichtsprojekte keine Aufmerksamkeit geschenkt, weswegen sich innerhalb der Lerngruppe – abhängig von den Learner Stages – Subgruppen bildeten, die unterschiedlich gut mit dem selbstgesteuerten Unterrichtskonzept zurechtkamen.
Die vorliegende Arbeit setzt an dieser typischen Problemstellung in selbstgesteuerten Unterrichtskonzepten an und beschreibt die Durchführung und Evaluation eines Unterrichtsprojekts, im Rahmen dessen – ausgehend von einer distinkten Lerngruppe mit unterschiedlichen Learner Stages – Schüler/inne/n die Möglichkeit geboten wurde, sich Schritt für Schritt, reflektierend und an den eigenen bisherigen Unterrichtserfahrungen anknüpfend dem Konzept des Selbstgesteuerten Lernens zu nähern. Hierfür wurde ein Unterrichtsmodell entwickelt, das mit Hilfe eines Lerntagebuchs und Fragebögen zur Diagnose der metakognitiven Einstellung den Lernenden individuelle Wege hin zu einer/einem selbstgesteuerten Lerner/in eröffnet.
Im Folgenden wird zunächst die theoretische Grundlage des Unterrichtsmodells erörtert. Im Zuge dessen werden die bereits angedeuteten Ausführungen Grows (1991) näher erläutert und mit neueren Erkenntnissen der Psychologie in Zusammenhang gebracht, die auf die – u.a. metakognitiven – Voraussetzungen in der Person der/des Lernenden für selbstgesteuertes Lernen abzielen. Das Lerntagebuch wird im Anschluss als ein Instrument zur Stimulierung metakognitiver Reflexion vorgestellt.
Im Anschluss an die theoretische Fundierung wird das entwickelte Unterrichtsmodell vorgestellt und die Anwendung in einer Lerngruppe beschrieben. Hierbei wird auch auf die Spezifizierung des Unterrichtsmodells für die ausgewählte Lerngruppe Bezug genommen.
Den Abschluss der Arbeit bildet ein evaluativer Teil, in dem der Erfolg des Unterrichtsmodells beschrieben und reflektiert wird. Zudem wird ein Einblick in die Entwicklung und die Lernergebnisse einer Schülerin gewährt. Im Anschluss werden Weiterentwicklungsmöglichkeiten für die zukünftige Anwendung des Unterrichtsmodells aufgezeigt.
Selbstgesteuertes Lernen muss gelernt werden. Lernende benötigen bestimmte Kompetenzen und Fähigkeiten, um selbstgesteuertes Lernen in Gang zu bringen und aufrecht zu erhalten. Systematisch betrachtet sind dies auf der Personenseite im Wesentlichen drei Aspekte (vgl. Konrad/Traub 1999, S. 30):
- Motivation
- Lernstrategien
- Metakognition
Neben diesen Voraussetzungen auf der Personenseite sind es die – von der/dem Lehrenden gestaltbaren – situativen Voraussetzungen im Unterricht, die für die Entwicklung selbstgesteuerten Lernens wichtig sind. Hierbei geht es insbesondere um das Verhältnis von Fremd- und Selbststeuerungsanteilen und Entscheidungsspielräumen im Unterricht. (vgl. ebd., S. 39 f.)
Da es in dem hier vorzustellenden Unterrichtsmodell um die Förderung der Voraussetzungen auf der Personenseite und die Schaffung der situativen Voraussetzungen im Unterricht geht, werden diese beiden Aspekte in den folgenden Kapiteln als theoretischer Vorspann erörtert. Vorangestellt wird ein Kapitel, in dem das Begriffspaar des Selbstgesteuerten Lernens eingeordnet und das Verständnis des Konzepts im Rahmen dieser Arbeit abgegrenzt wird.
Die meisten neueren psychologischen Lerntheorien begreifen Lernen als gesteuerten Prozess, dem bestimmte Komponenten inhärent sind (vgl. Bastian/Merziger 2007, S. 7 f.). Zu einem Lernvorgang gehören (vgl. Konrad/Traub 1999, S. 30):
- Die Zielstellung: Elaboration der Ziele, die mit einer Lernepisode erreicht werden sollen
- Die während des Lernprozesses durchgeführten Operationen: Diese umfassen sowohl Lernaktivitäten, z.B. das Anfertigen von Notizen, als auch Regulations-aktivitäten
- Die zielorientierte Kontrolle: Bewertung des Ergebnisses einer Lernepisode
Die beschriebenen Komponenten des Lernvorgangs können sowohl extern als auch intern gesteuert werden. Dabei beinhaltet die interne Steuerung (Selbststeuerung) jene Einflüsse auf die Gestaltung des Lernens, die von der/dem Lernenden selbst ausgehen. Einflüsse die von außen auf die/den Lernende/n und die Gestaltung ihres/seines Lernvorgangs einwirken, bspw. von Seiten des Lehrenden, werden als externe Steuerung verstanden (Fremdsteuerung). „Je nachdem, welche Komponenten des Lernens in einem bestimmten Fall fremd- bzw. selbstbestimmt sind, können unterschiedliche Grade von Fremd- und Selbststeuerung unterschieden werden.“ (ebd., S. 11 f. und S. 30)
Eine reine Fremdsteuerung eines Lernprozesses ist dabei ebenso wenig denkbar, wie eine reine Selbststeuerung des Lernprozesses[3], denn aus kognitionspsychologischer Sicht erfordert jedes Lernen einen gewissen Anteil an Selbststeuerung. Schließlich werden externe Einflüsse immer auch intern kognitiv verarbeitet, weshalb dich das Lernen an sich nicht vollständig extern determinieren lässt. Auf der anderen Seite ist ein reines selbstgesteuertes Lernen nicht denkbar, da – selbst in einer Lernsituation frei von externen Einflüssen – der Lerngegenstand selbst und seine Charakteristik als externer Einfluss auf die Lernaktivität wirken. (vgl. ebd., S. 12)
Definitorisch greifen aus diesem Grund viele Autoren auf eine Lösung mittels eines Kontinuums zurück[4]:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Kontinuum Selbstgesteuerten Lernens
So verstanden ordnet sich das Konzept des Selbstgesteuerten Lernens auf einem Kontinuum zwischen vollkommener Fremd- und vollkommener Selbststeuerung der/des Lernenden an.
Warum ist selbstgesteuertes Lernen nun aus pädagogischer Sicht wünschenswert? Diese Frage lässt sich bildungs-, gesellschafts- und lerntheoretisch beantworten (vgl. Bastian/Merziger 2007, S. 6 f.; auch Friedrich/Mandl 1997, S. 237 f. und Baumert et al. k.A., S. 2). Im Rahmen dieser Arbeit mag die lerntheoretische Begründung genügen: Frontalunterricht bzw. lehrerzentrierter Unterricht folgt der Vorstellung oder setzt die Annahme, dass der von der/dem Lehrenden durchgeführte Unterricht stets 20-30 Lernprozesse synchron in Gang setzt, dass die Lernprozesse linear und ohne Brüche verlaufen und das Lerntempo der Schüler/innen stets das gleiche ist. Individuelle Lernprozesse haben in diesen Unterrichtskonzepten keinen Raum bzw. können nicht ausreichend gefördert werden (vgl. Konrad/Traub 1999, S. 24 f.). Mit selbstgesteuerten Unterrichtskonzepten können individuelle Lernwege der Schüler/innen besser berücksichtigt und der Heterogenität schulischer Lerngruppen besser Rechnung getragen werden. Für die berufliche Bildung trifft dies umso mehr zu, als dass die didaktische Maxime der meisten Ausbildungslehrpläne unter dem Begriff der „Handlungsorientierung“ selbstgesteuertes Lernen vorsieht: „Die Zielsetzung der Berufsausbildung erfordert es, den Unterricht an einer auf die Aufgaben der Berufsschule zugeschnittenen Pädagogik auszurichten, die Handlungsorientierung betont und junge Menschen zu selbstständigem Planen, Durchführen und Beurteilen von Arbeitsaufgaben im Rahmen ihrer Berufstätigkeit befähigt.“ (KMK 2005, S. 5)
Grow versucht in seinem Beitrag aus dem Jahre 1991 den Lernerfolg von Schüler/inne/n u.a. an der Passung zwischen Learner Stages und Teacher Style festzumachen. Damit leistete er einen Beitrag dazu, die Passung zwischen den Voraussetzungen in der Person der/des Lernenden und den von der/dem Lehrenden geschaffenen situativen, unterrichtlichen Voraussetzungen (vgl. Kapitel 2) verständlich und analysierbar zu machen. Als Learner Stages bezeichnet Grow den Stand der (Selbst-)Lernkompetenz auf Seiten der Lernenden und spannt die Ausprägung der Lernkompetenz zwischen den Antipoden Fremdsteuerung und Selbststeuerung auf. Dabei kategorisiert er 4 Stufen (vgl. Tabelle 1).
Neben den vier Learner Stages beschreibt Grow jeweilige Teacher Styles, die mit den Learner Stages korrespondieren (sollten) und für den Lernerfolg im Unterricht in diesen Paarbindungen wichtig sind. Damit zielt er auf den Aspekt der Schaffung passender situativer Voraussetzungen für jeweilige Learner Stages ab. So ist es bspw. für einen abhängigen, fremdgesteuerten Lernenden auf Stufe 1 zunächst wichtig, von Seiten des Lehrenden Feedback in kurzen Intervallen zu erhalten und sich in einem eher lehrer/innen/zentrierten, autoritären Unterricht wiederzufinden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: "The Staged Self-Directed Learning Modell" (Grow 1991, S. 129; vgl. auch Konrad/Traub 1999, S. 86 ff.)
Grow (1991, S. 129) formuliert im Zusammenhang mit diesen Stufen und der Forderung nach Korrespondenz einen klaren Anspruch an die Person des Lehrenden: „The teacher´s purpose is to match the learner´s stage of self-direction and prepare the learner to advance to higher stages.“ Damit spricht er sich klar für eine Förderung der Lernenden hin zur Kompetenzstufe einer/eines selbstgesteuert Lernenden aus, wenngleich er relativiert: „Being a dependant learner is not a defect; it can, however, be a serious limitation.“ (ebd., S. 129)
Grow führt Lernende durch unterschiedliche Phasen zur Selbststeuerung. Hinter diesem Phasenkonzept[5] steht die Idee, dass sich selbstgesteuertes Lernen nicht unmittelbar und automatisch entwickelt. Es braucht gezielt aufeinander abgestimmte Phasen didaktisch-methodischer Unterstützung bzw. situativer Stimulantien, um die Entwicklung bei Lernenden zu fördern. (vgl. auch Konrad/Traub 1999, S. 85)
Ist der Teacher Style nicht auf die Learner Stages abgestimmt, kann es zu einem „Mismatch“, einem „Near Match“ oder zu einem „severe Mismatch“ kommen. In diesen Fällen wirkt sich die Disharmonie zwischen Learner Stages und Teacher Style negativ auf das Lernverhalten der Lernenden und auf den Lernerfolg aus. Die folgende Tabelle 2 gibt eine Übersicht über die Zusammenhänge von Match und Mismatch:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: "Match and Mismatch between Learner Stages and Teacher Styles" (Grow 1991, S. 137)
In den bereits ange-sprochenen vergangenen Unterrichtsprojekten (vgl. Kapitel 1.1) kam es im Zuge der Einführung von auf Selbststeuerung ausgelegten Unterrichtskonzepten häufig zu einem S1/S2-T4-Mis-match. Aus diesem Grund sei an dieser Stelle ein Auszug aus Grow (ebd., S. 138) angebracht, der dieses Mismatch und die Gründe dafür beschreibt: „A different problem occurs when depen-dant learners are paired with a stage 3 or Stage 4 teacher who delegates responsibility that the learner is not equipped to handle. (...) With such students, humanistic methods may fail. Many will not be able to make use of the ‚freedom to learn’, because they lack the skills such as goal-setting, self-evaluation, project management, critical thinking, group participation, learning strategies, information ressources, and self-esteem, which make self-directed learning possible (...).“
Um diese Form des Mismatches zu verhindern, schlägt Grow ein gestuftes Modell zunehmender Selbststeuerung vor.
Mit dem gestuften Modell versucht Grow den severe Mismatches und Mismatches zu entgehen, indem er einen Rahmen des Lehrer/innen/handelns aufspannt. Dabei beschreibt er grob die Rolle der/des Lehrenden in vier aufeinander aufbauenden Phasen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 3: "Applying the Staged Self-Direction Model to a Course" (Grow 1991, S.143)
Wichtig in Zusammenhang mit der Applikation eines solchen Modells in einer Lerngruppe ist sicherlich die Einschätzung der bisherigen Unterrichtserfahrung der Lernenden, um die didaktisch-methodische Ausrichtung des Unterrichts an der Lerngruppe zu orientieren. In Kapitel 3 wird dies im Zuge der Beschreibung des Unterrichtsmodells deutlich werden.
In Kapitel 2 wurde bereits angedeutet, welche Aspekte auf der Personenseite unterschieden werden können. Im Folgenden sollen diese Aspekte näher erläutert werden, wobei aus Platzgründen und mit Blick auf die Ausrichtung des Unterrichtsmodells der Fokus auf dem Aspekt der Metakognition liegen wird.
Als eine der grundlegenden Voraussetzungen für selbstgesteuertes Lernen sind die affektiv-motivationalen Variablen auf Seiten der/des Lernenden zu betrachten. Eine hinreichende Motivation ist prinzipiell Voraussetzung für erfolgreiches Lernen. Für selbstgesteuertes Lernen gilt dies in besonderem Maße, insoweit – im Extremfall gedacht – fast jeglicher äußere Einfluss auf das Lernverhalten der/des Lernenden fehlt und damit der Antrieb zur Planung, Steuerung und Kontrolle des Lernprozesses in der Person der/des Lernenden keimen muss.[6] Eine ausführliche Darstellung des Zusammenhangs zwischen struktureller und prozessualer Motivation findet sich in Friedrich/Mandl (1997, S. 242 ff.).
Lernstrategien werden von der/dem Lernenden benötigt, um im Zuge des Lernprozesses neue Informationen verarbeiten, mit Vorwissen verknüpfen und behalten zu können. Für das selbstgesteuerte Lernen spielen die Lernstrategien dahingehend eine tragende Rolle, da sie aus Sicht der/des Lernenden das Instrumentarium zur selbstgesteuerten Bearbeitung von Lernsituationen darstellen. Diese kognitiven Informationsverarbeitungsstrategien können nach Weinstein/Mayer (1986) wie folgt klassifiziert werden[7]:
- Wiederholung- und Einprägungsstrategien: Diese Strategien zielen auf die Enkodierung des Lerninhaltes im Kurzzeitgedächtnis ab. Hierunter fallen Strategien wie bspw. das schriftliche Zusammenfassen von Texten oder das Markieren von Textauszügen.
- Elaborationsstrategien: Diese Strategien dienen dazu, die eingeprägten Informationen im Langzeitgedächtnis zu verankern. Hierunter fallen Strategien wie bspw. Fragen an einen Text zu stellen oder Analogien zu bilden.
- Organisationsstrategien: Sie dienen dazu, dass Gelernte im Gedächtnis sozu-sagen zu sortieren und neues mit altem Wissen in Zusammenhang zu bringen. Typische Strategien sind bspw. Metaplan- und Netzplantechniken. (vgl. Konrad/Traub 1999, S. 35 f.) Gurlitt/Nückles (2010, S. 42) ergänzen diese kognitiven Lernstrategien noch um zwei weitere Lernstrategien:
- Ressourcenbezogene Strategien: Diese Strategien zielen auf die Nutzung von internen (bspw. Selbstmotivierung) und externe Ressourcen (bspw. Gestaltung einer günstigen Lernumgebung) zur Verbesserung des Lernprozesses ab.
- Metakognitive Lernstrategien: Hierunter wird die Gerichtetheit der Aufmerksamkeit der/des Lernenden auf den und das Wissen über das Verhalten im eigenen Lernprozess verstanden. Hierunter lassen sich vor allem drei Strategien der Planung, Verständnisüberwachung und Regulation des Lernens subsumieren.
Die Metakognition lässt sich – wie im vorangegangenen Kapitel geschehen – auch als eine Lernstrategie verstehen, soll an dieser Stelle aber gesondert in ihrer eigentlichen Funktion als übergeordnetes Denken über den eigentlichen Lernprozess aufgefasst werden.
Metakognition ist – wie das Wort es im Ursprung ausdrückt – ein übergeordnetes Denken; in diesem Fall das Nachdenken über das Denken in Zusammenhang mit Lernprozessen. Lernende nehmen während des Lernprozesses Feinabstimmungen und Anpassungen vor, die den Lernprozess steuern. Die/Der Lernende muss im Vollzug des Lernprozesses unter anderem:
- den Ausgangspunkt der Lernhandlung bestimmen
- sich Ziele definieren
- Handlungswege ableiten
- Schwierigkeiten im Lernprozess erkennen
- die erforderlichen Lernschritte ausführen
- das eigenen Vorgehen während des Lernprozesses oder die bisherigen Ziele modifizieren (vgl. Konrad/Traub 1999, S. 36)
Die Metakognitionsforschung unterscheidet bezüglich dieser Aktivitäten der/des Lernenden im Lernprozess zwei Perspektiven: Zum einen die Kontrolle und Steuerung von Kognitionen und zum anderen das Wissen über Kognitionen.
Die metakognitive Kontrolle lässt sich wiederum in drei typische Aktivitäten unterscheiden (vgl. Gurlitt/Nückles 2010, S. 42; vgl. auch Konrad/Traub 1999, S. 36 f.):
- Planung: Hierunter werden Tätigkeiten der/des Lernenden verstanden, die sich vor das „eigentliche“ Lernen schieben und den Gebrauch von Lernstrategien und damit den Lernprozess vorbereiten. Hierunter ist es bspw. zu fassen, wenn sich Lernende mit der Frage auseinandersetzen, was sie in einer bestimmten Lern-situation lernen möchten. Eine typische Planungsaktivität ist damit verbunden bspw. das Setzen von Zielen.
- Verständnisüberwachung: Mit Überwachungstätigkeiten sind diejenigen Aktivitäten des Lernenden gemeint, die der Diagnose des eigenen Lernprozesses dienlich sind. Typische Fragen eines inneren Dialogs der/des Lernenden wären: Habe ich bisher alles richtig verstanden? Was habe ich noch nicht verstanden und wo gab es Probleme?
- Regulation: Die Regulationstätigkeiten sind stark mit den Überwachungsaktivitäten verknüpft, wobei die Regulation sich letztlich logisch an die Überwachung des Lernprozesses anschließt. So könnte eine regulierende metakognitive Aktivität bspw. eine Reaktion auf ein während der Überwachung festgestelltes Verständnisproblem sein und die Variation der angewandten Einprägungsstrategie bedeuten.
Das metakognitive Wissen ist eng mit der beschriebenen metakognitiven Kontrolle verknüpft. Beide Aspekte der Metakognition verstärken sich gewissermaßen gegenseitig. Denn unter metakognitivem Wissen ist das Wissen einer/eines Lernenden über das eigene kognitive System zu verstehen. Damit ist es bspw. Grundlage für Regulationsaktivitäten im Rahmen der kognitiven Kontrolle und wird zugleich durch die Aktivität der kognitiven Kontrolle aufgebaut. Das metakognitive Wissen lässt sich wie folgt differenzieren:
- Wissen über Personenvariablen: Was weiß ein/e Lerner/in über ihr/sein eigenes Lernverhalten? In welcher Lernumgebung funktioniert ihr/sein Lernen gut, in welcher schlecht? Welche Lernstrategien gelingen ihr/ihm gut, welche schlecht?
- Wissen über Aufgabenvariablen: Was weiß ein/e Lerner/in über Aufgaben-formate und Lernsituationen. Welche Aufgabentypen gelingen ihr/ihm gut, welche schlecht?
- Wissen über Strategievariablen: Was weiß ein/e Lerner/in über die Eignung einzelner Lernstrategien für bestimmte Aufgaben bzw. Lernsituationen? (vgl. Konrad/Traub 1999, S. 38 f.)
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Metakognition im Rahmen von selbstgesteuerten Lernen eine herausragende Bedeutung zukommt, da die metakognitive Kontrolle u.a. gewissermaßen den Kern der Selbststeuerung im Lernprozess ausmacht (vgl. Kapitel 2.1).
Nückles/Hübner/Renkl entwarfen ein zyklisch-interaktives Modell selbstgesteuerten Lernens. Dem Modell liegt die Annahme zugrunde, dass die Fähigkeit, erfolgreich zu lernen in der abgestimmten und zielorientierten Anwendung der einzelnen (Lern-) Strategien, also dem Zusammenspiel kognitiver und metakognitiver Prozesse begründet liegt. (vgl. Nückles/Hübner/Renkl 2009 und Gurlitt/Nückles 2010, S. 42 f.)
Abbildung 2: Zyklisch-interaktives Modell selbstgesteuerten Lernens (Gurlitt/Nückles 2010)
Entsprechend wird von den Lernenden während der Anwendung kognitiver Lernstrategien beobachtet, welche Inhalte bspw. gut verstanden wurden und wo es Probleme gibt. Durch diese kontinuierliche Überwachung des Lernprozesses kann der Lernprozess rechtzeitig reguliert und die gewählten Lernstrategien angepasst werden (siehe Abbildung 2). Im Rahmen verschiedener Studien der Instruktionsforschung zeigte sich, dass bereits ein Training überwiegend metakognitiver Strategien der Selbststeuerung deutliche Effekte bringen kann (vgl. Klauer/Leutner 2007).
Als ein Werkzeug zum Training metakognitiver Strategien schlagen Gurlitt/Nückles (2010, S. 43) das Lerntagebuch vor (vgl. auch Kaiser 2003, S. 24).
Lerntagebücher sind zunächst einmal eine Methode zur Nachbereitung von Unterricht. Schüler/inne/n kann mit Hilfe eines Lerntagebuchs ein Schreibanlass zur Reflexion des eigenen Lernprozesses gegeben werden. So können sich Schüler/innen im Rahmen des Lerntagebuchs bspw. mit Fragen wie „Was ist mir heute richtig gut gelungen, was habe ich verstanden?“ oder „Mit welchen Inhalten des heutigen Unterrichts hatte ich Probleme?“ auseinandersetzen. Diese Unterstützung der Schüler/innen bei der Reflexion des eigenen Lernens kann nach Bastian/Merziger (2007, S. 10) die Kultivierung von Metakognition unterstützen: „Selbstreguliertes Lernen erfolgt also nicht dadurch, dass Fremdreguliertes Lernen schlicht vermindert wird; es gibt sogar Hinweise darauf, dass eine Überbetonung des eigenständigen Lernens dessen Wirkung verringert (vgl. Sjuts 2003). Lehrkräfte haben also die Aufgabe des Anleitens, Beratens, Unterstützens und Sicherstellens bei der angestrebten Kultivierung von Metakognition“. Dabei sollten die Lernenden beim Schreiben des Tagebuchs mit Hilfe von Leitfragen instruktional unterstützt werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 4: Leitfragen für Lerntagebücher (Gurlitt/Nückles 2010, S. 45)
Denn: „Schreiben Lernende >>einfach drauflos<<, produzieren sie meist Einträge, die stark herkömmlichen Zusammenfassungen ähneln und Lerninhalte lediglich reproduzierend wiedergeben. Das freie Schreiben eines Lerntagebuchs zeigte bspw. in einer Studie von Bangert-Drowns/Hurley/Wilkonson (2004) nur geringe Lerneffekte. Wichtig sind deshalb instruktionale Anregungen beispielsweise in Form von Leitfragen.“ (Gurlitt/Nückles 2010, S. 45; vgl. hierzu auch Nückles/Hübner/Renkl 2009, S. 268 ff.) Mögliche Leitfragen, die in dieser Form unterstützend wirken können sind in Tabelle 4 dargestellt[8]. Wesentlich bei der Zusammenstellung der Leitfragen ist, dass alle drei Teilprozesse des selbstgesteuerten Lernens (siehe Kapitel 2.4.) durch entsprechende Leitfragen angeregt werden. (vgl. Gurlitt/Nückles 2010, S. 45). Eine Folgeuntersuchung von Nückles/Hübner/Dümer/Renkl (2010) zeigte zudem, dass die Leitfragen mit der Zunehmenden Erfahrung der/des Lernenden im Schreiben von Lerntagebüchern ausgeblendet werden sollten, da die Fragen zunehmend hinderlich als Korsett wirken können.
Bevor das Unterrichtsmodell im Detail beschrieben wird, soll eine kurze, einführende Übersicht vorab gegeben werden: Das Leitziel bei der Entwicklung des Unterrichtsmodells war es, ein Modell zu schaffen, das es Schüler/inne/n ermöglicht, sich in das Unterrichtsparadigma des Selbstgesteuerten Lernens wohlwollend einzufinden, unabhängig davon, ob sie bereits über die benötigten Lernkompetenzen verfügen, die für das Zurechtkommen in solchen Unterrichten notwendig sind. Dies geschah, indem zunächst im Sinne Grows (1991) eine Passung bzw. Harmonie zwischen der situativen Voraussetzung im Unterricht und den persönlichen Voraussetzungen der Schüler/innen ermöglicht wurde. Hierzu war es notwendig, die bisherigen Unterrichtserfahrungen der Schüler/innen zu erheben (siehe Kapitel 3.1.1), um eine ungefähre Einschätzung darüber zu erlangen, in welchen Unterrichtskonzepten die Schüler/innen bereits Erfahrungen sammeln konnten und wie gut sie vermutlich mit offenerem und selbstgesteuertem Unterricht zurechtkommen würden. An diese Erhebung orientiert, konnte dann die Unterrichtsreihe hinsichtlich des Aspekts der Selbststeuerung angelegt werden. Dabei wurde – von einer Passung zu Beginn der Unterrichtsreihe ausgehend – der Unterricht zunehmend selbstgesteuerter gestaltet (siehe Kapitel 3.2). Um die Schüler/innen in diesem Prozess nicht aus den Augen zu verlieren und im Sinne eines Monitorings den lernkompetenzbezogenen Professionalisierungsprozess der Schüler/innen zu begleiten, wurde parallel zum eigentlichen fachlichen Unterricht ein Lerntagebuch eingeführt, in welchem die Schüler/innen mit Hilfe von Leitfragen ihren Lernprozess 14 Wochen lang nach jeder Unterrichtseinheit reflektieren sollten (siehe Kapitel 3.4). Dabei eignete sich das Instrument des Lerntagebuches besonders, weil es auf der anderen Seite eine wichtige Voraussetzung auf Seiten der Schüler/innen weiter förderte: die Metakognition[9]. Um den Schüler/innen entwicklungsorientiert Ansatzpunkte für die inhaltliche Auseinandersetzung im Tagebuch zu geben und um selbst einen groben Eindruck der metakognitiven Fähigkeiten der Schüler/innen zu erlangen, füllten die Schüler/innen zu Beginn der Unterrichtsreihe einen Fragebogen zur Erfassung der metakognitiven Einstellungen (FEME) aus (siehe Kapitel 3.1.2). Die sich verändernde Unterrichtsgestaltung hin zu mehr Selbststeuerung auf Seiten der Schüler/innen erfolgte in einem 3-Phasen-Konzept (siehe unten). Dabei diente die erste Phase (4 Wochen) dazu, den Schüler/inne/n zunächst einen Einstieg in die Unterrichtsreihe zu ermöglichen und sie das Lerntagebuch auszuprobieren zu lassen. Auch sollte sich die Lerngruppe erst einmal zusammenfinden und akklimatisieren. Hier stand entsprechend die Passung der situativen und persönlichen Voraussetzungen im Vordergrund. In der darauffolgenden zweiten Phase (6 Wochen) wurde der Unterricht dann zunehmend selbstgesteuerter gestaltet. Dies geschah auf der einen Seite über eine Veränderung in der Gestaltung der Lernsituationen. Auf der anderen Seite wurden die Schüler/innen dazu eingeladen, so genannte „Nuggets“ nach und nach im Unterricht auszuprobieren und den Umgang mit ihnen und den Gewinn für den eigenen Lernprozess im Tagebuch zu reflektieren (siehe Kapitel 3.4). Die Nuggets sind im Einzelnen typische Instrumente zur Unterstützung der Schüler/innen in selbstgesteuerten Unterrichtskonzepten, wie bspw. Checkliste, Lerncoachinggespräche, Kompetenzraster oder SMARTy (siehe Kapitel 3.3)[10]. Zu Beginn dieser zweiten Phase wurde mit den Schüler/inne/n ein zweiter Test gemacht, der neben metakognitiven Aspekten auch kognitive Lernstrategien abprüft. Die Ergebnisse des Tests sollten den Schüler/inne/n dazu dienen, die Nuggets gezielt nach den eigenen Stärken und Schwächen einzusetzen. Zugleich gelang es mir mit Hilfe der Ergebnisse besser – über die Ergebnisse des FEME-Tests hinweg – die Lernkompetenz der Schüler/innen einzuordnen. In der dritten Phase (4 Wochen) wurde der Unterricht dann schließlich in einem hohen Grad selbstgesteuert angelegt. Zum Abschluss der dritten Phase wurde mit den Schüler/inne/n der zu Beginn der zweiten Phase bereits durchgeführte Lernstrategietest noch einmal durchgeführt (siehe Kapitel 3.5). Dieser diente dazu, die Schüler/innen noch einmal in eine Reflexion über die Veränderungen ihres Lernverhaltens zu bringen. Zugleich konnte so – wenn auch mit geringer Validität – der Nutzen des Unterrichtsmodells für die Entwicklung von Lernkompetenz beurteilt werden.
Dem Unterrichtsmodell wurde das Akronym TURN gegeben. Dies steht zum einen für die englischsprachige Bedeutung „Wende“ und zum anderen für die Anfangsbuchstaben der vier zentralen Elemente innerhalb des Modells, die in den folgenden Kapiteln ausführlich dargestellt werden:
- T est- und Fragebögen zur Diagnose der Lernkompetenz
- U nterrichtsmaterialien zur Gestaltung des Lernfeldunterrichts
- R eflexionsunterstützung durch das Lerntagebuch
- N uggets als Stützinstrumente für selbstgesteuertes Lernen
Das Unterrichtsmodell ist in Anhang 1 übersichtlich dargestellt.
Das Projekt wurde durchgeführt in einer nun 15köpfigen Klasse (14 Schülerinnen, 1 Schüler), die sich im ersten Jahr der Ausbildung zum/zur Medizinischen Angestellten befindet. Die Klasse zählte zunächst 13 Schüler/innen, wobei eine Schülerin im Verlauf der Unterrichtsreihe die Ausbildung abbrach und drei neue Schülerinnen der Klasse zuwuchsen. Zudem sind im letzten Drittel der Unterrichtsreihe zwei Schülerinnen längerfristig erkrankt, weswegen sich die nachfolgenden Ausführungen und Auswertung (bis auf die Ergebnisse der Eingangsdiagnostik) auf die aus neun Schülerinnen und einem Schüler bestehende Kernlerngruppe beziehen. Von den Schüler/inne/n haben zwei (J und E) einen qualifizierten Hautschulabschluss, sieben ( La, Sarah, F, Je, L, C, Ch) einen Realschulabschluss und eine Schülerin (I) die Fachhochschulreife als höchsten Schulabschluss. Die Schüler/innen sind zwischen 16 und 19 Jahre alt (Mittelwert: 17,9).
In den folgenden beiden Kapiteln werden die für das Unterrichtsmodell und den Schwerpunkt dieser Arbeit wichtigen Lerngruppencharakteristika beschrieben: Die bisherigen Unterrichtserfahrungen sowie die metakognitiven Einstellungen der Schüler/innen.
Eine Voraussetzung für Lernerfolg im Schulunterricht ist die Passung zwischen den situativen Voraussetzungen der geschaffenen Unterricht- bzw. Lernsituation und den persönlichen Voraussetzungen der Schüler/innen (siehe Kapitel 2.2). Um diese Passung herstellen zu können und den Unterricht zu Beginn der Unterrichtsreihe entsprechend gestalten zu können, wurde ein kurzer Fragebogen entwickelt, der es ermöglicht, die bisherigen Unterrichtserfahrungen der Schüler/innen grob auf einer Skala zwischen „fremdgesteuert“ (Bewertung mit 1) und „selbstgesteuert“ (Bewertung mit 4) einzuordnen. Hierzu wurden drei Erfahrungsbereiche gebildet: Die Lehrer/innen/rolle, die Schüler/innen/rolle und das Lernen an sich. Jeder Erfahrungsbereich beinhaltet auf dem Fragebogen mehrere Items. Jedes Item beschreibt in zwei Extremen (fremd- und selbstgesteuert) einen Erfahrungsaspekt. Bei der Beschreibung der Extremerfahrungen (Bewertung mit 1 oder 4) wurden die Erläuterungen Grows (1991, S. 130-136) zur Stufe T1 und T4 herangezogen (vgl. auch Kapitel 2.2). Die Ergebnisse der Befragung sind in Tabelle 5 festgehalten. Die Auswertung der Befragungsergebnisse lässt folgende Schlussfolgerungen zu:
I. Die Schüler/innen haben in ihrem bisherigen Schulunterricht durchaus Lehrer/innen erlebt, die als „Unterstützer“ oder „Moderator“ im Unterricht wirkten. Dennoch schwanken die Ergebnisse im Bereich der Lehrer/innen/rolle um den Mittelwert und zeigen nur zwei deutliche Ausprägungen hin zur Extremposition „selbstgesteuert“. Es ist davon auszugehen, dass die Schüler/innen in ihrem bisherigen Unterricht Lehrer/innen/verhalten des Typs T2 oder T3 erlebt haben.
II. Diese Ergebnisse korrespondieren mit der Wahrnehmung der eigenen Schüler/innen/rolle. Auch in diesem Bereich schwanken die Ergebnisse um den Mittelwert und es gibt lediglich vier Extrembewertungen über zwei Items. Es ließe sich schlussfolgern, dass die Schüler/innen ungefähr auf den Stufen L2 bzw. L3 einzuordnen sind.
III. Das Lernen an sich wurde von einigen Schüler/inne/n selbstgesteuert bewertet, betrachtet man die Extremausprägungen bei Item sieben und acht. Diese Bewertungen liegen etwas quer zu der Gesamtbewertung von Item sechs, in dem auf den Charakter eines typischen Stundenverlaufs abgezielt wird. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass einige Schüler/innen der Lerngruppe eigeninitiativ sich anbietende Möglichkeiten der Selbststeuerung auch in klassischen Schulunterrichten nutzen, wenngleich sie die bisher erlebten Stundenverläufe von außen betrachtet als eher fremdgesteuert erlebt bewerten. Auch hier könnte wie im Bereich der Lehrer/innen/rolle Typ 2 oder Typ 3 angesetzt werden.
[...]
[1] An dieser Stelle wird auf eine Erläuterung des Begriffs aus Platzgründen verzichtet und stattdessen auf die ausführlichere Darstellung in Kapitel 2.1 verwiesen.
[2] Grow unterscheidet vier Learner Stages (Lernertypen), die sich auf einem Kontinuum zwischen Fremdsteuerung und Selbststeuerung anordnen lassen. Auf der anderen Seite unterscheidet Grow vier Teacher Styles (Lehrer/innen/typen), die er zwischen den Eigenschaften autoritär und delegierend aufspannt. Eine ausführliche Darstellung erfolgt in Kapitel 2.2.
[3] Bzgl. des Zusammenspiels von Fremd- und Selbststeuerung vgl. auch Bastian/Merziger (2007, S. 8 f.)
[4] Es gibt gerade in jüngere Zeit eine Vielzahl verschiedener Definitionen „Selbstgesteuerten Lernens“. Dabei weichen auch die Begrifflichkeiten mehr oder weniger stark voneinander ab, weswegen die Definition für diese Arbeit über das Kontinuum hergeleitet wird, da so Inhalte nicht an wenige Begriffe gebunden sind. Der Versuch einer begrifflichen Systematisierung findet sich bei Ott/Rebbe/Schulte (2008, S. 225 f.). Ausführlicher zu einem Stufenmodell eigenverantwortlichen Lernens schreiben Büser (2003) und Hegmann (2006).
[5] Für weitere Phasenkonzepte siehe Büser (2003) und Hegmann (2006).
[6] Eine weiterführende und ausführliche Darstellung der motivationalen Voraussetzungen an sich findet sich in Konrad/Traub (1999, S. 30 ff.).
[7] Eine alternative sehr übersichtliche Taxonomie findet sich in Friedrich/Mandl (1997, S. 247 ff.).
[8] Weitere Leitfragen finden sich auch bei Scholz (2010, S. 52 f.).
[9] An dieser Stelle sei eine wichtige Bemerkung eingefügt: Mit Blick auf das zyklisch-interaktive Modell selbstgesteuerten Lernens (siehe Kapitel 2.4) sind neben den metakognitiven Fähigkeiten die kognitiven Lernstrategien von ebenso wichtiger Bedeutung für das gelingende selbstgesteuerte Lernen. Diese sind dennoch nicht Inhalt dieses Unterrichtsmodells, da die Klasse gemeinsam mit einer Kollegin bereits ein insgesamt viertägiges obligatorisches Lernstrategietraining absolviert hat.
[10] Im Wortlaut von Friedrich/Mandl (1997) handelt es sich bei diesem Konzept um ein Modell zur indirekten Förderung selbstgesteuerten Lernens.